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BGH - Entscheidung vom 02.03.2011

AnwZ (B) 119/09

Normen:
FGG a.F. § 29a Abs. 1 S. 1
BRAO a.F. § 42 Abs. 6 S. 2
BRAO § 215 Abs. 3

BGH, Beschluss vom 02.03.2011 - Aktenzeichen AnwZ (B) 119/09

DRsp Nr. 2011/5834

Widerruf der Zulassung eines Anwaltes wegen Vermögensverfalls unter Berücksichtigung einer nachträglichen Konsolidierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Begleichung aufgelaufener Schulden unter Vermeidung neuer Schulden

Es liegt keine Gehörsverletzung vor, wenn das Gericht den Schriftsatz einer Partei unberücksichtigt gelassen hat, weil dieser erst nach Erlass und Zustellung der gerichtlichen Entscheidung beim Gericht eingegangen ist.

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin gegen den Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2010 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Normenkette:

FGG a.F. § 29a Abs. 1 S. 1; BRAO a.F. § 42 Abs. 6 S. 2; BRAO § 215 Abs. 3 ;

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Anhörungsrüge gegen den im schriftlichen Verfahren getroffenen und ihr am 24. Dezember 2010 zugestellten Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2010. Mit diesem Beschluss hat der Senat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Verwerfungsbeschluss des 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 8. Juni 2009 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihr Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerruf ihrer Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesen wird.

Vor Erlass dieses Beschlusses hat der Senat mit Verfügung vom 6. August 2010 die Beteiligten auf seine vorläufige Einschätzung der Rechtslage hingewiesen und die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 9. Mai 2010 aufgefordert, binnen einer Frist von einem Monat ab Zustellung der Verfügung ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen und sich insbesondere zu sieben konkret formulierten Fragen zu äußern. Auf diesen ihr am 10. August 2010 zugestellten Hinweis hat die Antragstellerin weder innerhalb der gesetzten Frist noch später reagiert. Die von ihr mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2010 angekündigte Stellungnahme bis 30. Oktober 2010 blieb aus. Daraufhin hat der Senat mit Beschluss vom 8. Dezember 2010 eine abschließende Entscheidung getroffen.

Nach der am 24. Dezember 2010 erfolgten Zustellung der genannten Entscheidung ist am 3. Januar 2011 beim Bundesgerichtshof ein unfrankierter Briefumschlag (DIN A 4) eingegangen, der mit dem Stempelaufdruck "Briefzentrum 63 - 11.05.10-19" versehen ist und Spuren der Entfernung eines ursprünglich vorhanden gewesenen Postwertzeichens aufweist. Außerdem trägt der Umschlag den in roter Farbe aufgebrachten und mit einem Smiley versehenen Vermerk "P.B. Irrläufer 10 Monate Ausland". Bei den in diesem Umschlag enthaltenen Schriftstücken handelt es sich um einen auf den 11. Mai 2010 datierten Schriftsatz der Antragstellerin, dem als Anlagen die Jahresabrechnungen 2008 und 2009 für ihre Wohnung in S. , der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008, Einnahme-Überschuss-Rechnungen für die Zeiträume Januar bis Dezember 2009, Januar bis März 2010 und April 2010, zwei Schreiben der Antragstellerin an Rechtsanwalt H. vom 8. Januar und vom 4. Mai 2010, eine Einladung der Hausverwaltung He. zur Eigentümerversammlung vom 8. Mai 2010, eine Steuerbescheinigung der Volksbank D. eG über Kapitalerträge, drei Depotauszüge der Volksbank D. eG (Stand Dezember 2007, 2008 und 2009) und Kontoauszüge über Überweisungen an Rechtsanwalt H. in den Monaten Februar bis September 2009, November 2009, Februar bis April 2010 beigefügt sind.

Mit am 7. Januar 2011 beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin geltend gemacht, der Senat habe bei seiner Entscheidung wesentliche Teile ihres Vorbringens unberücksichtigt gelassen. Ihre Beanstandungen hat sie mit weiterem, am 8. Januar 2011 eingegangenem Schriftsatz vertieft.

II.

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist nach § 215 Abs. 3 BRAO , § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO aF, § 29a Abs. 1 Satz 1 FGG aF statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der Senat hat kein zu berücksichtigendes Vorbringen der Antragstellerin übergangen und auch nicht in sonstiger Weise ihr rechtliches Gehör verkürzt.

1.

Dass bei der Entscheidung des Senats das Vorbringen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 11. Mai 2010 keine Berücksichtigung gefunden hat, beruht nicht auf einer Missachtung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin. Denn dieser Schriftsatz ist erst nach Erlass und Zustellung des Senatsbeschlusses vom 8. Dezember 2010 beim Bundesgerichtshof eingegangen. Er ist ausweislich der auf dem Umschlag aufgebrachten Eingangsstempel am 3. Januar 2011 nach Dienstschluss an den Bundesgerichtshof und einen Tag später an die zuständige Geschäftsstelle gelangt. Die Gründe für die siebenmonatige Zugangsverzögerung sind hier nicht bekannt. Die auf dem Umschlag aufgebrachten Vermerke und dessen Erscheinungsbild legen den Schluss nahe, dass die Antragstellerin einen ihr am 11. Mai 2010 zugegangenen Umschlag erneut verwendet hat. Dafür sprechen nicht nur die Vermerke auf dem Umschlag, sondern auch der Umstand, dass dieser am oberen Rand mit zwei Heftklammern verschlossen worden war. Auf welche Weise das unfrankierte Poststück am 3. Januar 2011 in den ab Dienstschluss eingerichteten Nachtbriefkasten des Bundesgerichtshofs gelangt ist und wo es sich in der Zwischenzeit befunden hat, ist ungeklärt. Anders als beim Schriftsatz vom 9. Mai 2010 hat die Antragstellerin den auf den 11. Mai 2010 datierten Schriftsatz nicht zusätzlich per Telefax an den Bundesgerichtshof übermittelt.

2.

Für den Senat war auch vor Erlass des Beschlusses vom 8. Dezember 2010 nicht erkennbar, dass die Antragstellerin am 11. Mai 2010 in der vorliegenden Sache einen Schriftsatz gefertigt hatte. In ihrem beim Bundesgerichtshof per Fax und im Original eingegangenen Schriftsatz vom 9. Mai 2010 hat sie ausdrücklich um einen Hinweis des Senats gebeten, falls ihr bisheriges Vorbringen nicht ausreichend sein sollte. Dieser Hinweis ist ihr mit Verfügung vom 6. August 2010 in ausführlicher Form erteilt worden. Die Antragstellerin hat weder im Schriftsatz vom 9. Mai 2010 angekündigt, dass in Kürze weiterer Vortrag erfolgen solle, noch nach Zustellung der Hinweisverfügung mitgeteilt, dass sie am 11. Mai 2010 einen weiteren Schriftsatz gefertigt und zur Post gegeben hat. Hierzu hätte aber im Hinblick auf die vom Senat in der Hinweisverfügung formulierten Fragen Anlass bestanden.

3.

Darüber hinaus ist das Vorbringen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 11. Mai 2010 nicht geeignet, eine nachträgliche Konsolidierung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zweifelsfrei nachzuweisen. Die Antragstellerin hat zwar belegt, dass sie auf die titulierte Forderung der Wohnungseigentümergemeinschaft S. (Haftbefehl 4 ) und auf weiter hinzugekommene Wohngeldforderungen im Zeitraum von Februar 2009 bis April 2010 auf eigenen Entschluss - eine entsprechende Vereinbarung konnte mit der Gläubigerin nicht getroffen werden - Ratenzahlungen in unterschiedlicher Höhe an den Bevollmächtigten der Wohnungseigentümergemeinschaft S. geleistet hat. Sie hat aber weder vorgetragen noch belegt, dass sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nachhaltig stabilisiert und verbessert haben. Dies setzt nämlich voraus, dass über die Begleichung der aufgelaufenen Schulden oder ihre geordnete Rückführung hinaus erreicht wird, dass dauerhaft keine neuen Schulden entstehen, deren ordnungsgemäße Tilgung nicht sichergestellt ist (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 113/09, Rn. 10, abrufbar über die Internetseite des Bundesgerichtshofs). Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin sind auch unter Berücksichtigung der im Schriftsatz vom 11. Mai 2010 geschilderten Vermögenswerte zu beengt, um von deren Konsolidierung ausgehen zu können. Auch unter Berücksichtigung der verspätet eingereichten Unterlagen wären damit die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Zulassungswiderrufs nicht erfüllt.

Vorinstanz: AGH Hessen, vom 08.06.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 25/08