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BVerwG - Entscheidung vom 22.11.2011

1 WB 38.11

Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 33 Abs. 2
SG § 3 Abs. 1
WBO § 13 Abs. 1

Fundstellen:
DÖV 2012, 447

BVerwG, Beschluss vom 22.11.2011 - Aktenzeichen 1 WB 38.11

DRsp Nr. 2012/1714

Besetzung eines nach Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Dienstpostens eines Flugsicherungskontrolloffiziers in der Flugbetriebsstaffel Lufttransportgeschwader i.R.e. Konkurrentenstreits

Wird bei einer Auswahlentscheidung zwischen mehreren soldatischen Bewerbern, von denen alle sämtlichen Anforderungskriterien gerecht werden, aus dem Umstand, dass für den aktuellsten Beurteilungsstichtag bei einem der Bewerber eine planmäßige dienstliche Beurteilung fehlt, ein Rückschluss auf seinen aktuellen Leistungsstand gezogen, widerspricht dies den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Eignungs- und Leistungsvergleichs am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 3 Abs. 1 SG . Eine "fiktive" Bewertung des Leistungsstandes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn ein Soldat zu bestimmten Vorlageterminen nicht planmäßig zu beurteilen ist (z.B. wegen Beurlaubung zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit oder wegen einer personalvertretungsrechtlichen Freistellung vom Dienst), und wenn das Bundesministerium der Verteidigung für diese Fälle eine "fiktive Nachzeichnung" von Beurteilungsinhalten angeordnet hat.

Tenor

Die Entscheidung des Personalamts der Bundeswehr vom 19. Oktober 2010, den Dienstposten eines Flugsicherungskontrolloffiziers Flugplatz (Teileinheit/Zeile ...) in der Flugbetriebsstaffel Lufttransportgeschwader ... zum 1. November 2010 mit dem Beigeladenen zu besetzen, die entsprechende Verfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 19. Oktober 2010 über den Wechsel des Beigeladenen auf diesen Dienstposten und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 15. Dezember 2010 werden aufgehoben.

Der Bundesminister der Verteidigung wird verpflichtet, über die Besetzung dieses Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Normenkette:

GG Art. 19 Abs. 4 ; GG Art. 33 Abs. 2 ; SG § 3 Abs. 1 ; WBO § 13 Abs. 1 ;

Gründe

I

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung betrifft einen Konkurrentenstreit um die Besetzung des nach Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Dienstpostens eines Flugsicherungskontrolloffiziers Flugplatz in der Flugbetriebsstaffel Lufttransportgeschwader ... in W.

Der 1966 geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2022 enden. Er wurde am 26. Januar 1998 zum Oberleutnant ernannt und zum 1. Januar 1998 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 10 eingewiesen. Seit dem 1. Oktober 1994 wird er als Flugsicherungskontrolloffizier in der Flugbetriebsstaffel des Lufttransportgeschwaders ... in W. verwendet.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2009 beantragte der Antragsteller seine Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 und die Beförderung zum Hauptmann beim Lufttransportgeschwader ... . Den Antrag lehnte das Personalamt der Bundeswehr mit Bescheid vom 22. Juni 2009 ab und führte zur Begründung aus, der Antragsteller besetze zurzeit einen nach Besoldungsgruppe A 10 bewerteten Dienstposten. Nach Nr. 101 ZDv 20/7 sei eine Beförderung jedoch nur zulässig, wenn er auf einen im Frieden zu besetzenden Dienstposten, dessen Bewertung mindestens dem von ihm gewünschten Beförderungsdienstgrad entspreche, versetzt worden sei. Diese Voraussetzung erfülle der Antragsteller nicht.

Nachdem der Antragsteller gegen diesen Bescheid mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 10. August 2009 Beschwerde eingelegt hatte, beantragte er mit weiterem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28. August 2009, die Beschwerde "ruhend zu stellen" und ihn auf einen förderlichen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 11 beim Lufttransportgeschwader ... zu versetzen. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 3. September 2009 teilte das Personalamt dem Antragsteller mit, dass seinem Antrag zurzeit nicht entsprochen werden könne. In seiner Fachverwendung gebe es aktuell keinen freien Dienstposten Hauptmann A 11 bei der Flugbetriebsstaffel Lufttransportgeschwader ... . Im Sommer bzw. Herbst 2010 seien dort jedoch die nächsten entsprechend dotierten Dienstposten nachzubesetzen. Der Antragsteller werde in die Personalauswahl für diese Dienstposten einbezogen.

Das Personalamt entschied am 19. Oktober 2010, den nach Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Dienstposten eines Flugsicherungskontrolloffiziers Flugplatz (Teileinheit/Zeile ...) in der Flugbetriebsstaffel Lufttransportgeschwader ... zum 1. November 2010 mit dem Beigeladenen zu besetzen; es ordnete zugleich den Wechsel des Beigeladenen auf diesen Dienstposten an. Ausweislich der mit der Beschwerdeakte vorgelegten "Auswahlmatrix LTG ... TE/Z ... A11 zum 01.11.2010" wurde der Antragsteller in die Auswahlentscheidung des Personalamts einbezogen. Die Besetzung des strittigen Dienstpostens mit dem Beigeladenen hatte der Staffelchef der Flugbetriebsstaffel Lufttransportgeschwader ... vorgeschlagen.

Gegen die Entscheidung des Personalamts legte der Antragsteller mit Schreiben vom 5. November 2010 Beschwerde ein, die der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Beschwerdebescheid vom 15. Dezember 2010 mit folgender Begründung zurückwies: Der Dienstposten eines Flugsicherungskontrolloffiziers sei sowohl mit den Besoldungsgruppen A 9G/A 10 als auch mit der Besoldungsgruppe A 11 unterlegt. Der vor der Auswahlentscheidung auf einem nach Besoldungsgruppe A 9G/A 10 bewerteten Dienstposten eines Flugsicherungskontrolloffiziers Flugplatz verwendete Beigeladene verfüge ebenso wie der Antragsteller über die Eignung und Befähigung auch für einen mit Besoldungsgruppe A 11 unterlegten Dienstposten. Der Antragsteller habe jedoch keinen Befähigungsvorsprung. Der Beigeladene sei aufgrund seiner besseren Leistung für den Dienstposten vorzuziehen gewesen. Voraussetzung für die Förderung eines Soldaten in eine höherwertige Verwendung sei dessen uneingeschränkte persönliche Leistung, Eignung und Befähigung. An der Erfüllung dieser Kriterien dürfe vor einer Verwendungsentscheidung kein Zweifel bestehen. Einer Personalentscheidung seien aktuelle Beurteilungen zugrunde zu legen, wobei aber nach Nr. 1103 Buchst. c ZDv 20/6 eine Beurteilung erst dann Grundlage von Personalentscheidungen werde, wenn das Beurteilungsverfahren bestandskräftig abgeschlossen und die Beurteilung von der personalbearbeitenden Stelle abschließend geprüft worden sei. Diese Voraussetzungen hätten beim Antragsteller im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nur teilweise vorgelegen, weil dessen planmäßige Beurteilung zum Vorlagetermin 31. März 2009 aus formalen Gründen aufgehoben worden sei. Dieser Beurteilung sei ein Leistungswert von 5,80 zu entnehmen gewesen. Bei einem Soldaten, dessen aktuelle Beurteilung aufgehoben worden sei, könne das Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbild nicht festgestellt werden, sodass an seiner aktuellen Leistung sowie an seiner Eignung und Befähigung für den höherwertigen Dienstposten grundsätzlich Zweifel bestünden. Der Beigeladene sei zum Vorlagetermin 31. März 2009 mit 6,30 sehr gut bewertet worden. Der Antragsteller müsse gegen sich gelten lassen, dass infolge der ihm fehlenden Beurteilung gegenwärtig nicht alle Zweifel an seiner aktuellen Leistung, Eignung und Befähigung für den strittigen Dienstposten ausgeräumt seien und der Beigeladene insoweit einen Leistungsvorsprung aufweise. Das bessere Leistungsbild des Beigeladenen werde auch durch frühere Bewertungen bestätigt. Zum Beurteilungstermin 31. März 2007 habe der Beigeladene eine planmäßige Beurteilung erhalten, in der sein Leistungsbild günstiger als das des Antragstellers sei. Zum Beurteilungsstichtag 31. März 2005 seien der Antragsteller und der Beigeladene nahezu gleich beurteilt worden. Überdies habe sich der Verband für den Beigeladenen ausgesprochen.

Gegen diesen ihm am 22. Dezember 2010 eröffneten Bescheid hat der Antragsteller am 20. Januar 2011 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Den Antrag hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2011 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller insbesondere vor:

Die getroffene Auswahlentscheidung halte einer am Leistungsgedanken des § 3 SG und des Art. 33 Abs. 2 GG orientierten rechtlichen Überprüfung nicht stand. Es treffe nicht zu, dass er und der Beigeladene über die gleiche Eignung und Befähigung für den Dienstposten verfügten. Er selbst weise einen Befähigungsvorsprung auf. Zu Unrecht werde ihm das Nichtvorliegen einer aktuellen planmäßigen Beurteilung vorgehalten. Diesen Umstand habe er nicht zu vertreten. Man habe seine aktuelle, jedoch aufgehobene planmäßige Beurteilung aus dem Jahr 2009 in den Eignungs- und Leistungsvergleich einbezogen und auf diese Weise zugunsten des Beigeladenen dessen Beurteilungen in den Vordergrund gerückt. Die zugunsten des Beigeladenen abgegebene Stellungnahme des Chefs der Flugbetriebsstaffel vom 5. Oktober 2011 weise nicht die gebotene Abwägung des Eignungs- und Leistungsbildes beider Offiziere auf, sondern hebe nur das Leistungsbild, die Qualifikationen und Verwendungen des Beigeladenen hervor. Die erforderliche Befähigung "Anflugkontrolldienst" (APS) könne der Beigeladene nicht vorweisen. Lediglich der Einigungsvertrag habe dem aus der NVA kommenden Beigeladenen einen Dienstposten in der örtlichen militärischen Flugsicherung der Bundeswehr gesichert. Befähigungen seien jedoch nicht gleichgestellt worden. Neben den besonderen Berechtigungen "Wachleiter" und "Ausbilder" könne er, der Antragsteller, sonstige für die Auswahl bedeutsame eignungs-, leistungs- und befähigungsbezogene Qualifikationen vorweisen. Er koordiniere den Flugbetrieb mit UAV, verfüge über die Prüfberechtigung, habe den Lehrgang "Konventionelle Staffelung" absolviert und an zwei Einsätzen in Afghanistan teilgenommen. Die Aus- und Weiterbildung der Flugsicherungskontrollleiter und -anwärter unter seiner Verantwortung am Flugplatz und als Projektoffizier am Simulator der Schule in K. seien mit einer Leistungsprämie anerkannt worden.

Der Antragsteller beantragt,

die Entscheidung des Personalamts der Bundeswehr vom 19. Oktober 2010, den nach Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Dienstposten eines Flugsicherungskontrolloffiziers Flugplatz in der Flugbetriebsstaffel Lufttransportgeschwader ... zum 1. November 2010 mit dem Beigeladenen zu besetzen, und den Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 15. Dezember 2010 aufzuheben,

und den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, den streitbefangenen Dienstposten mit ihm, dem Antragsteller, zu besetzen,

hilfsweise

den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Auswahlentscheidung unter Hinweis auf den Inhalt des Beschwerdebescheids und trägt vor, dieser Bescheid enthalte die erforderliche Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen. Die Auswahlentscheidung sei am 19. Oktober 2010 vom sachlich zuständigen Personalführer der PST 124 H im Dezernat II 4 des Personalamts getroffen worden. Die Auswahlentscheidung verstoße nicht gegen das Prinzip der Bestenauslese. Der Beigeladene erfülle uneingeschränkt die Voraussetzungen des strittigen Dienstpostens. Das gelte insbesondere für die erforderlichen Erlaubnisse. Die letzte planmäßige Beurteilung des Antragstellers aus dem Jahr 2009, die nach ihrer Aufhebung nunmehr vor dem Truppendienstgericht Nord streitbefangen sei, sei hinsichtlich ihrer Wertungen inhaltlich nicht verwertet worden. Sie sei lediglich zur Vervollständigung des Sachverhalts als Hintergrundinformation im Beschwerdebescheid aufgeführt. Maßgeblich für die getroffene Auswahlentscheidung seien die vorhandenen Zweifel an der aktuellen Leistungsstärke des Antragstellers infolge einer fehlenden Beurteilung. Die Beurteilung des Antragstellers aus dem Jahr 2007 sei verwertbar gewesen, weil sie noch hinreichend aktuell und in der Zwischenzeit keine wesentliche Änderung der Tätigkeit des Antragstellers eingetreten sei. Der Antragsteller verfüge im Übrigen auch nicht über einen Eignungs- oder Befähigungsvorsprung gegenüber dem Beigeladenen. Die Qualifikationen beider Bewerber seien vergleichbar.

Der Beigeladene hatte im Verfahren Gelegenheit zur Äußerung. Er hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A - D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Der Sachantrag des Antragstellers bedarf der Auslegung.

Rechtsschutzziel des übergangenen Bewerbers im Konkurrentenstreit um einen Dienstposten ist die Aufhebung der Auswahlentscheidung, die in der Regel in der Verfügung der personalbearbeitenden Stelle verkörpert ist, mit der der ausgewählte Bewerber auf den strittigen Dienstposten ver- oder umgesetzt wird. Diesem Rechtsschutzziel entspricht es, wenn der übergangene Bewerber (auch) die Aufhebung dieser Versetzungsverfügung bzw. dieser Anordnung des Dienstpostenwechsels zum Gegenstand seines Sachantrags macht (vgl. z.B. Beschlüsse vom 18. Juli 1995 - BVerwG 1 WB 117.94 - und vom 15. Oktober 1996 - BVerwG 1 WB 30.96 -). Wird die Auswahlentscheidung hingegen im Einzelfall nicht durch die personalbearbeitende Stelle, sondern durch einen bestimmten Vorgesetzten getroffen, dem durch spezielle Vorschriften über das jeweils maßgebliche Auswahlverfahren die Zuständigkeit für die Auswahlentscheidung übertragen ist (z.B. dem Bundesminister selbst, dem Leiter der Abteilung PSZ im Bundesministerium der Verteidigung oder dem Amtschef des Personalamts), genügt es für die Verwirklichung des dargestellten Rechtsschutzziels, wenn der übergangene Bewerber seinen Sachantrag allein auf die Auswahlentscheidung dieses Vorgesetzten konzentriert, weil darin die eigentliche materielle Entscheidung getroffen wird. Die Verfügung der personalbearbeitenden Stelle über die Versetzung oder den Dienstpostenwechsel des ausgewählten Bewerbers dient dann nur der Umsetzung der von diesem Vorgesetzten getroffenen Auswahlentscheidung, ohne hinsichtlich der Konkurrenzsituation noch eine eigenständige Regelung vorzunehmen; die Verfügung muss deshalb nicht notwendig in den Sachantrag aufgenommen werden, zumal sie dem übergangenen Bewerber mitunter nicht bekannt ist (Beschlüsse vom 27. April 2010 - BVerwG 1 WB 39.09 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 57, vom 23. November 2010 - BVerwG 1 WB 3.10 und BVerwG 1 WB 5.10 - und vom 21. Juli 2011 - BVerwG 1 WB 46.10 -). Diese Voraussetzung ist im Fall des Antragstellers nicht erfüllt. Nach Auskunft des Bundesministers der Verteidigung hat hier der sachlich zuständige Personalführer (PST 124 H im Dezernat II 4) im Personalamt am 19. Oktober 2010 die Auswahlentscheidung getroffen, die in der von ihm am selben Tag verfügten Anordnung über den Dienstpostenwechsel des Beigeladenen verkörpert ist. Diese Verfügung vom 19. Oktober 2010, die dem Antragsteller im Übrigen im Beschwerdebescheid mitgeteilt worden ist, ist deshalb bei sachgerechter Auslegung des Sachantrags einzubeziehen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat im Hilfsantrag Erfolg.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.

Der Rechtsstreit hat sich nicht dadurch erledigt, dass der strittige Dienstposten inzwischen mit dem Beigeladenen besetzt worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; er müsste es vielmehr hinnehmen, von seinem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden ist (vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - Rn. 29 m.w.N. <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 133, 13 und Buchholz 449 § 3 SG Nr. 50, vom 25. März 2010 - BVerwG 1 WB 27.09 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 55 und vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - Rn. 22 <zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen>).

2. Das Verpflichtungsbegehren hat Erfolg, soweit es auf eine erneute Entscheidung über die Besetzung des strittigen Dienstpostens gerichtet ist.

Die Entscheidung des Personalamts vom 19. Oktober 2010, den nach Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Dienstposten eines Flugsicherungskontrolloffiziers Flugplatz (Teileinheit/Zeile ...) in der Flugbetriebsstaffel des Lufttransportgeschwaders ... in W. zum 1. November 2010 mit dem Beigeladenen zu besetzen, die Verfügung des Personalamts vom 19. Oktober 2010 über den Dienstpostenwechsel des Beigeladenen und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 15. Dezember 2010 sind rechtswidrig und deshalb aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO ). Da die Sache nicht spruchreif ist, kann eine Verpflichtung des Bundesministers der Verteidigung, den Dienstposten mit dem Antragsteller zu besetzen, nicht ausgesprochen werden. Es steht nicht fest, dass der strittige Dienstposten gerade mit dem Antragsteller besetzt werden muss. Insoweit ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen. Der Bundesminister der Verteidigung ist jedoch gemäß dem Hilfsantrag verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der nachfolgenden Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO ).

Die angefochtene Auswahlentscheidung ist zwar hinreichend dokumentiert (dazu a), genügt jedoch materiell-rechtlich nicht den sich aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG ergebenden Anforderungen an den Eignungs- und Leistungsvergleich (dazu b).

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter folgt aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - BVerfGK 11, 398 <402 f.> = NVwZ 2007, 1178 = ZBR 2008, 169 ). § 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen hinaus ausdrücklich auf Verwendungsentscheidungen. Der Senat hat deshalb eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische Verwendung betreffen (vgl. Beschlüsse vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41 <jeweils Rn. 50> und vom 16. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 35 f.).

Im vorliegenden Fall war ein Eignungs- und Leistungsvergleich gemäß Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG mit einer Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen erforderlich, weil es sich bei dem strittigen Dienstposten unter anderem für den Antragsteller um eine höherwertige Verwendung handelt.

Die Dokumentationspflicht ist erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen primär die Stelle verpflichtet, die für die zu treffende Auswahlentscheidung zuständig ist. Im Hinblick auf die in § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 WBO verankerte umfassende Kontroll- und Abänderungskompetenz kann die Dokumentationspflicht aber auch von der gemäß § 9 Abs. 1 WBO zuständigen Beschwerdestelle erfüllt werden, wenn und soweit sie eine eigene Sachentscheidung trifft (vgl. dazu im Einzelnen: Beschlüsse vom 27. Januar 2010 - BVerwG 1 WB 52.08 - Rn. 33 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 54 und vom 21. Juli 2011 - BVerwG 1 WB 46.10 - Rn. 38 m.w.N.). Das zuständige Personalamt hat eine in diesem Sinne abgerundete Dokumentation nicht erstellt, denn die "Auswahlmatrix" beschränkt sich auf die tabellarische Vorstellung der betrachteten Bewerber. In dem angefochtenen Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung, der darin eine eigene Sachentscheidung getroffen hat, ist die erforderliche Dokumentation jedoch enthalten; sie ermöglicht die gerichtliche Kontrolle der Auswahlentscheidung.

b) Die angefochtene Auswahlentscheidung ist rechtswidrig, weil die im Beschwerdebescheid getroffene Feststellung, dass - bei gleicher Eignung und Befähigung des Antragstellers und des Beigeladenen - der Beigeladene über ein besseres Leistungsbild aufgrund der aktuellen Beurteilung verfüge, nicht auf einer hinreichend tragfähigen Grundlage getroffen wurde.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats zu Auswahlentscheidungen zwischen mehreren soldatischen Bewerbern haben dann, wenn - wie hier - mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene Abstufungen der Qualifikation Bedeutung (Beschluss vom 25. April 2007 a.a.O. Rn. 55; für das Beamtenrecht Urteil vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <60 f.> = Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 54 S. 3). Zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. hierzu insbesondere Beschluss vom 25. März 2010, a.a.O. Rn. 25).

Hiernach ist das entscheidende Instrument für die "Klärung einer Wettbewerbssituation" in einer Auswahlentscheidung die (planmäßige) Beurteilung. Allein auf der Basis von Beurteilungen, die aussagekräftig, das heißt aktuell und hinreichend differenziert sind und auf den gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen, ist der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Leistungsvergleich der Bewerber vorzunehmen. Die Beurteilungsmaßstäbe müssen dabei gleich sein und gleich angewendet werden. Insbesondere der gemeinsame Beurteilungsstichtag und der jeweils gleiche Beurteilungszeitraum garantieren eine höchstmögliche Vergleichbarkeit (Beschluss vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - Rn. 33; ebenso: Urteil vom 30. Juni 2011 - BVerwG 2 C 19.10 - IÖD 2011, 220 = [...] Rn. 15 m.w.N.).

bb) Den vorgenannten Maßstäben trägt der im Beschwerdebescheid vorgenommene Eignungs- und Leistungsvergleich zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen nicht Rechnung. Der Bundesminister der Verteidigung hat in diesen Vergleich die seinerzeit aktuellste planmäßige Beurteilung des Beigeladenen zum Stichtag 31. März 2009 einbezogen, in der der Beigeladene im Abschnitt "Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten" einen Durchschnittswert von 6,30 erreicht hat. Im Verhältnis dazu hat der Bundesminister - wie er in seinem Schriftsatz vom 2. September 2011 bekräftigt - Zweifel an der aktuellen Leistungsstärke des Antragstellers allein aus dessen fehlender planmäßiger Beurteilung zum selben Beurteilungsstichtag abgeleitet. Dieses Verfahren widerspricht den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Eignungs- und Leistungsvergleichs am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 3 Abs. 1 SG .

Fehlt für den - zur Auswahlentscheidung relativ - aktuellsten Beurteilungsstichtag bei einem der Bewerber eine planmäßige dienstliche Beurteilung, kann aus diesem Umstand kein Rückschluss auf seinen aktuellen Leistungsstand gezogen werden. Es fehlt generell die Basis dafür, bei diesem Bewerber gleichsam "fiktiv" einen bestimmten absoluten Leistungsstand oder ein im Verhältnis zu dem Mitbewerber/den Mitbewerbern relatives Leistungsbild zu unterstellen. Dabei ist es ohne Bedeutung für den Eignungs- und Leistungsvergleich, ob das Fehlen einer planmäßigen Beurteilung auf schlichtem Unterbleiben oder darauf beruht, dass die zunächst erstellte Beurteilung nachträglich aufgehoben worden ist. Ist sie aufgehoben worden, können in ihr ursprünglich dokumentierte Aussagen und Wertungen, insbesondere auch Aussagen über die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten, für einen anstehenden Eignungs- und Leistungsvergleich nicht verwertet werden.

Eine "fiktive" Bewertung des Leistungsstandes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn ein Soldat zu bestimmten Vorlageterminen nicht planmäßig zu beurteilen ist (z.B. wegen Beurlaubung zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit oder wegen einer personalvertretungsrechtlichen Freistellung vom Dienst, vgl. Nr. 205 Buchst. a Nr. 6 und 7 ZDv 20/6), und wenn das Bundesministerium der Verteidigung für diese Fälle eine "fiktive Nachzeichnung" von Beurteilungsinhalten angeordnet hat (vgl. dazu Beschlüsse vom 15. Oktober 1996 - BVerwG 1 WB 30.96 - und vom 27. Januar 1998 - BVerwG 1 WB 51.97 - Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 1). Bei dieser Sachlage haben die beurteilenden Vorgesetzten bzw. die personalbearbeitenden Stellen die fiktiv fortgeschriebenen Beurteilungsinhalte zu dokumentieren. Die Voraussetzungen für eine solche fiktive Bewertung des Leistungsstandes waren im Fall des Antragstellers indessen nicht gegeben.

Die zuständige Personalführung hätte deshalb für den Antragsteller eine aktuelle Sonderbeurteilung nach Nr. 206 ZDv 20/6 anfordern und im Rahmen des Auswahlverfahrens in den Eignungs- und Leistungsvergleich mit den anderen Kandidaten einbeziehen müssen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (dazu ausführlich: Beschluss vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - Rn. 37 <zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen>) bestehen nach der derzeitigen Ausgestaltung der Beurteilungsbestimmungen in der ZDv 20/6 keine grundsätzlichen Bedenken gegen einen Vergleich der Aussagen und Wertungen in einer planmäßigen Beurteilung mit solchen in einer Sonderbeurteilung, sofern im Übrigen die Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Beurteilungen - wie etwa hinsichtlich der Beurteilungszeiträume und -stichtage - gewahrt sind.

Der Hinweis im Beschwerdebescheid, mit Rücksicht auf Nr. 1103 Buchst. c ZDv 20/6 dürfe einer Personalentscheidung eine Beurteilung erst dann zugrunde gelegt werden, wenn das entsprechende Beurteilungsverfahren bestandskräftig abgeschlossen und die Beurteilung von der personalbearbeitenden Stelle abschließend geprüft worden sei, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Der Senat hat im zitierten Beschluss vom 24. Mai 2011 (Rn. 38 bis Rn. 41) im Einzelnen ausgeführt, dass dienstliche Beurteilungen eines Soldaten ungeachtet der Frage ihrer Bestandskraft in Auswahlverfahren verwendet werden dürfen; die Verwaltungsvorschrift in Nr. 1103 Buchst. c ZDv 20/6 kann demgegenüber den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestenauslese nicht modifizieren und ist, soweit sie dem entgegensteht, unbeachtlich.

Die Erwägungen im Beschwerdebescheid, mit denen ein Leistungsvorsprung des Beigeladenen unter Berücksichtigung früherer planmäßiger Beurteilungen untermauert werden soll, vermögen die getroffene Auswahlentscheidung nicht zu stützen. Wie dargelegt, können zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität auch die jeweils vorletzten und vorvorletzten planmäßigen Beurteilungen der betrachteten Bewerber einbezogen werden. Dabei darf allerdings nicht aus dem Blick geraten, dass für die Auswahlentscheidung der aktuelle und nicht ein in der Vergangenheit liegender Leistungsstand maßgeblich ist. Entscheidend ist insoweit, dass die vorletzten und vorvorletzten Beurteilungen nicht isoliert, sondern lediglich in Bezug auf das durch die letzte Beurteilung dokumentierte aktuelle Leistungsbild zu sehen sind (Beschluss vom 25. März 2010 a.a.O., Rn. 30). Eine derartige Betrachtung früherer Beurteilungen scheidet demnach aus, wenn in dem vorzunehmenden Eignungs- und Leistungsvergleich für einen der Bewerber eine aktuelle planmäßige Beurteilung fehlt. Dann existiert keine Grundlage für Rückschlüsse und Prognosen aus einer aktuellen planmäßigen Beurteilung, die im Rahmen des Bewerbervergleichs mit früheren Bewertungen abrundend verknüpft werden könnten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO . Da der Antragsteller mit seinem Rechtsschutzbegehren im Wesentlichen Erfolg hatte, wurden dem Bund die Kosten des Verfahrens ganz auferlegt (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO ). Der Beigeladene trägt seine Kosten selbst.

Golze Dr. Frentz Rothfuß

Fundstellen
DÖV 2012, 447