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BVerwG - Entscheidung vom 11.02.2011

1 WDS-VR 4.10

Normen:
ZDv 20/7 Nr. 135 Buchst. a
VwGO § 92 Abs. 3 S. 1
WBO § 20 Abs. 3
WBO § 21 Abs. 2 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 11.02.2011 - Aktenzeichen 1 WDS-VR 4.10

DRsp Nr. 2011/4359

Feststellung der Unwirksamkeit eines Aufhebungsvermerks in einer Kommandierungsverfügung im Wege der einstweiligen Anordnung; Kostenentscheidung bei übereinstimmender Erledigungserklärung

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Antrag, die der Antragstellerin im Verfahren

vor dem Bundesverwaltungsgericht erwachsenen

notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuer-

legen, wird abgelehnt.

Normenkette:

ZDv 20/7 Nr. 135 Buchst. a; VwGO § 92 Abs. 3 S. 1; WBO § 20 Abs. 3 ; WBO § 21 Abs. 2 S. 1;

Gründe

I

Die 1991 geborene Antragstellerin ist Soldatin auf Zeit und Offizieranwärterin.

Mit Verfügung vom 10. November 2010 kommandierte das Personalamt der Bundeswehr die Antragstellerin mit Dienstantritt am 4. Januar 2011 zur Offizierschule des Heeres in D. zur Teilnahme am Offizierlehrgang 1. Nachdem der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung der Antragstellerin bekannt geworden war, erließ das Personalamt nach Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - einen Sperrvermerk nach Nr. 135 Buchst. a ZDv 20/7. Außerdem hob das Personalamt am 16. Dezember 2010 die Kommandierungsverfügung auf; die mit dem Aufhebungsvermerk versehene Fassung der Verfügung wurde der Antragstellerin am 16. Dezember 2010 eröffnet.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 23. Dezember 2010 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht W., im Wege der einstweiligen Anordnung die Unwirksamkeit des Aufhebungsvermerks vom 16. Dezember 2010 in der Kommandierungsverfügung festzustellen. Mit Beschluss vom 30. Dezember 2010 (Az.:...) erklärte das Verwaltungsgericht W. den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht - 1. Wehrdienstsenat -. Mit Schreiben vom 3. Januar 2011 bat der Bevollmächtigte der Antragstellerin den Senat, vorerst von einer Entscheidung abzusehen, weil er beabsichtige, gegen die Aufhebung der Kommandierungsverfügung Beschwerde zu erheben und die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Diese Rechtsbehelfe hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 5. Januar 2011 eingelegt.

Nach Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - wurde das dem Sperrvermerk zugrundeliegende Disziplinarverfahren gegen die Antragstellerin am 14. Januar 2011 mit der Verhängung einer Disziplinarbuße abgeschlossen; am selben Tag hat das Personalamt die Aufhebung des Sperrvermerks veranlasst und die Antragstellerin zur Fortsetzung ihrer Offizierausbildung zur Teilnahme an der Sprachausbildung Englisch kommandiert.

Im Hinblick darauf hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 25. Januar 2011 das vorliegende Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,

die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen.

Der Bundesminister der Verteidigung hat sich der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 4. Februar 2011 angeschlossen und darauf hingewiesen, dass der Beschwerde der Antragstellerin abgeholfen worden sei.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts W. (Az.: ...) hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO , § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ; stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 4. Juni 2009 - BVerwG 1 WB 8.09 - und vom 5. Oktober 2010 - BVerwG 1 WB 59.09 -).

Billigem Ermessen entspricht es, die der Antragstellerin erwachsenen notwendigen Aufwendungen nicht dem Bund aufzuerlegen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei seinem Eingang unzulässig war (nachfolgend 1) und die anschließende Klaglosstellung der Antragstellerin eine Kostenbelastung des Bundes nicht rechtfertigt (nachfolgend 2).

1.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes richtete sich bei sachgerechter Auslegung gegen die am 16. Dezember 2010 angeordnete Aufhebung der Kommandierungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 10. November 2010. Damit galt das Rechtsschutzziel der Antragstellerin in der Hauptsache der Anfechtung einer Aufhebungsanordnung, nicht aber einer Verpflichtung des Bundesministers der Verteidigung, die sie mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 123 Abs. 1 VwGO hätte verfolgen können. In der prozessualen Situation eines Anfechtungsantrags richtet sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO (ggf. i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ); diese Rechtsschutzform verdrängt die Möglichkeit des Eilrechtsschutzes nach § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 123 VwGO (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO ).

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO ist, dass der betroffene Soldat entweder einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt oder - in Anwendung des § 17 Abs. 6 Satz 3 WBO - mindestens Beschwerde gegen die strittige Maßnahme eingelegt hat. Anderenfalls fehlt es an einem Rechtsbehelf, der einer Anordnung seiner aufschiebenden Wirkung zugänglich wäre. Diese Voraussetzung erfüllte der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 23. Dezember 2010 im Zeitpunkt des Eingangs beim Verwaltungsgericht W. und - nach Verweisung des Rechtsstreits - beim Senat nicht. Außerdem hatte die Antragstellerin entgegen § 17 Abs. 6 Satz 3 WBO zuvor keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Aufhebungsentscheidung nach § 3 Abs. 2 WBO gestellt.

2.

Der Umstand, dass der erst nachträglich mit Schriftsatz vom 5. Januar 2011 eingelegten Beschwerde der Antragstellerin durch die Kommandierungsverfügung des Personalamts vom 14. Januar 2011 abgeholfen worden ist, rechtfertigt nicht die Belastung des Bundes mit den der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen.

Für diese Billigkeitserwägung des Senats ist entscheidend, dass die Antragstellerin das vorliegende Verfahren betrieben hat, ohne zuvor mit den gebotenen vorgerichtlichen Rechtsbehelfen dem Personalamt oder dem Bundesminister der Verteidigung Gelegenheit zu einer Korrektur der strittigen Aufhebungsverfügung zu geben. Nach Einlegung der Beschwerde, die dem Bundesminister der Verteidigung nach seiner Darstellung am 7. Januar 2011 zugegangen ist, wurde - ungeachtet der Verhängung einer Disziplinarbuße - unverzüglich die Klaglosstellung der Antragstellerin veranlasst. Vor diesem Hintergrund hatte der Bundesminister der Verteidigung der Antragstellerin keine Veranlassung zur (im Übrigen verfrühten) Inanspruchnahme vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes gegeben. Insofern kann hier der in § 156 VwGO verankerte prozessuale Grundsatz der Freistellung des Beklagten von Kosten bei sofortigem Anerkenntnis herangezogen werden, der auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und in Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung Berücksichtigung findet (Beschluss vom 29. Mai 1991 - BVerwG 1 WB 65.91 - NZWehrr 1993, 125; Olbertz in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO , Stand: Mai 2010, § 156 Rn. 2; Rennert in: Eyermann, VwGO , 13. Aufl. 2010, § 156 Rn. 2).

3.

Der Antragstellerin sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 WBO (i.V.m. § 20 Abs. 3 und § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ) nicht vorliegen.

Eine gesonderte Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht W. entfällt, weil dieses frühere erstinstanzliche Verfahren gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG und § 4 Abs. 1 GKG kostenrechtlich als Teil des Verfahrens vor dem übernehmenden Gericht zu behandeln ist (vgl. dazu Beschluss vom 12. Februar 2009 - BVerwG 1 WDS-VR 1.09 -).