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BGH - Entscheidung vom 27.09.2011

VIII ZR 5/11

Normen:
BGB § 306 Abs. 3

BGH, Beschluss vom 27.09.2011 - Aktenzeichen VIII ZR 5/11

DRsp Nr. 2011/20063

Einseitiges Preisänderungsrecht eines Gasversorgungsunternehmens gegenüber einem Normsonderkunden

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision der Beklagten durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Normenkette:

BGB § 306 Abs. 3 ;

Gründe

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO ) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ) erforderlich.

Die Maßstäbe, nach denen zu beurteilen ist, ob einem Gasversorgungsunternehmen gegenüber einem Normsonderkunden ein einseitiges Preisänderungsrecht zusteht, sind durch die Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. September 2011 - VIII ZR 14/11 und VIII ZR 25/11, unter 1 mwN, zur Veröffentlichung bestimmt). Der vorliegende Fall weist keinen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf auf.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich ein einseitiges Preisänderungsrecht der Beklagten nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung herleiten. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1322 Rn. 38; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 27; jeweils mwN).

Das ist hier nicht der Fall. Der Beklagten steht gemäß § 5 der Vertragsbedingungen das Recht zu, sich mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten jeweils zum Ende des Abrechnungsjahres vom Vertrag zu lösen. In einem solchen Fall ist ihr, auch wenn sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, ein Festhalten am Vertrag zu den bestehenden Bedingungen nicht ohne Weiteres unzumutbar (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 39 mwN).

Der Kläger hat bereits am 31. Dezember 2004 der ersten streitgegenständlichen Preiserhöhung widersprochen und sodann auch gegen alle weiteren Preiserhöhungen Widerspruch erhoben. Für die Beklagte bestand deshalb Anlass, eine Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Vertrages - etwa mit dem Ziel der Rückkehr in ein Tarifkundenverhältnis - in Betracht zu ziehen, um auf diese Weise einer unbefriedigenden Erlössituation zu begegnen. Soweit die Revision demgegenüber anführt, der Kläger habe sich nur gegen die Billigkeit der Preiserhöhungen gewandt, rechtfertigt dies ebenfalls keine abweichende Bewertung. Auf die tatsächlichen oder von der Beklagten vermuteten Gründe für den Widerspruch kommt es nicht an.

Soweit die Beklagte geltend macht, bei Bestätigung des Berufungsurteils habe sie massenhaft Rückforderungsansprüche zu erwarten, die existenzbedrohende Verluste zur Folge hätten, kann dahinstehen, ob diesem Umstand für die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung im Hinblick auf ein einseitiges Preisänderungsrecht Bedeutung zukommt (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 37; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 54). Denn die Beklagte führt dazu keinen hinreichenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen an.

b) Entgegen der Ansicht der Revision liegen auch die Voraussetzungen des § 306 Abs. 3 BGB nicht vor. Eine Gesamtnichtigkeit nach § 306 Abs. 3 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn durch die unwirksame Klausel eine Lücke verbleibt, die weder durch dispositives Recht noch durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden kann, und das Festhalten am Vertrag eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellt (vgl. BGH, Urteile vom 30. Juni 1995 - V ZR 184/94, BGHZ 130, 150 , 155 ff.; vom 8. Mai 2007 - KZR 14/04, NJW 2007, 3568 Rn. 12). Dies ist hier nicht der Fall (vgl. oben 2 a).

c) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft die von der Beklagten geltend gemachte Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB verneint. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen steht § 818 Abs. 3 BGB dem Bereicherungsanspruch des Klägers nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Juni 2011 - VIII ZR 333/10, [...] Rn. 12). Die Beklagte kann sich vorliegend schon deshalb nicht auf Entreicherung berufen, weil der Kläger nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts seit seinem Widerspruch vom 31. Dezember 2004, mit dem er sich erstmals gegen die Preiserhöhungen der Beklagten wandte, die weiteren Zahlungen unter den Vorbehalt der Rückforderung stellte. Dem hat - entgegen der Ansicht der Revision - die Beklagte nicht widersprochen. Hinreichenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen für eine Zurückweisung des Vorbehalts zeigt die Revision nicht auf. Dem insoweit angeführten Vortrag der Beklagten lässt sich vielmehr nur entnehmen, dass diese den Kläger auf ihre Rechtsansicht zum Bestand der Forderung hinwies. Dass darin zugleich eine Zurückweisung der nur unter dem Vorbehalt des Bestandes der Schuld geleisteten Zahlung liegt (vgl. BGH, Urteile vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 315/81, NJW 1983, 1111 unter II 3; vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161 unter 2 e), ist nicht ersichtlich. In diesem Fall hindert § 820 Abs. 1 Satz 1 BGB analog die Anwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB (BGH, Urteile vom 20. Oktober 2005 - III ZR 37/05, NJW 2006, 286 unter II 3; vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161 unter 2 e).

e) Zu Recht hat das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auch nicht als verwirkt angesehen. Die Verwirkung eines Rechts setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass zu dem Umstand des Zeitablaufs (Zeitmoment) besondere auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rspr., z.B. Senatsurteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 104/09, BGHZ 184, 253 Rn. 19; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 - VII ZR 302/87, BGHZ 105, 290 , 298). Derartige Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Übergangenen Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen zeigt die Revision insoweit nicht auf. Schon aus dem Inhalt des Widerspruchsschreibens ergibt sich vielmehr deutlich, dass der Kläger mit der Preiserhöhung nicht einverstanden war und deshalb künftige Zahlungen nur unter Vorbehalt leistete.

3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorinstanz: AG Euskirchen, vom 12.03.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 17 C 1217/09
Vorinstanz: LG Bonn, vom 08.12.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 5 S 101/10