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BGH - Entscheidung vom 13.09.2011

5 StR 311/11

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
StGB § 212 Abs. 1
StGB § 213

BGH, Beschluss vom 13.09.2011 - Aktenzeichen 5 StR 311/11

DRsp Nr. 2011/17127

Gesamtwürdigung bei der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falls wegen Totschlags im Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern

Eine Strafrahmenmilderung nach der zweiten Alternative des § 213 StGB darf nur abgelehnt werden, wenn das Gericht zuvor eine Gesamtwürdigung vorgenommen hat.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 7. Februar 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch im Fall II.6 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die Revisionen der Nebenkläger H. J. , N. J. , O. J. , B. J. , Ol. J. , R. J. , D. J. und Re. J. gegen das vorbezeichnete Urteil werden aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.

Diese Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StGB § 212 Abs. 1 ; StGB § 213 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

1.

Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen des abgeurteilten Totschlags (Fall II.6 der Urteilsgründe) eine Einsatzstrafe von neun Jahren verhängt. Die Strafe hat es dem Regelstrafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB entnommen. Eine verminderte Schuldfähigkeit hat das Landgericht - sachverständig beraten - rechtsfehlerfrei abgelehnt; das Vorliegen eines minder schweren Falles hat es nach beiden Alternativen des § 213 StGB verneint.

2.

Das Schwurgericht hat die Strafrahmenmilderung nach der zweiten Alternative des § 213 StGB indes mit unzureichender Begründung abgelehnt. Es stellt hierbei ausschließlich darauf ab, dass die Annahme eines sonstigen minder schweren Falles aufgrund des beim Tatopfer festgestellten Verletzungsbildes nicht in Betracht komme und es "zum anderen an entsprechenden Feststellungen" fehle.

Die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorzunehmende Gesamtwürdigung bei der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falls fehlt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139 und vom 5. Dezember 2007 - 5 StR 471/07, NStZ 2008, 338 ; Fischer, StGB , 58. Aufl., § 46 Rn. 85 mwN).

Bereits an dieser Stelle wären die im Rahmen der konkreten Strafzumessung angeführten Strafmilderungsgründe, namentlich die problematische Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten, seine Alkoholabhängigkeit und seine Alkoholisierung ebenso wie die affektiv aufgeladene Stimmung zum Tatzeitpunkt und seine von Reue getragene Übernahme der Verantwortung für die Tat unter Berücksichtigung der strafschärfenden Gesichtspunkte zu würdigen und zu gewichten gewesen. Die vom Landgericht zur Verneinung des minder schweren Falles - weitgehend isoliert - herausgestellte Handlungsintensität bei der Tatbegehung ist angesichts der konkret festgestellten Tatumstände ohnehin als Strafschärfungsgrund nur eingeschränkt zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 1986 - 2 StR 497/86, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 1; BGH, Urteil vom 5. Dezember 1986 - 2 StR 301/86, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 4; BGH, Beschluss vom 1. September 2010 - 2 StR 213/10).

3.

Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der im Fall II.6 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe. Die übrigen Einzelstrafen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie können bestehen bleiben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu der aufgehobenen Einzelstrafe können ebenfalls bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

Vorinstanz: LG Itzehoe, vom 07.02.2011