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BGH - Entscheidung vom 19.06.2012

3 StR 124/12

Normen:
StPO § 357
StGB § 249

Fundstellen:
NStZ-RR 2015, 167

BGH, Beschluss vom 19.06.2012 - Aktenzeichen 3 StR 124/12

DRsp Nr. 2012/15693

Ununterbrochene Weiterverfolgung eines gemeinsamen Plans zur gewaltsamen Erlangung von Geld und Drogen bei Aufsuchen einer anderen Wohnung nach ergebnisloser Suche in der ersten Wohnung

Tenor

1.

Auf die Revisionen der Angeklagten A. und P. wird das Urteil der auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 8. Dezember 2011, auch soweit es den Mitangeklagten K. betrifft,

a)

im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten wegen ihres Verhaltens am Abend des 19. April 2011 zum Nachteil der Zeugen S. und F. schuldig sind des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln;

b)

mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Ausspruch

aa) über die deswegen gegen den Angeklagten A. verhängten Einzelstrafen von drei Jahren und sechs Monaten sowie zwei Jahren und sechs Monaten und über die gegen ihn ausgesprochene Gesamtstrafe,

bb)

über die deswegen gegen den Angeklagten K. verhängten Einzelstrafen von drei Jahren und drei Monaten sowie zwei Jahren und drei Monaten und über die gegen ihn ausgesprochene Gesamtstrafe,

cc)

über die gegen den Angeklagten P. verhängte Einheitsjugendstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten A. und P. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Normenkette:

StPO § 357 ; StGB § 249 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen versuchten schweren Raubes, schweren Raubes in Tateinheit mit Sichverschaffen von Betäubungsmitteln, Raubes, schweren Raubes, versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln sowie wegen Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen den Angeklagten P. hat es wegen schweren Raubes sowie wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung einer Vorverurteilung eine einheitliche Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Den Mitangeklagten K. , der seine Revision vor deren Anhängigkeit beim Senat zurückgenommen hat, hat es wegen versuchten schweren Raubes, schweren Raubes in Tateinheit mit Sichverschaffen von Betäubungsmitteln, Raubes, schweren Raubes sowie wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Sicherverschaffen von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

1.

Nach den Feststellungen begaben sich die drei Angeklagten am Abend des 19. April 2011 aufgrund eines gemeinsamen Tatplans zunächst in die Wohnung des Zeugen S. und verlangten von diesem unter konkludenter Drohung mit gegenwärtiger Leibesgefahr Geld oder Drogen heraus. Der Angeklagte A. nahm dabei das Rohr eines Staubsaugers in die Hand und hielt dies, während er die Forderung nach Geld oder Drogen wiederholte, drohend in Richtung des Opfers. Die Angeklagten durchsuchten die Wohnung und nahmen aus einem Umschlag 308 € an sich. Drogen fanden sie nicht. Nachdem der in der Wohnung anwesende Zeuge Kn. geäußert hatte, S. habe Drogen im selben Haus in der Wohnung des Zeugen F. gelagert, forderten sie den S. auf, mit ihnen zu dieser Wohnung zu gehen und ihnen dort Zutritt zu verschaffen. In der Wohnung schlug der Angeklagte P. , dem gemeinsamen Tatplan folgend, mehrfach auf den Zeugen F. ein und forderte ihn auf, das Drogenversteck preiszugeben. Trotz der Schläge machte F. keine Angaben. Dem S. gelang die Flucht, darauf ließen die Angeklagten von F. ab und verfolgten den S. , ohne an Betäubungsmittel gelangen zu können.

2.

Das Landgericht hat dieses Geschehen als zwei selbständige Taten gewertet: als schweren Raub zum Nachteil des Zeugen S. sowie als versuchten Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln zum Nachteil des Zeugen F. . Diese Wertung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es liegt vielmehr nur eine Tat vor.

Den gemeinsamen Plan, neben Geld auch Drogen von dem Zeugen S. gewaltsam zu erlangen, haben die Angeklagten ununterbrochen verfolgt, als sie sich nach ergebnisloser Suche nach Drogen in der Wohnung S. in diejenige des F. begaben, um sich dort nunmehr unter Gewaltanwendung auch gegen diesen Betäubungsmittel des S. zu beschaffen. Die in der Wohnung des S. begonnene Raubtat hat daher in der vergeblichen Suche nach Drogen in der Wohnung des F. lediglich ihre Fortsetzung gefunden. Damit belegen die Feststellungen nur einen vollendeten schweren Raub zum Nachteil des S. durch Wegnahme dessen Geldes. Dass die Angeklagten daneben vergeblich weitere Beute in Form von Betäubungsmitteln des S. erzielen wollten, führt nicht zur Annahme eines weiteren versuchten Raubdelikts. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sie zur Erlangung der erstrebten weiteren Beute nicht nur zunächst S. bedrohten, sondern später auch F. schlugen (vgl. LK/Vogel, StGB , 12. Aufl., § 249 Rn. 67; S/S-Eser/Bosch, StGB , 28. Aufl., § 249 Rn. 13). Die auf die Wegnahme der Drogen zielenden Tathandlungen sind daher lediglich als tateinheitlich zu dem vollendeten schweren Raub hinzutretendes versuchtes Sichverschaffen von Betäubungsmitteln nebst gefährlicher Körperverletzung zu werten.

Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich die Angeklagten gegen den Tatvorwurf in seiner abweichenden rechtlichen Bewertung nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.

Die auf die Sachrüge veranlasste Abänderung des Schuldspruchs erstreckt sich auch auf die Verurteilung des Mitangeklagten K. (§ 357 StPO ); denn die rechtsfehlerhafte Würdigung als zwei in Tatmehrheit zueinander stehende Taten betrifft alle Angeklagten in gleicher Weise.

3.

Damit entfallen bezüglich des Angeklagten A. die wegen der beiden Taten verhängten Einzelstrafen von drei Jahren und sechs Monaten sowie zwei Jahren und sechs Monaten und damit auch die Gesamtstrafe. Gleiches gilt für die bezüglich des Angeklagten K. wegen der beiden Taten verhängten Einzelstrafen von drei Jahren und drei Monaten sowie zwei Jahren und drei Monaten sowie die gegen ihn ausgesprochene Gesamtstrafe.

Die Änderung des Schuldspruchs entzieht ebenso der gegen den Angeklagten P. verhängten Jugendstrafe die Grundlage. Der Senat kann - insbesondere angesichts der nur knapp über der Grenze zur Aussetzungsfähigkeit liegenden Strafe und der auch vom Landgericht anerkannten positiven Entwicklung des Angeklagten in der letzten Zeit - nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Wegfall einer selbständigen Tat die Jugendstrafe geringer bemessen hätte.

4.

Das angefochtene Urteil hat unter lediglich einem Gliederungspunkt fünf (bei zutreffender Würdigung: vier) selbständige Taten festgestellt. Das gibt dem Senat Anlass zu dem Hinweis, dass es sich in Punktesachen aus Gründen der Übersichtlichkeit stets empfiehlt, die Einzelfälle jeweils mit einer Ordnungszahl zu versehen, die den jeweiligen Einzelfall bei den Feststellungen zur Sache, bei der Beweiswürdigung, bei der rechtlichen Würdigung, bei der Strafzumessung und bei weiteren Sanktionsentscheidungen gleichermaßen kennzeichnet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2000 - 5 StR 453/00, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 12).

Vorinstanz: LG Kleve in Moers, vom 08.12.2011
Fundstellen
NStZ-RR 2015, 167