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BGH - Entscheidung vom 23.03.2011

2 StR 56/11

Normen:
StGB § 21
StGB § 49
StGB § 212
StGB § 213

BGH, Beschluss vom 23.03.2011 - Aktenzeichen 2 StR 56/11

DRsp Nr. 2011/9234

Ohne Bildung einer richterlichen Überzeugung vom konkreten Anlass der Tat ist die Annahme einer Tat "aus nichtigem Anlass" fehlerhaft

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 29. September 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts - als Schwurgericht - zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 21 ; StGB § 49 ; StGB § 212 ; StGB § 213 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Strafausspruchs, im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte, der im Laufe des Tages erheblich Alkohol konsumiert hatte, in der Nacht einen Mitbewohner in der von ihm bewohnten Obdachlosenunterkunft mit mehreren Messerstichen. Vorausgegangen war ein Streit, dessen Anlass und Verlauf unklar geblieben sind. "Nahe liegend" sei es - so die Schwurgerichtskammer - , dass sich das Tatopfer darüber beschwert habe, dass der Angeklagte nicht den versprochenen Alkohol besorgt oder der später Getötete auf das mitgebrachte Hähnchen keinen Wert gelegt habe; vielleicht sei auch beides zusammengekommen. Jedenfalls sei es zu Handgreiflichkeiten und einer Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf Gegenstände heruntergeworfen und Möbel beschädigt wurden. Der Streit habe schließlich zu den tödlichen Messerstichen geführt, möglicherweise, weil der später Getötete das Geschehen in bestimmter Weise kommentiert und dadurch den Angeklagten weiter in Rage versetzt habe, vielleicht aber auch, weil er sich -was dem Angeklagten nicht gepasst habe -zur Wehr gesetzt habe.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht sowohl bei der Ablehnung eines minderschweren Falles nach § 213 StGB als auch bei der konkreten Strafzumessung im Rahmen eines nach §§ 21 , 49 StGB gemilderten Strafrahmens nach § 212 StGB berücksichtigt, dass der Angeklagte die Tat "aus nichtigem Anlass" begangen habe. Dies ist rechtsfehlerhaft.

Die Schwurgerichtskammer hat -wie sie selbst ausdrücklich festhält -den tatsächlichen Anlass der Tat ebenso wenig sicher feststellen können wie die Umstände, die zur Eskalierung der Auseinandersetzung und schließlich zu den tödlichen Messerstichen geführt haben. Die Erwägungen des Landgerichts hierzu, die schon nach ihrem Wortlaut lediglich mögliche Tatentwicklungen beschreiben, spiegeln zwar jeweils nichtige Anlässe wider, lassen aber nicht erkennen, dass der Tatrichter andere Ursachen und Motive der Tat, die nicht nichtig wären, damit ausschließen wollte. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts handelt es sich insoweit nicht lediglich um die beispielhafte Aufzählung nichtiger Anlässe und die darin zum Ausdruck gekommene Überzeugung der Kammer, dass es jedenfalls keine gravierenden Auslöser für die Tat gegeben habe. Das Landgericht hat sich vielmehr überhaupt keine Überzeugung vom Anlass der Tat bilden können. Bei dieser Sachlage verbietet es sich, zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, er habe die Tat aus "nichtigem Anlass" begangen.

Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil der Senat jedenfalls mit Blick auf die konkrete Strafzumessung nicht ausschließen kann, dass das Landgericht ohne diese Erwägung zu einer für den Angeklagten milderen Strafe gekommen wäre.

2.

Einer Entscheidung über die Rüge der Verletzung von § 265 Abs. 1 StPO bedarf es nicht, weil der Strafausspruch schon aufgrund der Sachrüge der Aufhebung unterliegt und auszuschließen ist, dass sich ein möglicher Verstoß gegen die Hinweispflicht auf den Schuldspruch ausgewirkt hat.

Vorinstanz: LG Bonn, vom 29.09.2010