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BGH - Entscheidung vom 26.07.2012

III ZB 70/11

Normen:
ZPO § 130 Nr. 6, § 520 Abs. 5
ZPO § 130 Nr. 6
ZPO § 520 Abs. 5

Fundstellen:
AnwBl 2012, 850
DB 2012, 2042
FamRZ 2012, 1561
NJW-RR 2012, 1142
VersR 2013, 1417

BGH, Beschluss vom 26.07.2012 - Aktenzeichen III ZB 70/11

DRsp Nr. 2012/16250

Übernahme der Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes eines Rechtsanwaltes bei Unterzeichnung durch einen anderen Rechtsanwalt

Ein Rechtsanwalt, der unter Angabe seiner Berufsbezeichnung einen bestimmenden Schriftsatz für einen anderen Rechtsanwalt unterzeichnet, übernimmt mit seiner Unterschrift auch dann die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes, wenn vermerkt ist, dass der andere Anwalt "nach Diktat außer Haus" ist.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 6. Oktober 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 1.372,39 €

Normenkette:

ZPO § 130 Nr. 6 ; ZPO § 520 Abs. 5 ;

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten wegen behaupteter entgeltlicher Arbeitnehmerüberlassung Zahlung von 1.372,39 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. März 2011, das dem als Einzelanwalt tätigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 8. April 2011 zugestellt worden ist, abgewiesen. Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 9. Mai 2011 (einem Montag) Berufung eingelegt. Innerhalb verlängerter Frist ist am 7. Juli 2011 ein das Rechtsmittel begründender Schriftsatz per Fax bei dem Berufungsgericht eingegangen. Er weist ebenso wie das am 11. Juli 2011 eingegangene Original auf der ersten Seite im Kopf (nur) den die Klägerin vertretenden Rechtsanwalt V. aus; am Ende dieses Schriftsatzes finden sich maschinenschriftlich dessen Vor- und Nachname sowie die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt", seine Unterschrift fehlt; darunter ist "nach Diktat außer Haus" hinzugefügt, es folgt ein handschriftlicher Schriftzug, unter der "Rechtsanwältin" gedruckt ist.

Nach Hinweis des Beklagten, dass die Berufungsbegründung nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und deshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erläutert, dass die Berufungsbegründung von der Rechtsanwältin E. B. unterzeichnet worden sei, wie dies auch ein Vergleich mit der unter ihren - in Kopie beigefügten - Personalausweis geleisteten Unterschrift belege.

Im Anschluss an einen darauf erfolgten gerichtlichen Hinweis und einer dazu ergangenen Stellungnahme des Vertreters der Klägerin hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass weder auf dem Fax noch auf dem Original der Berufungsbegründung eine ordnungsgemäße Unterschrift vorhanden gewesen sei. Es sei nicht ausreichend, dass der Schriftsatz von einem zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und dessen Identität feststellbar sei. Weder aus der Berufungsbegründung noch aus dem sonstigen Akteninhalt habe sich ergeben, wer die Berufungsbegründung unterschrieben habe. Der Briefkopf des Schriftsatzes habe allein Rechtsanwalt V. ausgewiesen, ein Namensstempel der Rechtsanwältin B. sei nicht angebracht gewesen und ihre Identität habe sich bei Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auch sonst nicht ergeben.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ). Die Verwerfung der Berufung als unzulässig, weil es an einer ordnungsgemäß begründeten Berufung fehle, verletzt die Klägerin in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ).

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers nach § 520 Abs. 5 , § 130 Nr. 6 ZPO Wirksamkeitsvoraussetzung für eine rechtzeitige Berufungsbegründung. Damit soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungsbegründung von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2005 - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 ; vom 22. November 2005 - VI ZB 75/04, VersR 2006, 387 , 388; vom 17. November 2009 - XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358 Rn. 12 sowie vom 26. Oktober 2011 - IV ZB 9/11, BeckRS 2011, 26453 Rn. 6; jeweils mwN). Entsprechendes gilt, wenn, wie hier, die Berufungsbegründung in zulässiger Weise per Telefax übermittelt wird; in diesem Falle muss es sich bei der Kopiervorlage um den eigenhändig unterschriebenen Originalschriftsatz handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2005, aaO).

2. An diesen Grundsätzen gemessen ist vorliegend eine formgerechte Berufungsbegründung eingereicht worden.

a) Der entsprechende Schriftsatz ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung mit einem individuellen, nicht nur als Handzeichen oder Paraphe anzusehenden, sondern den Anforderungen an eine Unterschrift genügenden handschriftlichen Schriftzug unterzeichnet (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1997 - XII ZB 17/97, FamRZ 1997, 737 ; vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775 ; vom 17. November 2009, aaO; vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, BeckRS 2010, 04929 Rn. 10 sowie vom 16. September 2010 - IX ZB 13/10, NZI 2011, 59 , 60).

b) Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin belegt, dass dieser Schriftzug von Rechtsanwältin B. herrührt, bei der es sich um eine bei dem Berufungsgericht - einem Landgericht - postulationsfähige Rechtsanwältin handelt. Zwar ist dies erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erläutert worden, so dass für das Berufungsgericht bis dahin nicht erkennbar war, welche Rechtsanwältin unterschrieben hat. Darauf kommt es jedoch nicht maßgeblich an.

Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist für die Prüfung der Frage, ob die Identität und die Postulationsfähigkeit des Unterzeichners eines derartigen Schriftsatzes feststeht beziehungsweise erkennbar ist, nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist, sondern auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - VII ZB 83/10, MDR 2012, 796 Rn. 11).

Die vollständige Namensnennung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am Ende des Schriftsatzes im Zusammenhang mit dem Zusatz "nach Diktat außer Haus" macht deutlich, dass die Berufungsbegründung von diesem Rechtsanwalt erstellt, aber wegen Ortsabwesenheit nicht selbst unterschrieben werden konnte. Auch wenn ein ausdrücklicher Zusatz, "für" diesen tätig zu werden, fehlt, lässt sich hier der Unterzeichnung durch eine Rechtsanwältin, wovon das Berufungsgericht aufgrund der angegebenen Berufsbezeichnung ausgehen konnte, gleichwohl entnehmen, dass sie an seiner Stelle die Unterschrift leisten und damit als Unterbevollmächtigte in Wahrnehmung des Mandats der Klägerin auftreten wollte. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass sie zugleich die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernehmen wollte. Anhaltspunkte, die dem entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, NJW 2003, 2028) und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig zu werden (vgl. für den Zusatz "i.A." Beschluss vom 5. November 1987 - V ZR 139/87, NJW 1988, 210 und Senatsbeschluss vom 27. Mai 1993 - III ZB 9/93, NJW 1993, 2056, 2057).

3. Ist danach die Unterschrift unter die Berufungsbegründung in diesem Sinne von Rechtsanwältin B. geleistet worden, durfte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden. Die Klägerin hat vielmehr ihre Berufung rechtzeitig und formgerecht begründet, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ).

Vorinstanz: AG Dortmund, vom 14.02.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 426 C 7010/09
Vorinstanz: LG Dortmund, vom 06.10.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 1 S 162/11
Fundstellen
AnwBl 2012, 850
DB 2012, 2042
FamRZ 2012, 1561
NJW-RR 2012, 1142
VersR 2013, 1417