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BGH - Entscheidung vom 09.05.2012

5 StR 41/12

Normen:
BtMG § 29a Abs. 2
StPO § 229

BGH, Beschluss vom 09.05.2012 - Aktenzeichen 5 StR 41/12

DRsp Nr. 2012/10201

Anforderungen an die Verwirklichung einzelner Tatbestandskriterien bei einer Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Eine erfolgsabhängige Entlohnung der Vertrauensperson der Polizei ist mit einem erheblichen Falschbelastungsmotiv verbunden; dies ist bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 3. März 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

BtMG § 29a Abs. 2 ; StPO § 229 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und neun Monaten (P. ) bzw. zwei Jahren und sechs Monaten (A. ) verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichteten, auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen die Angeklagten im Sommer 2008 mit einem Vertrauensmann des Zollfahndungsamts Hamburg namens "R. " auf dessen Initiative bei verschiedenen Zusammenkünften eine Vereinbarung über den Verkauf von einem Kilogramm Kokain an "R. ". Bereits nach dem ersten diesbezüglichen Gespräch unterrichtete "R. " die als VP-Führer tätigen Beamten S. und K. vom Zollfahndungsamt Hamburg von dem Angebot und handelte fortan auf deren Weisung, um bezüglich des von P. angebotenen Kokains einen Scheinkauf durchzuführen. Trotz konkreter Verabredungen und eines Treffens mit P. , bei dem eine verdeckt ermittelnde Zollbeamtin 38.000 € Scheinkaufgeld mitgebracht hatte, scheiterte das Geschäft letztlich, da P. das Kokain nicht beschaffte.

2. Auf die lediglich vom Angeklagten A. mit der Verfahrensrüge beanstandete Überschreitung der Frist des § 229 Abs. 1 StPO und die in der Sache offensichtlich fehlerhafte Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 229 Abs. 3 StPO bezüglich einer zum anberaumten Termin bei Gericht erschienenen Schöffin kommt es nicht an. Die Revisionen beider Angeklagter führen mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils. Die den Feststellungen des Landgerichts zu einem von den Angeklagten mit "R. " vereinbarten Kokaingeschäft zugrunde liegende Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten maßgeblich auf die über die Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführten früheren Angaben des "R. ", der nach den Urteilsgründen für seine Tätigkeit im Erfolgsfall entlohnt wird. Zwar hat die Strafkammer den deshalb bei der Bewertung seiner Angaben anzulegenden strengen Prüfungsmaßstab im Grundsatz nicht verkannt. Die Würdigung der Glaubhaftigkeit seiner Aussage ist dennoch lückenhaft und wird den in der gegebenen Konstellation geltenden besonderen Anforderungen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7. Juni 2000 - 3 StR 84/00, NStZ 2000, 607 mwN) nicht gerecht.

Entgegen den pauschalen Ausführungen unter III. der Urteilsgründe erfahren die Angaben des "R. " hinsichtlich der für die Abrede des Kokaingeschäfts entscheidenden Gesprächsinhalte gerade keine Bestätigung durch die Aussagen der Zollbeamten oder sonstige Beweismittel. Auch die Erwägung der Strafkammer, die erfolgsabhängige Entlohnung der Vertrauensperson stelle deshalb kein Indiz für eine falsche Beschuldigung dar, weil letztere stets mit dem Risiko verbunden wäre, dass es den angeblichen Tätern gelingen könnte, sich zu entlasten, trägt nicht. Sie lässt außer Acht, dass ein Entlastungsbeweis, durch den die Angaben der Vertrauensperson widerlegt wären, bezüglich der Gesprächsinhalte der in Rede stehenden Vier-Augen-Gespräche nicht ohne weiteres erbracht werden kann und "R. " somit nicht damit rechnen musste, einer falschen Aussage überführt zu werden. Vor dem Hintergrund des erheblichen Falschbelastungsmotivs setzt sich das Landgericht auch nicht in genügendem Maße mit der Einlassung des Angeklagten P. auseinander, "R. " habe zwei Monate lang versucht, ihn zu dem Kokaingeschäft zu überreden, er habe aber immer wieder erklärt, "dass er es nicht könne" (UA S. 20). Des Weiteren lässt die Strafkammer unerörtert, weshalb sich aus der zugunsten des Angeklagten unterstellten Tatsache, dass "R. " kokainabhängig war und sich mit der Fälschung von Ausweispapieren befasste, trotz eines sich hieraus ergebenden erhöhten Geldbedarfs keine zusätzlichen Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit seiner mit der Aussicht auf Entlohnung verbundenen Angaben ergeben sollten.

b) Soweit das Landgericht seine Überzeugung vom Vorliegen der ernsthaften Verabredung des Kokaingeschäfts darauf stützt, dass der Angeklagte P. sich telefonisch bei einem "Ah. " um die Erlangung von 500 Gramm Kokain bemüht habe, fehlt es an einer Erörterung der sich aufdrängenden Frage, weshalb P. , statt, wie von "Ah. " verlangt, zum Steindamm zu kommen, nach Harburg gefahren ist und sich bei "Ah. " offenbar nicht mehr gemeldet hat.

c) Darüber hinaus geht aus den Urteilsgründen nicht hervor, auf welcher Grundlage sich die Strafkammer davon überzeugt hat, dass die beiden Angeklagten das angenommene Kokaingeschäft als gemeinsames Geschäft mit beidseitiger maßgeblicher Gewinnbeteiligung geplant haben. Die Frage einer denkbaren Gehilfenstellung jedes der Angeklagten bleibt gänzlich unerörtert. Ebenso fehlt es an, bei dem gegebenen Sachverhalt unbedingt veranlassten, Erwägungen, ob einer der Angeklagten etwa bestrebt gewesen sein könnte, durch Scheinangebote oder Teillieferungen in Besitz des angebotenen Kaufgeldes zu gelangen.

3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer tatgerichtlicher Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist darauf hin, dass jenseits von den durchgreifenden Bedenken gegen die Schuldsprüche die Strafrahmenwahl des Landgerichts (Ablehnung des § 29a Abs. 2 BtMG ) bei der Rolle des agent provocateur, dem letztlich gänzlich negativen Ausgang seiner Bemühungen, bei dem Angeklagten A. zudem angesichts seiner Unbestraftheit, schwer nachzuvollziehen ist.

4. Für eine vom Generalbundesanwalt angenommene rechtsstaatswidrige Verzögerung des Revisionsverfahrens ist nach Auffassung des Senats angesichts der erforderlichen zeitaufwändigen Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft in dieser Nichthaftsache nichts ersichtlich.

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 03.03.2011