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BGH - Entscheidung vom 05.05.2011

IX ZB 136/09

Normen:
InsO §§ 4b, 258 Abs. 2
InsO § 4b
InsO § 258 Abs. 2

Fundstellen:
DZWiR 2011, 348
MDR 2011, 816
NJW-RR 2012, 114
NZI 2011, 683
WM 2011, 1082
ZIP 2011, 1327
ZVI 2011, 458

BGH, Beschluss vom 05.05.2011 - Aktenzeichen IX ZB 136/09

DRsp Nr. 2011/9995

Entscheid über eine Verlängerung der Verfahrenskostenstundung i.R.d. Insolvenz nur auf Antrag; Keine weitere Stundung der Verfahrenskosten nach Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens

a) Über eine Verlängerung der Verfahrenskostenstundung wird nur auf Antrag entschieden. b) Nach Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens kommt eine weitere Stundung der Verfahrenskosten nicht in Betracht.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 19. Mai 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 69.702,36 € festgesetzt.

Normenkette:

InsO § 4b; InsO § 258 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Schuldner beantragte am 19. Juni 2002 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie Stundung der Verfahrenskosten und Restschuldbefreiung. Am 20. September 2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet; die Verfahrenskosten wurden gestundet. Der Insolvenzverwalter entwarf einen Insolvenzplan, der von den Beteiligten gebilligt und mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 30. Juni 2004 bestätigt wurde. Dieser Plan sah vor, dass der Schuldner die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen habe. Am 30. September 2004 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.

Die Vergütung des Insolvenzverwalters wurde mit Beschluss vom 30. September 2004 auf 79.298,86 € festgesetzt. Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen diesen Beschluss blieb erfolglos. Mit Kostenrechnung vom 24. Mai 2005 setzte der Kostenbeamte des Amtsgerichts die Kosten des Insolvenzverfahrens in Höhe von insgesamt 82.181,26 € gegen den Schuldner fest. Aufgrund einer Ratenzahlungsvereinbarung mit der Gerichtskasse zahlte der Schuldner 500 € monatlich an die Gerichtskasse.

In der Folgezeit erhob der Schuldner Klage gegen den Insolvenzverwalter persönlich auf Schadensersatz in Höhe der gegen ihn, den Schuldner, festgesetzten Verfahrenskosten. Er vertrat die Ansicht, die Verwaltergebühren hätten gemäß § 258 Abs. 2 InsO vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Masse entnommen werden müssen. Die Klage blieb in zwei Instanzen erfolglos.

Am 11. Februar 2008 wurde die Überwachung der Planerfüllung gemäß § 268 Abs. 1 Nr. 2 InsO aufgehoben.

Mit Anwaltsschreiben vom 30. Juni 2008 wies der Schuldner darauf hin, dass er nunmehr 48 Monatsraten an die Gerichtskasse gezahlt habe, und bat um Feststellung, dass er nach Ablauf dieses Zeitraums keine Zahlungen mehr zu leisten habe. Soweit ein Antrag nach § 4b Abs. 1 InsO noch nicht beschieden worden sei, werde der Antrag nunmehr ausdrücklich gestellt. Das Insolvenzgericht wies daraufhin, dass ein Antrag nach § 4b Abs. 1 InsO nicht gestellt worden sei; ein solcher Antrag komme im vorliegenden Fall auch nicht in Betracht, weil er die Erteilung der Restschuldbefreiung voraussetze. Mit Verfügung vom 24. Februar 2009 fragte das Insolvenzgericht nach, ob der Antrag nach § 4b Abs. 1 InsO aufrechterhalten bleibe. Der Schuldner ließ unter dem 17. März 2009 antworten, es bleibe bei dem Stundungsantrag. Das Insolvenzgericht erteilte nunmehr den Hinweis, dass bisher kein Verlängerungsantrag mit den erforderlichen Erklärungen und Nachweisen über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse gestellt worden sei; der Hinweis vom 18. Februar 2009 sei insoweit unrichtig gewesen.

Mit Schriftsatz vom 2. April 2009 hat der Schuldner sofortige Beschwerde gegen die Nichtentscheidung über die Voraussetzungen des § 4b InsO erhoben und zur Begründung vorgetragen, für eine Entscheidung nach § 4b InsO sei ein Antrag nicht erforderlich; vielmehr habe das Gericht von Amts wegen die für eine Verlängerung maßgeblichen Umstände zu ermitteln, den Schuldner anzuhören und eine Entscheidung zu treffen. Das Insolvenzgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt. Dieses hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Schuldner die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nach Maßgabe seiner Anträge im Verfahren der sofortigen Beschwerde, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht erreichen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

1.

Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf den Zulässigkeitsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO ) und rügt dazu eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Schuldners auf Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie aus Art. 6 Abs. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG . Sie versteht die sofortige Beschwerde als Untätigkeitsbeschwerde und beanstandet dazu, dass das Insolvenzgericht bisher nicht über den bereits mit Schriftsatz vom 30. Juni 2008 gestellten Antrag nach § 4b Abs. 1 InsO entschieden habe. Dies trifft indes nicht zu.

a)

Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht hat die vom Schuldner in den Tatsacheninstanzen gestellten Anträge eigenständig auszulegen. Die Auslegung der eingangs zitierten Schriftsätze ergibt, dass der Schuldner nicht, wie das Beschwerdegericht angenommen hat und wie die Rechtsbeschwerde ebenfalls meint, einen in die Zukunft wirkenden Antrag nach § 4b Abs. 1 InsO gestellt hat. Bereits im Schriftsatz vom 30. Juni 2008 hat er die Ansicht vertreten, die nach § 4b Abs. 1 Satz 2 InsO , § 115 Abs. 2 ZPO höchstens zu zahlenden Monatsraten bereits erbracht zu haben; eine entsprechende Stundungsentscheidung habe das Gericht inzident getroffen. Er wollte und will also gerade nicht die noch offenen knapp 70.000 € in Raten zahlen, sondern bescheinigt bekommen, dass er nichts mehr zu zahlen habe. Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 2. April 2009 bestätigt diesen Befund. Hier heißt es, über eine Stundung nach § 4b InsO hätte von Amts wegen entschieden werden müssen. Da dem Insolvenzgericht die Vermögensverhältnisse des Schuldners aus dem Insolvenzplan bekannt gewesen seien, hätte es von sich aus den Schuldner anhören und über die Stundung entscheiden müssen.

b)

Die Ansicht des Schuldners trifft nicht zu. Das Insolvenzgericht hat nicht von Amts wegen über eine Verlängerung der Verfahrenskostenstundung zu entscheiden (Jaeger/Eckardt, InsO § 4b Rn. 23; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 4b Rn. 7; Graf-Schlicker/Kexel, InsO 2. Aufl. § 4b Rn. 2; Braun/Buck, InsO 4. Aufl. § 4b Rn. 4; BK-InsO/Goetsch, InsO § 4b Rn. 7; A. Schmidt, Privatinsolvenz, 3. Aufl. § 7 Rn. 52; einschränkend HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 4b Rn. 8 "Anregung des Schuldners"; FK-InsO/Kohte, InsO 6. Aufl. § 4b Rn. 7). Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 4b InsO . Dem Schuldner dürfen die Wirkungen der weiteren Stundung einschließlich der ihn belastenden Auskunfts- und Verhaltensobliegenheiten jedoch nicht gegen oder ohne seinen Willen aufgedrängt werden (Jaeger/Eckardt, aaO). Hat das Insolvenzgericht Anhaltspunkte dafür, dass der Schuldner die Verfahrenskosten (weiterhin) nicht aufbringen kann, wird es auf die Möglichkeit eines erneuten Stundungsantrags hinweisen, nicht jedoch die Stundung von Amts wegen bewilligen. Im vorliegenden Fall ist - nachdem die Tragung der Verfahrenskosten streitig geworden war - dem (anwaltlich vertretenen) Schuldner am 20. Januar 2006 ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 13. Januar 2006 übersandt worden, in dem auf die Stundungsregelung des § 4b InsO und das Erfordernis eines entsprechenden Antrags hingewiesen worden ist. Reagiert hat der Schuldner hierauf nicht.

2.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Kostenstundung nach § 4b Abs. 1 InsO im vorliegenden Fall aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist. Die Vorschrift des § 4b InsO setzt ihrem Wortlaut nach voraus, dass dem Schuldner nach Stundung der Verfahrenskosten gemäß § 4a InsO Restschuldbefreiung erteilt worden ist (§ 300 InsO ). Im Insolvenzplanverfahren ist ein entsprechender Beschluss nicht vorgesehen. Vielmehr wird das Insolvenzverfahren aufgehoben, sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist (§ 258 InsO ). Der Schuldner wird mit der im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen Gläubigern befreit (§ 227 Abs. 1 InsO ).

Eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 4b InsO auf den Fall, dass der Schuldner gemäß § 227 Abs. 1 InsO von seinen Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern frei wird, kommt nicht in Betracht (HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 4b Rn. 3; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 4b Rn. 3; aA Jaeger/Eckardt, InsO § 4c Rn. 77; FK-InsO/Kohte, InsO 6. Aufl. § 4b Rn. 11; HmbKomm-InsO/Nies, 3. Aufl. § 4b Rn. 6; BK-InsO/Goetsch, InsO § 4b Rn. 7). Ein grundsätzliches Analogieverbot besteht zwar nicht. Der Gesetzgeber scheint zum Beispiel davon ausgegangen zu sein, dass die Verfahrenskosten auch während eines Schuldenbereinigungsplanverfahrens (§§ 305 ff InsO ) gestundet werden können (BT-Drucks. 14/5680, S. 22; vgl. AG Hamburg ZVI 2009, 268), obwohl gemäß § 308 Abs. 2 InsO mit der Annahme des Schuldenbereinigungsplans die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auf Erteilung von Restschuldbefreiung als zurückgenommen gelten. Das Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff InsO ) enthält jedoch eine die Verfahrenskosten betreffende Sonderregelung. Gemäß § 258 Abs. 2 InsO hat der Verwalter vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens die unstreitigen Masseansprüche zu berichtigen und für die streitigen Sicherheit zu leisten. Hierunter fallen auch die Verfahrenskosten (§ 53 InsO ). Ob § 258 Abs. 2 InsO - wie es sein Wortlaut nahe legt - zwingendes Recht enthält oder ob im Einverständnis aller Betroffenen von ihm abgewichen werden kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Ausgeschlossen ist jedenfalls eine Anwendung der Stundungsvorschriften, die dazu führen würde, dass die vorhandene Masse unter sonstigen Masse- und die Insolvenzgläubiger verteilt würde, die Verfahrenskosten aber (ganz oder teilweise) von der Staatskasse zu tragen wären. Öffentliche Mittel werden nur dann zur Deckung der Verfahrenskosten eingesetzt, wenn der Schuldner unter Heranziehung des während des Verfahrens erlangten Neuerwerbs nicht in der Lage ist, diese Kosten selbst zu tragen (BT-Drucks. 14/5680, S. 28). Der Senat hat deshalb bereits entschieden, dass nach eingetretener Masseunzulänglichkeit die Verfahrenskosten auch dann vorrangig zu befriedigen sind, wenn sie gestundet worden sind (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 - IX ZB 261/08, NZI 2010, 188 Rn. 23). Selbst im Restschuldbefreiungsverfahren sind die Kosten des vorangegangenen Insolvenzverfahrens zu berichtigen, bevor die infolge der Abtretung (§ 287 Abs. 2 InsO ) eingegangenen Beträge an die Gläubiger ausgeschüttet werden dürfen (§ 292 Abs. 1 Satz 2 InsO ). Gleiches gilt im Falle eines Insolvenzplans. Die Verfahrenskosten müssen aus der vorhandenen Masse aufgebracht werden. Dass das Oberlandesgericht Frankfurt im Schadensersatzprozess des Schuldners gegen den Insolvenzverwalter einen gegenteiligen Standpunkt eingenommen hat, ändert im Ergebnis nichts.

Vorinstanz: LG Marburg, vom 19.05.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 107/09
Vorinstanz: AG Marburg/Lahn - 23 IN 61/02,
Fundstellen
DZWiR 2011, 348
MDR 2011, 816
NJW-RR 2012, 114
NZI 2011, 683
WM 2011, 1082
ZIP 2011, 1327
ZVI 2011, 458