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BGH - Entscheidung vom 22.09.2011

III ZR 217/10

Normen:
GG Art. 12

BGH, Beschluss vom 22.09.2011 - Aktenzeichen III ZR 217/10

DRsp Nr. 2011/17749

Heranziehung nach dem für Internisten maßgeblichen Grenzwert bei der Berechnung des Honorars von Laborärzten wegen übermäßiger Ausdehnung der Tätigkeit

1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde und ein Prozesskostenhilfegesuch für das Revisionsverfahren sind nicht begründet, wenn die Voraussetzuungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. 2. Ansprüche eines Arztes gegen eine kassenärztliche Vereinigung aus Amtshaftung wegen fehlerhafter Honorarbescheide sind verjährt, wenn bereits im Jahre 1992 Kenntnis von allen tatsächlichen Umständen vorlag. 3. Soweit sich der Kläger auf einen unverjährten Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff bezieht, sind Umfang und Reichweite dieses Entschädigungsanspruchs in der Senatsrechtsprechung hinreichend geklärt, ohne dass eine weitere Leitentscheidung in diesem weit in die Vergangenheit reichenden Streitfall, bei dem nicht mehr fortgeltendes Recht anzuwenden ist, erforderlich ist. 4. Nach der Rechtsprechung des Senats ist auch die eingerichtete und ausgeübte Arztpraxis als Gesamtheit alles dessen, was die gegenständliche und personelle Grundlage der Tätigkeit des praktizierenden Arztes bei Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben bildet, geschützter Gewerbebetrieb im Sinne des Enteignungsrechts, weshalb ein rechtswidriger Eingriff in den Zulassungsstatus einen Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs begründen kann. Hiervon hat der Senat jedoch Fälle abgegrenzt, in denen nicht ein Eingriff in den durch Arbeit und Leistung erworbenen Bestand von vermögenswerten Gütern vorliegt, sondern in denen es um die Betätigung und den hiermit verbundenen weiteren Erwerb von Chancen und Verdienstmöglichkeiten geht. 5. Sollte durch Honorarbescheide auf die labordiagnostische und nuklearmedizinische Ausrichtung einer Praxis nicht genügend Rücksicht genommen worden sein, wäre dies zwar nach Amtshaftungsgrundsätzen von Bedeutung gewesen. Für eine Ausdehnung des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts des enteignungsgleichen Eingriffs auch auf den durch Art. 12 GG gegebenenfalls gewährleisteten Erwerbsschutz sieht der Senat jedoch in ständiger Rechtsprechung keine Grundlage.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. September 2010 - 1 U 2742/09 - und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5.100.143,60 € festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 12 ;

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vor.

1.

Der Kläger rügt im Kern, dass die Beklagte bei der Abrechnung des ihm und seinem Partner ab dem vierten Quartal 1986 zustehenden Honorars nach Anlage 5 zum Honorarverteilungsmaßstab vom 14. Juni 1986 bei der Honorarbegrenzung wegen übermäßiger Ausdehnung der Tätigkeit nicht den für Laborärzte, hilfsweise Nuklearmediziner, sondern den für Internisten maßgebenden Grenzwert herangezogen (vgl. B 5 der Anlage 5) und nicht von der Möglichkeit in Buchstabe D der Anlage 5 Gebrauch gemacht hat, von einer Begrenzung der Honorarforderungen abzusehen, wenn dies gegenüber der Arztgruppe völlig abweichende Tatbestände im Einzelfall rechtfertigen.

2.

Ob die betreffenden Honorarbescheide einer rechtlichen Überprüfung in jeder Hinsicht standhalten und ob der Umstand, dass die Beklagte sich gegenüber dem Konkursverwalter im Vergleichsweg bereitgefunden hat, für die Quartale IV/86 bis III/87 wegen nuklearmedizinischer Leistungen höhere Sachkostenanteile als Sondertatbestand im Sinne des Buchstaben D der Anlage 5 anzuerkennen, als Indiz für eine rechtlich nicht einwandfreie Abrechnung zu werten ist, bedarf keiner abschließenden Beantwortung.

a)

Zu Recht hat das Berufungsgericht einen auf diesen Vorwurf gestützten Amtshaftungsanspruch als verjährt angesehen. Denn dem Kläger waren spätestens seit 1992, als die rechtlichen Auseinandersetzungen um ausstehende Honoraransprüche vor dem Sozialgericht vergleichsweise erledigt wurden, alle tatsächlichen Umstände bekannt, um die Beklagte wegen des Eintritts des Konkurses der von ihm und seinem Partner betriebenen Arztpraxis auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

b)

Soweit sich der Kläger auf einen unverjährten Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff bezieht, sind Umfang und Reichweite dieses Entschädigungsanspruchs in der Senatsrechtsprechung hinreichend geklärt, ohne dass eine weitere Leitentscheidung in diesem weit in die Vergangenheit reichenden Streitfall, bei dem nicht mehr fortgeltendes Recht anzuwenden ist, erforderlich ist.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist auch die eingerichtete und ausgeübte Arztpraxis als Gesamtheit alles dessen, was die gegenständliche und personelle Grundlage der Tätigkeit des praktizierenden Arztes bei Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben bildet, geschützter Gewerbebetrieb im Sinne des Enteignungsrechts, weshalb ein rechtswidriger Eingriff in den Zulassungsstatus einen Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs begründen kann (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 1981 - III ZR 31/80, BGHZ 81, 21, 32 f). Hiervon hat der Senat jedoch Fälle abgegrenzt, in denen nicht ein Eingriff in den durch Arbeit und Leistung erworbenen Bestand von vermögenswerten Gütern vorliegt, sondern in denen es um die Betätigung und den hiermit verbundenen weiteren Erwerb von Chancen und Verdienstmöglichkeiten geht (vgl. Senatsurteil vom 14. März 1996 - III ZR 224/94, BGHZ 132, 181 , 186 f; hierzu auch Senatsurteil vom 7. Juni 1990 - III ZR 74/88, BGHZ 111, 349 , 355).

Die Einordnung des Berufungsgerichts, in den Zulassungsstatus des Klägers sei nicht eingegriffen worden, da er weiterhin berechtigt gewesen sei, zum zulässigen Betätigungsfeld einer internistischen Praxis gehörende labordiagnostische und nuklearmedizinische Leistungen zu erbringen, ist nicht zu beanstanden. Seine Annahme, die Begrenzung des Honorars und die damit verbundene Kürzung von Abschlagszahlungen seien dem Bereich des Art. 12 GG zuzuordnen, wird auch durch die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 4. Juli 2001 (Vf. 2-VII-00, BayVerfGHE 54, 47 = BayVBl. 2002, 79) zu einer späteren Fassung des hier in Rede stehenden Honorarverteilungsmaßstabs gestützt.

Sollte, wie der Kläger meint, die Beklagte nicht hinreichend auf die labordiagnostische und nuklearmedizinische Ausrichtung seiner Praxis Rücksicht genommen haben, wäre dies zwar nach Amtshaftungsgrundsätzen von Bedeutung gewesen. Für eine Ausdehnung des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts des enteignungsgleichen Eingriffs auch auf den durch Art. 12 GG gegebenenfalls gewährleisteten Erwerbsschutz sieht der Senat jedoch in ständiger Rechtsprechung keine Grundlage (vgl. Senatsurteil vom 14. März 1996 - III ZR 224/94, aaO S. 188).

Schließlich werden auch gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Maßnahmen der Beklagten hätten für sich genommen nicht zu einer mit den Grundsätzen des Eigentumsschutzes unvereinbaren "Erdrosselung" geführt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 7. Juni 1990 - III ZR 74/88, aaO S. 357), keine durchgreifenden Rügen erhoben. Der Kläger würdigt die Auswirkungen der Abrechnung der Beklagten zwar anders als das Berufungsgericht; dies ist jedoch zulassungsrechtlich unbeachtlich. Eine Verletzung von Hinweispflichten ist angesichts des in den Vorinstanzen thematisierten Vorbringens nicht ersichtlich.

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass das Berufungsgericht insoweit Verfahrensgrundrechte des Klägers verletzt hätte.

3.

Auch im Übrigen ist eine Zulassung der Revision nicht veranlasst. Insoweit nimmt der Senat auf die Beschwerdeerwiderung Bezug und sieht von einer weiteren Begründung ab.

Vorinstanz: LG München I, vom 18.03.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 9 O 22807/04
Vorinstanz: OLG München, vom 21.09.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 1 U 2742/09