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BGH - Entscheidung vom 18.07.2011

AnwZ (B) 52/10

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluss vom 18.07.2011 - Aktenzeichen AnwZ (B) 52/10

DRsp Nr. 2011/17334

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfall eines Rechtsanwalts

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes Mecklenburg-Vorpommern vom 18. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit Dezember 1992 mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 2004 im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 17. August 2009 widerrief die Antragsgegnerin seine Zulassung wegen Vermögensverfalls. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Das nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 4 BRAO a.F. zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschlüsse vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577 ).

2.

Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids am 17. August 2009 vor.

a)

Die Antragsgegnerin hat den Vermögensverfall in ihrem Widerrufsbescheid auf folgende Forderungen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gestützt:

1.

PfüB AG W. vom 20. November 2008 - -wegen einer Forderung in Höhe von 77,72 €

2.

PfüB AG W. vom 2. April 2009 - - wegen einer Forderung in Höhe von 500 €

3.

ZV-Auftrag der Antragsgegnerin wegen einer Forderung in Höhe von 1.000 € - -

4.

Geldbuße aus dem Urteil des AGH M. - vom 5. Dezember 2008 - - in Höhe von 15.000 €

5.

PfüB AG W. vom 4. Mai 2009 - - wegen einer Forderung in Höhe von 858,65 €

6.

PfüB AG W. vom 5. Mai 2009 - - wegen einer Forderung in Höhe von 3094,80 €

7.

PfüB AG W. vom 17. Juni 2009 - - wegen einer Forderung in Höhe von 1.000 €.

Zudem bestanden im Zeitpunkt des Widerrufs Mietrückstände für die Zeit von November 2006 bis August 2007 in Höhe von mehr als 4.000 €, wie durch ein von den Vermietern erwirktes Versäumnisurteil des Amtsgerichts W. vom 5. Januar 2010 - - bekannt geworden ist.

b)

Damit liegen - bei der gebotenen Gesamtwürdigung - ausreichende Beweisanzeichen dafür vor, dass sich der Antragsteller bei Erlass des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall befand.

Zwar waren die Forderungen aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen nach dem Vortrag des Antragstellers, den er durch Vorlage von Kontoauszügen belegt hat, in zeitlicher Nähe zu dem Widerrufsbescheid bezahlt worden, die Forderungen zu Nr. 1, 5, 6 und 7 sogar vor dessen Erlass. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebte und nicht in der Lage war, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Geordnete Vermögensverhältnisse setzen voraus, dass der Rechtsanwalt über die Begleichung der aufgelaufenen Schulden oder ihre geordnete Rückführung hinaus erreicht, dass dauerhaft keine neuen Schulden auflaufen, deren ordnungsgemäße Begleichung nicht durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Vereinbarungen mit Gläubigern sichergestellt ist (vgl. Beschlüsse vom 14. November 2005 - AnwZ (B) 93/04 Rn. 6 und vom 10. August 2009 - AnwZ (B) 40/08 Rn. 10). Liegen Anzeichen dafür vor, dass der Rechtsanwalt nur wirtschaften kann, indem er neue Schulden auflaufen lässt und zahlt er seine Schulden über einen gewissen Zeitraum nur unter dem Druck des Widerrufs seiner Zulassung oder von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, kann der Nachweis eines Vermögensverfalls regelmäßig als geführt angesehen werden (BGH, Beschluss vom 21. März 2011 - AnwZ (B) 97/09, [...] Rn. 9).

So verhält es sich hier. Dafür spricht bereits der Umstand, dass die oben aufgelistete Serie der vor Erlass des Widerrufsbescheids ergangenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mit der weitgehenden Erfüllung der titulierten Forderungen keinen Abschluss fand, sondern sich nahtlos fortsetzte.

Zudem hatte der Antragsteller bei Erlass des Widerrufsbescheids lediglich die meisten der in der Vollstreckung befindlichen Forderungen getilgt. Er hatte aber weitere Verbindlichkeiten, die er ersichtlich nicht begleichen konnte, insbesondere die Forderung zu Nr. 4 in Höhe von 15.000 €. Der Antragsteller hatte vor Erlass des Widerrufsbescheids weder Zahlungen auf diese Forderung geleistet noch hatte er sich um eine Ratenzahlungsvereinbarung bemüht. Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung vorgetragen hat, er habe einen Ratenzahlungsantrag gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei, ist dies für die Beurteilung seiner Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt des Widerrufs ohne Belang. Im Übrigen hat er auch nicht aufgezeigt, wie er die Forderung erfüllen will und dass er zur Zahlung "angemessener" Raten, zu deren Höhe er sich nicht näher geäußert hat, in der Lage ist.

Dass der Antragsteller seine fälligen Verbindlichkeiten nicht in geordneter Art und Weise bedienen konnte, ergibt sich ferner aus dem Umstand, dass er sich mit Mietzahlungen für seine Kanzleiräume in Rückstand befand. Der Antragsteller hatte den durch Versäumnisurteil titulierten Ansprüchen in der Sache offenbar nichts entgegen zu setzen; er hat nämlich am 23. Februar 2010 ein zweites Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen.

Bei der gebotenen Gesamtwürdigung des bekannt gewordenen Verhaltens des Antragstellers in finanziellen Angelegenheiten ist nach allem der Schluss gerechtfertigt, dass dieser schon bei Erlass des Widerrufsbescheids nur wirtschaften konnte, indem er immer wieder neue Schulden auflaufen ließ und seine Vermögensverhältnisse demnach nicht geordnet waren.

c)

Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern. Anhaltspunkte dafür, dass dies hier ungeachtet des Vermögensverfalls nicht der Fall war, lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids nicht vor.

3.

Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der nach dem hier noch anwendbaren alten Verfahrensrecht im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (vgl. Beschlüsse vom 12. November 1979 - AnwZ (B) 16/79, BGHZ 75, 356 und vom 17. Mai 1982 - AnwZ (B) 5/82, BGHZ 84, 149; vgl. für das neue Verfahrensrecht demgegenüber BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10), liegt nicht vor. Der für den nachträglichen Wegfall des Vermögensverfalls darlegungs- und beweispflichtige Antragsteller (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2007 - AnwZ (B) 1/07, BRAK-Mitt. 2008, 73) hat eine nachträgliche Konsolidierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht dargetan. Er hat seine Vermögenslage schon nicht, wie es erforderlich wäre, umfassend dargelegt, sondern hat sich nur zu den der Widerrufsverfügung zu Grunde liegenden Forderungen geäußert. Aus Mitteilungen des Amtsgerichts W. und Schreiben von Gläubigern an die Antragsgegnerin ergibt sich aber das Bestehen weiterer offener Forderungen und vergeblicher Vollstreckungsversuche. So zahlt der Antragsteller ausweislich der Klageschrift seiner Vermieter vom 15. Oktober 2010 in dem Verfahren des Amtsgerichts W. seit August 2010 keine Miete mehr, für Zeitpunkte davor sind Teilbeträge offen. Die L. -Versicherung hat mitgeteilt, dass die Vollstreckung eines Titels bei zwei Banken des Antragstellers erfolglos geblieben sei. Wegen einer Forderung in Höhe von 212,48 € der D. GmbH ließ der Antragsteller am 31. Mai 2011 ein Anerkenntnisurteil gegen sich ergehen. Mit Beschluss vom 4. Juli 2011 des Amtsgerichts W. - - wurde wegen einer Forderung in Höhe von 12.613,66 € des Gläubigers Dr. die Zwangsversteigerung des Wohngrundstücks des Antragstellers auf der Insel P. angeordnet.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind.

4.

Der Senat konnte in Abwesenheit des Antragstellers verhandeln und entscheiden, da dieser sein Ausbleiben im Termin nicht entschuldigt hat.

Vorinstanz: AGH Mecklenburg-Vorpommern, vom 18.06.2010 - Vorinstanzaktenzeichen AGH 7/09 (I/4)