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BVerwG - Entscheidung vom 03.06.2011

6 PB 1.11

Normen:
BPersVG § 9

Fundstellen:
NVwZ 2011, 947
NZA 2011, 819

BVerwG, Beschluss vom 03.06.2011 - Aktenzeichen 6 PB 1.11

DRsp Nr. 2011/11420

Weiterbeschäftigung eines Jugendvertreters; Auflösungsbegehren des öffentlichen Arbeitgebers; Antragstellung durch Rechtsanwalt; Vorlage der Vollmacht im Original

Bedient sich der öffentliche Arbeitgeber zur Antragstellung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG eines Rechtsanwalts, so liegt ein rechtswirksames Auflösungsbegehren nur dann vor, wenn der Rechtsanwalt die schriftliche Vollmacht, die vom gesetzlichen Vertreter des öffentlichen Arbeitgebers ausgestellt ist, innerhalb der Ausschlussfrist im Original bei Gericht einreicht.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - vom 11. November 2010 wird zurückgewiesen.

Normenkette:

BPersVG § 9 ;

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 , § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung oder sind nicht entscheidungserheblich.

1.

Die Antragstellerin will geklärt wissen, ob ein Rechtsanwalt, dessen sich der öffentliche Arbeitgeber zur Antragstellung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG bedient, zur Rechtswirksamkeit des Auflösungsbegehrens die schriftliche Vollmacht, die ihm vom gesetzlichen Vertreter des öffentlichen Arbeitgebers ausgestellt wird, innerhalb der Ausschlussfrist im Original einreichen muss. Diese Frage ist anhand einschlägiger Senatsrechtsprechung eindeutig zu bejahen, so dass es ihrer Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.

a)

Für die Rechtswirksamkeit der Antragstellung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG ist erforderlich, dass diejenige Person, die für den öffentlichen Arbeitgeber den Antrag bei Gericht stellt, berechtigt ist, über die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters zu entscheiden, und ferner befugt ist, den öffentlichen Arbeitgeber im Verfahren wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor Gericht zu vertreten (vgl. Beschluss vom 21. Februar 2011 - BVerwG 6 P 12.10 - [...] Rn. 24). Der gesetzliche Vertreter des öffentlichen Arbeitgebers erfüllt beide Voraussetzungen. Das aus § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG herzuleitende Erfordernis, wonach innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist eine verantwortliche Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers über die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters vorliegen muss, ist für alle Beteiligten sichtbar erfüllt, wenn die innerhalb der Ausschlussfrist eingegangene Antragsschrift vom gesetzlichen Vertreter des öffentlichen Arbeitgebers unterzeichnet ist (vgl. Beschlüsse vom 18. August 2010 - BVerwG 6 P 15.09 - [...] Rn. 34 und vom 21. Februar 2011 a.a.O. Rn. 26 m.w.N.).

b)

Der gesetzliche Vertreter des öffentlichen Arbeitgebers kann einem nachgeordneten Bediensteten Prozessvollmacht für einen Antrag nach § 9 Abs. 4 BPersVG erteilen. Darin liegt zugleich erkennbar die Ermächtigung, die mit dem Prozessantrag notwendig einhergehende Ausübung des materiellrechtlichen Gestaltungsrechts wahrzunehmen. Eine rechtzeitige Antragstellung ist demgemäß durch eine Antragsschrift möglich, die von der bevollmächtigten Person unterschrieben ist; diese muss allerdings ihre Vertretungsbefugnis innerhalb der Ausschlussfrist durch Vorlage einer Vollmacht nachweisen, die vom gesetzlichen Vertreter unterzeichnet ist. Die Antragstellung nach § 9 Abs. 4 BPersVG findet in diesen Fällen in zwei Schritten statt. Zunächst entscheidet der gesetzliche Vertreter, dass der Jugendvertreter nicht weiterbeschäftigt werden soll. Sodann stellt der Bevollmächtigte den Antrag bei Gericht. Mit der Antragstellung vollzieht der Bevollmächtigte die Entscheidung des gesetzlichen Vertreters über die Weiterbeschäftigung. Die rechtzeitige Vorlage der Vollmacht belegt, dass die Entscheidung rechtzeitig getroffen wurde (vgl. Beschlüsse vom 18. August 2010 a.a.O. Rn. 34 und vom 21. Februar 2011 a.a.O. Rn. 38 m.w.N.).

Der Nachweis der Vollmacht bis zum Ablauf der Ausschlussfrist hat durch Einreichung des Originals der Vollmachtsurkunde zu geschehen. Nur auf diese Weise wird dem formellen Erfordernis des § 80 Satz 1 ZPO , wonach die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen ist, Rechnung getragen (vgl. Beschluss vom 19. August 2009 - BVerwG 6 PB 19.09 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 36 Rn. 8). Der Grundsatz, dass Rechtsmittel und bestimmende Schriftsätze dem Gericht wirksam per Telefax übermittelt werden können, gilt hier nicht. Bei dem nach § 80 Satz 1 ZPO in bestimmter Weise vorgeschriebene Nachweis, dass die als Bevollmächtigte eines Beteiligten auftretende Person tatsächlich von diesem Beteiligten bevollmächtigt worden ist, handelt es sich um den Nachweis eines tatsächlichen Geschehens mittels Schriftstücken, die ihrer Funktion, Beweis zu erbringen, gerecht werden können. Schriftstücke, die lediglich die Kopie einer Urkunde über ein solches Geschehen - hier die Bevollmächtigung - enthalten (Fotokopien, Telefaxe), genügen dem nicht (vgl. BGH, Urteile vom 23. Juni 1994 - I ZR 106/92 - BGHZ 126, 266 , vom 5. Juni 1997 - III ZR 190/96 - [...] Rn. 7 f. und vom 7. März 2002 - VII ZR 193/01 - [...] Rn. 12 sowie Beschluss vom 27. März 2002 - III ZB 43/00 - [...] Rn. 8).

c)

Nichts anderes gilt, wenn sich der öffentliche Arbeitgeber zur Antragstellung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG eines Rechtsanwalts bedient. Auch in diesem Fall liegt ein rechtswirksames Auflösungsbegehren nur dann vor, wenn der Rechtsanwalt die schriftliche Vollmacht innerhalb der Ausschlussfrist bei Gericht einreicht. Die Stellung von Rechtsanwälten als unabhängige Organe der Rechtspflege, welche in der Regelung des § 88 Abs. 2 ZPO zum Ausdruck kommt, wird dadurch nicht berührt (vgl. Beschluss vom 18. August 2010 a.a.O. Rn. 35).

Bei der hier in Rede stehenden Thematik geht es nicht nur und nicht in erster Linie um den Nachweis einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung. Wesentlich ist vielmehr, dass die Vollmachtsurkunde mittelbar Zeugnis davon ablegt, wie der gesetzliche Vertreter des Arbeitgebers sich zur Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters entschieden hat. Die Unterzeichnung der Vollmacht enthält zugleich die Aussage, dass der gesetzliche Vertreter des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis zum Jugendvertreter beenden will. Wird die Vollmacht innerhalb der Zweiwochenfrist vorgelegt, so hat der Jugendvertreter die Gewissheit, dass er um den Erhalt seines Arbeitsplatzes vor Gericht kämpfen muss, und ist gut beraten, sich parallel zum laufenden Verfahren vorsorglich um einen alternativen Arbeitsplatz zu bemühen (vgl. Beschlüsse vom 18. August 2010 a.a.O. Rn. 36 und vom 21. Februar 2011 a.a.O. Rn. 38).

Durch das Erfordernis, die Vollmacht im Original einzureichen, wird die Rechtsstellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht beeinträchtigt. Diesem Erfordernis ist der Rechtsanwalt auch in jedem anderen Prozess ausgesetzt, wenn der Mangel der Vollmacht gerügt wird (§ 88 Abs. 1 ZPO ). Dass er die Vollmacht bis zum Ablauf der Ausschlussfrist des § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG vorlegen muss und für die Anwendung der Regeln des § 88 ZPO deswegen kein Raum ist, folgt aus der Signalfunktion des Fristerfordernisses. Diese geht dahin, dass spätestens zwei Wochen nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses der betroffene Jugendvertreter Sicherheit über die verantwortlich entschiedene Absicht seines Arbeitgebers haben soll (Beschluss vom 18. August 2010 a.a.O. Rn. 18 m.w.N.). Damit verbietet sich jegliche Beweisaufnahme zur Frage der Bevollmächtigung nach Ablauf der Ausschlussfrist (vgl. Beschlüsse vom 1. Dezember 2003 - BVerwG 6 P 11.03 - BVerwGE 119, 270 <278 f.> = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 23 S. 29 f. und vom 19. August 2009 a.a.O. Rn. 9).

Unzumutbares wird damit weder dem Rechtsanwalt noch dem von ihm vertretenen öffentlichen Arbeitgeber abverlangt. Dies gilt namentlich für die Bemessung des Zeitraums, der für eine rechtswirksame Antragstellung zur Verfügung steht. Zwar endet die Ausschlussfrist zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses. Das auf Beendigung der Weiterbeschäftigung zielende Begehren des öffentlichen Arbeitgebers kann jedoch bereits bei Gericht anhängig gemacht werden, sobald der Jugendvertreter nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG form- und fristgerecht seine Weiterbeschäftigung verlangt hat. Die beiden in § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG vorgesehenen Varianten der Antragstellung - Feststellungs- und Auflösungsbegehren - werfen keine Schwierigkeiten auf. Wird vor Ausbildungsende der Feststellungsantrag gestellt, so wandelt sich dieser mit Eintritt der gesetzlichen Fiktion - der Begründung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG - in einen Auflösungsantrag um, ohne dass es einer förmlichen Antragsänderung bedarf (vgl. Beschluss vom 21. Februar 2011 a.a.O. Rn. 21 m.w.N.).

2.

Die weiter in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage zur ministeriellen Zustimmung nach § 7 Abs. 2 Vertretungsordnung Bundesverwaltung für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (VertrOBVBW) ist nicht entscheidungserheblich. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts hängt davon nicht ab. Dieses hat die Ablehnung des Auflösungsbegehrens selbstständig tragend auf die fehlende Vorlage der Originalvollmacht innerhalb der Ausschlussfrist gestützt. An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn man mit der Antragstellerin davon ausgeht, dass das genannte Zustimmungserfordernis die Rechtswirksamkeit der Antragstellung nicht berührt.

Vorinstanz: VG Berlin, vom 24.02.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 70 K 8.09 PVB
Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 11.11.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 62 PV 1.10
Fundstellen
NVwZ 2011, 947
NZA 2011, 819