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BGH - Entscheidung vom 18.10.2012

V ZB 233/11

Normen:
ZVG § 152a, § 155 Abs. 1
ZVG § 152a
ZVG § 155 Abs. 1

Fundstellen:
FamRZ 2013, 215
MDR 2013, 174
NJW 2013, 8
NJW-RR 2013, 18
WM 2013, 42
ZIP 2013, 288
ZInsO 2012, 2351

BGH, Beschluss vom 18.10.2012 - Aktenzeichen V ZB 233/11

DRsp Nr. 2012/22973

Pflicht des Vollstreckungsgerichts zur Festsetzung der Vergütung eines Zwangsverwalters nach Aufhebung eines Zwangsverwaltungsverfahrens

Auch nach Aufhebung eines Zwangsverwaltungsverfahrens muss das Vollstreckungsgericht die Vergütung des Zwangsverwalters für die Zeit der Zwangsverwaltung festsetzen, und zwar unabhängig von dem Grund für die Aufhebung; die Vergütung darf der Masse vorab entnommen werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 30. September 2011 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 705,29 €.

Normenkette:

ZVG § 152a; ZVG § 155 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Gläubigerin betrieb gegen die mit notarieller Urkunde vom 1. Juni 1993 errichtete Schuldnerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Grundschuld an dem eingangs bezeichneten Grundbesitz. Nach Bestellung der Grundschuld fand ein Wechsel in dem Gesellschafterbestand der Schuldnerin statt, der im Grundbuch vollzogen wurde. Im März 2009 wurde der Gläubigerin eine Rechtsnachfolgeklausel erteilt und den beiden Gesellschaftern zugestellt. Im September 2009 ordnete das Vollstreckungsgericht auf Antrag der Gläubigerin die Zwangsverwaltung an, bestellte den Beteiligten zu 3 zum Zwangsverwalter und stellte den Beschluss den Gesellschaftern zu. Erst später stellte sich heraus, dass der geschäftsführende Gesellschafter der Schuldnerin bereits im Juli 2009 verstorben war.

Daraufhin stellte das Vollstreckungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 25. November 2009 ein und wies den Zwangsverwalter am 16. Dezember 2009 an, die Inbesitznahme zu unterlassen. Auf die Beschwerde der Gläubigerin hob das Landgericht beide Beschlüsse am 11. März 2010 auf; der Zwangsverwalter nahm den Grundbesitz am 21. April 2010 in Besitz. Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin hob der Senat den Beschluss des Landgerichts vom 11. März 2010 auf (Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 84/10, BGHZ 187, 344 ff.) und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Anschließend nahm die Gläubigerin den Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung zurück; das Vollstreckungsgericht hob das Zwangsverwaltungsverfahren auf. Die gegen die Beschlüsse des Vollstreckungsgerichts vom 25. November und 16. Dezember 2009 gerichtete Beschwerde der Gläubigerin wies das Landgericht zurück.

Den Antrag des Zwangsverwalters, der in der Zeit vom 5. Mai 2010 bis zum 4. Februar 2011 Mieten in Höhe von 4.490 € eingezogen hat, auf Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 705,29 € hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Zwangsverwalters hat das Landgericht die beantragte Vergütung festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht meint, dem Zwangsverwalter stehe ein Vergütungsanspruch zu. Zwar sei das Vollstreckungsverfahren fehlerhaft gewesen, weil der Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung der Schuldnerin nicht wirksam zugestellt worden sei. Dies ändere aber nichts daran, dass der Zwangsverwalter wirksam bestellt worden sei. Darüber, ob die Vergütung der Masse entnommen werden dürfe und ob der Beschwerdeführer Ansprüche gegen die Gläubigerin habe, sei in dem Festsetzungsverfahren nicht zu entscheiden.

III.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 , Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und gemäß § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Dass dem Zwangsverwalter trotz der späteren Aufhebung des Verfahrens ein Vergütungsanspruch für die geleistete Tätigkeit zusteht (vgl. § 152a , § 153 Abs. 1 Halbsatz 1 ZVG ; BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 IX ZR 218/03, NJW-RR 2004, 1527 ), stellt die Schuldnerin nicht in Frage. Sie meint aber, die Festsetzung dürfe nicht erfolgen, weil sie ohne weiteres zur Folge habe, dass der Zwangsverwalter die Vergütung der Masse entnehmen dürfe. Die Zahlungspflicht müsse jedoch die Gläubigerin treffen, weil die Vergütung sonst ungeachtet der fehlerhaften Anordnung des Verfahrens wirtschaftlich zu ihren (der Schuldnerin) Lasten gehe.

2. Richtig ist, dass das Verfahren gegenüber der Schuldnerin nicht wirksam angeordnet worden ist, § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 146 Abs. 1 ZVG . Denn der Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung ist ihr nicht wirksam zugestellt worden, weil ihr geschäftsführender Gesellschafter im Zeitpunkt der Zustellung bereits verstorben war. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist der Zustellungsmangel nicht geheilt worden.

3. Das ändert aber nichts daran, dass die Festsetzung erfolgen muss (§ 152a ZVG , § 22 ZwVwV ) und der Zwangsverwalter die Vergütung auch nach Aufhebung des Verfahrens der Masse entnehmen darf (§ 155 Abs. 1 ZVG ).

a) Trotz der fehlenden Zustellung ist die Beschlagnahme in dem Zeitpunkt wirksam geworden, in dem das Ersuchen um Eintragung des Versteigerungsvermerks dem Grundbuchamt zugegangen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 146 ZVG ); auch war die Schuldnerin als Eigentümerin Beteiligte des Zwangsverwaltungsverfahrens (§ 9 ZVG ). Wie der Senat bereits ausgeführt hat, können die Beschlagnahme und die Anordnung der Zwangsverwaltung auseinander fallen (Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 84/10, BGHZ 187, 344 Rn. 24). Die Beschlagnahme ist als Hoheitsakt auch dann wirksam, wenn Aufhebungsgründe bestehen, und endet selbst im Fall der Antragsrücknahme erst mit Aufhebung des Verfahrens (Senat, Beschluss vom 30. Juli 2008 - V ZB 130/07, BGHZ 177, 218 ff.).

b) Während der Beschlagnahme ist dem Schuldner die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen, § 148 Abs. 2 ZVG . Der Zwangsverwalter muss die ihm übertragenen Aufgaben erfüllen und haftet für etwaige Pflichtverletzungen. Im Gegenzug hat er Anspruch auf die Vergütung, deren Festsetzung gemäß § 152a ZVG , § 22 ZwVwV durch das Gericht zu erfolgen hat. Aufgrund der Festsetzung darf der Zwangsverwalter die Vergütung der Masse ohne weiteres vorweg entnehmen (§ 155 Abs. 1 ZVG , § 22 ZwVwV ; vgl. Stöber, ZVG , 20. Aufl., § 153 Anm. 6.6; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 5. Aufl., § 22 ZwZwV Rn. 17 f.). Reicht die Masse nicht aus, um die Vergütung zu decken, kann er sich - unabhängig von der Anforderung von Vorschüssen - auch an den Gläubiger halten (§ 12 Abs. 3 Satz 2 ZwVwV ; BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 IX ZR 218/03, NJW-RR 2004, 1527 f.; Böttcher, ZVG , 5. Aufl., § 152a ZVG Rn. 4).

c) Reicht die Masse - wie hier - aus, darf der Zwangsverwalter ihr die Vergütung auch dann noch entnehmen, wenn das Verfahren inzwischen aufgehoben worden ist, und zwar unabhängig von dem Grund, der zu der Aufhebung geführt hat. Einer ausdrücklichen Ermächtigung durch das Vollstreckungsgericht, wie sie bei Tätigkeiten im Außenverhältnis nach Aufhebung des Verfahrens erforderlich ist (§ 12 Abs. 2 ZwVwV ), bedarf es insoweit nicht. Für die während der Zeit der Zwangsverwaltung begründeten Verbindlichkeiten regelt § 12 Abs. 3 ZwVwV ausdrücklich, dass sie unabhängig von der Aufhebung der Verwaltung noch aus der Masse beglichen werden dürfen, und zwar auch dann, wenn die Aufhebung auf einer Antragsrücknahme beruht. Nichts anderes gilt nach einhelliger Ansicht für die Vergütung, die zu den Ausgaben der Verwaltung im Sinne von § 155 Abs. 1 ZVG zählt (Böttcher, aaO, § 161 Rn. 32; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO, § 161 ZVG Rn. 16 aE; Löhnig/Blümle, Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, § 161 Rn. 24). Der Zwangsverwalter muss sich nicht an den Gläubiger halten, sondern darf die Masse in Anspruch nehmen und muss nur die verbleibenden Überschüsse an den Schuldner auskehren (Haarmeyer/ Wutzke/Förster/Hintzen, aaO). Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts gilt dies auch nach Aufhebung des Verfahrens aufgrund einer erfolgreichen Vollstreckungsabwehrklage (aA Stöber, aaO, § 153 Rn. 6.9).

d) Ob die Gläubigerin, wie die Schuldnerin meint, den Verfahrensfehler schuldhaft verursacht hat, betrifft das Rechtsverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Gläubigerin, das in dem Festsetzungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich ist.

4. Der Höhe nach ist die Vergütung richtig berechnet. Die Schuldnerin erhebt dagegen keine Einwendungen.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Auseinandersetzung über die Höhe der Zwangsverwaltervergütung nicht kontradiktorisch ausgestaltet ist. Das steht einer Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO entgegen (Senat, Beschlüsse vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 7 ff.; vom 15. März 2007 - V ZB 117/06, NJW-RR 2007, 1150 Rn. 9; vom 10. Januar 2008 - V ZB 31/07, NJW-RR 2008, 892 Rn. 11).

Vorinstanz: AG Kassel, vom 28.07.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 640 L 90/09
Vorinstanz: LG Kassel, vom 30.09.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 463/11
Fundstellen
FamRZ 2013, 215
MDR 2013, 174
NJW 2013, 8
NJW-RR 2013, 18
WM 2013, 42
ZIP 2013, 288
ZInsO 2012, 2351