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BGH - Entscheidung vom 16.02.2012

3 StR 470/11

Normen:
StGB § 25 Abs. 2
StGB § 26

Fundstellen:
NStZ-RR 2012, 169
StV 2012, 410
StV 2012, 595

BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - Aktenzeichen 3 StR 470/11

DRsp Nr. 2012/6188

Notwendigkeit eines eigenhändigen Transports über die Bundesgrenze für die Annahme einer mittäterschaftlichen Einfuhr von Betäubungsmitteln

Tenor

1.

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 6. September 2011, soweit es sie betrifft,

a)

im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

b)

mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

-

soweit die Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,

-

im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 25 Abs. 2 ; StGB § 26 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, in zwei dieser Fälle in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt sowie zu ihren Lasten eine Verfallsentscheidung getroffen. Die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

1. Der Schuldspruch auch wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 2. und II. 3. der Urteilsgründe) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Nach den Feststellungen entschlossen sich die Angeklagte und die Mitangeklagte M. , mit größeren Mengen Heroin Handel zu treiben, das sie von einem ihnen bekannten, in den Niederlanden wohnhaften Lieferanten beziehen wollten. Für die Beschaffung der Drogen und deren Auslieferung an die Abnehmer sollte die Mitangeklagte M. zuständig sein; die auf den Rollstuhl angewiesene Angeklagte sollte die Bestellungen der Abnehmer entgegennehmen und an die Mitangeklagte M. weiterleiten. Entsprechend dieser Abrede nahm die Mitangeklagte M. zunächst Anfang März 2011 in Mönchengladbach 450 g per Kurier aus den Niederlanden geliefertes Heroingemisch entgegen (Fall II. 1. der Urteilsgründe). Am 29. März 2011 fuhr sie mit ihrem Pkw in die Niederlande, übernahm dort ca. 500 g Heroingemisch und brachte dieses nach Mönchengladbach (Fall II. 2. der Urteilsgründe). Bei einer entsprechenden weiteren Beschaffungsfahrt in die Niederlande am 6. April 2011 wurde die Mitangeklagte M. auf Veranlassung der Angeklagten von der als Kraftfahrerin tätigen Mitangeklagten Mü. begleitet, welche dabei auch den Pkw steuerte (Fall II. 3. der Urteilsgründe).

b) Dies trägt, soweit es die Angeklagte betrifft, nicht die Annahme täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in den Fällen II. 2. und II. 3. der Urteilsgründe.

Der Tatbestand der Einfuhr erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport des Betäubungsmittels über die Grenze. Mittäter einer Einfuhr im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB kann ein Beteiligter deshalb auch dann sein, wenn das Rauschgift von einer anderen Person über die Grenze verbracht wird. Voraussetzung dafür ist nach den auch hier geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt (BGH, Beschlüsse vom 1. September 2004 - 2 StR 353/04, NStZ 2005, 229 ; vom 14. Dezember 1988 - 4 StR 565/88, StV 1990, 264 ). Ob dies gegeben ist, hat der Tatrichter wie sonst auf der Grundlage einer umfassenden wertenden Betrachtung festzustellen; von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst (Weber, BtMG , 3. Aufl., § 29 Rn. 786, 799 f. mwN). Keine ausschlaggebende Bedeutung kann dabei indes dem Interesse eines mit der zu beschaffenden Betäubungsmittelmenge Handel Treibenden am Gelingen des Einfuhrvorgangs zukommen; in einem solchen Falle gewinnt insbesondere die Tatherrschaft oder der Wille hierzu an Gewicht (Weber aaO Rn. 801). Bloßes Veranlassen einer Beschaffungsfahrt ohne Einfluss auf deren Durchführung genügt dagegen nicht (BGH, Beschluss vom 31. März 1992 - 4 StR 112/92, NStZ 1992, 339 ).

Umstände, die auf eine Tatherrschaft der Angeklagten beim Verbringen der Drogen über die Grenze oder wenigstens auf einen dahingehenden Willen schließen ließen, hat das Landgericht jedoch nicht festgestellt.

2. Die Verurteilung der Angeklagten im Falle II. 2. der Urteilsgründe hat deshalb keinen Bestand. Dies führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Falle II. 3. der Urteilsgründe ändert der Senat den Schuldspruch demgegenüber dahin ab, dass die Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung (§ 26 StGB ) zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. Denn das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagte die Mitangeklagte Mü. in einem gemeinsamen Gespräch dafür gewonnen hat, bei der Beschaffungsfahrt am 6. April 2011 in Kenntnis aller Umstände als Fahrerin tätig zu werden. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da sich die Angeklagte bei einem tatrichterlichen Hinweis auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt nicht wirksamer hätte verteidigen können.

Die im Falle II. 3. der Urteilsgründe ausgesprochene Einzelstrafe kann bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht diese milder bemessen hätte, wenn es - tateinheitlich zum Handeltreiben - statt von täterschaftlicher Einfuhr von Anstiftung zur Einfuhr ausgegangen wäre.

Vorinstanz: LG Mönchengladbach, vom 06.09.2011
Fundstellen
NStZ-RR 2012, 169
StV 2012, 410
StV 2012, 595