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BGH - Entscheidung vom 31.07.2012

4 StR 229/12

Normen:
StGB § 55 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 31.07.2012 - Aktenzeichen 4 StR 229/12

DRsp Nr. 2012/16444

Abstellen auf den Zeitpunkt der ersten Tatsachenverhandlung für die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe

Die Vermittlung des Kontakts zwischen dem Verkäufer und dem Käufer von Drogen kann Beihilfe zum Handeltreiben sein.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 8. März 2012 wird

a)

das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;

b)

das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460 , 462 StPO zu treffen ist.

2.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3.

Die Entscheidung über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach den §§ 460 , 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Normenkette:

StGB § 55 Abs. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hatte den Angeklagten zunächst mit Urteil vom 19. April 2010 unter Freispruch im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafe aus einer Verurteilung des Landgerichts Flensburg vom 29. Oktober 2004 zu einer Gesamtstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Verfallsentscheidung getroffen.

Auf die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat am 24. März 2011 das Urteil aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des täterschaftlichen Handeltreibens in sieben weiteren Fällen freigesprochen und wegen derselben Taten der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden war, und die Sache unter Verwerfung der Revision im Übrigen insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses hat den Angeklagten nunmehr - unter Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Übrigen - der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen, hierfür eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und aus dieser und den sieben bereits rechtskräftig verhängten Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Der Senat lässt offen, ob entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts die bisherigen Feststellungen den Schuldspruch tragen (zur grundsätzlichen Möglichkeit der Beihilfe zu einer Mehrzahl von Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln durch Vermittlung des Kontakts zwischen den Geschäftspartnern: BGH, Urteil vom 4. September 2008 - 1 StR 383/08, NStZ-RR 2009, 22 ): Die für diese Tat verhängte Einzelstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe fällt neben den verbleibenden sieben Einzelstrafen zwischen drei Jahren und drei Monaten und drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe nicht ins Gewicht (§ 154 Abs. 2 StPO ).

2. Die Gesamtstrafe kann unabhängig vom Wegfall der für die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verhängten Einzelstrafe keinen Bestand haben. Das Landgericht hat sich an der Einbeziehung der Strafe von drei Jahren und neun Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. Oktober 2004 durch deren vollständige Vollstreckung am 13. Januar 2011 gehindert gesehen; es hat - trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats im Urteil vom 24. März 2011 - nicht berücksichtigt, dass für die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB auf den Zeitpunkt der ersten Tatsachenverhandlung abzustellen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2009 - 5 StR 459/09, NStZ-RR 2010, 106 , und vom 14. April 2010 - 2 StR 92/10). Bei Erlass des ersten landgerichtlichen Urteils am 19. April 2010 war die Strafe aus der Verurteilung des Landgerichts Flensburg jedoch noch nicht vollständig vollstreckt. Es ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte durch diesen Rechtsfehler beschwert ist.

Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über den Gesamtstrafenausspruch dem Nachverfahren nach §§ 460 , 462 StPO zuzuweisen.

Vorinstanz: LG Essen, vom 08.03.2012