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BVerwG - Entscheidung vom 17.02.2011

4 C 9.10

Normen:
BauGB § 35 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 6
BauGB § 35 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 4 S. 1

Fundstellen:
BVerwGE 139, 21
JuS 2012, 95
NVwZ 2011, 884
ZUR 2011, 381

BVerwG, Urteil vom 17.02.2011 - Aktenzeichen 4 C 9.10

DRsp Nr. 2011/6270

Unbeachtlichkeit der Belange des § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB unabhängig von ihrem Gewicht; Wahrung des funktionalen Zusammenhangs zum vorhandenen Betrieb sowie Erweiterung auch in räumlicher Hinsicht zum vorhandenen Betrieb als Voraussetzung für ein privilegiertes Erweiterungsvorhaben

1. Die in § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB aufgeführten Belange sind unabhängig von ihrem Gewicht schlechthin unbeachtlich.2. Ein von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB privilegiertes Erweiterungsvorhaben muss nicht nur den funktionalen Zusammenhang zum vorhandenen Betrieb wahren, sondern darüber hinaus auch räumlich im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude eine Erweiterung darstellen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. März 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Normenkette:

BauGB § 35 Abs. 1 ; BauGB § 35 Abs. 2 ; BauGB § 35 Abs. 4 S. 1;

Gründe

I

Der Kläger erstrebt die Erteilung einer Baugenehmigung für einen etwa zehn Liegeplätze umfassenden Bootslagerplatz. Er ist Berufsfischer und vermietet außerdem Boote und Lagerplätze für Boote.

Der beantragte Bootslagerplatz soll auf dem am Ammersee liegenden Grundstück Fl.-Nr. .../8 errichtet werden, auf dem der Kläger über ein Doppelbootshaus und ein Wirtschaftsgebäude für den Fischereibetrieb verfügt. Zu dem Bootsbetrieb gehört ein rund 50 m weiter nördlich liegender, mit dem Grundstück Fl.-Nr. .../17 verbundener Bootssteg, der aus einem etwa 60 m in den See hineinragenden Längssteg und einem etwa 30 m breiten Quersteg besteht. Dieser beruht auf einem Bescheid aus dem Jahre 1975. In einem späteren Verfahren wurde die Anzahl der Liegeplätze am Steg im Rahmen eines Vergleichs vom 1. Oktober 2002 auf 44 festgelegt. Ferner betreibt der Kläger einen 400 m vom Steg entfernt und abseits des Sees liegenden vorwiegend im Winter genutzten Bootslagerplatz mit 28 Liegeplätzen (Fl.-Nr. .../2); dieser wurde am 18. Oktober 2002 genehmigt.

Das Landratsamt lehnte den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung u.a. unter Hinweis auf die entgegenstehende Darstellung im Flächennutzungsplan als dominierende private Grünfläche ab; der Beigeladene hatte zuvor das Einvernehmen verweigert. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt (BauR 2010, 2071): Es könne offen bleiben, ob das Vorhaben nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB begünstigt sei. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre dem Lagerplatz der Widerspruch zum Flächennutzungsplan entgegenzuhalten. Denn die Regelung in § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB blende nur eine Beeinträchtigung, nicht aber ein Entgegenstehen der in der Vorschrift genannten Belange aus. Dies folge zwingend aus der Stellung der gemäß § 35 Abs. 4 BauGB begünstigten Vorhaben zwischen den privilegierten und den sonstigen Vorhaben. In der Unterscheidung zwischen einem Entgegenstehen und einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange manifestiere sich der qualitative Unterschied zwischen den beiden Hauptkategorien des § 35 BauGB , den privilegierten Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 BauGB und den nicht privilegierten (sonstigen) Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB . Dieser Unterschied sei auch bei den nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB begünstigten Vorhaben zu berücksichtigen. Eine andere Auslegung würde zu einer nicht gewollten Schlechterstellung privilegierter landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber nicht privilegierten Gewerbebetrieben führen. Vorliegend stehe dem Vorhaben die Darstellung im Flächennutzungsplan als "dominierende private Grünfläche" entgegen, weil diese Darstellung im fraglichen Bereich ihre Funktion verlieren würde, wenn auf dem Grundstück des Klägers auch noch die als Bootslagerplatz vorgesehenen Flächen baulich genutzt würden.

Der Kläger hat die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung führt er aus: Der vom Verwaltungsgerichtshof aus der Regelungssystematik gewonnenen Auslegung von § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB sei nicht zu folgen. Sie sei mit dem Wortlaut der Regelung nicht zu vereinbaren, finde in den Gesetzesmaterialien keine Stütze und sei auch aus systematischer Sicht unzutreffend.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen. Der Beigeladene hat sich nicht geäußert. Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Nach seiner Ansicht klammert die Begünstigung i.S.v. § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB alle dort genannten Belange vollständig aus.

II

Die Revision des Klägers bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Zwar verstößt die Auslegung von § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB durch den Verwaltungsgerichtshof gegen Bundesrecht (1.). Das angegriffene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (2.).

1.

Nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB kann den dort näher bezeichneten "begünstigten" Vorhaben nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich sind.

Der Verwaltungsgerichtshof legt diese Regelung dahingehend aus, sie blende nur eine Beeinträchtigung, nicht aber ein Entgegenstehen der in der Vorschrift genannten Belange aus. Dem ist nicht zu folgen (ebenso: Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB , Bd. II, Stand: September 2010, § 35 Rn. 132).

Der Wortlaut des Gesetzes lässt sich für diese Rechtsansicht nicht in Anspruch nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof räumt selbst ein, der Gesetzesformulierung lasse sich nicht unmittelbar entnehmen, "welche Qualität negativer Auswirkungen des Vorhabens auf die genannten Belange ausgeblendet sein solle". Die Formulierung, wonach die benannten Belange einem Vorhaben nicht entgegengehalten werden können, spricht eher dafür, dass diese Gesichtspunkte unabhängig von ihrem Gewicht schlechthin unbeachtlich sein sollen. In diesem Sinn hat der Senat die Regelung auch in seiner bisherigen Rechtsprechung verstanden, in der von einem "Beiseiteschieben" gesprochen wird (Urteil vom 19. Februar 2004 - BVerwG 4 C 4.03 - BVerwGE 120, 130 <134>).

Die vom Verwaltungsgerichtshof angeführten rechtssystematischen Überlegungen sind ebenfalls nicht geeignet, das von ihm befürwortete Ergebnis zu stützen. Der Verwaltungsgerichtshof verstellt sich den Blick dadurch, dass er die in § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB geregelten Vorhaben (als "teilprivilegiert") in einer linearen Sichtweise als zwischen den privilegierten und den sonstigen Vorhaben stehend einordnet. Dies wird der besonderen Stellung der nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB begünstigten Vorhaben jedoch nicht gerecht. Während die Vorschriften für die privilegierten Vorhaben in § 35 Abs. 1 BauGB einerseits und für die sonstigen Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB andererseits auch - und hinsichtlich der praktischen Bedeutung in erster Linie - die rechtlichen Voraussetzungen für die Neuerrichtung von Vorhaben betreffen, ist die Regelung in § 35 Abs. 4 BauGB dadurch gekennzeichnet, dass eine Bebauung im Außenbereich schon vorhanden ist oder vorhanden war. § 35 Abs. 4 BauGB stellt unter den näher bestimmten Voraussetzungen eine konkret standortbezogene Begünstigung und mithin eine städtebaulich begründete Sonderfallregelung dar. Dem wird es nicht gerecht, wenn man, wie der Verwaltungsgerichtshof, der Regelung eine Stellung zwischen den privilegierten und den sonstigen Vorhaben zuweist; vielmehr steht sie eigenständig daneben.

Dieser Befund wird durch die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt. Die heute in § 35 Abs. 4 BauGB enthaltene Regelung wurde erstmals durch Gesetz vom 18. August 1976 eingeführt (Gesetz zur Änderung des Bundesbaugesetzes vom 18. August 1976, BGBl. I S. 2221) und im Jahre 1979 insbesondere um die hier einschlägige Vorschrift zur Erweiterung eines gewerblichen Betriebs (Nr. 6) ergänzt (Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht vom 6. Juli 1979, BGBl. I S. 949). Vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft und im Bestreben, die Weiternutzung bestehender Bausubstanz zu ermöglichen, wurden Umnutzungen und Erweiterungen vorhandener Gebäude überaus differenziert geregelt (vgl. z.B. BT-Drucks 7/4793 S. 35). Damit ist der Gesetzgeber zugleich seiner Aufgabe nachgekommen, Inhalt und Schranken des Eigentums im Konflikt zwischen den Interessen des Eigentümers an einer Weiternutzung oder maßvollen Erweiterung und dem Schutz des Außenbereichs eigenständig zu bestimmen. Es liegt auch im Interesse der Allgemeinheit, vorhandene Gebäude nicht verfallen zu lassen; ihre weitere Nutzung ist volkswirtschaftlich vernünftig (vgl. hierzu bereits Urteil vom 15. November 1974 - BVerwG 4 C 32.71 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 114 S. 108). Maßgeblich für den Gesetzgeber war, dass die Situation vor Ort sich auf die vorhandene Bebauung eingestellt hat (Urteil vom 19. Februar 2004 a.a.O. S. 135).

Speziell bei der Regelung des Nr. 6 wird die Suche des Gesetzgebers nach einer differenzierten Lösung für im Außenbereich bereits vorhandene Betriebe auch daran erkennbar, dass in der Fassung von 1979 die Voraussetzung aufgestellt wurde, dass "die Erweiterung notwendig ist, um die Fortführung des Betriebs zu sichern". Im Wesentlichen aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität (BT-Drucks 10/6166 S. 132; BT-Drucks 10/4630 S. 90; vgl. hierzu auch Urteil vom 16. Dezember 1993 - BVerwG 4 C 19.92 - BRS 55 Nr. 78 und Beschluss vom 28. September 1992 - BVerwG 4 B 175.92 - BRS 54 Nr. 71) wurde diese Voraussetzung später dahingehend geändert, dass die Erweiterung im "Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb" angemessen zu sein hat.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs besteht auch kein Wertungswiderspruch im Hinblick auf eine nicht gewollte Schlechterstellung privilegierter Vorhaben. Soweit die Nutzungsänderung oder Erweiterung eines Vorhabens nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB der Neuerrichtung eines privilegierten Vorhabens gegenübergestellt werden, trifft die systematische Einordnung des Verwaltungsgerichtshofs von vornherein nicht zu. Wenn öffentliche Belange der erstmaligen Errichtung eines privilegierten Vorhabens an der geplanten Stelle entgegenstehen, ist es dort unzulässig. Häufig wird seine Errichtung stattdessen an anderer Stelle möglich sein. Die zu § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB genannten Argumente, die zugunsten eines beschränkten Bestandsschutzes und einer maßvollen Weiternutzung von vorhandenen Gebäuden ins Feld geführt werden, greifen nicht. In den Fällen einer Nutzungsänderung oder Erweiterung einer vorhandenen, nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Anlage wird im Regelfall die Beurteilung nach dieser Regelung zu sachgerechten Ergebnissen führen (Urteil vom 19. April 1985 - BVerwG 4 C 13.82 - BRS 44 Nr. 79). Überdies mag zu erwägen sein, die der Regelung in § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB zugrunde liegende Wertung für derartige Fälle entsprechend heranzuziehen (hierfür: Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Aufl. 2004, Rn. 2223).

Zu Recht verweist der Vertreter des Bundesinteresses ferner darauf, dass hinsichtlich der Darstellungen des Flächennutzungsplans kein praktisches Bedürfnis für die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Differenzierung besteht. Denn die Gemeinde hat die Möglichkeit, auf der Grundlage der Darstellungen des Flächennutzungsplans einen Bebauungsplan aufzustellen, mit dem sie beispielsweise eine öffentliche oder private Grünfläche festsetzt. Der Gesetzgeber ist vor diesem Hintergrund nicht gehalten, bei Grundstücken im Außenbereich den Darstellungen in einem Flächennutzungsplan stets dieselbe Wirkung beizumessen. Der von dem Beklagten in diesem Zusammenhang behauptete Gegensatz von privatem und öffentlichem Interesse wird den unterschiedlichen Situationen bei privilegierten Vorhaben einerseits und den in § 35 Abs. 4 BauGB aufgeführten Fällen andererseits nicht gerecht und taugt daher ohnehin nicht als maßgebliches Entscheidungskriterium.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs können dem Vorhaben des Klägers somit die Darstellungen im Flächennutzungsplan nicht entgegengehalten werden.

2.

Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO ). Der Bootslagerplatz ist nicht genehmigungsfähig. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB sind nicht erfüllt.

2.1

Eine Erweiterung i.S.d. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB setzt einen funktionalen Zusammenhang zwischen dem vorhandenen "Betrieb" und dem beabsichtigten neuen Bauvorhaben voraus (vgl. Beschluss vom 17. September 1991 - BVerwG 4 B 161.91 - BRS 52 Nr. 84).

Unter Betrieb ist die organisatorische Zusammenfassung von Betriebsanlagen und Betriebsmitteln auf einer bestimmten Betriebsfläche zu verstehen (Urteil vom 16. Dezember 1993 - BVerwG 4 C 19.92 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 290 S. 94 f. unter Bezugnahme auf das Urteil vom 18. März 1983 - BVerwG 4 C 17.81 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 199). Maßgeblich ist - wie bei § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB - eine konkret betriebsbezogene Betrachtungsweise (Beschluss vom 4. Oktober 2006 - BVerwG 4 B 64.06 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 373). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs umfasst der Gewerbebetrieb des Klägers die Vermietung von Booten und Bootsliegeplätzen zu Wasser am Bootssteg vor dem Grundstück Fl.-Nr. .../17 und zu Land auf dem Grundstück Fl.-Nr. .../2. Nicht zu dem Betrieb gehören dagegen die auf dem streitgegenständlichen Grundstück Fl.-Nr. .../8 befindlichen baulichen Anlagen. Der Verwaltungsgerichtshof hat für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindend ausgeführt, dass diese baulichen Anlagen, eine "Doppelbootshütte" sowie ein Gebäude mit Fischbruthaus, Filetierraum und Kühlräumen, der Berufsfischerei dienen.

Der Umstand, dass der Bootssteg kein "Gebäude" darstellt, steht der Anwendung von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB nicht entgegen. Der erste Halbsatz von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB benennt als Voraussetzung für die Begünstigung lediglich, dass es sich um die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten Betriebs handelt. Der zweite Halbsatz umschreibt das Gebot, dass die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen zu sein hat. Mit dieser Begrenzung wird jedoch nicht auf den Unterschied zwischen Gebäuden i.S.d. Landesbauordnungsrechts und baulichen Anlagen und sonstigen Anlagen i.S.d. § 29 BauGB abgestellt. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber gewerbliche Betriebe, die wie z.B. Lagerplätze kein "Gebäude" aufweisen, von der Begünstigung gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB ausnehmen wollte, sind nicht ersichtlich. Auch sonstige bauliche Anlagen können den nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB vorausgesetzten konkreten Standortbezug, der zur begünstigenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens im Außenbereich führt, begründen (vgl. auch VGH München, Urteil vom 16. Februar 1994 - 1 B 93.1651 - BRS 56 Nr. 87). Diesem Erfordernis steht nicht entgegen, dass über die Zulässigkeit des Bootsstegs als dem im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden Anknüpfungspunkt zur Begründung des konkreten Standortbezugs nicht in einem Baugenehmigungsverfahren, sondern in einem wasserrechtlichen Verfahren entschieden worden ist. Im wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren finden die materiellen Vorschriften des Baurechts Anwendung. Das Rechtsregime des Wasserrechts berührt nicht die Eigenschaft des Bootsstegs als sonstige bauliche Anlage.

2.2

Ein von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB privilegiertes Erweiterungsvorhaben muss darüber hinaus auch räumlich - wie es in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB heißt: "im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude" - eine Erweiterung darstellen. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB regelt eine konkret standortbezogene Begünstigung. Verfügt ein Betrieb - wie hier - über mehrere Betriebsstätten, die verstreut auf unterschiedlichen Grundstücken im Außenbereich liegen, lässt sich der nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB vorausgesetzte konkrete Standortbezug einer betrieblichen Erweiterung nicht damit begründen, dass auf irgendeinem der betrieblich genutzten Grundstücke bauliche Anlagen vorhanden sind, die in ihrer Nutzung dem Erweiterungsvorhaben entsprechen. Die Schaffung "gewerblicher Inseln" im Außenbereich ist von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB nicht gedeckt. Der Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs gilt auch im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB . Die begünstigte Erweiterung muss daher nicht nur funktional dem zulässigerweise errichteten gewerblichen Betrieb entsprechen, sondern auch einen engen räumlichen Bezug zum vorhandenen baulichen Bestand des Betriebs aufweisen. Das Gesetz lässt Bauvorhaben, die der Erweiterung eines im Außenbereich zulässigerweise errichteten Betriebs dienen, nur deshalb bevorzugt zu, weil der Außenbereich an dieser Stelle durch die vorhandenen zum Betrieb gehörenden baulichen Anlagen bereits vorgeprägt ist und deshalb angenommen werden kann, die Situation vor Ort habe sich auf diese bauliche Nutzung eingestellt (vgl. auch Urteil vom 19. Februar 2004 - BVerwG 4 C 4.03 - BVerwGE 120, 130 <135> zu § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB ).

2.3

Es bedarf keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung durch das Tatsachengericht, um festzustellen, dass das Vorhabengrundstück gemessen an den dargelegten Maßstäben den notwendigen konkreten Standortbezug i.S.d. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB nicht aufweist.

Der beantragte Bootslagerplatz stellt keine Erweiterung des klägerischen Bootsvermietungsbetriebs dar, weil der im räumlichen Zusammenhang zum Vorhabengrundstück allein vorhandene Bootssteg, auf dem der Kläger seinen Bootsbetrieb durchführt, die nähere landseitige Umgebung am Seeufer nicht als Bootslagerplatz vorprägt.

Zwar kann als räumlicher Anknüpfungspunkt für eine nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB begünstigte Erweiterung grundsätzlich auch ein vom Land ins Wasser führender Bootsteg in Betracht kommen. Im vorliegenden Fall vermag der Bootssteg aber nicht den notwendigen konkreten Standortbezug zu vermitteln. Die nähere Umgebung, zu der das Vorhabengrundstück gehört, wird durch den Bootssteg nicht nach der Art der Nutzung als Bootslagerplatz vorgeprägt; die Situation in der räumlich näheren Umgebung des Bootsstegs hat sich nicht auf die Lagerung von Booten zu Land eingestellt. Das folgt sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen.

Der Bootssteg ist zwar baulich mit dem Grundstück Fl.-Nr. .../17, vor dem er liegt, verbunden. Er prägt dieses Grundstück jedoch nur als Zuwegung für Personen, die den Bootssteg nutzen. Das ergibt sich schon daraus, dass eine Verbringung von Booten ans Land in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich ist. Dieser Umstand erschließt sich ohne Weiteres aus den im Verfahren vorgelegten Plänen und stimmt auch überein mit den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof. Weiterer tatsächlicher Feststellungen durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf es hierfür nicht.

Darüber hinaus scheidet eine Vorprägung auch aus Rechtsgründen aus. Entscheidend ist, dass die Nutzung des Bootsstegs in rechtlicher Hinsicht auf eine wasserseitige Nutzung begrenzt ist: Nach Nr. 1.8 des wasserrechtlichen Bescheids vom 21. Januar 1975 ist ein Anlegen von Booten an Land im Bereich des Bootsstegs wegen des zu schützenden Schilfgebiets ausdrücklich untersagt. Damit ist rechtlich eine landseitige Nutzung des vor dem Bootssteg liegenden Grundstücks zu anderen Zwecken als dem der Zuwegung zur Erschließung des Bootsstegs ausgeschlossen. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - der Zugang zum Bootssteg beispielsweise über ein Kassenhaus verfügte, mithin ein Gebäude auf dem Grundstück vor dem Bootssteg vorhanden wäre. Denn auch in diesem Fall hat sich die Situation in der räumlich näheren Umgebung des Bootsstegs nicht auf die Lagerung von Booten eingestellt.

Vermag der Bootssteg aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht das unmittelbar angrenzende Grundstück zu prägen, fehlt es sowohl für das in der Nähe liegende Vorhabengrundstück als auch für das weiter entfernt liegende ebenfalls zum klägerischen Betrieb gehörenden Grundstück Fl.-Nr. .../2 an dem notwendigen Standortbezug.

2.4

Da der gewerbliche Betrieb des Klägers nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zu umfangreich ist, um noch als eine von der privilegierten Berufsfischerei "mitgezogene" Tätigkeit angesehen werden zu können (UA S. 9), scheidet eine Privilegierung des Bootslagerplatzes nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aus. Als sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB steht dem beantragten Bootslagerplatz - wie der Verwaltungsgerichtshof für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindend festgestellt hat - die Darstellung im Flächennutzungsplan als "dominierende private Grünfläche" entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO .

...

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Verkündet am 17. Februar 2011

Vorinstanz: VG München, vom 08.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen VG M 11 K 03.6987
Vorinstanz: VGH Bayern, vom 02.03.2009 - Vorinstanzaktenzeichen VGH
Fundstellen
BVerwGE 139, 21
JuS 2012, 95
NVwZ 2011, 884
ZUR 2011, 381