Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 22.12.2011

3 StR 371/11

Normen:
BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2
BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4
StGB § 27
StGB § 30 Abs. 2

Fundstellen:
NStZ-RR 2012, 120

BGH, Beschluss vom 22.12.2011 - Aktenzeichen 3 StR 371/11

DRsp Nr. 2012/2306

Verwirklichung des Tatbestands des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln durch den bloßen Transport von Betäubungsmitteln

1. Eine Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Betäubungsmitteln erschöpft, ist nach den für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auch im Betäubungsmittelrecht geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts ungeachtet faktischer Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports zumeist nur von untergeordneter Bedeutung innerhalb des gesamten Umsatzgeschäfts und deshalb als Beihilfe zu diesem zu bewerten.2. Der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln verlangt nicht deren eigenhändiges Verbringen in die Bundesrepublik; Mittäter kann deshalb auch derjenige sein, der Betäubungsmittel von anderen Personen über die Grenze transportieren lässt.3. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betreffende auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet, welcher sich nach seiner Willensrichtung nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 20. Dezember 2010

- im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Sichbereiterklären zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

- im Strafausspruch aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 ; BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 ; StGB § 27 ; StGB § 30 Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

Der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat keinen Bestand. Nach den weder in sachlich-rechtlicher noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu beanstandenden Feststellungen hat sich der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG , § 27 StGB ) in Tateinheit mit Sichbereiterklären zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG , § 30 Abs. 2 StGB ) schuldig gemacht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Abänderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.

Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:

"Eine Tätigkeit, die sich im bloßen Transport von Betäubungsmitteln erschöpft, wird nach den für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auch im Betäubungsmittelrecht geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts (dazu BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10 - Rn. 22 m.w.N.) ungeachtet faktischer Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports zumeist nur von untergeordneter Bedeutung innerhalb des gesamten Umsatzgeschäfts und deshalb als Beihilfe zu diesem zu bewerten sein (BGH aaO Rn. 23 m.w.N.). Besondere Umstände, die gleichwohl die Annahme täterschaftlichen Handelns rechtfertigen würden (dazu BGH aaO Rn. 23 m.w.N.) hat das Landgericht indes nicht festgestellt.

....

Durch seine ernsthafte und verlässliche Zusage, den Transport der Drogen aus Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland zu übernehmen (UA S. 11, 14), und seine nachfolgende, auf die Planung und die Durchführung dieses Transports gerichteten Tätigkeiten (UA S. 12 ff.) hat der Angeklagte die Herbeiführung des Taterfolgs durch die Hintermänner objektiv gefördert (vgl. bereits BGH aaO Rn. 17, 18), weil er diesen damit die Sicherheit verschaffte, dass sie ihren Tatplan wie vorgesehen umsetzen können, und sie diesbezüglich weitergehender Maßnahmen enthob. ...

Der Angeklagte ist aufgrund der getroffenen Feststellungen darüber hinaus schuldig, sich tateinheitlich zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bereit erklärt zu haben (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG i. V. m. § 30 Abs. 2 StGB ).

Die ernsthafte und verlässliche Zusage des Angeklagten, den Transport der Betäubungsmittel zu übernehmen (UA S. 11, 14), war auf eine spätere (mit-)täterschaftliche Beteiligung an deren Verbringung in die Bundesrepublik Deutschland gerichtet.

Der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln verlangt nicht deren eigenhändiges Verbringen in die Bundesrepublik; Mittäter kann deshalb auch derjenige sein, der Betäubungsmittel von anderen Personen über die Grenze transportieren lässt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betreffende auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet, welcher sich nach seiner Willensrichtung nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt (BGH, Urteil vom 16. Oktober 1990 - 4 StR 414/90, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 19 m.w.N.). Ob das der Fall ist, ist in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Betreffenden abhängen (BGH aaO).

Hieran gemessen wäre der Angeklagte - für den Fall der erfolgreichen Umsetzung des Plans - nicht lediglich als Gehilfe, sondern als Mittäter bei der Einfuhr anzusehen gewesen. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte 'ausschließlich für den Transport zuständig' und wurde gerade dafür von den Hintermännern bezahlt (UA S. 11). Die insoweit unternommenen Anstrengungen des Angeklagten belegen, dass er die Organisationsherrschaft für diesen Teil des Umsatzgeschäfts inne- und maßgeblichen Einfluss auf die Tatausführung in dieser Hinsicht hatte: Nachdem der zunächst vom Angeklagten für die Durchführung des Transports vorgesehene Fahrer S. ausgefallen war (UA S. 12), beauftragte er den Zeugen C. , sich umgehend nach Gelegenheiten umzuhören, eine Transportfirma zu erwerben oder sich eine solche nutzbar zu machen (UA S. 13). Diesbezügliche Vorgespräche wurden in seinem Namen geführt (UA S. 14). Die wesentlichen Verhandlungen hinsichtlich einer Beteiligung an dem Transportgeschäft der ehemaligen Mitangeklagten A. und Sa. P. führte der Angeklagte selbst (UA S. 15); der organisatorische wie materielle Aufbau des Transportgeschäfts als logistische Plattform für die Abwicklung des Betäubungsmitteltransports ... wurde vom Angeklagten gesteuert, der sich dazu des Zeugen C. als 'Sachwalter' und Mittler für seine Anweisungen bediente (UA S. 17). Für den weiteren Ausbau des Unternehmens stellte der Angeklagte erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung (UA S. 19). ...

...

Ein Rücktritt vom Versuch der Beteiligung ... liegt ... nicht vor. Die Feststellungen lassen ein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen des Angeklagten, die Einfuhr zu verhindern, nicht erkennen. Dieser hat vielmehr bis zuletzt auf die Durchführung des Transports hingearbeitet.

...

Der Schuldspruch ist entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu berichtigen; § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die zugrunde liegenden Feststellungen können jedoch aufrecht erhalten bleiben, weil der Rechtsfehler allein die rechtliche Bewertung der Tat betrifft."

Dem schließt sich der Senat an.

Fundstellen
NStZ-RR 2012, 120