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BGH - Entscheidung vom 06.08.2012

AnwZ (Brfg) 33/12

Normen:
BRAO § 112e S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3

BGH, Beschluss vom 06.08.2012 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 33/12

DRsp Nr. 2012/20005

Abstellen auf das Vermögen im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens bei einem Widerruf einer Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Anwaltsgerichtshofs, durch das einem Rechtsanwalt die Zulassung zur Anwaltschaft widerrufen wird, ist nur begründet, wenn ein Zulassungsgrund vorliegt.2. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird.3. Ein Zulassungsgrund besteht nicht, wenn am Vorliegen eines Vermögensverfalls keine Zweifel bestehen. Auf die Frage, ob der Vermögensverfall nachträglich entfallen ist, kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Abschluss des Verwaltungsverfahrens abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten.4. Die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ist zu bejahen, wenn zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung Regelungen, die eine Vollstreckung durch die Gläubiger ausschlossen, noch nicht getroffen waren.5. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nur anzunehmen, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Frage, ob eine unzutreffende Steuerforderung, die sofort fällig ist, zur Annahme des Vermögensverfalls führen kann, wenn der Rechtsanwalt nicht in der Lage ist, die Forderung auszugleichen, ist nicht entscheidungserheblich, wenn nicht dargetan wird, dass die bestehenden Steuerforderungen tatsächlich unzutreffend sind oder waren, und wenn zudem noch andere Forderungen bestehen.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. März 2012 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Geschäftswert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 112e S. 2; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Der Anwaltsgerichtshof hat seine Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

Der nach § 112e Satz 2, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag hat keinen Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Beschluss vom 23. Januar 2012 - AnwZ (Brfg) 11/11 Rn. 5 m.w.N). Daran fehlt es hier. Am Vorliegen eines Vermögensverfalls bestehen keine Zweifel. Der Kläger trägt selbst vor, dass der Vergleich mit der Stadtsparkasse E. erst nach dem Zulassungswiderruf geschlossen und erfüllt wurde. Eine Forderungserfüllung nach diesem Zeitpunkt behauptet er auch für die Steuerrückstände beim Finanzamt. Nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers war mit dem Finanzamt keine Tilgungsabsprache getroffen worden, sondern die Finanzbehörde hat in das Einkommen seiner Ehefrau vollstreckt. Im Übrigen hat der Kläger in der Hauptverhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof eingeräumt, dass weitere Umsatzsteuerforderungen offen stehen.

Auf die Frage, ob der Vermögensverfall nachträglich entfallen ist, kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Abschluss des Verwaltungsverfahrens abzustellen. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, NJW 2011, 3234 Rn. 9 ff.).

Auch die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend bejaht. Zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung waren Regelungen, die eine Vollstreckung durch die Gläubiger ausschlossen, noch nicht getroffen.

2. Der weiter vom Kläger angeführte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) liegt ebenfalls nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ). Eine solche kommt einer Rechtssache zu, wenn diese eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 - AnwZ (Brfg) 11/11 Rn. 4 m.w.N). Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob eine unzutreffende Steuerforderung, die sofort fällig ist, zur Annahme des Vermögensverfalls führen kann, wenn der Rechtsanwalt nicht in der Lage ist, die Forderung auszugleichen.

Diese Frage ist hier nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger nicht dargetan hat, dass die gegen ihn bestehenden Steuerforderungen tatsächlich unzutreffend sind oder waren. Zu der rückständigen Einkommensteuer hat er in der Klageschrift vom 14. Juli 2011 vorgetragen, dass es das Finanzamt abgelehnt habe, die Vollziehung auszusetzen, da die Gesellschaft die Steuern erklärt habe, die Bescheide auf der Grundlage der Erklärung ergangen seien und die Gewinnverteilung eine Frage zwischen den Gesellschaftern sei. Dazu, ob der Kläger eine Klärung mit seinen früheren Mitgesellschaftern herbeigeführt hat, ist nichts vorgetragen, desgleichen nicht zu den Umsatzsteuerrückständen. Im Übrigen bestand auch noch die Forderung der Stadtsparkasse E. .

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO , die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AGH Hamm, vom 16.03.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 42/11