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BGH - Entscheidung vom 10.03.2011

AK 5/11

Normen:
StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1
StGB § 129b Abs. 1
StGB § 211
StGB § 212
StPO § 112 Abs. 3
StPO § 116
StPO § 121 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 10.03.2011 - Aktenzeichen AK 5/11

DRsp Nr. 2011/5572

Fortdauern der Untersuchungshaft bei Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung

"Al Qaida" erfüllt auch in den Jahren 1009 und 2010 die strukturellen Voraussetzungen einer Vereinigung im Sinn des § 129a StGB .

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main übertragen.

Normenkette:

StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1 ; StGB § 129b Abs. 1 ; StGB § 211 ; StGB § 212 ; StPO § 112 Abs. 3 ; StPO § 116 ; StPO § 121 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Der Angeschuldigte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 7. April 2010 (2 BGs 94/10) - neu gefasst durch Beschlüsse vom 21. Juni 2010 (2 BGs 162/10) und vom 18. Februar 2011 (2 BGs 59/11) - am 25. August 2010 anlässlich seiner Überstellung aus Pakistan festgenommen und befindet sich seit dem 26. August 2010 ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des Haftbefehls - in der Fassung vom 18. Februar 2011 - ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich als deutscher Staatsangehöriger im Mai 2009 in der pakistanischen Provinz Süd-Waziristan zum Zwecke der Teilnahme am bewaffneten "Jihad" der dort operierenden Vereinigung "Al Qaida" angeschlossen und ihr bis zu seiner Festnahme durch die pakistanischen Sicherheitskräfte am 21. Juni 2010 angehört. Er habe sich zunächst an verschiedenen Kriegswaffen ausbilden lassen; ab September 2009 habe er auch an Kampfeinsätzen der Organisation gegen die pakistanischen Regierungstruppen teilgenommen. Im Juni 2010 habe er sich gegenüber dem für die Außenbeziehungen der "Al Qaida" zuständigen Scheich bereiterklärt, nach Deutschland zurückzukehren, um an einem europäischen Netzwerk mitzuwirken, das insbesondere der Beschaffung von Finanzmitteln für die Vereinigung, aber auch der Ausführung einzelner Aktionen dienen sollte.

Damit habe sich der Angeschuldigte als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB ) oder Totschlag (§ 212 StGB ) zu begehen (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB ).

II.

Die Voraussetzungen für den Vollzug der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor (§§ 121 , 122 StPO ).

1.

Der Angeschuldigte ist des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens dringend verdächtig.

Zu den Strukturen und den Zielen der "Al Qaida" sowie zu den Tathandlungen des Angeschuldigten im Einzelnen wird auf die eingehende Darstellung im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs in der Fassung vom 18. Februar 2011 Bezug genommen. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den Erkenntnissen des Bundeskriminalamts und des Bundesnachrichtendienstes zur Vereinigung "Al Qaida" (Sachakte A Bände I und II) sowie aus den umfangreichen geständigen Einlassungen des Beschuldigten bei seinen polizeilichen Vernehmungen (Sachakte B Bände IV 2. 1. und 2. 2.).

2.

Danach besteht der dringende Verdacht, der Angeschuldigte habe sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB ). Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand erfüllt "Al Qaida" auch für den hier in Frage stehenden Tatzeitraum die strukturellen Voraussetzungen einer Vereinigung (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 , 107 ff.). Die Ermittlungen belegen den Fortbestand einer hierarchisch gegliederten und handlungsfähigen Organisation im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan, die jedenfalls die unmittelbare Verantwortung für die dort unterhaltenen Ausbildungslager innehat, nach einer dem Verfolgungsdruck geschuldeten Anpassung ihrer Steuerungs-, Koordinations- und Mobilisierungsmechanismen auch den gewaltsamen "Jihad" fortführt und in ihrer Struktur weiterhin auf die Begehung von schwerwiegenden Straftaten bis hin zu Tötungsdelikten angelegt ist. Nach dem Ermittlungsergebnis hat sich der Angeschuldigte durch seine intensive Mitwirkung willentlich in die Organisation eingegliedert.

Das Bundesministerium der Justiz hat am 16. März 2009 die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung aller begangenen und zukünftigen Taten im Zusammenhang mit der ausländischen terroristischen Vereinigung "Al Qaida" erteilt.

3.

Es besteht der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO . Nach den Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne den Vollzug der Untersuchungshaft die alsbaldige Ahndung und Aufklärung der Tat gefährdet wäre (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO , 53. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN). Der Angeschuldigte hat wegen des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens mit einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Über ausreichende soziale Bindungen, die dem daraus entspringenden Fluchtanreiz entgegenwirken könnten, verfügt er nicht. Zwar ist der Angeschuldigte nach islamischem Ritus mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet; diese unterhält zusammen mit einem nunmehr knapp zweijährigen gemeinsamen Kind einen ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Seine familiären Beziehungen haben den berufs- und erwerbslosen Angeschuldigten jedoch nicht davon abgehalten, nach Pakistan auszureisen, um sich dort dem bewaffneten "Jihad" anzuschließen. Vor diesem Hintergrund können auch weniger einschneidende Maßnahmen den Zweck der Untersuchungshaft nicht erreichen (§ 116 StPO ).

4.

Die weiteren Voraussetzungen der Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen.

Nach der Festnahme wurde der Angeschuldigte zwischen Anfang September und Ende Dezember 2010 in Absprache mit seinem Verteidiger an insgesamt neun Tagen polizeilich vernommen; eine Nachvernehmung fand am 3. Februar 2011 statt. Dabei hat der Angeschuldigte jeweils umfangreiche Angaben zur Sache gemacht, die zunächst mit den bereits gewonnenen Erkenntnissen aus der Überwachung einer Vielzahl von Telekommunikationsanschlüssen in seinem Umfeld abzugleichen waren. Daneben musste die Auswertung der teilweise fremdsprachigen Asservate aus der Durchsuchung von insgesamt sieben Objekten im Juni 2010 fortgesetzt werden. Den 38 Stehordner umfassenden Aktenbestand hat das sachbearbeitende Landeskriminalamt Hamburg am 22. Dezember 2010 dem Generalbundesanwalt vorgelegt, der bereits am 25. Februar 2011 Anklage zum Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main erhoben hat.

Das Verfahren ist danach mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.

5.

Die Dauer der Untersuchungshaft ist in Anbetracht der Straferwartung auch nicht unverhältnismäßig.

Vorinstanz: