Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 02.02.2011

1 WB 2.11

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 152a
WBO § 23a Abs. 3

BVerwG, Beschluss vom 02.02.2011 - Aktenzeichen 1 WB 2.11 - Aktenzeichen 1 WB 12.10

DRsp Nr. 2011/3925

Außerordentlicher Rechtsbehelf der Anhörungsrüge für die in einem früheren Verfahrensabschnitt ergangenen Beschwerdebescheide militärischer Vorgesetzter; Vereinbarkeit einer Konzentration auf die entscheidungserheblichen Aspekte des Antragsvorbringens durch das Gericht mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör

Die Anhörungsrüge dient nicht dazu, in einem früheren Verfahrensabschnitt ergangene Bescheide nochmals auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das Verfahren der Anhörungsrüge eröffnet lediglich einen außerordentlichen Rechtsbehelf allein gegen mögliche Gehörsverstöße durch die zuletzt unanfechtbar ergangene gerichtliche Entscheidung.

Tenor

Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; VwGO § 152a; WBO § 23a Abs. 3 ;

Gründe

I

Der Antragsteller wendet sich mit der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 23. November 2010 - BVerwG 1 WB 12.10 -, der ihm am 27. Dezember 2010 zugestellt worden ist.

Er hat mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2010 zunächst eine "Korrektur und Erläuterung" dieses Senatsbeschlusses beantragt und dabei seine Rechtsauffassung zu Fragen wiederholt, die Gegenstand seiner Beschwerde vom 29. Januar 2009 gegen verschiedene Vorgesetzte bzw. Dienststellen der Bundeswehr waren.

Auf das Hinweisschreiben des Vorsitzenden des 1. Wehrdienstsenats vom 30. Dezember 2010 hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 5. Januar 2011 geltend gemacht, der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis sei "am 11. Januar 2010" nicht auf die beanstandete Nichterstellung einer planmäßigen Beurteilung zum 31. März 2006 und auf den Vorwurf einer Benachteiligung aufgrund seiner Beschwerden vom 31. Oktober 2005 und vom 11. März 2008 eingegangen; dazu habe er keine Feststellungen getroffen. Es könne nicht rechtens sein, die erforderlichen Entscheidungen in einer Beschwerdesache einfach nicht zu treffen und anschließend den Rechtsbehelf mit dem Hinweis abzulehnen, dass die unterlassene Entscheidung die Art der Behandlung der Beschwerde beträfe, die "nicht unter die Rechtsprechung des Senats fallen würde". Er, der Antragsteller, gehe davon aus, dass dieser entscheidungserhebliche Aspekt ggf. nicht ausreichend zur Kenntnis genommen worden sei oder er zumindest hätte aufgefordert werden müssen, den Sachverhalt deutlicher darzustellen.

Der Stellvertreter des Generalinspekteurs und Inspekteur der Streitkräftebasis sowie der Bundeswehrdisziplinaranwalt hatten gemäß § 23a Abs. 3 WBO i.V.m. § 152a Abs. 3 VwGO Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Antragsteller hat sich mit weiteren Schreiben vom 22. und 29. Januar 2011 geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte der Stammdienststelle der Bundeswehr - Az.: ... -, die Beschwerdeakten des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis - FüS/RB - ... und ... -, die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A - D, und die Gerichtsakte BVerwG 1 WB 12.10 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Der Senat wertet das Schreiben des Antragstellers vom 5. Januar 2011 als Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 23. November 2010. Dem hat der Antragsteller in seiner "Äußerung zur Anhörungsrüge" im Schriftsatz vom 22. Januar 2011 nicht widersprochen.

Im Wehrbeschwerdeverfahren gilt nach § 23a Abs. 3 WBO für die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör § 152a VwGO entsprechend.

Der Senat entscheidet über die Anhörungsrüge in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne ehrenamtliche Richter (Beschluss vom 22. April 2010 - BVerwG 1 WB 4.10 - NZWehrr 2010, 211).

Die Anhörungsrüge des Antragstellers ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet; sie ist deshalb gemäß § 23a Abs. 3 WBO i.V.m. § 152a Abs. 4 Satz 2 VwGO insgesamt zurückzuweisen.

1.

Zwar hat der Antragsteller mit der am 7. Januar 2011 eingegangenen Anhörungsrüge vom 5. Januar 2011 gegen den ihm am 27. Dezember 2010 zugestellten Senatsbeschluss vom 23. November 2010 die in § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO geregelte Zwei-Wochen-Frist eingehalten. Seine Anhörungsrüge ist aber, soweit sie die Verfahrenshandhabung durch den Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr betrifft, nicht statthaft und damit unzulässig, weil sie entgegen § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO nicht einen Gehörsverstoß durch das Gericht darlegt.

Der außerordentliche Rechtsbehelf der Anhörungsrüge eröffnet die Möglichkeit fachgerichtlicher Abhilfe (nur) für den Fall, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das ergibt sich sowohl aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut in § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO als auch aus dem Zweck der Norm, eine Selbstkontrolle der Fachgerichtsbarkeit im Hinblick auf die Einhaltung des Verfahrensgrundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG zu gewährleisten (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2006 - BVerwG 2 B 74.06, <2 B 54.06> - [...] Rn. 2; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 , 416 ff.). Der Antragsteller wendet sich hingegen nicht gegen einen Gehörsverstoß durch den Senat im Beschluss vom 23. November 2010; er beanstandet vielmehr die aus seiner Sicht vom Stellvertreter des Generalinspekteurs und Inspekteur der Streitkräftebasis zu Unrecht unterlassene Behandlung spezieller Beschwerdeaspekte "am 11. Januar 2010", das heißt in dem angefochtenen Beschwerdebescheid vom 11. Januar 2010.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Antragsteller, dass die Anhörungsrüge nicht dazu dient, vorinstanzliche Gerichtsentscheidungen (Beschluss vom 6. Juli 2010 - BVerwG 5 B 13.10 <5 B 21.09 / 5 PKH 16.09> - [...] Rn. 3 m.w.N.) oder sogar die in einem früheren Verfahrensabschnitt ergangenen Bescheide (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2006, a.a.O., Rn. 2 am Ende) - hier die Beschwerdebescheide militärischer Vorgesetzter - nochmals auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das Verfahren der Anhörungsrüge stellt kein weiteres Rechtsmittelverfahren dar, sondern eröffnet lediglich einen außerordentlichen Rechtsbehelf allein gegen mögliche Gehörsverstöße durch die zuletzt unanfechtbar ergangene gerichtliche Entscheidung.

2.

Soweit der Antragsteller im letzten Satz seiner Anhörungsrüge sinngemäß beanstandet, der Senat hätte in seinem Beschluss vom 23. November 2010 auf die vom Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis nicht behandelten Gesichtspunkte eingehen müssen, ist zweifelhaft, ob die Anhörungsrüge zulässig ist. Denn der Antragsteller hat insoweit entgegen § 23a Abs. 3 WBO i.V.m. § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 , Abs. 2 Satz 6 VwGO nicht hinreichend dargelegt, inwiefern eine Verletzung rechtlichen Gehörs "in entscheidungserheblicher Weise" vorliegen soll (vgl. zu diesem Erfordernis: Beschluss vom 13. Januar 2009 - BVerwG 9 B 64.08 <9 B 34.08> - NVwZ 2009, 329 = [...] Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO , 16. Aufl. 2009, § 152a , Rn. 10).

Unabhängig davon ist die Anhörungsrüge jedenfalls unbegründet.

Der Antragsteller hatte im Verfahren BVerwG 1 WB 12.10 in seinem Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Januar 2010 einen Sachantrag und einen "Antrag" zum Feststellungsinteresse gestellt. Der Sachantrag bezog sich unter anderem auf die Unterlassung seiner planmäßigen Beurteilung zum 31. März 2006. Diesen Aspekt hat der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 29. Januar 2011 noch einmal als Gegenstand seiner Beschwer betont. Beide Anträge - insbesondere auch die beanstandete Unterlassung der Beurteilung - sind im Senatsbeschluss vom 23. November 2010 in Randnummern 26 bis 35 ausführlich behandelt worden. Der vom Antragsteller erhobene Vorwurf der Benachteiligung und der schleppenden Verfahrenshandhabung ist im Sachverhalt des Senatsbeschlusses (Randnummern 1, 6, 9, 17) im Einzelnen wiedergegeben und in den Entscheidungsgründen in Randnummer 41 beschieden worden.

Damit hat der Senat die vom Antragsteller vorgebrachten Gesichtspunkte und Bedenken in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und erwogen. Allerdings kann ein Antragsteller unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs nicht verlangen, dass das Gericht in den Entscheidungsgründen auf sämtliche Aspekte des Antragsvorbringens eingeht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet keine Pflicht des Gerichts, jedes Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (stRspr., vgl. z.B. Beschluss vom 13. Januar 2009, a.a.O. m.w.N.). Vielmehr darf und muss sich das Gericht auf die entscheidungserheblichen Aspekte des Antragsvorbringens konzentrieren. Das ist in dem angefochtenen Senatsbeschluss geschehen.

Deshalb beruft sich der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 29. Januar 2011 auch ohne Erfolg darauf, dass seine Anhörungsrüge dem Zweck diene, "überhaupt eine Entscheidung in der Sache" zu erzwingen. Ob dem Gericht eine "Entscheidung in der Sache", das heißt ein gerichtlicher Ausspruch zur Frage der Begründetheit des geltend gemachten Rechtsschutzbegehrens möglich ist, hängt allein von der Zulässigkeit der gestellten Anträge ab.

3.

Lediglich klarstellend weist der Senat darauf hin, dass dem "Antrag auf Korrektur und Erläuterung" vom 28. Dezember 2010 die Darlegung eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 , Abs. 2 Satz 6 VwGO nicht zu entnehmen ist. Der Antragsteller vermischt in diesem Schriftsatz sein Vorbringen aus seinen Beschwerdeverfahren, die sich gegen fünf verschiedene Vorgesetzte bzw. Dienststellen der Bundeswehr richten (im Einzelnen wiedergegeben im Sachverhalt des Senatsbeschlusses vom 23. November 2010, Randnummern 10 bis 15). Für das Verfahren BVerwG 1 WB 12.10 war aber nur das Beschwerdeverfahren relevant, in dem der Beschwerdebescheid des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 11. Januar 2010 ergangen ist.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO .

5.

Dieser Beschluss ist gemäß § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar.

Vorinstanz: BVerwG, vom 23.11.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 1 WB 12.10