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BVerwG - Entscheidung vom 20.07.2011

8 B 14.11

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 2, 3
VermG § 32 Abs. 3

BVerwG, Beschluss vom 20.07.2011 - Aktenzeichen 8 B 14.11

DRsp Nr. 2011/14553

Vorliegen von Divergenz bei Rüge einer unvollständigen und unzutreffenden Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze

Die Rüge einer unvollständigen und unzutreffenden Anwendung vom Bundesverfassungsgericht aufgestellter Grundsätze ohne Aufzeigen eines divergierenden abstrakten Rechtssatzes des angegriffenen Urteils ist keine hinreichende Bezeichnung einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 22. November 2010 wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 2 , 3 ; VermG § 32 Abs. 3;

Gründe

Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Entschädigungsberechtigung hinsichtlich je einer Teilfläche der von ihrem Vater 1975 veräußerten Flurstücke ... und ... der Flur ... der Gemarkung St. Hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs für die restliche Grundstücksfläche hat sie den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt; dem hat der Beklagte widersprochen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder die geltend gemachte Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) noch die darüber hinaus gerügten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) sind gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO substantiiert dargelegt.

1.

Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der angeblichen Divergenzentscheidung aufgestellten ebensolchen, diese tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18). Daran fehlt es hier. Die Beschwerdebegründung beanstandet lediglich, das Verwaltungsgericht habe das Vorliegen der im Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - ([...]) zusammengefassten Voraussetzungen einer überlangen Verfahrensdauer im konkreten Fall zu Unrecht verneint. Damit rügt sie die - nach ihrer Auffassung - unvollständige und unzutreffende Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze, ohne einen divergierenden abstrakten Rechtssatz des angegriffenen Urteils aufzuzeigen.

2.

Der Beschwerdebegründung sind auch keine Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu entnehmen, auf denen das verwaltungsgerichtliche Urteil beruhen kann.

Die geltend gemachte Verletzung des § 32 Abs. 3 VermG durch vorzeitigen Erlass des Ausgangsbescheides stellt keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar. Dazu zählen nur Fehler bei der Anwendung prozessrechtlicher Vorschriften, die das gerichtliche Verfahren regeln. § 32 Abs. 3 VermG bezieht sich dagegen allein auf das vermögensrechtliche Verwaltungsverfahren. Selbst wenn das Verwaltungsgericht einen Verstoß der Behörde gegen § 32 Abs. 3 VermG übersehen haben sollte, läge darin nur revisionsrechtlich ein materiellrechtlicher Mangel.

Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe zu § 32 Abs. 3 VermG keine Feststellungen getroffen, ist auch keine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) und kein den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO ) verletzendes Übergehen entscheidungserheblichen Prozessmaterials dargetan. Beide Verfahrensmängel setzen die Entscheidungserheblichkeit des übergangenen Vorbringens voraus, die der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen ist. Wegen der Möglichkeit, eine Verletzung des in § 32 Abs. 3 VermG gewährleisteten besonderen Anhörungsrechts im Widerspruchsverfahren - oder im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren - entsprechend § 45 Abs. 1 Nr. 3 , Abs. 2 VwVfG zu heilen (vgl. Redeker/Hirtschulz, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 32 , Stand: Juli 1999, Rn. 19 zu § 45 Abs. 2 VwVfG a.F.), käme es auf das Unterschreiten der Mindestfrist des § 32 Abs. 3 VermG nur an, wenn die Klägerin auch im weiteren Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keine Gelegenheit erhalten hätte, sich zu den von den Beklagten übermittelten Informationen zu äußern. Das macht die Beschwerdebegründung nicht geltend.

Verletzungen weiterer prozessrechtlicher Pflichten bezeichnet die Beschwerdebegründung weder ausdrücklich noch sinngemäß. Der Vorwurf, das Gericht habe nicht von der Unerweislichkeit unlauterer Machenschaften und der Unerweislichkeit der räumlichen Erstreckung des Aufbauplans ausgehen dürfen, genügt nicht den Anforderungen an eine substantiierte Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 , § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ). Er legt nicht dar, dass das Gericht bestimmte erfolgversprechende Aufklärungsmaßnahmen unterlassen hätte, die sich ihm auch ohne entsprechenden Beweisantrag der anwaltlich vertretenen Klägerin hätten aufdrängen müssen. Vielmehr wendet er sich gegen die richterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen ist. Dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wegen selektiver Verwertung des Prozessstoffs oder wegen denkfehlerhafter tatsächlicher Schlussfolgerungen verfahrensfehlerhaft wäre, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Ihr Einwand, das Gericht habe die Unerweislichkeit bestimmter Tatsachen wegen der Verschlechterung der Beweislage während des Verwaltungsverfahrens nicht zu Lasten der Klägerin berücksichtigen dürfen, bezeichnet ebenfalls keinen Verfahrensverstoß. Er richtet sich gegen die Anwendung der Beweislastregeln, die dem materiellen Recht zuzuordnen sind. Daher kann offen bleiben, ob eine Änderung der Beweislastverteilung - wie der Beklagte meint - jedenfalls abzulehnen wäre, weil eine frühere Klageerhebung in Gestalt einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO ) in den ersten Jahren nach der Antragstellung der Verschlechterung der Beweislage hätte zuvorkommen können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 2 GKG

Vorinstanz: VG Magdeburg, vom 22.11.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 4 A 65/10