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BGH - Entscheidung vom 08.05.2012

VIII ZB 91/11

Normen:
GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
ZPO § 568 S. 2
ZPO § 91a Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 08.05.2012 - Aktenzeichen VIII ZB 91/11

DRsp Nr. 2012/10157

Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters bei Entscheidung über die Zulassung einer Rechtsbeschwerde durch einen Einzelrichter

1. Eine Rechtsbeschwerde ist statthaft, wenn das Landgericht diese zugelassen hat. Darauf, ob das Beschwerdegericht die Voraussetzungen des § 574 II ZPO zutreffend beurteilt hat, kommt es hierbei nicht an. Auch der Umstand, dass die Zulassungsentscheidung gesetzeswidrig durch den Einzelrichter erfolgt ist, ändert an der Wirksamkeit der Zulassung nichts. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, wenn der angefochtene Beschluss bereits deshalb der Aufhebung unterliegt, weil er unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters ergangen ist. Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde obliegt nicht dem Einzelrichter, sondern dem Kollegium. 3. Hinweis des Senats: Gegen eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO darf die Rechtsbeschwerde nicht aus materiellrechtlichen Gründen zugelassen werden, da es nicht Zweck des Kostenverfahrens ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des materiellen Rechts geht.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 1. September 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: bis 900 €

Normenkette:

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; ZPO § 568 S. 2; ZPO § 91a Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat nach übereinstimmender Erledigterklärung eines Mietrechtsstreits den Klägern gemäß § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Das Landgericht hat mit Beschluss des Einzelrichters vom 1. September 2011 die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Kläger zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist statthaft. Die Entscheidung des Landgerichts, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist für den Senat bindend (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO ). Darauf, ob das Beschwerdegericht die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zutreffend beurteilt hat, kommt es hierbei nicht an (Senatsbeschluss vom 22. November 2011 - VIII ZB 81/11, NJW-RR 2012, 125 Rn. 8). Auch der Umstand, dass die Zulassungsentscheidung durch den Einzelrichter unter Missachtung des Verfahrens nach § 568 Satz 2 ZPO (Übertragung auf die mit drei Mitgliedern besetzte Kammer) erfolgt ist, ändert an der Wirksamkeit der Zulassung nichts (Senatsbeschluss vom 22. November 2011 - VIII ZB 81/11, aaO).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss unterliegt - wie die Kläger zu Recht geltend machen - bereits deshalb der Aufhebung, weil er unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ) ergangen ist. Denn nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde - wie sich aus § 568 Satz 2 ZPO ergibt - nicht dem Einzelrichter, sondern dem Kollegium (BGH, Beschluss vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, BGHZ 154, 200 , 202 f.; Senatsbeschluss vom 22. November 2011 - VIII ZB 81/11, aaO; BGH, Beschluss vom 24. November 2011 - VII ZB 33/11, WM 2012, 140 Rn. 9 f.; jeweils mwN). An dieser Rechtsprechung ist trotz der von der Rechtsbeschwerdeerwiderung hiergegen geäußerten Bedenken, die bereits von der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erwogen und nicht für durchgreifend erachtet wurden, festzuhalten. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

3. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Beschwerdegericht - Einzelrichter - zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

Im Streitfall ist, nachdem die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, nur noch gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Dabei ist es - auch im Rechtsbeschwerdeverfahren - nicht Zweck einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO , Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2008 - VIII ZB 28/08, NJW-RR 2009, 422 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2008 - XI ZB 24/07, NJW-RR 2009, 425 Rn. 9; jeweils mwN). Gegen eine Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO darf die Rechtsbeschwerde daher nicht aus materiellrechtlichen Gründen zugelassen werden, da es nicht Zweck des Kostenverfahrens ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des materiellen Rechts geht (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2008 - XI ZB 24/07, aaO).

Vorinstanz: AG Bergisch Gladbach, vom 01.06.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 67 C 230/10
Vorinstanz: LG Köln, vom 01.09.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 9 T 96/11