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BGH - Entscheidung vom 10.05.2012

V ZR 215/11

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 10.05.2012 - Aktenzeichen V ZR 215/11

DRsp Nr. 2012/13699

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots im Zusammenhang mit einem Streit über Einsturzgefahr auf Grund von Hausschwamm

Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. Übergeht das Gericht daraufhin das Beweisangebot der Partei, verstößt es gegen Art. 103 Abs. 1 GG .

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 25. August 2011 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 25.000 €.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Parteien sind jeweils Eigentümer aneinander grenzender Doppelhaushälften. Anlässlich von der Stadt geplanter Straßenbauarbeiten wurde die Doppelhaushälfte der Beklagten im April 2007 auf ihren baulichen Zustand untersucht. Ein Sachverständiger stellte den teilweisen Befall mit echtem Hausschwamm und die daraus resultierende Gefahr des Einsturzes des gesamten Gebäudes fest. Die mit den Straßenbauarbeiten beauftragte Firma ließ daraufhin Sicherungsmaßnahmen an der Doppelhaushälfte der Beklagten zur Vermeidung der Einsturzgefahr vornehmen.

Auf die Klage der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte im Wege eines Versäumnisurteils verurteilt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um die Gefahr der Beschädigung der klägerischen Doppelhaushälfte durch einen Einsturz der Doppelhaushälfte der Beklagten abzuwenden. Nach dem Einspruch der Beklagten, hat das Landgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Hausschwammbefalls und der Einsturzgefährdung des Gebäudes angeordnet. Zu einer Erhebung des Beweises ist es nicht gekommen, weil die Beklagte bei dem Ortstermin nicht anwesend war und der Sachverständige die unbewohnte Doppelhaushälfte nicht eigenmächtig betreten wollte. Da das Landgericht darin eine Beweisvereitelung durch die Beklagte gesehen hat, hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Nachdem der Senat diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen hatte, hat es die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde möchte die Beklagte die Klageabweisung erreichen.

II.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht fest, dass die Doppelhaushälfte der Beklagten einsturzgefährdet ist. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es nicht bedurft. Denn zwischen den Parteien sei unstreitig, dass im April 2007 eine gravierende Einsturzgefährdung, bedingt durch echten Hausschwamm, bestanden habe. Zwar behaupte die Beklagte, dass die Standfestigkeit ihrer Doppelhaushälfte aufgrund der von der Straßenbaufirma in Auftrag gegebenen Sicherungsmaßnahmen jetzt nicht mehr beeinträchtigt sei. Die für diese Behauptung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe jedoch versäumt darzustellen, welche Arbeiten konkret veranlasst worden seien; insbesondere lasse sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen, dass geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung des Hausschwammbefalls ergriffen worden wären. Bloße Stützmaßnahmen zur Sicherung der Durchführung von Straßenbauarbeiten seien ersichtlich nicht geeignet gewesen, die Standfestigkeit der Doppelhaushälfte der Beklagten nachhaltig und dauerhaft zu gewährleisten.

III.

Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

1.

Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt zwar nicht darin, dass das Berufungsgericht annimmt, es sei unstreitig, dass die Doppelhaushälfte der Beklagten im April 2007 mit echtem Hausschwamm befallen war. Zutreffend weist es darauf hin, dass die Beklagte die Ausführungen der Klägerin, soweit sie sich die Feststellungen des von der Straßenbaufirma beauftragten Gutachters hinsichtlich des Schwammbefalls zu Eigen gemacht hat, nicht bestritten hat. Im Übrigen hat die Beklagte im Schriftsatz vom 16. August 2011 den Schwammbefall ausdrücklich als unstreitig bezeichnet.

2.

Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber den von der Beklagten angebotenen Beweis zu ihrer Behauptung, der Anspruch der Klägerin auf Sicherung des Gebäudes gem. §§ 908 , 836 BGB sei erfüllt, nicht erhoben.

a)

Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG , wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, NJW 2003, 1655 ). Das ist unter anderem der Fall, wenn ein Gericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs missachtet, wonach die Ablehnung eines Beweises für eine erhebliche Tatsache nur zulässig ist, wenn diese so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder wenn sie ins Blaue hinein aufgestellt worden ist (Senat, Beschluss vom 12. Juni 2008 V ZR 222/07, [...] Rn. 5).

b)

So liegt es hier. Das Berufungsgericht hätte den von der insoweit beweisbelasteten (vgl. nur PWW/Lemke, BGB , 6. Aufl., § 908 Rn. 23; Münch-Komm-BGB/Säcker, 5. Aufl., § 908 Rn. 8) Beklagten angebotenen Beweis über deren Behauptung erheben müssen, die von der Firma S. Bau gemäß Angebot vom 11. April 2007 durchgeführten Sicherungsarbeiten seien nicht lediglich provisorischer Natur gewesen, sondern hätten zu einer vollständigen Sicherung des Gebäudes vor einem Einsturz geführt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. Juni 2008 V ZR 222/07, [...] Rn. 6, mwN). Das trifft auf die unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten zu. Erweist sich ihr Vortrag, dass die Gefahr eines Gebäudeeinsturzes aufgrund der durchgeführten Sicherungsmaßnahmen nicht mehr bestehe und damit Erfüllung eingetreten sei, als zutreffend, steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch aus § 908 BGB auf Ergreifung von Maßnahmen zur Abwendung der Einsturzgefahr nicht zu.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Einwand der Erfüllung nicht hinreichend substantiiert dargelegt, beruht auf einer unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung. Entgegen der unter Beweis gestellten Behauptung der Beklagten, die Arbeiten hätten zu einer vollständigen Sicherung des Gebäudes geführt, unterstellt das Berufungsgericht, dass es sich nur um provisorische Stützmaßnahmen zur Sicherung der Durchführung der Straßenbauarbeiten gehandelt habe, die ersichtlich nicht geeignet gewesen seien, die Standfestigkeit der Doppelhaushälfte der Beklagten nachhaltig und dauerhaft zu gewährleisten. Für diese Annahme fehlt es an einer tragfähigen Grundlage. Zwar stützt sich das Berufungsgericht bei seinen Ausführungen über die erforderlichen Maßnahmen zur fachgerechten Beseitigung von Hausschwamm auf das von der Klägerin vorgelegte Gutachten. Dabei übersieht es jedoch, dass es sich hierbei nicht um einen Sachverständigenbeweis, sondern lediglich um Parteivorbringen handelt.

Mit der Forderung, die Beklagte müsse darlegen, dass und in welcher Weise sie den Hausschwamm beseitigt habe, verkennt das Berufungsgericht außerdem, dass der Klägerin nach § 908 BGB nicht ein Anspruch auf Durchführung bestimmter Maßnahmen zusteht, sondern darauf, dass die Beklagte die zur Abwendung der Einsturzgefahr erforderlichen Vorkehrungen trifft. Welche Maßnahmen dafür ergriffen werden müssen, entscheidet der Verpflichtete (PWW/Lemke, BGB , 6. Aufl., § 908 Rn. 18; MünchKomm-BGB/Säcker, 5. Aufl., § 908 Rn. 5). Mit der Behauptung, dass die von der Firma S. Bau durchgeführten Sicherungsarbeiten zu einer vollständigen Sicherung des Gebäudes vor einem Einsturz geführt haben, hat die Beklagte ihre Darlegungspflicht erfüllt. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob sich die Behauptung der Beklagten tatsächlich bestätigt. Das kann nur im Wege der beantragten Beweisaufnahme geklärt werden.

Vorinstanz: LG Stralsund, vom 15.12.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 7 O 58/08
Vorinstanz: OLG Rostock, vom 25.08.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 17/10