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BGH - Entscheidung vom 31.05.2011

X ZR 112/10

Normen:
IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1
EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. a

BGH, Urteil vom 31.05.2011 - Aktenzeichen X ZR 112/10

DRsp Nr. 2011/13280

Üblichkeit der Verhinderung des unerwünschten Lösens einer durch ein Innengewinde hergestellten Schnittstelle durch eine Anordnung aus einem Außengewinde und einer Überwurfmutter

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. Mai 2010 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert:

Das deutsche Patent 198 08 878 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage im Umfang der Patentansprüche 1 bis 7 und 11 bis 16 dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 2 entfällt und Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält, auf die die Patentansprüche 3 bis 7 und 11 bis 16 rückbezogen sind:

"Messgerät für die Prozessmesstechnik, insbesondere Temperaturmessgerät, mit einer Messeinheit (2) und mit einem Auswertegerät (3), wobei die Messeinheit (2) einen Sensor, insbesondere einen Temperatursensor, aufweist und das Auswertegerät (3) zumindest den größten Teil der elektrischen und elektronischen Bauteile enthält sowie eine Anzeige und/oder eine Einstellmöglichkeit aufweist, wobei das Messgerät modulartig aufgebaut ist und die Messeinheit (2) und das Auswertegerät (3) über standardisierte Schnittstellen sowohl elektrisch als auch mechanisch lösbar miteinander verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Messeinheit (2) und das Auswertegerät (3) sowohl direkt als auch über ein Verbindungskabel (4) miteinander verbindbar sind, dass das Auswertegerät (3) zweiteilig - mit einem Unterteil (10) und einem Oberteil (11) - ausgeführt ist, und das Unterteil (10) die Schnittstelle zur Verbindung mit der Messeinheit (2) aufweist und das Oberteil (11) die Anzeige und die Einstellmöglichkeit enthält, und dass das Unterteil (10) des Auswertegeräts (3) in seinem unteren Bereich (12) ein Außengewinde (13) und ein Innengewinde (14) als mechanische Schnittstelle aufweist."

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin drei Viertel und die Beklagte ein Viertel.

Normenkette:

IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1; EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. a;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 3. März 1998 angemeldeten deutschen Patents 198 08 878 (Streitpatents), das ein "Messgerät für die Prozessmesstechnik" betrifft und 16 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet:

"Messgerät für die Prozessmesstechnik, insbesondere Temperaturmessgerät, mit einer Messeinheit (2) und mit einem Auswertegerät (3), wobei die Messeinheit (2) einen Sensor, insbesondere einen Temperatursensor, aufweist und das Auswertegerät (3) zumindest den größten Teil der elektrischen und elektronischen Bauteile enthält sowie eine Anzeige und/oder eine Einstellmöglichkeit aufweist, wobei das Messgerät modulartig aufgebaut ist und die Messeinheit (2) und das Auswertegerät (3) über standardisierte Schnittstellen sowohl elektrisch als auch mechanisch lösbar miteinander verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Messeinheit (2) und das Auswerteaggregat (3) sowohl direkt als auch über ein Verbindungskabel (4) miteinander verbindbar sind und dass das Auswertegerät (3) zweiteilig - mit einem Unterteil (10) und einem Oberteil (11) - ausgeführt ist, und das Unterteil (10) die Schnittstelle zur Verbindung mit der Messeinheit (2) aufweist und das Oberteil (11) die Anzeige und die Einstellmöglichkeit enthält."

Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, dass das

Streitpatent im angegriffenen Umfang nicht patentfähig sei. Sie hat sich dazu u.a. auf eine behauptete Vorbenutzung eines Gauss-/Teslameters (näher beschrieben in D1) sowie insbesondere auf die deutsche Patentschrift 30 35 094 (D2 - Vorrichtung zum Orten von Metallteilen), das deutsche Gebrauchsmuster 84 05 245 (D3 - Taschenthermometer), die deutschen Offenlegungsschriften 196 16 658 (D4) und 196 13 228 (D6), den ifm-Prospekt Neuheiten '97 (D5), den Prospekt TRM - Termoresistenze multifunzionali (D7) sowie auf verschiedene weitere Entgegenhaltungen gestützt. Die Beklagte hat das Streitpatent hilfsweise in eingeschränkter Form verteidigt. Das Patentgericht hat es antragsgemäß im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 7 sowie 11 bis 16 einschließlich der mittelbaren oder unmittelbaren Rückbeziehungen auf einen der angegriffenen Patentansprüche für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die Patentanspruch 1 mit folgender Fassung des kennzeichnenden Teils (Ergänzung kursiv) verteidigt:

"... dadurch gekennzeichnet, dass die Messeinheit (2) und das Auswertegerät (3) sowohl direkt als auch über ein Verbindungskabel (4) miteinander verbindbar sind, dass das Auswertegerät (3) zweiteilig - mit einem Unterteil (10) und einem Oberteil (11) - ausgeführt ist, und das Unterteil (10) die Schnittstelle zur Verbindung mit der Messeinheit (2) aufweist und das Oberteil (11) die Anzeige und die Einstellmöglichkeit enthält, und dass das Unterteil (10) des Auswertegeräts (3) in seinem unteren Bereich (12) ein Außengewinde (13) und ein Innengewinde (14) als mechanische Schnittstelle aufweist ."

Patentanspruch 2 soll demnach entfallen und die weiteren Patentan-

sprüche sollen sich, soweit angegriffen, auf die derart geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 zurückbeziehen.

Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Streitpatent betrifft ein Messgerät für die Prozessmesstechnik, das insbesondere zur Temperaturmessung dienen soll.

1.

Die Beschreibung gibt an, dass derartige Messgeräte in einer großen Typenvielfalt in meist kleinen Stückzahlen auf dem Markt seien (Abs. 2). Bei einem Defekt müsse bei Kompaktgeräten das gesamte Gerät ausgetauscht werden, wodurch hohe Kosten und längere Stillstandszeiten hervorgerufen würden. Die Verwendung von Verbindungskabeln zwischen der Messeinheit und dem Auswertegerät führe wegen deren geringerer mechanischer Belastbarkeit zu Schwierigkeiten (Abs. 3).

Durch das Streitpatent soll demgegenüber ein einfach aufgebautes, breit einsetzbares Messgerät zur Verfügung gestellt werden, dessen Module leicht und zeitsparend ausgetauscht werden können (so die "Aufgabenstellung" in Abs. 7).

Hierzu sieht Patentanspruch 1 in seiner (um das Merkmal des Patentanspruchs 2 ergänzten) verteidigten Fassung ein wie folgt ausgestaltetes Messgerät vor:

1.

Es ist für die Prozessmesstechnik geeignet.

2.

Es ist modulartig aufgebaut und umfasst

2.1

eine Messeinheit (2) mit einem (Temperatur-)Sensor und

2.2

ein Auswertegerät (3).

3.

Das Auswertegerät (3)

3.1

enthält zumindest den größten Teil der elektrischen und elektronischen Bauteile und

3.2

ist zweiteilig mit einem eine Anzeige und/oder Einstellmöglichkeit enthaltenden Oberteil (11) und einem Unterteil (10) ausgeführt.

4.

Messeinheit (2) und Auswertegerät (3) sind elektrisch und mechanisch über standardisierte Schnittstellen miteinander verbunden,

4.1

die eine lösbare Verbindung ermöglichen,

4.2

wobei die Verbindung sowohl direkt als auch über ein Verbindungskabel (4) erfolgen kann.

5.

Das Unterteil (10) des Auswertegeräts (3)

5.1

nimmt die Schnittstelle des Auswertegeräts (3) auf und

5.2

weist in seinem unteren Bereich (12) ein Außengewinde (13) und ein Innengewinde (14) als mechanische Schnittstelle auf.

Figur 2 des Streitpatents zeigt sowohl die direkte als auch die indirekte

Verbindung zwischen dem Unterteil des Auswertegeräts und dem Messgerät; sie zeigt ferner die im Ausführungsbeispiel realisierte, im verteidigten Patentanspruch nicht erwähnte elektrische Schnittstelle, die von einer Steckerbuchse (16) gebildet wird, die mit einem Stecker (21) an der Messeinheit oder einem Stecker (41) am Verbindungskabel zusammenwirkt (vgl. auch Patentanspruch 3):

2.

Die Parteien streiten über die Bedeutung verschiedener Merkmale.

a)

Merkmal 1 kommt zwar die Bedeutung zu, das erfindungsgemäße

Messgerät als für die Prozessmesstechnik geeignet zu definieren. Diese Eignung hat jedoch, wie von der Klägerin zutreffend ausgeführt, keinen sachlichen Gehalt, der zur Abgrenzung gegenüber der D3, aber auch anderen Entgegenhaltungen geeignet wäre.

b)

Der modulartige Aufbau (Merkmal 2) fordert, wie die Klägerin gleichfalls zutreffend ausführt, nicht mehr als die drei im Patentanspruch genannten, über die "standardisierten Schnittstellen" miteinander verbindbaren Bestandteile Auswertegerät, Messeinheit und Verbindungskabel. In der Beschreibung wird zwar erörtert (Abs. 4), dass ein Auswertegerät bekannt sei, das verschiedene Module aufweise, die nach Öffnen einer Frontplatte ausgetauscht werden könnten. Daraus ergibt sich aber nicht etwa eine austauschbare Verbindung zwischen Oberteil und Unterteil des Auswertegeräts. Zwar heißt es in der Beschreibung (Abs. 11) weiter, die zweiteilige Ausführung (Merkmal 3.2) erhöhe die Flexibilität. Es soll aber nach dem folgenden Satz nicht etwa das Austauschen eines defekten Teils des Auswertegeräts, sondern des Auswertegeräts selbst erleichtert werden. Die Zweiteiligkeit ist hiernach nur funktional. Auch aus dem von der Beklagten zitierten Absatz 29 der Beschreibung (aE) ergibt sich allenfalls eine gewisse Erleichterung bei der Adaption des Herstellungsprozesses an verschiedene Ausführungsformen des Auswertegeräts, deren Existenz aber der Patentanspruch wiederum nicht erfordert.

c)

Mit dem Patentgericht versteht auch der Senat die "standardisierte"

Schnittstelle als "vereinheitlichte" Schnittstelle, was auch wirtschaftlich Sinn ergibt, weil dadurch der Austausch durch seriengleiche Komponenten ermöglicht wird, nicht aber ohne weiteres auch durch Fremdkomponenten.

d)

Mit der Interpretation des Merkmals 5.2, wonach die mechanische

Schnittstelle im unteren Bereich des Unterteils nicht notwendig Bestandteil der standardisierten Schnittstelle nach Merkmal 4 sei, wird der Patentanspruch allerdings von der Klägerin sinnentstellend gelesen. Nach der Beschreibung gibt es keinen Anlass zu der Annahme, der ursprüngliche Patentanspruch 2 verhalte sich über irgendeine andere (in der Patentschrift nicht erwähnte) mechanische Schnittstelle. Allerdings legt der Patentanspruch in Merkmal 5.2 nicht fest, dass Außen- und Innengewinde so, wie in den Zeichnungen dargestellt, ausgeführt sind und zum einen der direkten, zum anderen der indirekten Verbindung zwischen Auswertegerät und Messeinheit dienen.

II.

Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Lehre des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit des

Fachmanns, als den das Patentgericht einen Fachhochschulingenieur der Feinwerktechnik oder der Messtechnik mit Berufserfahrung angesehen hat. Die D3 offenbare ein tragbares Taschenthermometer, das in der Prozessmesstechnik verwendet werden könne und dessen Einsatz in industriellen Fertigungsprozessen explizit angesprochen werde. Dieses Messgerät weise eine Messeinheit mit einem Temperatursensor und ein Auswertegerät auf, das zumindest den größten Teil der elektrischen und elektronischen Bauteile enthalte, zweiteilig mit einem Unterteil und einem Oberteil ausgeführt sei, wobei das Oberteil eine Anzeige und eine Einstellmöglichkeit aufweise. Das Messgerät sei modulartig aufgebaut, Auswertegerät und Messeinheit könnten als Module sowohl direkt als auch über ein Verbindungskabel je nach Anwendungsfall miteinander verbunden werden. Sie seien jeweils über standardisierte Schnittstellen elektrisch und mechanisch lösbar miteinander verbunden. Somit unterscheide sich das Messgerät nach Patentanspruch 1 des Streitpatents von der D3 lediglich durch die Merkmalsgruppe 5. Hierzu lehre die D3 bereits, dass es lediglich darauf ankomme, die Buchse an einer Endfläche des Gehäuses und achsparallel zur Gehäuselängsachse anzubringen. Ob dies am Oberteil oder am Unterteil erfolge, liege für den Fachmann im Rahmen fachüblicher Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Die Schnittstelle mit einem Außengewinde und einem Innengewinde auszubilden, halte sich im Rahmen des in der Technik Üblichen und aus dem Alltag Bekannten, wie dies etwa die deutsche Offenlegungsschrift 42 05 440 (D8) für die Sicherung einer elektrischen Steckverbindung zeige. Auch die weiteren angegriffenen Patentansprüche wiesen nichts Erfinderisches auf.

III.

Dies hält der Überprüfung, was den verteidigten Patentanspruch 1

betrifft, nicht in vollem Umfang stand. Für die Wertung, dass der zulässigerweise durch Aufnahme des Merkmals des Patentanspruchs 2, das bereits in den ursprünglichen Unterlagen im Schutzanspruch 4 enthalten war, verteidigte Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54 ff. EPÜ), fehlt es an einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage.

1.

Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 ist neu (Art. 54 Abs. 1, 2 EPÜ). Das stellt die Klägerin nur gestützt auf die nicht haltbare Auslegung des Patentanspruchs in Frage, die Merkmal 5.2 nur eine Schnittstelle zu beliebigem Zweck entnimmt.

2.

Dem Patentgericht ist darin beizutreten, dass die D3 bis auf die

Merkmalsgruppe 5 sämtliche Merkmale der Erfindung vorwegnimmt.

Die D3 betrifft ein Messgerät für die Prozessmesstechnik. Letzteres stellt die Beklagte zu Unrecht in Abrede, denn der Einsatz in industriellen Fertigungsprozessen wird ausdrücklich angesprochen (Beschr. S. 2 Z. 21). Ferner hat das Patentgericht zutreffend auch den modulartigen Aufbau bejaht, denn dieser wird, wie ausgeführt, beim Streitpatent durch die Elemente Messeinheit, Auswertegerät und Verbindungskabel verwirklicht, die auch das Taschenthermometer der D3 aufweist (vgl. nur den Schutzanspruch 10). Dessen zweiteiliger Aufbau (Merkmal 3.2) ist in der D3 (S. 3 Z. 3 bis 6, S. 7 Z. 10 bis 12) beschrieben.

3.

Hinsichtlich des Merkmals 5.1 kann der Begründung des Patentgerichts nicht in vollem Umfang beigetreten werden, denn "Unterteil" im Sinn des Streitpatents ist bei der D3 nicht die (in der Figur 1) untere Gehäuseschale (vgl. S. 7 Z. 4/5), sondern etwa in Figur 5 der Griffbereich. In der Sache trägt allerdings die Begründung des Patentgerichts, dass es eine reine Frage der herstellungs- und/oder gebrauchstechnischen Zweckmäßigkeit ist, wo die Schnittstelle des Auswertegeräts angebracht wird.

4.

Nicht beschrieben oder gezeigt ist indessen, worauf die Beklagte mit Recht verweist, die Schraubverbindung (als mechanische Schnittstelle zur Messeinheit/zum Verbindungskabel) mit zwei Gewinden (Außengewinde und Innengewinde) im unteren Bereich des Auswertegeräts (Merkmal 5.2). Die D3 sieht an deren Stelle eine Steckbuchse für den steckbaren Anschluss des Steckerelements 15 des Messfühlers 12 vor (Beschr. S. 6 Z. 6 bis 9; Schutzanspruch 9).

Dem Patentgericht kann nicht darin beigetreten werden, dass es "üblich

und bereits dem Laien aus dem Alltag bekannt" sei, "durch eine Anordnung aus einem Außengewinde und einer Überwurfmutter ein unerwünschtes Lösen einer durch ein Innengewinde hergestellten Schnittstelle zu verhindern", also zwei separate Gewinde und damit zwei mechanische Schnittstellen vorzusehen. Die D8 belegt dies jedenfalls nicht. Die Beklagte macht hierzu mit Recht geltend, dass die D8 lediglich einen Steckverbinder offenbart, auf dessen Kontaktträger eine Überwurfmutter mit einem Innengewinde, die mit einem Außengewinde verschraubbar ist, drehbar angeordnet ist. Damit weist der Steckverbinder lediglich ein Innengewinde auf und nicht ein Innengewinde und ein Außengewinde. Nichts anderes gilt für die Offenlegungsschrift 196 13 228 (D6) und das Gebrauchsmuster 86 00 775 (D12), die gleichfalls nicht beides als mechanische Schnittstelle vorsehen.

Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Fachmann ge-

gebenenfalls eine Steckverbindung durch eine Gewindeverbindung ersetzen oder zusätzlich mit einer solchen versehen wird, wenn er Grund hat zu befürchten, dass ein bloßer Reibschluss ein ungewolltes Lösen der Verbindung nicht hinreichend sicher verhindern kann, und die Schaffung einer sichereren Verbindung dem Fachmann hierfür mithin Anlass bietet, ergibt sich entgegen der Annahme des Patentgerichts hieraus noch keine Anregung dafür, die hierdurch nahegelegte Gewindeverbindung durch eine weitere Gewindeverbindung zu ergänzen, die es erlaubt, beiden Gewinden unterschiedliche Funktionen zuzuordnen und sie diesen entsprechend zu optimieren, beispielsweise, indem eine Verbindung auf erhöhte mechanische Stabilität ausgelegt wird. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass eine solche Maßnahme dem Fachmann ohne besonderes Bemühen möglich ist und sie sich in Kenntnis der Erfindung als nicht fernliegend darstellt, kann der Senat zusätzliche, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichende Anstöße, Anregungen oder konkrete Hinweise für die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung, derer es regelmäßig und auch hier, nachdem es sich nicht um eine Fallkonstellation handelt, in der für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist, für die Bejahung des Naheliegens bedarf (hierzu BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 = GRUR 2009, 746 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 - einteilige Öse), nicht erkennen. Zwar reichte es hierfür aus, wenn für den Fachmann deshalb Veranlassung bestanden hätte, ein zweites Gewinde vorzusehen, wie es das Patentgericht angenommen hat, weil ein solches geeignet wäre, Unzulänglichkeiten der ersten Gewindeverbindung entgegenzuwirken. Der Gedanke, etwaigen Festigkeitsproblemen durch eine zweite mechanische Schnittstelle, d.h. ein zusätzliches Gewinde, zu begegnen, musste sich aber nicht ohne weiteres aufdrängen. Die - auch in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 25) Niederschlag findende - Erwägung, dass der direkte Anschluss einer Messeinheit erhöhte Anforderungen an die mechanische Stabilität der Verbindung stellen kann, führte zwar unmittelbar zu der Überlegung, die Steckverbindung durch eine Schraubverbindung zu sichern und damit eine Verbindung herzustellen, die die für eine Kabelverbindung übliche mechanische Schnittstelle in Form einer Steckverbindung nicht gewährleistet. Unzulänglichkeiten, die hierbei noch verblieben, wurde im Stand der Technik aber regelmäßig durch die besondere Ausgestaltung der Schraubverbindung, etwa durch eine Überwurfmutter (D6, D8; D12), und nicht durch Vorsehen eines weiteren, die Herstellung der Verbindung relativ (zeit)aufwändig machenden Schraubgewindes begegnet.

5.

Der Vortrag der Klägerin, dass der Gegenstand des Streitpatents durch eine Kombination des elektronischen Temperaturschalters TN nach dem Katalog D5 mit einem Temperaturfühler nach Anlage D7 unter Verwendung eines standardisierten Verbindungskabels nahegelegt gewesen sei, wie es die deutsche Offenlegungsschrift 196 13 228 (D6) beschreibt, ist nicht zielführend. Selbst wenn man dem Gedanken einer Umkonstruktion des Temperaturschalters TN näher treten wollte, war es jedenfalls nicht nahegelegt, nicht nur die integrierte Messeinheit zu entfernen und dort einen Kabelanschluss mit einer Steckerbuchse nach der D6 anzubringen, sondern gleichzeitig das 1/2-Zoll-Außengewinde des bisherigen Prozessanschlusses stehenzulassen, obwohl die integrierte Messeinheit entfernt wurde. Für eine solche Verbindung zweier unterschiedlicher Schnittstellen ist kein Vorbild nachgewiesen, und die Klägerin zeigt in anderem Zusammenhang selbst auf, dass es hierfür einer Modifikation des üblichen Rundsteckers oder der Rundsteckerbuchse bedarf.

6.

Damit kann insgesamt eine Wertung dahin nicht getroffen werden,

dass sich der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs in naheliegender Weise und damit ohne erfinderische Tätigkeit aus dem Stand der Technik ergab (Art. 56 EPÜ).

IV.

Die angegriffenen nachgeordneten Patentansprüche werden von ih-

rer Rückbeziehung auf den verteidigten Patentanspruch 1 getragen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1 PatG i.V.m. § 97 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 31. Mai 2011

Vorinstanz: BPatG, vom 20.05.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ni 47/08