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BGH - Entscheidung vom 17.07.2012

X ZR 113/11

Normen:
PatG § 14
EPÜ Art. 69

Fundstellen:
GRUR 2012, 1122

BGH, Urteil vom 17.07.2012 - Aktenzeichen X ZR 113/11

DRsp Nr. 2012/17831

Anforderungen an die Gleichwirkung einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Lösung eines Merkmals der geschützten Erfindung (hier: Palettenbehälter)

Eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Lösung ist nur dann gleichwirkend, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll. Ergeben sich aus der Auslegung des Patentanspruchs Mindestanforderungen an die Quantität oder Qualität einer bestimmten Wirkung, können abgewandelte Mittel, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden, auch dann nicht unter dem Gesichtspunkt einer verschlechterten Ausführungsform als gleichwirkend angesehen werden, wenn alle übrigen Wirkungen der patentgemäßen Lösung im Wesentlichen erreicht werden.

Tenor

Die Revision gegen das am 28. Juli 2011 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München wird auf Kosten der Klägerin verworfen, soweit es um Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 im Zeitraum vor dem 19. September 2008 geht, und im Übrigen zurückgewiesen.

Normenkette:

PatG § 14 ; EPÜ Art. 69;

Tatbestand

Die Klägerin nimmt als Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts an dem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent 370 307 (Klagepatent) die Beklagten wegen Patentverletzung in Anspruch. Das Klagepatent, das am 8. November 1989 angemeldet wurde und mit Ablauf des 8. November 2009 durch Zeitablauf erloschen ist, betrifft einen Palettenbehälter. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:

"Palettenbehälter, mit einer Flachpalette, einem austauschbaren lnnenbehälter aus Kunststoff mit einer oberen Einfüllöffnung und einer unteren Entleerungseinrichtung sowie einem den lnnenbehälter umgebenden Außenmantel aus einem Gitterwerk mit senkrechten und waagerechten Gitterstäben aus Metall, dadurch gekennzeichnet, dass der Außenmantel (3) durch als Rohre ausgebildete Gitterstäbe (4, 5) gebildet wird, die eng an der Außenwand (14) des Kunststoff-lnnenbehälters (2) anliegen, dass an den Kreuzungsstellen (15) die senkrechten und waagerechten Gitterstäbe (4, 5) zur Bildung muldenartiger, in Längsrichtung der Gitterstäbe verlaufender, doppelwandiger Vertiefungen (16) eingezogen sind, derart, dass die beiden gekrümmten Längsränder (18, 19) der Wandung (17) der Vertiefungen (16) jedes Gitterstabes (4, 5) zwischen einer Tangentialebene (20-20) und einer zu dieser parallelen Sekantenebene (21-21) des Gitterstabes (4, 5) verlaufen und an jeder Kreuzungsstelle (15) zwischen den Längsrändern (18, 19) der Vertiefungen (16) zweier rechtwinklig übereinander liegender Gitterstäbe (4, 5) vier in einer Ebene (21-21) gelegene Berührungsstellen (22) mit jeweils einer der vierfachen Gitterstabwandstärke (23) entsprechenden Materialanhäufung entstehen, und dass die Gitterstäbe (4, 5) durch eine Widerstandspressschweißung der vier Berührungsstellen (22) an jeder Kreuzungsstelle (15) derart miteinander verbunden sind, dass die Stäbe (4, 5) innen und außen gemeinsame Tangentialebenen (20-20, 25-25) aufweisen."

Die Klägerin produziert und vertreibt unter der Bezeichnung "E. " Palettenbehälter, die nach ihrer Auffassung diese Merkmale aufweisen. Die Beklagte zu 1 und dem Klagevorbringen zufolge auch die Beklagte zu 2 bieten wiederaufgearbeitete Behälter dieser Art an. Im Rahmen der Wiederaufarbeitung wird bei Behältern, die ursprünglich von der Klägerin in Verkehr gebracht worden sind, der Innenbehälter entfernt und durch einen gleichartigen Innenbehälter aus der Produktion der Beklagten ersetzt. Die Klägerin sieht in der beschriebenen Wiederaufarbeitung von Behältern, im Anbieten einer solchen Wiederaufarbeitung und im Anbieten von in dieser Weise wiederaufgearbeiteten Behältern eine Verletzung des Klagepatents.

Das Landgericht hat die ursprünglich auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Rechnungslegung gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie im Hinblick auf das Erlöschen des Klagepatents wegen Zeitablaufs nur noch die Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung weiterverfolgt und den Rechtsstreit im Übrigen in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, der die Beklagten entgegentreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

I. Das Klagepatent betrifft einen Palettenbehälter, der im Wesentlichen aus einer Flachpalette, einem darauf angebrachten austauschbaren Innenbehälter aus Kunststoff und einem diesen umgebenden Gitter aus senkrechten und waagerechten Metallstäben besteht. Behälter dieser Art, die zur Lagerung und zum Transport von Flüssigkeiten eingesetzt werden, waren im Stand der Technik bekannt. Das Klagepatent betrifft das technische Problem, die Stabilität solcher Behälter zu erhöhen und die Möglichkeit einer automatisierten Fertigung weiter zu verbessern.

Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch 1 einen Palettenbehälter vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (die abweichende Gliederung des Berufungsgerichts ist in eckigen Klammern wiedergegeben):

1. Der Palettenbehälter besteht aus

a)

einer FlachpaIette,

b)

einem austauschbaren lnnenbehälter aus Kunststoff mit (1) einer oberen Einfüllöffnung und (2) einer unteren Entleerungseinrichtung sowie

c)

einem Außenmantel, (1) der den Innenbehälter umgibt und (2) aus einem Gitterwerk mit senkrechten und waagerechten Gitterstäben aus Metall besteht.

2. Die den Außenmantel bildenden Gitterstäbe

a)

sind als Rohre ausgebildet [1],

b)

liegen eng an der Außenwand des Kunststoff-Innenbehälters an [2],

c)

sind an den Kreuzungsstellen zur Bildung muldenartiger, in Längsrichtung der Gitterstäbe verlaufender, doppelwandiger Vertiefungen eingezogen [3], und zwar dergestalt, dass (1) die beiden gekrümmten Längsränder der Wandung der Vertiefungen jedes Gitterstabes zwischen einer Tangentialebene und einer zu dieser parallelen Sekantenebene des Gitterstabes verlaufen [4] und (2) an jeder Kreuzungsstelle zwischen den Längsrändern der Vertiefungen zweier rechtwinklig übereinander liegender Gitterstäbe vier in einer Ebene gelegene Berührungsstellen mit jeweils einer der vierfachen Gitterstabwandstärke entsprechenden Materialanhäufung entstehen [5],

d)

sind durch eine Widerstandspressschweißung der vier Berührungsstellen an jeder Kreuzungsstelle derart miteinander verbunden, dass die Stäbe innen und außen gemeinsame Tangentialebenen aufweisen [6].

Als Vorteile der erfindungsgemäßen Ausgestaltung werden in der Klagepatentschrift eine Gewichtreduktion wegen der Verwendung von Rohren anstelle von Vollstäben und eine wesentlich höhere Stabilität genannt. Die besondere Ausgestaltung der Kreuzverbindungen entsprechend Merkmalsgruppe 2 c ermögliche eine optimale Schweißverbindung durch eine Widerstandspressschweißung im Rahmen einer automatisierten Massenfertigung. Die Kreuzverbindungen wiesen zudem ein großes Widerstandsmoment gegen äußere Krafteinwirkungen sowie die durch das Füllgut bewirkten inneren Kräfte aus (Sp. 1 Z. 31-50). Die Anordnung der Gitterstäbe in der Weise, dass diese durchgehende äußere und innere Begrenzungsebenen bildeten, habe zur Folge, dass ein "Klettern" benachbarter Palettenbehälter aufgrund einer Verwindung der Ladefläche beim Transport der Behälter ausgeschlossen sei (Sp. 3 Z. 1 bis 8).

II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Aktivlegitimation der Klägerin sei durch die vorgelegten Lizenzverträge hinreichend belegt. Die Beklagte zu 2 sei allerdings nur für die Zeit ab 19. September 2008 passivlegitimiert.

Die Klageansprüche scheiterten bereits daran, dass bei den von der Klägerin in Verkehr gebrachten Behältern die Merkmale 2 b und 2 d [2 und 6] des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit gleichwertigen Mitteln verwirklicht seien. Die waagerechten Stäbe, deren Außendurchmesser 18 mm betrage, wiesen an der Außenseite des Mantels einen Überstand von 8 mm über der Tangentialebene auf. Damit verliefen sie jedenfalls an den Kreuzungsstellen nicht eng an der Außenwand des Innenbehälters und wiesen keine gemeinsame Tangentialebene mit den senkrechten Stäben auf. Diese Ausgestaltung könne nicht als äquivalente Verwirklichung der genannten Merkmale angesehen werden. Die beiden Merkmale dienten der Ausbildung einer durchgehenden äußeren und inneren Begrenzungsebene, wodurch nach den Ausführungen in der Klagepatentschrift (Sp. 3 Z. 1 bis 7) ein "Klettern" benachbarter Behälter beim Transport ausgeschlossen werden solle. Bei der hier zur Beurteilung stehenden Ausführungsform fehle es schon an einer Gleichwirkung. Dass ein Aufklettern nach dem Vorbringen der Klägerin auch dann verhindert werde, wenn der Überstand weniger als die Hälfte des Rohrdurchmessers betrage, weil ein Gitterstab dann zwar auf einem anderen zu liegen kommen könne, aber abrutschen müsse, führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Mit der erfindungsgemäßen Ausgestaltung der Kreuzungsstellen sollten auch Krafteinwirkungen durch ein vorübergehendes Aufsitzen ausgeschlossen werden. Außerdem könne es zu einem Abrutschen aufeinanderliegender Stäbe auch dann kommen, wenn der Überstand mehr als die Hälfte des Rohrdurchmessers betrage.

Unabhängig davon führe der Austausch eines Innenbehälters bei einem mit Zustimmung der Klägerin in Verkehr gebrachten Palettenbehälter auch deshalb nicht zu einer Verletzung des Klagepatents, weil er nicht als erneute Herstellung eines erfindungsgemäßen Erzeugnisses, sondern als Reparatur anzusehen sei.

III. Die Revision ist unzulässig, soweit die Klägerin gegen die Beklagte zu 2 Ansprüche hinsichtlich des Zeitraums vor dem 19. September 2008 geltend macht.

Wenn die Abweisung einer Klage auf zwei voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt wurde, ist eine Revision nur dann zulässig, wenn in der Revisionsbegründung für jede dieser Erwägungen dargelegt wird, warum sie unrichtig sein soll (vgl. nur BGH, Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 250/10, WuM 2011, 543 Rn. 6 mwN).

Im Streitfall hat das Berufungsgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich des gegen die Beklagte zu 2 gerichteten Begehrens nach Schadensersatz und Rechnungslegung auch auf die Erwägung gestützt, es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass die Beklagte zu 2 vor ihrer Gründung am 19. September 2008 eine Verletzungshandlung begangen habe. In der Revisionsbegründung wird diese Erwägung nicht angegriffen. Das Rechtsmittel ist mithin unzulässig, soweit es um Ansprüche für den Zeitraum vor dem genannten Datum geht.

IV. Soweit die Revision zulässig ist, hält das angefochtene Urteil der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine Verwirklichung der Merkmale von Patentanspruch 1 mit äquivalenten Mitteln bei den angegriffenen Ausführungsformen verneint.

a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem Sinngehalt des gesamten Patentanspruchs auseinandergesetzt. Vielmehr habe es sich mit einer isolierten Auslegung der Merkmale 2 b und 2 d begnügt, und zwar auch dort, wo es sich scheinbar mit dem gesamten Anspruch befasst habe.

Diese Rüge ist unbegründet.

Wie auch die Revision im Ansatz nicht verkennt, hat sich das Berufungsgericht mit dem Sinngehalt von Patentanspruch 1 in seiner Gesamtheit befasst und auf dieser Grundlage geprüft, welche spezifischen Wirkungen den nicht wortsinngemäß verwirklichten Merkmalen nach dem Klagepatent zukommen und ob diese Wirkungen bei der angegriffenen Ausführungsform durch andere Mittel erzielt werden. Dies genügt den vom Senat entwickelten methodischen Anforderungen.

b) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine wesentliche Wirkung der patentgemäßen Ausgestaltung darin gesehen, dass ein "Klettern" benachbarter Behälter verhindert werde. Diese Wirkung sei weder in die Aufgabenstellung aufgenommen noch in der Vorteilsbeschreibung erwähnt. Sie sei deshalb als untergeordneter Nebeneffekt der geschützten Lehre anzusehen.

Damit zeigt die Revision ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich das einer Erfindung zugrunde liegende technische Problem aus dem, was die Erfindung tatsächlich leistet. In der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabenstellung können einen Hinweis auf das richtige Verständnis enthalten, entheben aber nicht davon, den Patentanspruch anhand der dafür maßgeblichen Kriterien auszulegen und aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 - Gelenkanordnung; Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 12 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III, jeweils mwN).

Die Auslegung des Patentanspruchs durch das Berufungsgericht wird diesen rechtlichen Anforderungen gerecht. Das Berufungsgericht hat zu Recht nicht allein die in der Beschreibung des Klagepatents enthaltenen Angaben zur Aufgabenstellung berücksichtigt, sondern auch die weiteren Wirkungen der im Klagepatent vorgesehenen Merkmale - die, wie auch die Revision im Ansatz nicht verkennt, an anderer Stelle der Beschreibung (Sp. 3 Z. 1 bis 8) ausdrücklich benannt werden - in die Betrachtung einbezogen. Seine hieraus abgeleitete Schlussfolgerung, mit den in Merkmal 2 d vorgesehenen gemeinsamen Tangentialebenen der rechtwinklig zueinander verlaufenden Gitterstäbe solle ein "Klettern" benachbarter Behälter während des Transports verhindert werden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

c) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe sich auf einen einzelnen Vorteil der geschützten Lehre konzentriert und hierbei außer Acht gelassen, dass eine Gesamtbetrachtung erforderlich sei und dass eine einzelne - vorhandene, aber verschlechterte - Wirkung großzügiger behandelt werden könne, wenn die übrigen angestrebten Wirkungen voll erreicht würden.

Diese Rüge ist ebenfalls unbegründet.

(1) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine Lösung nur dann gleichwirkend, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2010 - X ZR 193/03, GRUR 2011, 313 Rn. 41 - Crimpwerkzeug IV).

Der Gesichtspunkt einer "verschlechterten" Ausführung kann insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. Wird eine nach dem Patentanspruch erforderliche Wirkung durch abgewandelte Mittel nur in eingeschränktem Umfang erzielt, ist allerdings zu prüfen, ob auch diese reduzierte Wirkung noch als patentgemäß zu qualifizieren ist. Wenn dies der Fall ist, können die abgewandelten Mittel, die zur Erzielung dieser Wirkung eingesetzt werden, als gleichwirkend anzusehen sein. Ergeben sich aus der Auslegung des Patentanspruchs hingegen gewisse Mindestanforderungen an die Quantität oder Qualität einer bestimmten Wirkung, können abgewandelte Mittel, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden, auch dann nicht im Rahmen einer "großzügigen" Bewertung als gleichwirkend angesehen werden, wenn alle übrigen Wirkungen der patentgemäßen Lösung im Wesentlichen erreicht werden.

(2) Das Berufungsgericht hat die nach der Lehre des Klagepatents erreichte Wirkung der in Merkmal 2 d vorgesehenen gemeinsamen Tangentialebenen nicht nur darin gesehen, dass horizontal verlaufende Gitterstäbe von benachbarten Boxen, die während des Transports vertikal gegeneinander verschoben und horizontal aufeinander zu bewegt werden, wieder aneinander abrutschen, so dass es deshalb nicht zu einem dauerhaften Aufsitzen kommen kann. Es hat vielmehr eine weitere Wirkung darin gesehen, dass auch diejenigen Krafteinwirkungen auf die horizontal verlaufenden Gitterstäbe, die bei einem vorübergehenden Aufgleiten und Abrutschen entstehen, vermieden werden sollen.

Diese Auslegung des Klagepatents hält der rechtlichen Überprüfung stand.

(a) Nach den - insoweit von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts treten auch bei einem Abrutschen zweier benachbarter horizontal verlaufender Gitterstäbe Stoß- und Schlagbeanspruchungen auf, die insbesondere zu einer Belastung der Schweißverbindungen an den Kreuzungsstellen führen, die die Schwachpunkte der Gitterkonstruktion bilden. Solche Beanspruchungen werden weitgehend vermieden, wenn die zueinander senkrecht verlaufenden Gitterstäbe die in Merkmal 2 d vorgesehene gemeinsame Tangentialebene aufweisen und deshalb eine teilweise Überlagerung mit anschließendem Abrutschen nicht auftreten kann. Daraus hat das Berufungsgericht zu Recht die Schlussfolgerung gezogen, dass auch dieser Effekt zu den Wirkungen gehört, die die patentgemäßen Merkmale zur Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden Problems bereitstellen. Eine Ausgestaltung des Außenmantels, bei der Merkmal 2 d nicht wortsinngemäß verwirklicht ist, kann mithin nur dann als gleichwirkend angesehen werden, wenn sie auch diese Wirkung zeitigt.

Letzteres hat das Berufungsgericht für die im Streitfall zu beurteilende Ausführungsform rechtsfehlerfrei verneint. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Ausgestaltung als gleichwirkend angesehen werden könnte, wenn die in einer Richtung verlaufenden Gitterstäbe nur geringfügig aus der Tangentialebene der senkrecht dazu verlaufenden Gitterstäbe herausragen und vertikale Stoß- oder Schlagbeanspruchungen deshalb allenfalls in unwesentlichem Umfang auftreten können. Weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem Vorbringen der Revision kann entnommen werden, dass der im Streitfall festgestellte Überstand, der 44 % des Rohrdurchmessers entspricht, in dieser Hinsicht als geringfügig angesehen werden könnte.

Die Revision macht unter Berufung auf entsprechenden Vortrag der Klägerin in den Vorinstanzen geltend, die Gefahr eines Kletterns sei zu vernachlässigen, sofern der Überstand weniger als 50 % des Rohraußendurchmessers betrage. Weder daraus noch aus sonstigem für die Revisionsinstanz relevanten Parteivorbringen ergibt sich indes, dass es unterhalb der genannten Obergrenze von 50 % auch nicht zu nennenswerten Stoß- oder Schlagbeanspruchungen kommen kann.

(b) Ob eine Patentverletzung mit gleichwirkenden Mitteln auch deshalb zu verneinen ist, weil es auch bei einem Überstand von mehr als 50 % zu einem Abrutschen kommen kann, bedarf angesichts dessen keiner Entscheidung.

Die auf diese Überlegungen gestützten Erwägungen des Berufungsgerichts enthalten eine Hilfsbegründung. Die vom Berufungsgericht in erster Linie angestellten Erwägungen zum Auftreten vertikaler Stoß- oder Schlagbeanspruchungen sind von dieser Hilfsbegründung nicht abhängig und vermögen das angefochtene Urteil selbständig zu tragen.

2. Ebenfalls offenbleiben kann die Frage, ob die Beklagten befugt sind, an patentgemäßen Behältern, die mit Zustimmung der Patentinhaberin in Verkehr gebracht worden sind, den Innenbehälter auszutauschen (vgl. hierzu das in einem Parallelfall ergangene und zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil vom 17. Juli 2011 - X ZR 97/11 Palettenbehälter II). Die vom Berufungsgericht bestätigte Klageabweisung hat schon deshalb Bestand, weil die angegriffenen Behälter nicht von allen Merkmalen von Patentanspruch 1 des Klagepatents Gebrauch machen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 17. Juli 2012

Vorinstanz: LG München I, vom 20.05.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 7 O 19419/08
Vorinstanz: OLG München, vom 28.07.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 3411/10
Fundstellen
GRUR 2012, 1122