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BGH - Entscheidung vom 25.09.2012

VI ZR 230/11

Normen:
ZPO § 184 Abs. 1 S. 2
ZPO § 341 Abs. 1 S. 2

BGH, Urteil vom 25.09.2012 - Aktenzeichen VI ZR 230/11

DRsp Nr. 2012/20667

Wirksamkeit der Zustellung im Ausland durch Aufgabe zur Post

1. Die Regelung des § 184 Abs. 2 S. 1 ZPO verletzt nicht Verfahrensgrundrechte der Beteiligten und verstößt nicht gegen höherrangeiges Recht oder Art. 6 Abs. EMRK .2. Die Anordnung der Benennung eines inländischen Zustellungbevollmächtigten kann wirksam durch den Vorsitzenden der Zivilkammer getroffen werden.3. Die für den Eintritt der Zustellungsfiktion erforderliche Aufgabe zur Post unter der Anschrift der Partei ist durch den Zustellungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bewiesen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Juli 2011 wird auf Kosten der Beklagten zu 1 zurückgewiesen.

Normenkette:

ZPO § 184 Abs. 1 S. 2; ZPO § 341 Abs. 1 S. 2;

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1 (künftig: Beklagte) und dem Beklagten zu 2, gegen den das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, als Gesamtschuldner Schadensersatz wegen einer Kapitalanlage.

Nach Eingang der Klage hat der Vorsitzende der mit der Sache befassten Zivilkammer des Landgerichts in Zusammenhang mit der Zustellung nach § 183 ZPO durch Verfügung vom 28. Oktober 2009 angeordnet, dass der Beklagten im Hinblick auf das angeordnete schriftliche Vorverfahren eine Notfrist von zwei Wochen zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft gesetzt werde und dass sie innerhalb von zwei Wochen gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen im Inland ansässigen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen habe. Auf die anderenfalls eintretenden rechtlichen Folgen der Zustellung von Schriftstücken durch Aufgabe zur Post unter der Anschrift der Beklagten hat der Vorsitzende hingewiesen. Diese Verfügung und die Klageschrift sind der Beklagten am 5. April 2010 nach Maßgabe des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15. November 1965 (BGBl. 1977 II S. 1452, 1453; im Folgenden HZÜ) zugestellt worden. Nach dem Ablauf der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft hat das Landgericht die Sache auf den Einzelrichter übertragen. Dieser hat die Beklagte am 10. Mai 2010 durch Versäumnisurteil antragsgemäß verurteilt und die Einspruchsfrist auf drei Wochen festgesetzt. Das Urteil ist nach dem Vermerk der Urkundsbeamtin am 12. Mai 2010 unter der Anschrift der Beklagten zur Post aufgegeben worden. Auf Antrag des Klägers ist das Versäumnisurteil am 29. November 2010 der Beklagten erneut förmlich nach Maßgabe des HZÜ zugestellt worden. Am 17. Dezember 2010 hat die Beklagte Einspruch dagegen eingelegt. Mit Urteil vom 11. Januar 2011 hat das Landgericht den Einspruch als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte, das Berufungsurteil und das Urteil des Landgerichts vom 11. Januar 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Landgericht habe den Einspruch gegen das Versäumnisurteil zu Recht gemäß § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil er nicht rechtzeitig eingelegt worden sei.

Nach § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO gelte das Versäumnisurteil zwei Wochen nach der am 12. Mai 2010 erfolgten Aufgabe zur Post, mithin am 26. Mai 2010, als zugestellt. Daher sei die auf drei Wochen festgesetzte Einspruchsfrist bereits am 16. Juni 2010 abgelaufen. Die Regelungen in § 184 ZPO seien weder verfassungswidrig noch verletze ihre Anwendung das HZÜ. Sowohl die Klageschrift als auch die vom Vorsitzenden getroffene Anordnung zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten nach § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO seien ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Beklagte habe danach mit Zustellungen durch Aufgabe zur Post im weiteren Verfahren rechnen müssen. Sie hätte eine rechtzeitige Kenntnisnahme von beschwerenden Entscheidungen und Rechtsbehelfsmöglichkeiten sicherstellen können.

Die Anordnung nach § 184 ZPO erfordere nicht zwingend die Form eines Gerichtsbeschlusses. Es genüge die Anordnung des Vorsitzenden. Das Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001 (BGBl. I S. 1206), durch das § 184 ZPO an die Stelle des § 174 Abs. 1 ZPO a.F. getreten ist, habe lediglich die in § 20 Nr. 7 RPflG vorgesehene Zuständigkeitsübertragung auf den Rechtspfleger aufgehoben; ein Wille des Gesetzgebers, den gesamten Spruchkörper mit der Entscheidung zu befassen, lasse die Gesetzesbegründung hingegen nicht erkennen. Da der Vorsitzende auch sonst Zustellungen alleine anordne, sei nicht ersichtlich, warum gerade in Fällen des § 184 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Spruchkörper entscheiden müsse. Auch wenn die Anordnung mangels einer Begründung der Ermessensausübung fehlerhaft wäre, sei sie deswegen jedenfalls nicht nichtig.

Aus der Verfügung der Geschäftsstelle vom 10. Mai 2010 und dem Vermerk des Justizwachtmeisters vom 12. Mai 2010, bestätigt durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ergebe sich, dass das Versäumnisurteil zwecks Übersendung an die Beklagte am 12. Mai 2010 zur Post aufgegeben worden sei. Der nachgeholte Vermerk nach § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO heile den zunächst bestehenden Mangel der Beurkundung, der von der Beklagten gerügt worden sei. Dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Vermerk unter dem Datum der Aufgabe zur Post aufgenommen habe, obwohl dieser erst nach Einlegung der Berufung durch das Berufungsgericht veranlasst worden sei, mache die Beurkundung nicht unwirksam. Erkenntnisgrundlage für die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle sei der Aktenvermerk des Leiters der Wachtmeisterei über die Übergabe des Schriftstückes an das zuständige Postunternehmen. Der Urkundsbeamte müsse nicht selbst das Schriftstück an die Post übergeben. Er dürfe sich angesichts des Massengeschäfts der Zustellung durch Aufgabe zur Post auf die Erklärung des zuständigen Justizwachtmeisters in Form eines Aktenvermerks genauso verlassen wie auf eigene Wahrnehmungen. Bis zur Zustellung durch Aufgabe zur Post habe sich weder ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter noch ein Prozessbevollmächtigter für die Beklagte bestellt.

Die auf Antrag des Klägers erfolgte nochmalige Zustellung des Versäumnisurteils am 29. November 2011 habe die bereits verstrichene Einspruchsfrist nicht erneut in Lauf setzen können. Durch eine wiederholte Zustellung könne ein bereits rechtskräftiges Urteil seine formelle Rechtskraft nicht verlieren. Daran ändere die Rechtsmittelbelehrung nichts, mit der das Versäumnisurteil bei der förmlichen Zustellung versehen gewesen sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, weil bei der Frage des Verschuldens zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte aufgrund der Zustellung der Klageschrift und der Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, Kenntnis davon gehabt habe, dass Zustellungen künftig zu erwarten seien.

Der unzulässige Einspruch sei nach § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO ohne Sachprüfung und ohne Prüfung des ordnungsgemäßen Zustandekommens des mit dem Einspruch angefochtenen Versäumnisurteils zu verwerfen. Auf die von der Beklagten erhobene Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit komme es nicht weiter an.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

1.

Das Landgericht hatte auf den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil gemäß § 341 Abs. 1 Satz 1 ZPO zunächst nur zu prüfen, ob der Einspruch an sich statthaft und in der ordnungsgemäßen Form und Frist eingelegt worden ist. Da die Beklagte die Einspruchsfrist nicht gewahrt hat, musste der Einspruch gemäß § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO ohne Sachprüfung und ohne Rücksicht auf das ordnungsgemäße Zustandekommen des Versäumnisurteils verworfen werden (BGH, Beschluss vom 5. März 2007 - II ZB 4/06, NJW-RR 2007, 1363 Rn. 9 ff.; Saenger/Pukall, ZPO , 4. Aufl., § 341 Rn. 1).

Der beschränkte Prüfungsumfang schmälert nicht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör und auf wirkungsvollen Rechtsschutz in rechtswidriger Weise (vgl. zur Einspruchsfrist in Verfahren vor dem Arbeitsgericht BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 1974 - 2 BvL 9/73, BVerfGE 36, 298 , 301 ff.). Er beruht auf dem die rechtliche Ausgestaltung des Versäumnisverfahrens prägenden Gedanken, im Interesse der Prozessbeschleunigung eine - auch durch ein fehlerhaftes - Versäumnisurteil gewarnte Partei zu besonders sorgfältiger Prozessführung anzuhalten. Die mit dem Einspruchsverfahren verbundenen allgemeinen Erschwernisse für die Inanspruchnahme des rechtlichen Gehörs, die sich aus der Einhaltung der Einspruchsfrist ergeben, treffen die im Ausland ansässige Partei - wie die Beklagte - grundsätzlich nicht schärfer als die im Inland ansässige Partei. Auch die inländische Partei ist an die Einspruchsfrist gebunden. Ist - wie hier - die Klageschrift als verfahrenseinleitendes Schriftstück der beklagten Partei ordnungsgemäß zugestellt und die in § 184 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorgesehene Belehrung erteilt worden, erfordert die Situation der im Ausland ansässigen Beklagten keinen weitergehenden Rechtsschutz. Das mit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks entstehende Prozessrechtsverhältnis begründet eine Prozessförderungspflicht auch des Prozessgegners, die es im Interesse der klagenden Partei an einem effektiven Rechtsschutz rechtfertigt, der im Ausland ansässigen Partei aufzuerlegen, eine inländische Zustellungsmöglichkeit zu schaffen. Die Wirksamkeit der Verpflichtung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, hängt allerdings von der wirksamen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ab (vgl. Senatsurteil vom 10. November 1998 - VI ZR 243/97, VersR 1999, 510 , 511; OLG Stuttgart, Urteil vom 26. September 2011 - 5 U 166/10, [...] Rn. 31; Zöller/Geimer, ZPO , 29. Aufl., § 183 Rn. 81). Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes wird durch eine Inlandszustellung durch Aufgabe zur Post der Verfahrensverzögerung infolge den Verfahrensgang hemmender Zustellungen im Ausland entgegengesteuert. Aufgrund des Hinweises auf die Folgen der Nichtbenennung eines Zustellungsbevollmächtigten ist der Adressat, dem Schriftstücke gemäß § 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Aufgabe zur Post zugestellt werden, hinreichend über die rechtlichen Folgen unterrichtet.

2.

Die Regelung des § 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO , die eine Zustellung durch Aufgabe zur Post unter der Anschrift des außerhalb des Bundesgebiets und außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ("Zustellung von Schriftstücken") und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 (ABl. 2007 L 327, S. 79; im Folgenden: EuZVO) ansässigen Zustellungsadressaten erlaubt, ist im Streitfall weder durch völkerrechtliche Vereinbarungen ausgeschlossen noch verletzt sie Verfahrensgrundrechte der Beklagten oder verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK . Rechtlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Zustellung des Versäumnisurteils im Inland durch Aufgabe zur Post für wirksam erachtet hat, obwohl der Vorsitzende und nicht der Spruchkörper der zuständigen Zivilkammer, die Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, getroffen hat. Zur Frage, auf deren Klärungsbedürftigkeit die Zulassung der Revision gestützt worden ist, ob der Vorsitzende der zuständigen Kammer oder der Spruchkörper die Anordnung nach § 184 Abs. 1 ZPO zu treffen habe, hat sich der erkennende Senat zwischenzeitlich in mehreren Urteilen gegen die Beklagte umfassend geäußert (vgl. Urteile vom 26. Juni 2012 - VI ZR 241/11, WM 2012, 1499; vom 3. Juli 2012 - VI ZR 227/11 und - VI ZR 239/11 sowie vom 17. Juli 2012 - VI ZR 222/11, - VI ZR 226/11 und - VI ZR 288/11). Insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen in den Urteilsgründen (so - VI ZR 226/11, [...] Rn. 14 bis 27 und - VI ZR 288/11, [...] Rn. 18 bis 27, vom 18. September 2012 - VI ZR 223/11) zur Vermeidung gleichlautender Wiederholungen Bezug genommen.

3.

Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass das Versäumnisurteil gemäß § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO als am 26. Mai 2010 zugestellt gilt. Die für den Eintritt der Zustellungsfiktion erforderliche Aufgabe zur Post unter der Anschrift der Partei ist durch den Zustellungsvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bewiesen. Der Zustellungsvermerk nach § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO , in dem die Zeit und die Anschrift, unter der das Schriftstück zur Post gegeben wurde, zu vermerken ist, ersetzt die Zustellungsurkunde gemäß § 182 ZPO (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2001 - V ZB 20/01, VersR 2003, 345 ). Ebenso wie die Zustellungsurkunde (vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 15) ist der Vermerk aber keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung, sondern dient lediglich deren Nachweis (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 26. September 2011 - 5 U 166/10, [...] Rn. 54; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO , 3. Aufl., § 184 Rn. 45; Roth in Stein/Jonas, ZPO , 22. Aufl., § 184 Rn. 17; Zöller/Stöber, ZPO , 29. Aufl., § 184 Rn. 9). Der Urkundsbeamte muss das Schriftstück nicht selbst zur Post aufgeben; es reicht aus, wenn er aufgrund einer Erklärung des Justizwachtmeisters oder eines sonstigen Gehilfen, der das Schriftstück zur Post aufgegeben hat, das Datum der Aufgabe und die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks beurkundet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1953 - IV ZR 180/52, BGHZ 8, 314, 315; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO , 3. Aufl., § 184 Rn. 47; Roth in Stein/Jonas, ZPO , 22. Aufl., § 184 Rn. 18). Er darf den Vermerk nachträglich anfertigen, sofern er die Verantwortung für die Richtigkeit übernimmt. Unerheblich ist, ob zwischenzeitlich ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, dessen Erfolg durch den Vermerk berührt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 1982 - III ZB 23/82, VersR 1983, 60; vom 24. Juli 2000 - II ZB 20/99, VersR 2001, 1050 ; MünchKommZPO/Häublein, 3. Aufl., § 184 Rn. 14; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO , 3. Aufl., § 184 Rn. 49; Roth in Stein/Jonas, ZPO , 22. Aufl., § 184 Rn. 18; Zöller/Stöber, ZPO , 29. Aufl., § 184 Rn. 12). Auch der Ablauf einer Fünf-Monatsfrist setzt der Nachholung entgegen der Auffassung der Revision keine zeitliche Grenze (vgl. zu Unterschriftsnachholung des Richters BGH, Urteil vom 27. Januar 2006 - V ZR 243/04, NJW 2006, 1861 Rn. 14). Der Fall der Anfertigung eines Vermerks, für dessen Inhalt sich der Urkundsbeamte auf aktenmäßig niedergelegte tatsächliche Umstände stützt, ist nicht vergleichbar mit dem durch die richterliche Unterschrift gedeckten Inhalt von Urteilsgründen.

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Tatsache der Aufgabe zur Post, an welche die Zustellungsfiktion geknüpft ist, durch den nachgeholten Vermerk der Urkundsbeamtin erwiesen. Die Nachholung der Beurkundung der Zustellung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist unter den gegebenen Umständen rechtlich unbedenklich. Diese hat durch schriftliche Verfügung vom 10. Mai 2010 die Ausfertigung des Urteils an den/die Leiter/in der Wachtmeisterei zum Zwecke der Zustellung durch Aufgabe zur Post zugeleitet. Der beauftragte Justizwachtmeister hat am 12. Mai 2010 die Sendung bei dem zuständigen Postunternehmen zum Zwecke der Zustellung aufgegeben und diesen Umstand in einem schriftlichen Vermerk vom gleichen Tag bestätigt. Er hat allerdings irrigerweise an Stelle der hierfür zuständigen Urkundsbeamtin auch den Beurkundungsvermerk vom 12. Mai 2010 unterzeichnet. Auf der Grundlage der aktenmäßigen Niederlegung des Gangs der Zustellung konnte die Urkundsbeamtin den Beurkundungsvermerk nachholen. Dass die Urkundsbeamtin den Vermerk unter dem Datum des 12. Mai 2010 nachgeholt hat, berührt dessen Beweiskraft nicht, weil der Vermerk nicht datiert zu sein braucht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1982 - III ZB 23/82, VersR 1983, 60; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO , 3. Aufl., § 184 Rn. 46; Roth in Stein/Jonas, ZPO , 22. Aufl., § 184 Rn. 18). Mit der Beurkundung hat die Urkundsbeamtin die Verantwortung für die Erklärung übernommen, dass eine Ausfertigung des Versäumnisurteils am 12. Mai 2010 unter der Anschrift der Beklagten zur Post aufgegeben worden ist. Ein grundsätzlich möglicher Gegenbeweis (vgl. § 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 Abs. 2 ZPO ) ist nicht geführt worden.

4.

Die erneute förmliche Zustellung am 29. November 2010 vermag die bereits im Juni 2010 eingetretene Rechtskraft des Versäumnisurteils nicht zu durchbrechen. Die Anordnung der erneuten Zustellung lässt die Wirkung der zuvor erfolgten Zustellung gemäß § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO unberührt; sie setzt eine Frist nicht nochmals in Lauf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2005 - IX ZB 147/01, NJW-RR 2006, 563 , 564; vom 20. November 2006 - NotZ 35/06, [...] Rn. 7; Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 27/09, NJW 2011, 522 Rn. 20; OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. Mai 2011 - 5 W 8/11, NJW-RR 2011, 1631, 1632; OLG Hamm, Urteile vom 10. August 2011 - I-8 U 3/11, [...] Rn. 40 und - 8 U 31/11, NJW-RR 2012, 62, 64).

5.

Der Beklagten ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren. Sie hat keine die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vorgetragen. Solche sind auch nicht in der Weise offenkundig, dass von Amts wegen Wiedereinsetzung gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO gewährt werden müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - XII ZB 334/10, NJW-RR 2011, 568 Rn. 6 f.).

Zwar kann grundsätzlich ein die Wiedereinsetzung hinderndes Verschulden nicht bereits aus dem Verstoß gegen die Anordnung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, hergeleitet werden (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2000 - II ZB 20/99, VersR 2001, 1050 ). Mit dem im Rechtsstaatsgebot wurzelnden Grundsatz des fairen Verfahrens wäre es unvereinbar, einer im Ausland wohnenden Partei, die ein nach § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO als zugestellt geltendes Versäumnisurteil wegen Verlustes auf dem Postweg überhaupt nicht erhält, den Rechtsbehelf des Einspruchs endgültig allein deshalb abzuschneiden, weil sie keinen Zustellungsbevollmächtigten benannt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2000 - II ZB 20/99, aaO; Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO , 3. Aufl., § 233 Rn. 40). So liegt der Fall allerdings hier nicht.

Die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet zum einen mangels eines Wiedereinsetzungsantrags aus, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten stets die Auffassung vertreten hat, die Zustellung durch Aufgabe zur Post sei aus Rechtsgründen unwirksam und der Einspruch rechtzeitig eingelegt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 1952 - III ZB 13/52, BGHZ 7, 194, 198). Die Regelung in § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO erfordert außerdem, dass alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung erforderlich sind, innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen werden (Senatsbeschlüsse vom 29. Januar 2002 - VI ZB 28/01, [...] Rn. 4; vom 13. November 2007 - VI ZB 19/07, [...] Rn. 6; BGH, Beschluss vom 19. April 2011 - XI ZB 4/10, NJW-RR 2011, 1284 Rn. 7). Vortrag der Beklagten dazu, dass sie das zur Post aufgegebene Versäumnisurteil nicht erhalten hätte, zeigt die Revision nicht auf.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 25. September 2012

Vorinstanz: LG Köln, vom 11.01.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 22 O 513/09
Vorinstanz: OLG Köln, vom 05.07.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 18 U 36/11