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BGH - Entscheidung vom 26.07.2012

III ZB 57/11

Normen:
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 520 Abs. 2 S. 2

Fundstellen:
AnwBl 2012, 850
FamRZ 2012, 1563

BGH, Beschluss vom 26.07.2012 - Aktenzeichen III ZB 57/11

DRsp Nr. 2012/16249

Bloßer Hinweis auf laufende Vergleichsverhandlungen als ausreichend für die gemäß § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO notwendige Einwilligung des Gegners für eine weitere (zweite) Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist

Der bloße Hinweis auf laufende Vergleichsverhandlungen reicht nicht aus, um die gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO notwendige Einwilligung des Gegners für eine weitere (zweite) Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist darzutun.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Juli 2011 wird auf ihre Kosten verworfen.

Beschwerdewert: 208.250 €

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 2 S. 2;

Gründe

I.

Unter Abweisung der auf den Ausgleich von Honorarforderungen gerichteten Klage im Übrigen ist die Beklagte in erster Instanz verurteilt worden, an die Klägerin 208.250 € nebst Zinsen zu zahlen, ihre Widerklage ist abgewiesen worden. Gegen dieses ihr am 1. März 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31. März 2011 Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist antragsgemäß bis zum 1. Juni 2011 verlängert worden mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass eine weitere Verlängerung nur mit Einwilligung des Gegners bewilligt werde. Am 31. Mai 2011 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den Antrag gestellt, diese Frist nochmals bis zum 1. Juli 2011 zu verlängern. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, die Parteien befänden sich derzeit noch in Vergleichsverhandlungen. Diesen Antrag hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts mit Verfügung vom 3. Juni 2011 zurückgewiesen, weil die nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO zwingend notwendige Einwilligung des Gegners nicht vorliege.

Unter dem 19. Juni 2011 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hilfsweise zu seinem Fristverlängerungsantrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat geltend gemacht, dass die Klägerin am 23. Mai 2011 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet habe, dessen konkrete Formulierung noch gemeinsam habe abgestimmt werden sollen, eine Bindungsfrist sei dabei nicht vorgesehen gewesen. Den Klägervertreter habe er danach telefonisch mehrfach nicht erreicht, so dass er ihm am 14. Juni 2011 per Telefax mitgeteilt habe, die Beklagte sei mit dem Abschluss des Vergleichs einverstanden. Hierauf sei ihm mitgeteilt worden, die Klägerin habe sich lediglich bis zum 31. Mai 2011 an ihren Vorschlag gebunden gesehen.

Um das Berufungsverfahren fortzuführen, habe sich seine Mitarbeiterin am 31. Mai 2011 an die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts gewandt und dort erfahren, dass der Senatsvorsitzende erst am 3. Juni 2011 wieder zu erreichen sei; ihr sei außerdem mitgeteilt worden, eine Fristverlängerung werde bei Vergleichsgesprächen gewährt; dies gelte auch für den zweiten Verlängerungsantrag, es solle jedoch ein schriftlicher Antrag gestellt werden. Im Vertrauen hierauf sei dann die weitere Fristverlängerung beantragt und keine Rücksprache mehr mit dem Gericht und dem Klägervertreter gehalten worden.

Die Klägerin hat dem entgegengehalten, dass der Beklagte zu keinem Zeitpunkt um die Erteilung der Einwilligung zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nachgesucht habe; diese wäre auch verweigert worden, da die Klägerin keine weitere Verzögerung des Rechtsstreits habe dulden wollen. Im Übrigen sei den dem Beklagtenvertreter übersandten E-Mails, zuletzt am 30. Mai 2011, zu entnehmen gewesen, dass eine vergleichsweise (Vollstreckungs-)Regelung nur bei Zahlung des genannten Betrages bis zum 31. Mai 2011 in Betracht komme.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2011 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruhe auf einem der Beklagten zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten. Dieser habe sich nicht auf die (angeblichen) Angaben der Justizbediensteten verlassen dürfen. Bereits in der Verlängerungsverfügung vom 3. Mai 2011 sei darauf hingewiesen worden, dass ohne Einwilligung des Gegners eine weitere Fristverlängerung nicht in Betracht komme. Abgesehen davon, dass sich der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin des Prozessvertreters der Beklagten nicht entnehmen lasse, mit welchem konkreten Inhalt sie "das Anliegen" gegenüber der Justizbediensteten vorgetragen habe, ließen deren Angaben auch nicht erkennen, worauf die Annahme beruhe, die Verlängerung der Frist werde bei Vergleichsgesprächen auch ohne Einwilligung des Gegners vorgenommen. Auch nach dem Verhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe kein Anlass bestanden, die Erteilung einer Einwilligung anzunehmen. Das der Beklagten unterbreitete Vergleichsangebot habe nach dem Vortrag der Klägerin eine sofortige Zahlung von 190.000 € bis spätestens 31. Mai 2011 vorgesehen. Der Beklagtenvertreter habe sich vor diesem Zeitpunkt nicht nochmals mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Verbindung gesetzt und auch die E-Mail vom 30. Mai 2011 nicht beantwortet. Ohne Rückfrage habe er deshalb nicht davon ausgehen können, dass die Klägerin mit einer nochmaligen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist einverstanden sei. Unter diesen Umständen bestehe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein Raum.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte weder in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch auf ausreichendes rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn. 5 und vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn. 6).

Die Beklagte hat die verlängerte Frist zur Berufungsbegründung, die nur mit Einwilligung des Gegners erneut hätte verlängert werden können (§ 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO ), versäumt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil ein der Beklagten zuzurechnendes (§ 85 Abs. 2 ZPO ) Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten vorliegt. Dieser durfte ohne Rücksprache mit dem Klägervertreter und Hinweis auch auf eine erteilte Einwilligung nicht darauf vertrauen, dass seinem am vorletzten Tag der bereits einmal verlängerten Frist zur Berufungsbegründung (bis zum 1. Juni 2011) gestellten Antrag allein aufgrund seines Hinweises auf Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien stattgegeben werde. Bereits in der gerichtlichen Verfügung vom 3. Mai 2011 war darauf hingewiesen worden, dass ohne Einwilligung des Gegners eine solche Verlängerung nicht mehr möglich sei.

a) Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kommt eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist über einen Monat hinaus ohne Einwilligung des Gegners schon von Gesetzes wegen nicht in Betracht. Ob ausnahmsweise etwas anderes gelten kann, wenn die Zustimmung rechtsmissbräuchlich verweigert wird, kann dahinstehen; ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2004 - IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742 ).

aa) Vor Ablauf der (bereits einmal verlängerten) Berufungsbegründungsfrist hat weder der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den Gegner um die Erteilung der Einwilligung nachgesucht noch hat der Gegner von sich aus - etwa im Zusammenhang mit dem Vergleichsangebot - vorab die Zustimmung erteilt oder auch nur die Bereitschaft hierzu zu erkennen gegeben. Insbesondere gab der Vergleichsvorschlag der Klägerin dem Beklagtenvertreter keinen hinreichenden Anlass, mit diesem Angebot zugleich eine Einwilligung in eine weitere Fristverlängerung zu verbinden. Auch wenn eine Abstimmung der konkreten Formulierung der beabsichtigten Vereinbarung beabsichtigt war, musste ihm bewusst sein, dass er diese prozessuale Voraussetzung besonders ansprechen und noch innerhalb laufender Frist herbeiführen musste. Nach dem Klägervorbringen, dem die Beklagte weder in dem Wiedereinsetzungsantrag noch sonst entgegengetreten ist, war ohnehin nur ein Vollstreckungsvergleich angeboten worden, zu dem sich der Beklagtenvertreter in einem Telefongespräch am 26. Mai 2011 nicht geäußert hatte. Zudem hat er auch den Erhalt einer E-Mail vom 30. Mai 2011 nicht in Abrede gestellt, in dem (nochmals) auf eine Zahlung bis 31. Mai 2011 ausdrücklich hingewiesen worden ist. Es lag damit auf der Hand, dass ohne eine solche vor Fristablauf erfolgte Zahlung der Vergleich wahrscheinlich scheitern würde und so die fristgerechte Einreichung einer Berufungsbegründungsschrift bei Gericht geboten war.

bb) Hinzukommt, dass im Falle des § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO berechtigtes Vertrauen auf die Gewährung einer beantragten Fristverlängerung die Vollständigkeit des Antrags voraussetzt. Dazu gehört die Darlegung der Einwilligung des Gegners, wenn dieser sie nicht unmittelbar gegenüber dem Gericht erklärt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2005 - XI ZB 36/04, NJW-RR 2005, 865 , 866 mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss dies im Regelfall ausdrücklich geschehen. Ausnahmsweise kann auch eine konkludente Darlegung ausreichen. Dies ist der Fall, wenn sich die Einwilligung des Gegners zweifelsfrei aus dem Zusammenhang des Antrags mit zuvor gestellten Verlängerungsanträgen ergibt; also wenn etwa im Anschluss an vorangegangene Verlängerungsgesuche, in denen unter Hinweis auf schwebende Vergleichsverhandlungen ausdrücklich die Einwilligung des gegnerischen Anwalts dargelegt wurde, ein weiterer Verlängerungsantrag mit dem Bemerken gestellt wird, "die Parteien" benötigten die (nochmalige) Fristverlängerung, um den Vergleich abschließend abzustimmen und zur Protokollierung im schriftlichen Verfahren vorzulegen (vgl. BGH, Beschluss 12. April 2006 - XII ZB 74/05, NJW 2006, 2192 Rn. 9).

Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in seinem Antrag lediglich darauf hingewiesen, dass die Parteien sich derzeit noch in Vergleichsverhandlungen befänden. Dieses Vorbringen genügt nicht, um die Erteilung der Einwilligung des Gegners zur begehrten Fristverlängerung hinreichend darzutun. Denn allein die Erwähnung von bisher nicht bekannten Vergleichsverhandlungen gab dem Berufungsgericht keinen Anlass zur Mutmaßung, dass eine Einwilligung zwar eingeholt, jedoch im Fristverlängerungsantrag (versehentlich) nicht erwähnt worden sei.

b) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, jedenfalls aus den Angaben der Geschäftsstellenmitarbeiterin F. habe sich ein berechtigtes Vertrauen auf eine weitere Fristverlängerung ableiten lassen, kann auch dem nicht gefolgt werden. Nach der mit dem Wiedereinsetzungsgesuch vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Kanzleimitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hatte ihr die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts mitgeteilt, bei Vergleichsgesprächen werde eine Fristverlängerung gewährt. Auf Nachfrage, ob das auch für den zweiten Verlängerungsantrag gelte, da hierzu normalerweise die Zustimmung der Gegenseite erforderlich sei, soll dies bestätigt worden sein. Diesen Angaben einer Geschäftsstellenbeamtin konnte und durfte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten jedoch nicht entnehmen, dass - entgegen der eindeutigen Gesetzeslage - bei Vergleichsgesprächen in jedem Fall eine zweite Fristverlängerung gewährt werde, und zwar auch dann, wenn der Gegner hierzu seine Einwilligung nicht erteilt hat. Vielmehr hätte sich in dieser Situation (zumindest) der Prozessbevollmächtigte der Beklagten bei Abwesenheit des Senatsvorsitzenden selbst an dessen Stellvertreter oder den Berichterstatter wenden und weiter kundig machen müssen. Das ist nicht geschehen.

3. Nach alledem ist die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht verweigert und die Berufung als unzulässig verworfen worden.

Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 01.02.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 273/09
Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 07.07.2011 - Vorinstanzaktenzeichen I-10 U 56/11
Fundstellen
AnwBl 2012, 850
FamRZ 2012, 1563