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BVerwG - Entscheidung vom 11.02.2011

1 WDS-VR 5.10

Normen:
VwGO § 92 Abs. 3 S. 1
WBO § 3 Abs. 2
WBO § 17 Abs. 6
WBO § 20 Abs. 3
WBO § 21 Abs. 2 S. 1
WBO § 23a Abs. 2

BVerwG, Beschluss vom 11.02.2011 - Aktenzeichen 1 WDS-VR 5.10

DRsp Nr. 2011/4358

Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache bei übereinstimmender Erledigungserklärung eines Offizieranwärters und des Bundesministers der Verteidigung i.R.e. Disziplinarverfahrens

Nachdem der Rechtsstreit über eine Verfügung in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, entspricht es billigem Ermessen, dem Betroffenen seine erwachsenen notwendigen Aufwendungen nicht abzunehmen, wenn er das Verfahren betrieben hat, ohne zuvor mit den gebotenen vorgerichtlichen Rechtsbehelfen dem öffentlich-rechtlichen Gegner Gelegenheit zu einer Korrektur der strittigen Verfügung zu geben.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Antrag, die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen, wird abgelehnt.

Normenkette:

VwGO § 92 Abs. 3 S. 1; WBO § 3 Abs. 2 ; WBO § 17 Abs. 6 ; WBO § 20 Abs. 3 ; WBO § 21 Abs. 2 S. 1; WBO § 23a Abs. 2 ;

Gründe

I

Der 1990 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit und Offizieranwärter.

Mit Verfügung vom 10. November 20.. kommandierte das Personalamt der Bundeswehr den Antragsteller mit Dienstantritt am 4. Januar 20.. zur Offizierschule des Heeres in Dresden zur Teilnahme am Offizierlehrgang ... . Nachdem der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung des Antragstellers bekannt geworden war, erließ das Personalamt nach Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - einen Sperrvermerk nach Nr. 135 Buchst. a ZDv 20/7. Außerdem hob das Personalamt am 16. Dezember 20.. die Kommandierungsverfügung auf; die mit dem Aufhebungsvermerk versehene Fassung der Verfügung wurde dem Antragsteller am 16. Dezember 20.. eröffnet.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23. Dezember 20.. beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht W., im Wege der einstweiligen Anordnung die Unwirksamkeit des Aufhebungsvermerks vom 16. Dezember 20.. in der Kommandierungsverfügung festzustellen. Mit Beschluss vom 30. Dezember 20.. (Az.: W 1 E ...) erklärte das Verwaltungsgericht Würzburg den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht - 1. Wehrdienstsenat -. Mit Schreiben vom 3. Januar 20.. bat der Bevollmächtigte des Antragstellers den Senat, vorerst von einer Entscheidung abzusehen, weil er beabsichtige, gegen die Aufhebung der Kommandierungsverfügung Beschwerde zu erheben und die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Diese Rechtsbehelfe hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 7. Januar 20.. eingelegt.

Nach Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - wurde das dem Sperrvermerk zugrundeliegende Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller am 14. Januar 20.. mit der Verhängung einer Disziplinarbuße abgeschlossen; am selben Tag hat das Personalamt die Aufhebung des Sperrvermerks veranlasst und den Antragsteller zur Fortführung seiner Offizierausbildung zur Teilnahme an der Sprachausbildung Englisch kommandiert.

Im Hinblick darauf hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25. Januar 20.. das vorliegende Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,

die Kosten des Verfahrens der Gegenseite aufzuerlegen.

Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat sich der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 8. Februar 20.. angeschlossen und gebeten, über die notwendigen Aufwendungen unter Berücksichtigung des vorstehenden Sachstandes zu entscheiden.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Würzburg (Az.: W 1 E ...) hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO , § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ; stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 4. Juni 2009 - BVerwG 1 WB 8.09 - und vom 5. Oktober 2010 - BVerwG 1 WB 59.09 -).

Billigem Ermessen entspricht es, die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Aufwendungen nicht dem Bund aufzuerlegen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei seinem Eingang unzulässig war (nachfolgend 1.) und die anschließende Klaglosstellung des Antragstellers eine Kostenbelastung des Bundes nicht rechtfertigt (nachfolgend 2.).

1.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes richtete sich bei sach- gerechter Auslegung gegen die am 16. Dezember 20.. angeordnete Aufhebung der Kommandierungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 10. November 20... Damit galt das Rechtsschutzziel des Antragstellers in der Hauptsache der Anfechtung einer Aufhebungsanordnung, nicht aber einer Verpflichtung des Bundesministers der Verteidigung, die er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 123 Abs. 1 VwGO hätte verfolgen können. In der prozessualen Situation eines Anfechtungsantrags richtet sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO (ggf. i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ); diese Rechtsschutzform verdrängt die Möglichkeit des Eilrechtsschutzes nach § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 123 VwGO (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO ).

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO ist, dass der betroffene Soldat entweder einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt oder - in Anwendung des § 17 Abs. 6 Satz 3 WBO - mindestens Beschwerde gegen die strittige Maßnahme eingelegt hat. Anderenfalls fehlt es an einem Rechtsbehelf, der einer Anordnung seiner aufschiebenden Wirkung zugänglich wäre. Diese Voraussetzung erfüllte der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 23. Dezember 20.. im Zeitpunkt des Eingangs beim Verwaltungsgericht W. und - nach Verweisung des Rechtsstreits - beim Senat nicht. Außerdem hatte der Antragsteller entgegen § 17 Abs. 6 Satz 3 WBO zuvor keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Aufhebungsentscheidung nach § 3 Abs. 2 WBO gestellt.

2.

Der Umstand, dass der erst nachträglich mit Schriftsatz vom 7. Januar 20.. eingelegten Beschwerde des Antragstellers durch die Kommandierungsverfügung des Personalamts vom 14. Januar 20.. abgeholfen worden ist, rechtfertigt nicht die Belastung des Bundes mit den dem Antragsteller im gerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen.

Für diese Billigkeitserwägung des Senats ist entscheidend, dass der Antragsteller das vorliegende Verfahren betrieben hat, ohne zuvor mit den gebotenen vorgerichtlichen Rechtsbehelfen dem Personalamt oder dem Bundesminister der Verteidigung Gelegenheit zu einer Korrektur der strittigen Aufhebungsverfügung zu geben. Nach Einlegung der Beschwerde, die dem Bundesminister der Verteidigung nach seiner Darstellung am 7. Januar 20.. zugegangen ist, wurde - ungeachtet der Verhängung einer Disziplinarbuße - unverzüglich die Klaglosstellung des Antragstellers veranlasst. Vor diesem Hintergrund hatte der Bundesminister der Verteidigung dem Antragsteller keine Veranlassung zur (im Übrigen verfrühten) Inanspruchnahme vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes gegeben. Insofern kann hier der in § 156 VwGO verankerte prozessuale Grundsatz der Freistellung des Beklagten von Kosten bei sofortigem Anerkenntnis herangezogen werden, der auch in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes und in Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung Berücksichtigung findet (Beschluss vom 29. Mai 1991 - BVerwG 1 WB 65.91 - NZWehrr 1993, 125; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO , Stand Mai 2010, § 156 Rn. 2; Rennert, in: Eyermann, VwGO , 13. Aufl. 2010, § 156 Rn. 2).

3.

Dem Antragsteller sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 WBO (i.V.m. § 20 Abs. 3 und § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ) nicht vorliegen.

Eine gesonderte Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht W. entfällt, weil dieses frühere Verfahren gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG und § 4 Abs. 1 GKG kostenrechtlich als Teil des Verfahrens vor dem übernehmenden Gericht zu behandeln ist (vgl. dazu Beschluss vom 12. Februar 2009 - BVerwG 1 WDS-VR 1.09 -).