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BGH - Entscheidung vom 26.04.2012

5 StR 82/12

BGH, Urteil vom 26.04.2012 - Aktenzeichen 5 StR 82/12

DRsp Nr. 2012/9729

Zweifel an der Täterschaft i.R.d. Beweiswürdigung bei Begehen eines vorgetäuschten Überfalls auf eine Spielhalle durch Einweihung der Spielhallenaufsicht in den Tatplan

1. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft oder einer strafbaren Beteiligung an einer Tat nicht zu überwinden vermag.2. Die revisionsrechtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt.

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. September 2011, soweit es die Angeklagte R. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e

Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf des schweren räuberischen Diebstahls aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Weil sie Geld zum Drogenerwerb benötigten, beschlossen die Mitangeklagte T. und Ku. , einen vorgetäuschten Überfall auf eine Spielhalle zu begehen. T. kannte die als Spielhallenaufsicht tätige Angeklagte R. , die in den Tatplan eingeweiht werden sollte. T. hatte Ku. , der die Tat mit der ungeladenen Schreckschusspistole ausführen sollte, schon früher über die ihr bekannten Alarmsysteme informiert. B. sollte während der Tatausführung im Fluchtfahrzeug verbleiben. T. betrat die Spielhalle, um die Angeklagte R. über ihr Vorhaben in Kenntnis zu setzen. Die Angeklagte 'wollte zunächst nicht mitmachen". Wie sie auf einen von T. versprochenen Beuteanteil reagierte, konnte 'nicht abschließend geklärt werden: Zwar hat sie sich nicht im eigenen Interesse an der Tat beteiligt und die Tat nicht als eigene gewollt. Offen ist aber, ob sie eingewilligt hat, den 'Überfall' einfach über sich ergehen zu lassen und damit eine fremde Tat zu fördern, oder ob sie sich gänzlich geweigert hat, den 'Überfall' zu dulden" (UA S. 30).

Nach diesem Gespräch verblieb T. 'noch einige Zeit" in der Spielhalle. Als sich gegen 5.30 Uhr in ihrem Spielhallenbereich kein weiterer Gast mehr aufhielt, informierte sie Ku. , der maskiert mit vorgehaltener Schreckschusspistole die Angeklagte aufforderte, das Geld aus der Kasse und dem Tresor - insgesamt 943 € - in eine Tasche zu packen. Die Angeklagte kam dem Verlangen Ku. s nach. Währenddessen verließ T. den Spielhallenbereich, ging in einen weiteren - abgetrennten - Bereich und erklärte gegenüber zwei Kunden, dass im anderen Spielhallenbereich gerade ein Überfall stattfinde. Als Ku. mit der Tatbeute die Spielhalle verließ, richtete er die Schreckschusspistole drohend auf die nunmehr in der Nähe des Eingangs wartenden Kunden, um sich den Besitz des Geldes zu sichern. Die Tatbeute wurde später unter den Mitangeklagten aufgeteilt; die Angeklagte R. war bei der Aufteilung des Geldes nicht anwesend und erhielt auch im Nachhinein keinen Anteil.

b) Die Jugendkammer hat zugunsten von T. , Ku. und B. angenommen, dass sie der Ansicht gewesen seien, die Angeklagte R. 'lasse den 'Überfall' einfach über sich ergehen". Zugunsten der Angeklagten nahm das Landgericht hingegen an, dass diese sich 'gänzlich geweigert habe, den 'Überfall' zu dulden".

Die Angeklagte R. habe sich dahingehend eingelassen, dass T. sie in der Spielhalle aufgesucht und ihr vorgeschlagen habe, bei einem von Ku. auszuführenden fingierten Überfall mitzumachen. Dies habe sie jedoch abgelehnt. T. habe daraufhin an einem Spielautomaten gespielt; plötzlich habe eine maskierte Person vor ihr gestanden, von der sie angenommen habe, sie sei Ku. . Die Person habe sie zur Kasse und zum Tresor dirigiert, wo sie ihr das Geld ausgehändigt habe. Von der Beute habe sie nichts erhalten; sie habe T. deswegen auch nicht angerufen oder zur Rede gestellt.

T. habe demgegenüber angegeben, die Angeklagte R. habe zunächst abgelehnt, bei dem Überfall mitzumachen. Nach Versprechen eines Beuteanteils habe die Angeklagte jedoch eingewilligt, den Überfall zu dulden. Einen Anteil an der Beute habe sie aber nicht erhalten; die Angeklagte R. habe sie auch nicht mehr auf den Überfall oder einen Beuteanteil angesprochen, als sie einige Zeit später nochmals in der Spielhalle gewesen sei.

Nach Bekundung Ku. s habe T. ihm und B. mitgeteilt, dass die Angeklagte R. gegen den fingierten Überfall keine Einwände habe.

c) Die Jugendkammer vermochte sich von der Einwilligung der Angeklagten nicht zu überzeugen. Dafür spreche zwar, dass diese nach der Tat weder T. noch einen anderen Beteiligten zur Rede gestellt habe. Ausweislich der Videoaufzeichnung sei sie während der Tatausführung 'ruhig vorgegangen" und habe noch danach 'ruhig" mit T. gesprochen. Von ihrer Gestik her habe sie nicht den Eindruck erweckt, unter Zwang zu handeln. Für die Sachverhaltsvariante, dass die Angeklagte sich gänzlich geweigert habe, an dem fingierten Überfall mitzuwirken, spreche aber, dass ihr im Tresorraum das Geld bei der Übergabe an Ku. heruntergefallen sei und dass sie - nach den Angaben eines unbeteiligten Zeugen - nach der Tat am ganzen Körper gezittert habe. Diese Nervosität deute auf ein Handeln unter Zwang hin. In der Gesamtschau komme keinem der 'vorerwähnten Beweismittel" ein solches Gewicht zu, dass sich eine der Sachverhaltsvarianten sicher feststellen lasse.

2. Die durch die Jugendkammer vorgenommene Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft oder einer strafbaren Beteiligung an einer Tat nicht zu überwinden vermag. Die revisionsrechtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, NJW 2006, 925 , 928, insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt, und vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401 ). Solche Rechtsfehler liegen hier vor.

b) Die eher dürftigen Erwägungen, mit denen das Landgericht den Nachweis einer Beteiligung der Angeklagten R. an der Tat der Mitangeklagten T. , Ku. und B. verneint hat, sind lückenhaft. Das Landgericht erörtert maßgebliche Umstände nicht, die für eine strafbare Beteiligung der Angeklagten sprechen.

aa) Es fehlt bereits an einer Darstellung, wie es zur Aufklärung der Tat gekommen ist. Den Urteilsgründen ist in ihrer Gesamtheit zu entnehmen, dass die Tat zunächst unaufgeklärt blieb. Warum die Angeklagte, wenn sie mit einem fingierten Überfall nicht einverstanden war, gegenüber den hinzugerufenen Polizeibeamten die Täterschaft der ihr bekannten Täter T. und Ku. nicht sogleich offenbarte, bleibt unerörtert. Auch werden der Inhalt und die Entwicklung ihrer Aussage nach Aufdeckung der Tatbeteiligung der Mitangeklagten nicht wiedergegeben.

bb) Darüber hinaus schweigen die Urteilsgründe dazu, warum die Angeklagte, wenn sie nicht beteiligt war, während der Tatausführung nicht den vorhandenen Alarm auslöste. Wie sich die Angeklagte insoweit eingelassen hat, wird nicht mitgeteilt. Unerörtert bleibt auch, warum T. sich in der zugunsten der Angeklagten angenommenen Variante weiter auf den Überfall einließ, wenn sie damit rechnen musste, dass die eine Mitwirkung an dem fingierten Überfall verweigernde Angeklagte den Alarm auslösen könnte. Ebenso wenig erwägt das Landgericht, warum T. - bei einer solch veränderten Sachlage - kurz vor der Tatausführung Ku. nicht informiert oder ihm gar - nach dessen Einlassung - wahrheitswidrig mitgeteilt haben sollte, dass die Angeklagte gegen den Tatplan keine Einwände habe, wenn das Gegenteil der Fall war. Es hätte sich geradezu aufgedrängt, dass T. für diesen Fall den die Tat unmittelbar ausführenden Ku. von der eingetretenen Komplikation in Kenntnis setzte.

3. Das Tatgeschehen bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist die Sache, da sie nur noch eine erwachsene Angeklagte betrifft, an eine allgemeine Strafkammer zurück.

- Von Rechts wegen -

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 25.04.2012