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BGH - Entscheidung vom 12.07.2012

AnwZ (Brfg) 37/11

Normen:
BRAO § 43b
BORA § 8 (alte (bis zum 28.2.2011 gültige) Fassung)
BORA a.F. § 8

Fundstellen:
AnwBl 2012, 840
BGHZ 194, 79
DStR 2012, 2203
DStRE 2013, 123
MDR 2012, 1194
NJW 2012, 3102
ZIP 2012, 1960

BGH, Urteil vom 12.07.2012 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 37/11

DRsp Nr. 2012/17372

Irreführung der Rechtssuchenden durch Verwendung der Bezeichnung Sozietät durch einen keine Sozietät in der Form einer GbR bildenden Zusammenschluss von Rechtsanwälten

a) Die Verwendung der Bezeichnung Sozietät durch einen Zusammenschluss von Rechtsanwälten, die keine Sozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden, ist keine unzulässige Irreführung der Rechtsuchenden im Sinne des § 43b BRAO , wenn die Beauftragung der zusammengeschlossenen Rechtsanwälte dem Rechtsverkehr im Wesentlichen die gleichen Vorteile bietet wie die Mandatierung einer Anwaltssozietät (Abkehr von Senatsurteil vom 29. Oktober 1990 - AnwSt (R) 11/90, BGHSt 37, 220 , 223 ff.).b) Die § 43b BRAO konkretisierende Bestimmung des § 8 BORA a.F. erfasst als Zusammenarbeit "in sonstiger Weise" nicht nur die im Klammerzusatz genannten klassischen Fallgestaltungen einer Außen(=Schein-)Sozietät (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit), sondern auch solche Formen der Zusammenarbeit, in denen sich selbständige Rechtsanwälte oder rechtsfähige Sozietäten als Mitglieder einer Außen(=Schein-)Sozietät gerieren.

Tenor

Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. März 2011 und der belehrende Hinweis der Beklagten vom 7. Dezember 2009 aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert wird für jede Klage auf 5.000 €, insgesamt auf 170.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BORA a.F. § 8 ;

Tatbestand

Die Kläger zu 1 bis 15 sind Mitglieder der als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts geführten Anwaltssozietät R. , S. , B. & Sch. mit Sitz in H. . Die Kläger 17 bis 35 sind Mitglieder der ebenfalls als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ausgestalteten Anwaltssozietät St. , M. , Sta. & G. mit Sitz in Bi. . Nach dem Wegfall der Singularzulassung bei den Oberlandesgerichten strebten beide Gesellschaften ihren Zusammenschluss zu einer überörtlichen Sozietät unter Beibehaltung der rechtlichen Selbständigkeit der örtlichen Sozitäten an.

Die beabsichtigte Form der Zusammenarbeit beider Gesellschaften wurde in einem schriftlichen Vertragsentwurf mit der Überschrift "Vereinbarung über die Bildung einer Außensozietät" festgehalten. Dieser wurde zwar nicht unterzeichnet, jedoch vereinbarten die Beteiligten mündlich die Geltung der dort niedergelegten Regelungen mit Wirkung ab 1. Juli 2002 und wenden diese seitdem an. In der Vorbemerkung des genannten Vertragsentwurfs heißt es auszugsweise:

"Die Sozietäten Dr. St. , M. , Sta. & G. und R. & S. beabsichtigen die Bildung einer Außensozietät. Bei beiderseits erfolgreicher Gestaltung der Zusammenarbeit ist in zwei bis drei Jahren die Bildung einer Vollsozietät in der Rechtsform einer BGB -Gesellschaft geplant, über deren inhaltliche Ausgestaltung sich die Vertragsparteien zu gegebener Zeit verständigen werden (...). "

Weiter sind in dem Vertragsentwurf unter anderem folgende Regelungen niedergelegt:

"§ 1 Außensozietät (1.) Die Sozietäten Dr. St. und Partner sowie R. & S. schließen sich zu einer Außensozietät unter der Bezeichnung "St. S. " zusammen. Unter dieser Bezeichnung treten beide Sozietäten im Außenverhältnis gegenüber Dritten gemeinschaftlich auf. (2.) Die Sozietäten Dr. St. und Partner einerseits sowie R. & S. andererseits werden weiterhin ihre berufliche Tätigkeit im Innenverhältnis auf eigene Rechnung und Verantwortung durchführen. (3.) Die Außensozietät bildet kein Gesamthandsvermögen. Jeder Vertragspartner beschäftigt weiterhin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung das von ihm benötigte Personal in dem erforderlichen Umfang.

§ 2 Dauer (1.) Die Außensozietät beginnt am 01.02.02. Sie wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. (2.) Die Außensozietät kann von jedem Vertragspartner mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Quartals schriftlich gekündigt werden. Die Kündigung muss gegenüber dem dienstältesten Sozius der jeweils anderen Partei erklärt werden. Dieser wird seine Sozii umgehend unterrichten. Die Kündigung begründet keinerlei Abfindungs- oder Ausgleichsansprüche. (3.) Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund (§ 723 BGB ) bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund ist nur gegeben, wenn einem Vertragspartner eine Fortsetzung der Außensozietät bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin nicht zumutbar ist. § 3 Berufsausübung (1.) Soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, üben die Vertragspartner ihre Berufstätigkeit jeweils in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung unter Beachtung der jeweils maßgeblichen berufsrechtlichen Regelungen aus. Sie führen jedoch im Außenverhältnis jeweils gemeinsame Briefbögen, Praxisschilder und treten insgesamt gegenüber Dritten gemeinschaftlich, etwa bei Veröffentlichung in Praxisbroschüren, Internet-Darstellungen etc. auf. Sie werden sich bei der Berufsausübung in jeder Weise wechselseitig unterstützen. Soweit Mandate gemeinsam betreut werden, werden sie sich über eine angemessene Verteilung ihrer Aufgaben sowie Honorareinkünfte jeweils im Einzelfall verständigen. Sie werden sich im Rahmen der berufsrechtlichen Erfordernisse zur Vermeidung von Interessenkollisionen über Neumandate unterrichten. (2.) Für Verbindlichkeiten einschließlich Regreßansprüche haftet im Innenverhältnis nur derjenige Vertragspartner, durch dessen Verhalten die Verbindlichkeit begründet worden ist. Die Vertragspartner stellen sich wechselseitig von der Inanspruchnahme durch Dritte, insbesondere im Falle von Regreßansprüchen von Mandanten frei. Sie verpflichten sich, für eine angemessene, sich auf alle Partner und Angestellte der Außensozietät erstreckende Berufshaftpflichtversicherung zu sorgen. Zur Kostensenkung werden sie, soweit möglich, gemeinsam entsprechende Versicherungsverträge jeweils intern auf ihre Kosten - abschließen.

(3.) Beide Vertragspartner sind berechtigt, Mandate auch in dem bisherigen räumlichen Betätigungsfeld des jeweils anderen Partners zu übernehmen und zu bearbeiten. Jedoch wird kein Partner aktiv Mandanten des jeweils anderen Partner abzuwerben versuchen.

§ 4 Vergrößerung der Sozietät (1.) Sollten innerhalb der Sozietäten Dr. St. und Partner sowie R. & S. neue Sozii aufgenommen werden oder weitere Rechtsanwälte auf dem Briefkopf und dem Praxisschild aufgeführt werden, wird der jeweils andere Vertragspartner hierüber informiert. Der jeweils andere Vertragspartner erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines Monats. Diese Stellungnahme ist angemessen zu berücksichtigen. Jedoch bleiben beide Vertragspartner in ihrer Entscheidung über die Aufnahme neuer Sozii oder die Erweiterung ihres Briefbogens frei. (2.) Die Aufnahme weiterer Sozietäten in die Außensozietät sowie die Errichtung neuer Standorte bedürfen der Zustimmung aller Vertragspartner."

Unter dem 15./16. Juli 2010 also während des Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof unterzeichneten die Kläger unter der Überschrift "Vertrag über eine Außensozietät" eine im Wesentlichen gleichlautende aktualisierte Fassung, bei der auch für den Streitfall nicht von Bedeutung weitere Anwaltskanzleien aus P. , Be. und D. Erwähnung finden.

Die Kläger firmieren in den von ihnen verwendeten Briefbögen unter der dort aufgedruckten Kurzbezeichnung:

"ST. ▪ S . Rechtsanwälte § Notare Zusammenschluss der Sozietäten R. , S. , B. & Sch. und St. , M. , Sta. & G. "

Auf der Internetseite www.st. -s. de ist folgender Text eingestellt:

"Wir freuen uns über Ihr Interesse und möchten uns bei Ihnen vorstellen. Die Anwaltssozietät St. ▪ S . entstand aus einem Zusammenschluss der Wirtschaftskanzleien St. , M. & G. aus Bi. und R. , S. , B. & Sch. aus H. . Wir sind heute eine der größten Anwaltskanzleien in Westfalen. Die Sozietät St. ▪ S . besteht aus über 50 Rechtsanwälten an ihren Stammsitzen in Bi. und H. sowie in Be. , D. und P. . Neun Rechtsanwälte sind gleichzeitig Notare. Durch den Zusammenschluss sind wir zu einem der bedeutendsten regionalen Anbieter anwaltlicher Beratung gewachsen, indem wir die Stärken zweier namhafter westfälischer Kanzleien zum Nutzen unserer Mandanten gebündelt haben."

Nach Anhörung der Kläger erteilte die Beklagte diesen am 7. Dezember 2009 einen belehrenden Hinweis, der soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse folgende Beanstandungen enthält:

"Die Außendarstellung Ihrer Kanzlei verstößt gegen §§ 43 , 43b BRAO , §§ 8 , 9 BORA (...) , da in irreführender Weise und unter der unzulässigen Kurzbezeichnung "St. ▪ S . " eine überörtliche Sozietät mit Kanzleisitzen u. a. in H. und Bi. kundgegeben wird, obwohl es sich bei den Standorten in H. und Bi. um selbstständige Kanzleien handelt."

Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage der Kläger hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der belehrende Hinweis genüge den formellen Anforderungen und sei auch materiell rechtmäßig. Die Außendarstellung der Kläger auf ihrem Briefkopf und ihrem Internetauftritt verstoße gegen §§ 43 , 43b BRAO , §§ 8 , 9 BORA .

Zwar sei die Bildung einer überörtlichen Anwaltssozietät auch in Form einer doppelstöckigen Sozietät zulässig. Jedoch dürfe ein Rechtsanwalt den Rechtsverkehr nur dann auf die Mitarbeit in einer überörtlichen Sozietät hinweisen, wenn das sich den Rechtsuchenden im Außenverhältnis bietende Bild den Absprachen im Innenverhältnis entspräche. Ein Rechtsanwalt dürfe nicht den Anschein erwecken, sich mit anderen Anwälten zu einer Sozietät zusammengeschlossen zu haben, wenn dies in Wahrheit nicht der Fall sei. So lägen die Dinge hier. Die beiden örtlichen Sozietäten hätten sich nicht zu einer überörtlichen Sozietät zusammengeschlossen, denn sie hätten sich ihre unternehmerische Selbständigkeit bewahrt und betätigten sich nicht als reine Organisationseinheiten innerhalb einer überörtlichen Sozietät. Insbesondere verfüge die aus zwei örtlichen Sozietäten gebildete Organisation weder über eine unternehmerische Entscheidungsgewalt noch über ein eigenes Bankkonto oder eine eigene Steuernummer und schließlich auch über kein Gesamthandsvermögen. Der Zusammenschluss der beiden Sozietäten nehme nicht am Wirtschaftsleben teil und bearbeite auch keine Mandate. Er existiere als eine Art Marketinginstrument nur auf dem Briefkopf der Kläger. Tatsächlich seien die einzelnen Sozietäten lediglich in einer Art Kooperation verbunden, machten dies aber in der verwendeten Kurzbezeichnung nicht deutlich, die in irreführender Weise den Eindruck einer bestehenden überörtlichen Sozietät erwecke.

Mit der vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgen die Kläger ihr auf Aufhebung des belehrenden Hinweises gerichtetes Begehren unter Aufrechterhaltung ihrer bisherigen Rechtsstandpunkte weiter. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt Zurückweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Kläger ist begründet. Der Anwaltsgerichtshof ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der erteilte Hinweis nicht an formellen Mängeln leidet. Soweit er jedoch den belehrenden Hinweis auch in materieller Hinsicht als rechtmäßig beurteilt hat, hat er einen zu strengen Beurteilungsmaßstab an die von § 43b BRAO , §§ 8 , 9 BORA erlaubte Kundgabe einer beruflichen Zusammenarbeit angelegt.

I.

Der belehrende Hinweis der Beklagten vom 7. Dezember 2009 ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus formellen Gründen zu beanstanden. Dass er nur die Namen und die Anzahl aller an der Entscheidung mitwirkenden Vorstandsmitglieder der Beklagten aufführt, nicht aber deren Unterschriften trägt, begründet keinen formellen Mangel. Zwar handelt es sich bei dem Hinweis nicht um eine bloße Belehrung nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO , die auch einem einzelnen Mitglied des Vorstands übertragen werden kann (§ 73 Abs. 4 BRAO ), sondern um eine mit Rechtsmittelbelehrung versehene hoheitliche Maßnahme, welche die werbende Außendarstellung der Kläger missbilligt (vgl. Senatsbeschluss vom 13. August 2007 AnwZ (B) 51/06, NJW 2007, 3349 Rn. 4 m.w.N.) und grundsätzlich in Anlehnung an das in § 74 BRAO vorgesehene Verfahren zu erfolgen hat (Feuerich/Weyland, BRAO , 8. Aufl., § 74 Rn. 11). Daraus folgt aber nicht, dass die Unterzeichnung durch den Präsidenten der Beklagten nicht ausreichte, sondern die Unterschrift aller an der Beschlussfassung mitwirkenden Vorstandsmitglieder notwendig gewesen wäre.

1. Die Frage, von wem ein von einer Rechtsanwaltskammer erlassener beanstandender Bescheid unterschrieben werden muss, wird in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird die Unterzeichnung eines nach § 74 BRAO ergehenden Bescheids von allen beschließenden Vorstandsmitgliedern für erforderlich gehalten (AnwG Berlin, NJW-RR 2002, 1350 ; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2010, § 74 BRAO Rn. 47). Die gegenteilige Auffassung zählt noch nicht einmal die Angabe der mitwirkenden Kollegiumsmitglieder zum notwendigen Bestandteil einer beanstandenden Entscheidung (vgl. Kopp, BRAK-Mitt. 2000, 234 f.). Nach einer vermittelnden Meinung sind in dem Bescheid zwar alle an der Beschlussfassung beteiligten Mitglieder aufzuführen; es soll aber genügen, wenn dieser allein vom Vorsitzenden des entscheidenden Spruchkörpers unterzeichnet wird (AnwG Hamm, MDR 2000, 55 f.; AnwG Zweibrücken, BRAK-Mitt. 2006, 285 f.; Feuerich/Weyland, aaO § 74 Rn. 36 f.; Henssler/Prütting/Hartung, BRAO , 3. Aufl., § 74 Rn. 44; Peus, AnwBl. 2005, 524 ff.).

2. Diese Frage bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Die Unterschriften aller beschließenden Vorstandsmitglieder sind jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn wie hier sämtliche an der Beschlussfassung mitwirkenden Mitglieder im Bescheid namentlich benannt werden. Durch die hierdurch erteilten Informationen über die Identität und die Anzahl der beteiligten Vorstandsmitglieder, deren Richtigkeit durch die Unterschrift des zeichnungsberechtigten Organs dokumentiert wird, sind die betroffenen Rechtsanwälte ohne Weiteres in der Lage zu prüfen, ob das entscheidende Kollegium ordnungsgemäß besetzt und beschlussfähig war (so auch AnwG Hamm, aaO; AnwG Zweibrücken, aaO). Mit der Unterzeichnung aller mitwirkenden Vorstandsmitglieder ist kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn verbunden. Der belehrende Hinweis der Beklagten vom 7. Dezember 2009 genügt demnach den von § 74 Abs. 4 Satz 1 BRAO gestellten formellen Anforderungen.

II.

Der belehrende Hinweis ist aber in materiellrechtlicher Hinsicht fehlerhaft und daher aufzuheben. Die Außendarstellung der Kläger auf dem von ihnen verwendeten Briefkopf und im Internet verstößt nicht gegen berufsrechtliche Vorschriften.

1. Die Generalklausel des § 43 BRAO legt einem Rechtsanwalt die Verpflichtung auf, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und sich innerhalb und außerhalb des Berufs der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung eines Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen. § 43b BRAO setzt der Werbetätigkeit eines Rechtsanwalts gewisse Schranken. Werbung ist ihm nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Diese Berufspflichten werden durch §§ 8 , 9 BORA (i.V.m. § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO ) näher konkretisiert. Die Regelungen in §§ 8 , 9 BORA sind mit Wirkung zum 1. März 2011 neu gefasst und dabei etwas gelockert worden. Vorliegend kann offen bleiben, ob für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit des belehrenden Hinweises die zum Zeitpunkt der Hinweiserteilung geltende oder die aktuelle Fassung der §§ 8 , 9 BORA (jeweils i.V.m. § 43b BRAO ) maßgebend ist. Denn die Außendarstellung der Kläger wird auch den strengeren Vorgaben der §§ 8 , 9 BORA a.F. gerecht.

2. Gemäß § 8 Satz 1 BORA a.F. darf auf eine berufliche Zusammenarbeit nur hingewiesen werden, wenn sie in einer Sozietät, in sonstiger Weise (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit) mit sozietätsfähigen Personen im Sinne des § 59a BRAO oder in einer auf Dauer angelegten und durch tatsächliche Ausübung verfestigten Kooperation erfolgt. § 9 Satz 1 BORA a.F. bestimmt, dass bei gemeinschaftlicher Berufsausübung, soweit sie in einer Sozietät, Partnerschaftsgesellschaft oder in sonstiger Weise (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit) mit sozietätsfähigen Personen im Sinne von § 59a Bundesrechtsanwaltsordnung erfolgt, eine Kurzbezeichnung geführt werden darf. Nach § 9 Satz 2 BORA a.F. muss eine solche Kurzbezeichnung bei der Unterhaltung mehrerer Kanzleien einheitlich geführt werden.

a) Die Auslegung dieser Vorschriften hat sich an dem die anwaltliche Berufsausübung prägenden Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG ) auszurichten (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juli 2005 AnwZ (B) 42/04, NJW 2005, 2692 unter II 2 a bb). Der Internetauftritt der beiden örtlichen Sozietäten und auch die Gestaltung und Verwendung ihres gemeinsamen Briefkopfes stellen ein werbendes Verhalten dar, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen der Kläger zu gewinnen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. September 2002 AnwZ (B) 67/01, NJW 2003, 346 unter [III] 1; vom 25. Juli 2005 AnwZ (B) 42/04, aaO; jeweils m.w.N.). Dieses ist Bestandteil der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit (Senatsbeschluss vom 25. Juli 2005 AnwZ (B) 42/04, aaO; vgl. ferner BVerfGE 106, 181, 191 f. [zur Kundgabe einer ärztlichen Doppelqualifikation]). Dieser Umstand ist bei der Anwendung und Auslegung der die anwaltlichen Werbemaßnahmen einschränkenden Bestimmungen der § 43b , § 59b Abs. 2 Nr. 3 BRAO in Verbindung mit §§ 8 ff. BORA mit der Maßgabe zu berücksichtigen, dass in jedem Einzelfall nicht die Gestattung der Anwaltswerbung, sondern deren Einschränkung einer besonderen Rechtfertigung bedarf (BGH, Urteil vom 1. März 2001 I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 74 f.; Senatsbeschluss vom 25. Juli 2005 AnwZ (B) 42/04, aaO m.w.N.).

b) Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben werden die Beklagte und ihr folgend der Anwaltsgerichtshof nicht gerecht. Hinreichende Gründe des Gemeinwohls, die ein Verbot rechtfertigen könnten, das rechtsuchende Publikum auf die von den Klägern gewählte Form der beruflichen Zusammenarbeit hinzuweisen ("Zusammenschluss der Sozietäten" [auf dem Briefbogen]; "Sozietät St. ▪ S . " [im Internetauftritt]) oder ihm gegenüber die Kurzbezeichnung "St. ▪ S . " zu verwenden (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE aaO; BGH, Urteil vom 1. März 2001 I ZR 300/98, aaO; Senatsbeschluss vom 25. Juli 2005 AnwZ (B) 42/04, aaO), sind nicht zu erkennen.

Der Anwaltsgerichtshof hält die Kundgabe des Zusammenschlusses der beiden örtlichen Sozietäten und die Verwendung einer entsprechenden Kurzbezeichnung nur dann zulässig, wenn die beiden Sozietäten nicht nur im Außenverhältnis als Sozien auftreten, sondern durch Gesellschaftsvertrag zu einer in Form einer Außengesellschaft bürgerlichen Rechts geführten überörtlichen Sozietät verbunden sind. Die rechtswirksame Gründung einer aus mehreren örtlichen Sozietäten gebildeten doppelstöckigen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts macht er davon abhängig, dass die örtlichen Sozietäten ihre unternehmerische Selbständigkeit aufgeben, ihren Gesellschaftszweck auf die Führung und Verwaltung der örtlichen Kanzlei beschränken und sich nur noch als bloße Organisationseinheit in Form einer Innengesellschaft betätigen. Hierbei hat der Anwaltsgerichtshof die an eine überörtliche Sozietät zu stellenden Anforderungen am Bild einer klassischen, von den gesetzlichen Vorschriften der §§ 706 ff. BGB geprägten Anwaltssozietät ausgerichtet.

Mit diesen Erwägungen ist der Anwaltsgerichtshof zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Kundgabe einer rechtlich erlaubten Form der Berufsausübung grundsätzlich durch das anwaltliche Werberecht gedeckt ist, das dem Rechtsanwalt Raum für sachgerechte, nicht irreführende Informationen im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr lässt (Senatsbeschlüsse vom 12. Februar 2001 AnwZ (B) 11/00, NJW 2001, 1573 unter II 3; vom 25. Juli 2005 AnwZ (B) 42/04, aaO). Er hat jedoch zu strenge Anforderungen an die Zulässigkeit einer gemeinsamen beruflichen Zusammenarbeit (§ 59a BRAO ) und deren Darstellung nach außen gestellt (§ 43b BRAO , §§ 8 , 9 BORA a.F.). Denn er hat zum einen nicht bedacht, dass die §§ 706 ff. BGB weitgehend abdingbar sind und es daher vielfältige Erscheinungsformen zulässiger Gestaltungen einer als (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts geführten Anwaltssozietät gibt (vgl. hierzu Henssler/Prütting/Hartung, aaO Rn. 23 m.w.N.; Feuerich/Weyland/Böhnlein, aaO, § 59a BRAO Rn. 10 f.; Heussen, AnwBl. 2006, 293, 298). Zum anderen hat er unberücksichtigt gelassen, dass sich auch außerhalb des Gesellschaftsrechts institutionalisierte Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten entwickelt haben. So hat sich neben der Sozietät im eigentlichen Sinne zwischenzeitlich auch die vertraglich vereinbarte Außen- oder Scheinsozietät etabliert, bei der sich die beteiligten Anwälte darüber einigen, im Außenverhältnis als Scheinsozien aufzutreten und sich im Hinblick auf ihre persönliche Haftung so behandeln zu lassen, als ob sie Mitglieder einer vollwertigen Sozietät wären (vgl. hierzu Peres/Depping, DStR 2006, 2261, 2262).

c) Durch den im Streitfall zwischen den örtlichen Sozietäten abgeschlossenen Vertrag ist entweder eine Außengesellschaft des bürgerlichen Rechts mit atypisch gestalteter Binnenstruktur oder eine reine Außen(=Schein-)Sozietät begründet worden. Andere Möglichkeiten kommen dagegen nicht in Betracht.

aa) Die Zusammenarbeit der beiden Sozietäten beschränkt sich nicht auf ein Tätigwerden im Rahmen einer reinen Innengesellschaft. Zwar könnte der vertraglich vereinbarte Ausschluss von Gesamthandsvermögen für die Gründung einer bloßen Innengesellschaft sprechen. Eine solche scheidet jedoch im Hinblick darauf aus, dass ein gemeinsames Auftreten der örtlichen Sozietäten im Außenverhältnis gewollt ist (vgl. Erman/Westermann, BGB , 13. Aufl., Vor § 705 Rn. 28; MünchKommBGB/Ulmer, 5. Aufl., § 705 Rn. 279).

Entgegen dem vom Anwaltsgerichtshof eingenommenen Rechtsstandpunkt haben sich die beiden Sozietäten auch nicht nur zu einer bloßen Kooperation zusammengefunden. Bei einer Kooperation werden Mandate nicht gemeinschaftlich, sondern von jedem im Rahmen der Kooperation tätigen Rechtsanwalt gesondert angenommen, mit der Folge, dass dieser den Mandanten allein für die fehlerhafte Bearbeitung der übertragenen Rechtsangelegenheit haftet (Bormann in Gaier/Wolf/Göcken, aaO § 59a BRAO Rn. 27; Feuerich/ Weyland/Böhnlein, aaO § 59a BRAO Rn. 93; vgl. auch die Legaldefinition in § 56 Abs. 5 Satz 1 StBerG ). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Die örtlichen Sozietäten treten im Außenverhältnis auch Mandanten gegenüber stets gemeinsam auf. Für anwaltliche Pflichtverletzungen bei der Bearbeitung der Mandate haften die Mitglieder beider Sozietäten damit im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch (entweder entsprechend § 128 Abs. 1 HGB oder nach den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung zu letzterem vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2011 IX ZR 161/09, ZIP 2012, 28 Rn. 22); lediglich für das Innenverhältnis besteht eine abweichende Haftungsabsprache.

bb) Der danach allein möglichen rechtlichen Einordnung als atypisch ausgestaltete Außengesellschaft (Sozietät) oder als Außen(=Schein-)Sozietät steht nicht entgegen, dass es vorliegend nicht nur um die Verbindung von Anwälten zu einer örtlichen Sozietät, sondern um den Zusammenschluss mehrerer, jeweils als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts betriebener örtlicher Sozietäten zu einem übergeordneten Verbund unter Fortbestand der bereits bestehenden Sozietäten geht. Da die betroffenen örtlichen Sozietäten als Außengesellschaften des bürgerlichen Rechts rechtsfähig sind (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 342 ff.), können sie ihrerseits Gesellschafter einer anderen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts werden (BGH, Urteil vom 2. Oktober 1997 II ZR 249/96, NJW 1998, 376 unter A I 1 a [schon nach alter Rechtslage]; Henssler/Prütting/Hartung, aaO Rn. 116; MünchKommBGB/Ulmer, aaO, § 705 Rn. 79), wobei sie gesellschaftsvertraglich vereinbaren können, dass die übergeordnete Sozietät eine von dem Leitbild der §§ 706 ff. BGB abweichende Struktur aufweist und daher den Bestand der örtlichen Sozietäten als eigenständige unternehmerische Einheiten unangetastet lässt. Sie können aber ihren Zusammenschluss auch darauf beschränken, im Außenverhältnis als bloße Scheinsozien in Erscheinung zu treten (vgl. Graf von Westphalen in Henssler/Streck, Handbuch des Sozietätsrechts, 2. Aufl., B Rn. 602).

cc) Welche der beiden beschriebenen Erscheinungsformen die vertragsschließenden örtlichen Sozietäten gewählt haben, hängt davon ab, ob ihnen (und damit auch den in ihnen zusammengeschlossenen Rechtsanwälten) gesellschaftsvertraglich die Rechtsmacht eingeräumt worden ist, gemäß § 164 BGB die Gesellschaft nach außen zu verpflichten und zu berechtigen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 IX ZR 44/10, ZIP 2011, 129 Rn. 15 ff.) und damit den Mandanten gegenüber eine Haftung der Gesellschaft selbst zu begründen, für die akzessorisch die beiden örtlichen Sozietäten (und damit alle Kläger) entsprechend § 128 Satz 1 HGB einzustehen hätten (vgl. etwa BGH, Versäumnisurteil vom 29. Januar 2001 II ZR 331/00, aaO, S. 358). Ob dies der Fall ist, kann letztlich offenbleiben. Denn selbst wenn sich die Zusammenarbeit der örtlichen Sozietäten auf ein gemeinsames berufliches Auftreten als Außen(=Schein-)Sozietät was im Folgenden unterstellt wird beschränken sollte, machte dies die Berufsausübung der örtlichen Sozietäten und die von ihnen gewählte Außendarstellung nicht unzulässig.

(1) Dies gilt zunächst für die Gestaltung des Briefkopfes, der den Hinweis "Zusammenschluss der Sozietäten (...) " trägt.

(a) Auch wenn sich die gemeinsame Tätigkeit der örtlichen Sozietäten in der Bildung einer Außen(=Schein-)Sozietät erschöpfen sollte, wäre die auf dem Briefkopf verwendete Bezeichnung "Zusammenschluss" nicht irreführend im Sinne von § 43b BRAO . Denn die gewählte Bezeichnung ist weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch noch aus rechtlicher Sicht mit einer (als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts geführten) Sozietät gleichzusetzen. Es handelt sich hierbei nicht um einen Rechtsbegriff, sondern um eine nach allgemeinem Sprachverständnis weit zu verstehende Bezeichnung, die im vorliegenden Kontext nur zum Ausdruck bringt, dass sich bestimmte örtliche Sozietäten zu einer gemeinschaftlichen Tätigkeit verbunden haben, jedoch keine Aussagen über die rechtliche Qualität einer solchen Verbindung trifft. Demensprechend wird dieser Begriff auch im Zusammenhang mit der Beschreibung einer bloßen Außen(=Schein-)Sozietät verwendet. Diese wird bezeichnet als ein Zusammenschluss mehrerer Rechtsanwälte, die nach außen gemeinsam in Erscheinung treten, ohne dass ein Gesellschaftsvertrag besteht oder ohne dass in einen bestehenden Gesellschaftsvertrag sämtliche nach außen in Erscheinung tretenden Rechtsanwälte einbezogen sind (BGH, Urteil vom 17. November 2011 - IX ZR 161/09, aaO Rn. 11; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 - IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169 Rn. 19).

(b) Der § 43b BRAO konkretisierende § 8 Satz 1 BORA a.F. verbietet es ebenfalls nicht, den allgemein gehaltenen Begriff "Zusammenschluss" auch in den Fällen zu benutzen, in denen keine Anwaltssozietät besteht. Ein Hinweis auf eine berufliche Zusammenarbeit ist nämlich auch dann erlaubt, wenn sie nicht in einer Sozietät, sondern auf "sonstige Weise (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit) mit sozietätsfähigen Personen im Sinne von § 59a BRAO (...) erfolgt ". Der Begriff "in sonstiger Weise" wird durch den Klammerzusatz "Angestelltenverhältnis, freie Mitarbeit" nicht auf die dort aufgeführten Tatbestände verengt (so aber Hartung/Römermann, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl., § 8 BORA Rn. 61); dieser Zusatz ist vielmehr nur als Aufzählung von Regelbeispielen zu verstehen. Er erklärt sich dadurch, dass bei den Beratungen der Satzungsversammlung die in der damaligen Zeit am häufigsten verbreitete Form einer Außen(=Schein-)Sozietät zwischen Kanzleiinhaber(n) und den bei ihm/ihnen angestellten oder als freie Mitarbeiter beschäftigen Rechtsanwälten im Vordergrund stand (vgl. Protokoll über die 2. Sitzung der Satzungsversammlung bei der BRAK vom 1. bis 3. Februar 1996, S. 36). Die Satzungsversammlung hat sich bei § 8 BORA a.F. aber nicht auf die Aufzählung der im Klammerzusatz genannten Fallgestaltungen beschränkt, sondern stattdessen den weit gefassten Oberbegriff "in sonstiger Weise" gewählt und damit zum Ausdruck gebracht, dass es auch außerhalb der im Klammerzusatz genannten Fälle Formen der beruflichen Zusammenarbeit "in sonstiger Weise" gibt, deren Kundgabe zulässig ist. Dass zwischen selbständigen Rechtsanwälten (u. U. auch zwischen Partnern einer Bürogemeinschaft - vgl. Feuerich/Weyland/Böhnlein, aaO § 8 BORA Rn. 12; Baldringer/Jordans, AnwBl. 2005, 676, 677 f.) oder rechtsfähigen örtlichen Sozietäten bestehende Außen(=Schein-)Sozietäten von der Berufsordnung in werberechtlicher Hinsicht schlechter gestellt werden sollten als freie Mitarbeiter und Angestellte, ist nicht zu erkennen. Für eine solche Ungleichbehandlung gäbe es auch keinen sachlichen Grund.

(2) Auch der gemeinsame Internetauftritt der beiden örtlichen Sozietäten (und damit der Kläger) begegnet gemessen an § 43b BRAO , § 8 BORA a.F. - keinen rechtlichen Bedenken. Dort ist zwar über die in den Briefköpfen verwendete Bezeichnung hinausgehend von einer aus dem Zusammenschluss zweier Wirtschaftskanzleien entstandenen "(Anwalts-)Sozietät" mit über 50 Anwälten die Rede. Die darin enthaltenen Aussagen sind aber anders als die Beklagte und ihm folgend der Anwaltsgerichtshof meinen auch dann nicht irreführend und unzulässig, wenn es sich wie hier unterstellt bei dem Zusammenschluss der örtlichen Sozietäten nur um eine Außen(=Schein-)Sozietät und nicht um eine echte Sozietät handelt.

(a) Eine unzulässige Irreführung der Rechtsuchenden im Sinne des § 43b BRAO liegt regelmäßig nicht vor, wenn zwar in Wahrheit keine Sozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht, die Beauftragung von zusammengeschlossenen Rechtsanwälten dem Rechtsverkehr aber im Wesentlichen die gleichen Vorteile bietet wie die Mandatierung einer Anwaltssozietät.

(aa) Der Bundesgerichtshof hat allerdings Anfang/Mitte der 1990er Jahre entschieden, dass sich ein Rechtsanwalt wettbewerbswidrig verhält, der nach außen wahrheitswidrig den Anschein erweckt, sich mit einem anderen Rechtsanwalt in einer Sozietät zusammengeschlossen zu haben, obwohl nur eine Außen(=Schein-)Sozietät vorliegt (Senatsurteil vom 29. Oktober 1990 AnwSt (R) 11/90, BGHSt 37, 220 , 223 ff.; BGH, Urteile vom 23. September 1992 I ZR 150/90, BGHZ 118, 225 , 233 f.; vom 5. Mai 1994 I ZR 57/92, NJW 1994, 2288 unter I 1 a m.w.N.). Ausschlaggebend für die genannte Rechtsprechung war einerseits die Annahme, mit einem gemeinsamen Außenauftritt der Rechtsanwälte verbinde ein Rechtsuchender die Erwartung, gleichzeitig alle Sozien zu beauftragen und deren Solidarhaftung herbeizuführen (vgl. Senatsurteil vom

29. Oktober 1990 AnwSt (R) 11/90, aaO), und andererseits die Annahme, der Rechtsverkehr erwarte in diesen Fällen eine kollegiale Zusammenarbeit aller gleichrangig aufgeführten Rechtsanwälte auf gleicher Ebene (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 1996 I ZR 106/94, NJW 1996, 2308 , 2310).

Diese Sichtweise ist jedoch überholt. Der gesetzlich nicht definierte und seit der - zum 18. Dezember 2007 wirksam gewordenen - Änderung der grundlegenden Norm über die Zulässigkeit beruflicher Zusammenarbeit (= § 59a BRAO ) dort nicht mehr verwendete Begriff der "Sozietät" hat seit einiger Zeit an Konturen verloren. Während ein Teil des Schrifttums die Sozietät nach wie vor als Synonym für eine Außengesellschaft des bürgerlichen Rechts ansieht, verstehen andere Stimmen unter dem Begriff "Sozietät" jegliche Form gemeinsamer anwaltlicher Berufsausübung (Deckenbrock in Henssler/Streck, Handbuch Sozietätsrecht, 2. Aufl., M Rn. 5 m.w.N.).

Es braucht vorliegend nicht abschließend geklärt zu werden, welche rechtlichen Strukturen der Rechtsverkehr heutzutage mit dem Begriff "Sozietät" verbindet. Denn jedenfalls in den Fällen, in denen wie hier unterstellt ein gemeinsames berufliches Auftreten der "Scheinsozien" durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen gewährleistet ist (gemeinsame Annahme von Mandaten; Verweisung der Mandanten an den für das jeweilige Fachgebiet zuständigen Spezialisten; gesamtschuldnerische Haftung der "Scheinsozien"), ist eine rechtlich bedeutsame Irreführung der Rechtsuchenden durch den von ihnen erweckten Anschein einer Sozietät auszuschließen.

(bb) Der Rechtsuchende, der eine Sozietät beauftragt, will sich in der Regel die Vorteile zunutze machen, die ihm aus einer gemeinschaftlichen Berufsausübung verschiedener Anwälte erwachsen. Solche Vorteile sind vor allem Spezialisierung, gegenseitige Vertretung sowie interne Beratung und Abstimmung unter den verbundenen Rechtsanwälten (vgl. BGH, Urteile vom 25. April 1996 I ZR 106/94, aaO; vom 3. Mai 2007 IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169 Rn. 17; jeweils m.w.N.). Diese Anforderungen sind im Streitfall nach den - von keiner Seite angegriffenen - Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs gewahrt. Der Mandantschaft steht nicht nur die Expertise derjenigen Anwälte zur Verfügung, die in der kontaktierten örtlichen Sozietät zusammengeschlossen sind. Vielmehr werden sie jeweils an den zuständigen Fachspezialisten verwiesen; gehört dieser der Partnersozietät an, wird das Mandat an diese weitergegeben. Die von den Mandaten erteilten Vertretungs- und Prozessvollmachten erstrecken sich auf sämtliche Rechtsanwälte. Diese tauschen sich unstreitig in grundsätzlichen Fragen und bei der Bearbeitung problematischer Einzelmandate aus. Damit bietet der Zusammenschluss der beiden örtlichen Sozietäten den Rechtsuchenden eine der Arbeitsweise in einer Sozietät vergleichbare Bearbeitung, so dass eine Irreführung des Rechtsverkehrs insoweit auszuschließen ist.

(cc) Auch hinsichtlich der Solidarhaftung der nach außen als Scheinsozien in Erscheinung tretenden Rechtsanwälte besteht zu der Haftung von Mitgliedern einer tatsächlich existierenden Sozietät kein entscheidender Unterschied. Beim Fehlen einer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit verpflichtet das gemeinschaftliche Auftreten nach außen alle Rechtsanwälte nach Rechtsscheingrundsätzen zu einer gesamtschuldnerischen Haftung gegenüber dem Mandanten (BGH, Urteil vom 21. Juli 2011 IV ZR 42/10, NJW 2011, 3718 Rn. 24; vgl. auch Urteil vom 17. November 2011 IX ZR 161/09, aaO Rn. 22). Diese haftungsrechtliche Gleichstellung mit Mitgliedern einer tatsächlich bestehenden Sozietät schützt den Mandanten, der in der Regel nicht ohne weiteres erkennen kann, ob ein Anwalt die Stellung eines Sozius oder Scheinsozius innehat (BGH, Urteil vom 21. Juli 2011 IV ZR 42/10, aaO). Was die Solidarhaftung der beruflich gemeinsam auftretenden Rechtsanwälte angeht, ist es für die Mandanten damit ohne Belang, ob der Außenauftritt von Rechtsanwälten der

Binnenstruktur ihres Zusammenschlusses entspricht (so auch Feuerich/ Weyland/Böhnlein, aaO, § 8 BORA Rn. 12; § 59a BRAO Rn. 15; § 51a BRAO Rn. 14; Bormann in Gaier/Wolf/Göcken, aaO, § 59a BRAO Rn. 35, 63; Henssler/Prütting, aaO, § 8 BORA Rn. 5; Hartung/Römermann, aaO § 8 BORA Rn. 38, 39; vgl. auch Graf von Westphalen in Henssler/Streck, aaO, B Rn. 604).

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deswegen angezeigt, weil der Rechtsverkehr anders als bei der in Form einer rechtsfähigen Außengesellschaft des bürgerlichen Rechts geführten Sozietät die Scheinsozietät nicht neben den Scheinsozien als eigenständiges Haftungssubjekt in Anspruch nehmen kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. November 2011 IX ZR 161/09, aaO Rn. 22 f.). Es mag zwar sein, dass dem Mandanten in diesen Fällen Kostennachteile entstehen können, etwa weil er neben den gesamtschuldnerisch haftenden Scheinsozien auch eine rechtliche nicht existente "Scheingesellschaft des bürgerlichen Rechts" gerichtlich in Anspruch nimmt. Diesem Umstand kommt jedoch kein entscheidendes Gewicht zu. Denn der Rechtsverkehr wäre, sofern die gemeinsam tätigen Anwälte den Rechtsschein erweckten, sie seien zu einer - tatsächlich nicht bestehenden - Außengesellschaft des bürgerlichen Rechts verbunden, nicht rechtlos gestellt, weil die Scheinsozien in diesem Fall auch für hierdurch entstehende Kostennachteile gesamtschuldnerisch hafteten.

(dd) Schließlich weckt der Werbeauftritt der örtlichen Sozietäten im Internet beim rechtsuchenden Publikum auch insoweit keine nach § 43b BRAO unzulässigen Fehlvorstellungen, als er die besonderen Vorzüge der gemeinsamen Berufsausübung anpreist ("eine der größten Anwaltskanzleien in Westfalen"; "Sozietät besteht aus über 50 Rechtsanwälten"; "Durch den Zusammenschluss sind wir zu einem der bedeutendsten regionalen Anbieter anwaltlicher Beratung gewachsen, indem wir die Stärken zweier namhafter westfälischer Kanzleien zum Nutzen unserer Mandanten gebündelt haben."). Die Beklagte sieht hierin

eine Irreführung der Rechtsuchenden über das Vorhandensein besonderer personeller Ressourcen, besonderer Marktpräsenz und besonderer Arbeits- und Schlagkraft. Dem folgt der Senat nicht.

Durch den Zusammenschluss der beiden örtlichen Sozietäten hat sich nicht nur der Pool der zur Verfügung stehenden Anwälte, sondern auch der Kreis der Fachanwälte und sonstigen Spezialisten deutlich erhöht. Mandanten werden unstreitig an den für das jeweilige Fachgebiet zuständigen Spezialisten verwiesen. Darüber hinaus ist die überörtliche "Sozietät" in mehreren größeren Städten präsent und führte im Jahr 2009 in ihrem Briefkopf zuletzt 46 Anwälte auf (ein weiterer Anwalt wurde als ausgeschiedener Partner ausgewiesen). Auch wenn damit die in dem beanstandeten Internetauftritt angegebene Anzahl der zusammengeschlossenen Rechtsanwälte eventuell nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprach, ist die Differenz doch nicht so signifikant, dass damit die "Sozietät" größenmäßig in eine niedrigere Kategorie einzustufen wäre. Die anpreisenden Werbeaussagen über die Bedeutung des überörtlichen Zusammenschlusses und die wirtschaftliche Position der "Sozietät" auf dem landesweiten "Anwaltsmarkt" sind möglicherweise ebenfalls übertrieben. Dass sie in ihrem wesentlichen Aussagegehalt falsch sind, hat die Beklagte aber nicht dargelegt. Insbesondere hat sie keine Angaben zur Größe und wirtschaftlichen Bedeutung der übrigen in Westfalen ansässigen Kanzleien gemacht.

(b) § 8 BORA a.F. steht einem gemeinsamen Auftreten der beiden örtlichen Sozietäten als hier unterstellte - Außen(=Schein-)Sozietät unter Verwendung der Bezeichnung "Sozietät" ebenfalls nicht entgegen. Diese - § 43b BRAO konkretisierende - Bestimmung stuft ausdrücklich diejenigen Fallgestaltungen, die die Rechtsprechung zum Anlass genommen hat, die Haftungsfigur der Scheinsozietät zu entwickeln (nach außen als dem/den Kanzleiinhaber(n) gleichgestellt in Erscheinung tretende angestellte oder als freie Mitarbeiter tätige Anwälte),

als aus werberechtlicher Sicht unbedenklich ein (vgl. Protokoll über die 2. Sitzung der Satzungsversammlung bei der BRAK vom 1. bis 3. Februar 1996, aaO; Roth in Festschrift für Karsten Schmidt zum 70. Geburtstag, 2009, S. 1375, 1376, 1379). Wie bereits ausgeführt, erfasst § 8 BORA a.F. nicht nur diese klassischen Fallgestaltungen einer Außen(=Schein-)Sozietät, sondern auch diejenigen Fälle, in denen sich selbständige Rechtsanwälte oder - wie hier zu unterstellen - rechtsfähige Sozietäten als Mitglieder einer Außen(=Schein-) Sozietät gerieren.

Dass § 8 BORA a.F. begrifflich zwischen der Sozietät im eigentlichen Sinne und einer Außen(=Schein-)Sozietät als Form der "beruflichen Zusammenarbeit in sonstiger Weise" (vgl. auch § 32 Abs. 3 BORA ) unterscheidet, bedeutet nicht, dass er Scheinsozien untersagt, bei ihrer Außendarstellung die rechtsscheinbegründende Bezeichnung "Sozietät" zu verwenden. Die genannte Unterscheidung beruht lediglich darauf, dass § 8 BORA a.F. an von § 59a BRAO erlaubte berufliche Erscheinungsformen (und noch an die Begrifflichkeiten des § 59a BRAO a.F.) anknüpft und hiervon ausgehend sowohl den Hinweis auf ein Sozietätsverhältnis als auch auf ein scheinbares Sozietätsverhältnis gestattet (vgl. Bormann in Gaier/Wolf/Göcken, aaO, § 59a BRAO/§ 8 BORA Rn. 104; vgl. ferner Henssler/Prütting, aaO, § 8 BORA Rn. 3, 5; Feuerich/ Weyland/Böhnlein, aaO, § 8 BORA Rn. 11 f.).

(3) Auch die von den örtlichen Sozietäten gewählte Kurzbezeichnung "St. ▪ S . " ist nicht zu beanstanden. § 9 BORA a.F. gestattet nicht nur den Mitgliedern einer Sozietät, sondern auch einer Scheinsozietät die Führung einer Kurzbezeichnung. Wie bei § 8 BORA a.F. ist der dem Oberbegriff "in sonstiger Weise" beigefügte Klammerzusatz "Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit" nicht abschließend zu verstehen. Insoweit kann auf die Ausführungen unter Rn. 29 verwiesen werden. Die verwendete Kurzbezeichnung genügt den

von § 9 BORA a.F. gestellten Anforderungen. Sie wird einheitlich geführt und enthält den Namen jeweils eines prominenten Mitglieds der beiden örtlichen Sozietäten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 1 VwGO .

Der Streitwert richtet sich gemäß § 194 Abs. 1 BRAO nach den in § 52 GKG getroffenen Regelungen. Fehlen ausreichende Anhaltspunkte für eine Streitwertbestimmung, ist für das betroffene Klagebegehren ein Regelstreitwert von 5.000 € anzusetzen (§ 52 Abs. 2 GKG ). Da es sich vorliegend um 34 Prozessrechtsverhältnisse handelt, ist der Gesamtstreitwert mit 170.000 € zu bemessen.

Verkündet am: 12 Juli 2012

Vorinstanz: AGH Hamm - 04.03.2011 - AZ: 2 AGH 1, vom 15 u. 17 - Vorinstanzaktenzeichen 35/10
Fundstellen
AnwBl 2012, 840
BGHZ 194, 79
DStR 2012, 2203
DStRE 2013, 123
MDR 2012, 1194
NJW 2012, 3102
ZIP 2012, 1960