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BGH - Entscheidung vom 10.02.2011

III ZR 37/10

Normen:
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1, §§ 209, 839 (A, Fc)
SGB V §§ 96, 97
Ärzte-ZV § 41 Abs.
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 209
BGB § 839 Abs. 3
SGB V § 96 Abs. 1
SGB V § 97 Abs. 1

Fundstellen:
MDR 2011, 599
NJW 2011, 2586
NZS 2011, 477
VersR 2011, 796

BGH, Urteil vom 10.02.2011 - Aktenzeichen III ZR 37/10

DRsp Nr. 2011/4921

Darlegungslast und Beweislast einer in Haftung genommene Körperschaft für das Abstimmungsverhalten der von ihr bestellten Mitglieder der Zulassungsgremien; Amtshaftungsanspruch im Zusammenhang mit einem Streit über die Zulassung eines Arztes zur kassenärztlichen Versorgung; Hemmung der Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs durch Widerspruch gegen einen Bescheid des Zulassungsausschusses und eines anschließenden Klageverfahrens; Hemmung der Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs bei Anrufung des Gerichts durch die Kassenärztliche Vereinigung im Hinblick auf die Aufhebung eines angefochtenen Bescheids durch den Berufungsausschuss

1. Die für das Abstimmungsverhalten der von ihr bestellten Mitglieder der Zulassungsgremien (Zulassungsausschuss, Berufungsausschuss) in Haftung genommene Körperschaft trifft mit Rücksicht darauf, dass nach § 41 Abs. 3 Ärzte-ZV über den Hergang der Beratungen und über das Stimmenverhältnis Stillschweigen zu bewahren ist, die Darlegungs- und Beweislast, dass ihre Mitglieder einer rechtswidrig ergangenen (Mehrheits-)Entscheidung des Kollegiums nicht zugestimmt haben. 2. Auch in sozialgerichtlichen Zulassungsverfahren bewirken der Widerspruch gegen einen Bescheid des Zulassungsausschusses und ein sich hieran anschließendes Klageverfahren eine Hemmung der Verjährung des Amtshaftungsanspruchs, der aus der angefochtenen Maßnahme abgeleitet wird, in entsprechender Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 , § 209 BGB . Dies gilt auch dann, wenn der Berufungsausschuss den angefochtenen Bescheid aufhebt und im Sinne des Antragstellers entscheidet, hiergegen jedoch die Kassenärztliche Vereinigung das Gericht anruft.

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1 ; BGB § 209 ; BGB § 839 Abs. 3 ; SGB V § 96 Abs. 1 ; SGB V § 97 Abs. 1 ;

Tatbestand

Der Kläger, ein seit dem 10. Dezember 1994 approbierter Arzt, begehrt von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Schadensersatz wegen der Ablehnung seines Antrags vom 7. Juni 1999 auf Zulassung als praktischer Arzt durch den für den Bezirk Unterfranken zuständigen Zulassungsausschuss. In seinem Antrag hatte der Kläger als vorgesehenen Wohnsitz und zugleich Praxissitz die Anschrift H. straße 1, M. angegeben. Zum Zeitpunkt der Antragstellung wohnte der Kläger mit seiner Familie in dem 12,4 km von M. entfernten L. .

Der Zulassungsausschuss, der im Verfahren den Eindruck gewann, der Kläger wolle seinen Wohnsitz in L. beibehalten, lehnte den Antrag in seiner Sitzung vom 2. Februar 2000 mit der Begründung ab, die Entfernung zwischen dem Wohnort und der Praxis gewährleiste nicht, dass der Kläger seine Praxis zur ordnungsgemäßen Versorgung seiner Patienten stets rechtzeitig erreichen könne. Andererseits sei nicht erkennbar, dass der Kläger willens sei, in M. tatsächlich einen Wohnsitz zu nehmen. Dieser Verstoß gegen die sich aus § 24 Abs. 2 Satz 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ergebende sogenannte Residenzpflicht sei als schwerwiegender Mangel im Sinne von § 21 Ärzte-ZV anzusehen und führe zu einer Bewertung des Klägers als ungeeignet für die Ausübung der Kassenpraxis.

Mit am 15. April 2003 ausgefertigtem Beschluss vom 28. November 2002 hob der Berufungsausschuss auf den Widerspruch des Klägers den Bescheid des Zulassungsausschusses auf und erteilte diesem die begehrte Zulassung unter der Bedingung des Verzichts auf eine anderweitige bestandskräftige Zulassung, die er am 2. Mai 2000 im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen erlangt hatte, ohne jedoch von ihr Gebrauch gemacht zu haben. In der Begründung seiner Entscheidung führte der Berufungsausschuss aus, zwar habe der Zulassungsausschuss zutreffend angenommen, dass der Kläger bei einem Wohnsitz in L. und einem Praxissitz in M. gegen seine Residenzpflicht aus § 24 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV verstoße. Das stehe der Erteilung einer Zulassung jedoch nicht entgegen, weil der Zulassungsausschuss zu einer entsprechenden Auflage nicht berechtigt sei. Vielmehr habe die Kassenärztliche Vereinigung nach Erteilung der Zulassung zu prüfen, ob der Vertragsarzt seiner Residenzpflicht nachkomme, und gegebenenfalls ein Zulassungsentziehungsverfahren einzuleiten.

Hiergegen erhob die Beklagte Klage zum Sozialgericht Nürnberg. Eine Klagebegründung unterblieb. Vielmehr nahm die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. April 2004 unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. November 2003 (MedR 2004, 405) ihre Klage zurück. Von der nunmehr bestandskräftigen Zulassung machte der Kläger in der Folge jedoch keinen Gebrauch, da er sich beruflich in der Zwischenzeit andernorts etabliert hatte.

Mit seiner am 29. Dezember 2007 eingegangenen Klage begehrt der Kläger Schadensersatz in Höhe von 257.707,98 EUR nebst Zinsen wegen der verzögerten Zulassung für die Zeit von 1999 bis zur Bestandskraft des Zulassungsbescheids im April 2004. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Es hat angenommen, dass der Kläger spätestens mit der Entscheidung des Berufungsausschusses die notwendige Kenntnis der den Amtshaftungsanspruch begründenden tatsächlichen Umstände gehabt habe, so dass zum Jahresende 2006 Verjährung eingetreten sei. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Aus der Begründung der Zulassungsentscheidung des Berufungsgerichts, es stelle sich die grundsätzliche Frage, ob die Verjährungsfrist auch bei Anfechtung einer dem Geschädigten günstigen Widerspruchsentscheidung durch den Schädiger erst mit Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens anlaufe, ergibt sich keine Beschränkung der Zulassung auf diese Rechtsfrage (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04, NJW-RR 2007, 182 Rn. 19 mwN).

II.

Die Revision ist jedoch unbegründet. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte dem Kläger nach Amtshaftungsgrundsätzen den Schaden zu ersetzen hat, der ihm durch die verzögerte Zulassung bis zur Bestandskraft der Entscheidung des Berufungsausschusses entstanden ist.

1.

a)

Das Berufungsgericht (BeckRS 2010, 29113) hält die Ablehnungsentscheidung des Zulassungsausschusses für objektiv rechtswidrig. Der Zulassungsausschuss habe aus der mangelnden Bereitschaft des Klägers, seinen Wohnsitz nach M. zu verlegen, zu Unrecht den Schluss gezogen, in seiner Person bestünden schwerwiegende Mängel im Sinne des § 21 Ärzte-ZV, da er nicht bereit sei, seine vertragsärztlichen Pflichten zu erfüllen. Soweit es um die räumliche Distanz zwischen L. und M. gehe, für deren Überwindung von den Parteien eine Fahrzeit von 15 bzw. 21 Minuten angegeben worden sei, sei eine Verletzung der Residenzpflicht nach § 24 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV, nach der ein Vertragsarzt seine Wohnung so zu wählen hat, dass er für die ärztliche Versorgung des Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht, nicht anzunehmen. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 5. November 2003 (MedR 2004, 405) komme es nicht darauf an, dass der Arzt unmittelbar am Praxisort wohne, sondern dass er für die Versorgung der Versicherten hinreichend zur Verfügung stehe. Er müsse seine Wohnung nicht so wählen, dass er Versicherte am Wohnort oder in seiner Wohnung regelmäßig oder auch nur in Notfällen behandeln könne. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze könne eine in ca. 20 Minuten zu bewältigende Distanz zwischen Wohnung und Praxis bei einem praktischen Arzt nicht als Verstoß gegen die Residenzpflicht angesehen werden.

b)

Diese Beurteilung steht mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Einklang, das den Zulassungsgremien einen der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraum nicht zubilligt und der Versorgungsstruktur in einem bestimmten regionalen Bezirk keine Bedeutung zumisst (vgl. MedR 2004, 405, 406 f). Allerdings hat das Bundessozialgericht anerkannt, dass für Arztgruppen, die nicht unmittelbar patientenbezogen tätig sind, andere Maßstäbe als für hausärztlich tätige Ärzte gelten und dass dem Umstand, ob ein Arzt in einer Einzelpraxis oder in einer größeren Gemeinschaftspraxis tätig ist, eine gewisse Bedeutung zukommen kann (aaO S. 407 f). Ungeachtet dieser möglichen Differenzierungen hat es im konkreten Fall eines psychotherapeutisch tätigen Arztes die Vorgabe, den Wohnsitz im Umkreis von 15 km zur Praxis zu wählen (aaO S. 406) und sie innerhalb von 15 Minuten erreichen zu können, als rechtswidrig angesehen (aaO S. 408). Vielmehr hat es - auch mit Blick auf Rechtsprechung zu den für Belegärzte geltenden vergleichbaren Bestimmungen in § 39 Abs. 4 Nr. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 31 Abs. 4 Nr. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) - befunden, dass bei einem solchen Arzt nichts für die Besorgnis einer Gefährdung der Versorgung der Versicherten spricht, wenn der Arzt regelmäßig einen Fahrweg von ca. 30 Minuten zwischen Wohnung und Praxis zurückzulegen hat.

c)

Soweit die Revision geltend macht, der Zulassungsausschuss habe nur die Entfernung vom Wohnort zum Praxissitz nicht hingenommen, nicht aber die Forderung erhoben, dass der Kläger in M. seinen Wohnsitz zu nehmen habe, kommt es hierauf nicht entscheidend an. Nach den Maßstäben des Bundessozialgerichts ist eine Fahrtstrecke von weniger als 15 km - der Zulassungsausschuss ging bei seiner Entscheidung sogar nur von 10 km aus -nicht zu beanstanden. Zwar hat die Revision im Ansatz Recht darin, dass für Hausärzte strengere Maßstäbe als für einen psychotherapeutisch tätigen Arzt, der überwiegend langfristig geplante Gesprächsleistungen gegenüber einer kleinen Zahl von Patienten erbringt und nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen notfallmäßig tätig wird, zugrunde gelegt werden dürfen. Das Bundessozialgericht hat indes bei seinen Überlegungen, für die allgemeine Handhabung der Residenzpflicht eine gewisse Orientierung zu schaffen, auch die Situation von Belegärzten mit im Auge gehabt, und hat dies im Leitsatz seiner Entscheidung so formuliert, dass ein Vertragsarzt die Pflicht, seine Wohnung so zu wählen, dass er für die Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht, jedenfalls dann nicht verletzt, wenn er seine Praxis regelmäßig in 30 Minuten erreichen kann. Ob im Einzelfall auch längere Zeiträume unschädlich sein können, hat es offen gelassen, weil sich dies einer generellen Beurteilung entziehe (aaO S. 408). Danach hat der Senat keinen Zweifel, dass die Leitlinie des Bundessozialgerichts, das den Zulassungsgremien keinen Beurteilungsspielraum zugesteht, auch auf Hausärzte anzuwenden ist.

2.

a)

Das Berufungsgericht bejaht auch ein Verschulden des Zulassungsausschusses. Seiner Entscheidung sei nicht zu entnehmen, wie viel Zeit benötigt werde, um von der Wohnung des Klägers in die Praxis zu gelangen, und welche Zeitdauer der Ausschuss überhaupt für hinnehmbar halte. Die Rechtsauffassung des Zulassungsausschusses, der Kläger müsse seinen Wohnsitz am Praxisort nehmen, um seiner Residenzpflicht zu genügen, sei offensichtlich nicht mit der Rechtslage vereinbar. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Zulassungsausschuss aufgrund einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung zu seiner Rechtsmeinung gelangt sei.

b)

Diese Beurteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

aa)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss jeder Amtsträger die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen oder sich verschaffen (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1997 - III ZR 52/97, NJW 1998, 1307 , 1308). Er ist bei der Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung verpflichtet, die Gesetzes- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und danach aufgrund vernünftiger Überlegungen sich eine Rechtsmeinung zu bilden. Dabei begründet nicht jeder objektive Rechtsirrtum ohne weiteres einen Schuldvorwurf. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, dann kann aus der Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (vgl. Senatsurteile vom 14. Dezember 2000 - III ZR 151/99, BGHZ 146, 153 , 165; vom 14. März 2002 - III ZR 302/00, BGHZ 150, 172 , 181).

bb)

Gemessen hieran ist ein Verschulden des Zulassungsausschusses nicht zu verneinen.

Zwar hat sich das Bundessozialgericht erst in dem angeführten Urteil vom 5. November 2003 mit näheren Einzelheiten zur Residenzpflicht im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV beschäftigt, so dass es zum Zeitpunkt der Ent- scheidung des Zulassungsausschusses noch an einer höchstrichterlichen Klärung fehlte. Gleichwohl bestanden gegen die Annahme des Zulassungsausschusses, eine Entfernung von - angenommenen - 10 km zwischen der Wohnung und der Praxis verstoße gegen die Residenzpflicht, erhebliche Bedenken; jedenfalls ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, dass der Zulassungsausschuss seine Rechtsauffassung nicht aufgrund einer sorgfältigen Prüfung gewonnen hat.

Der Zulassungsausschuss stellt in seiner Entscheidung allein auf die Entfernung von 10 km ab, ohne sich mit der hierfür benötigten Fahrzeit zu beschäftigen. Als zeitliches Moment wird lediglich allgemein angegeben, es sei - vor allem bei schlechten Verkehrsverhältnissen - nicht gewährleistet, dass der Kläger immer rechtzeitig seine Praxis erreichen könne. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Zulassungsausschuss im Hinblick auf die beabsichtigte hausärztliche Tätigkeit prinzipiell einen strengeren Maßstab an die zeitliche Verfügbarkeit des Klägers für seine Patienten anlegen durfte, bleibt es - mangels genauerer zeitlicher Festlegungen - unklar, welche Vorstellungen der Zulassungsausschuss verfolgte. Die Urteile der Landessozialgerichte Baden-Württemberg vom 14. Juli 1999 (MedR 2000, 385) und Schleswig-Holstein vom 23. November 1999 (MedR 2000, 383), die im Hinblick auf die Daten ihrer Veröffentlichung in Fachzeitschriften dem Zulassungsausschuss noch nicht bekannt gewesen sein mögen, belegen aber anhand der dort geprüften Situation von Belegärzten, an die im Hinblick auf ihre rechtzeitige Präsenz ebenfalls strengere Anforderungen gestellt werden können, dass vor allem der zeitliche Faktor in den Blick zu nehmen ist. Auch wenn man - wie die Revision es für richtig hält - annehmen wollte, der Zulassungsausschuss habe nicht einen Wohnsitz am Praxisort gefordert, erweist sich seine Entscheidung als nur unzureichend begründet.

3.

Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Beklagten bejaht.

a)

Zulassungsausschuss und Berufungsausschuss sind Einrichtungen der gemeinsamen Selbstverwaltung von Vertragsärzten bzw. Vertragszahnärzten und Krankenkassen (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 96 Nr. 1 S. 4), die - hoheitlich handelnd - ihre Selbstverwaltungsaufgaben mit unmittelbarer Wirkung für die entsendenden Körperschaften wahrnehmen. Sie werden von den Kassenärztlichen bzw. Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen zur Beschlussfassung und Entscheidung in Zulassungssachen nach § 96 Abs. 1 , § 97 Abs. 1 SGB V errichtet. Dabei bestehen die Zulassungsausschüsse in gleicher Zahl aus Vertretern der Ärzte, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen bestellt werden, und der Krankenkassen, die von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen bestellt werden (§ 96 Abs. 2 SGB V ).

Für den Bereich der Amtshaftung entscheidet der Senat die Frage nach der haftpflichtigen Körperschaft, wenn die Anknüpfung an die Anstellung versagt, weil - wie hier - ein Dienstherr nicht vorhanden ist, danach, wer dem Amtsträger die konkrete Aufgabe anvertraut hat, bei deren Erfüllung er gefehlt hat (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar 1987 - III ZR 17/85, BGHZ 99, 326 , 330). Er hat daher in einem Fall, in dem die Einstimmigkeit der Entscheidung der Ausschüsse nicht in Frage stand, eine gesamtschuldnerische haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der die Mitglieder entsendenden Körperschaften angenommen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2006 - III ZR 35/05, NJW-RR 2006, 966 Rn. 4 bis 7). Dasselbe gilt für die Haftung für amtspflichtwidriges Verhalten von Mitgliedern des Bewertungsausschusses, die nach § 87 Abs. 4 SGB V nur durch übereinstimmenden Beschluss entscheiden können (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2002 - III ZR 302/00, BGHZ 150, 172 , 180).

b)

Im vorliegenden Fall steht nicht fest, wie die einzelnen Mitglieder des Zulassungsausschusses gestimmt haben. Die Beklagte hat sich insoweit mit Nichtwissen erklärt, während der Kläger auf den Schriftverkehr mit dem von der Beklagten entsandten alternierenden Vorsitzenden des Zulassungsausschusses Bezug genommen und die Vorlegung der Sitzungsniederschriften der Ausschusssitzungen beantragt hat. Da nach § 41 Abs. 3 Ärzte-ZV über den Hergang der Beratungen und über das Stimmenverhältnis Stillschweigen zu bewahren ist, ist es bei einer strengen Wahrung dieser Verschwiegenheitspflicht weder der Beklagten möglich, sich zu ihrer haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit zu erklären, noch könnte ein Geschädigter, der prinzipiell für das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen darlegungs- und beweispflichtig ist, die notwendige Kenntnis von der Person des Schuldners erlangen, von der der Beginn der Verjährung seines Schadensersatzanspruchs nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB abhängt. Denn da die Zulassungsausschüsse nach § 96 Abs. 2 Satz 6 SGB V mit einfacher Stimmenmehrheit entscheiden und bei Stimmengleichheit ein Antrag als abgelehnt gilt, wäre es denkbar, dass der Antrag des Klägers mit den Stimmen der Vertreter der Krankenkassen abgelehnt worden wäre und den von der Beklagten bestellten Mitgliedern kein Verschulden zugerechnet werden könnte, für das die Beklagte nach Art. 34 GG eintreten müsste. Da es sich - jedenfalls theoretisch - ebenso gut umgekehrt verhalten haben kann, wäre ein Geschädigter bei strikter Wahrung des Beratungsgeheimnisses außerstande, seinen Schadensersatzanspruch gegen die rechtswidrige und schuldhafte Entscheidung des Zulassungsausschusses durchzusetzen. Das ist nicht hinnehmbar.

c)

Dass wegen des Beratungsgeheimnisses eine Aufklärung über das Stimmverhalten der ärztlichen Mitglieder nicht möglich oder - wie das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 5. November 2009 (1 U 5235/08, BeckRS 2009, 86312) in einer Parallelsache befunden hat - eine Beweisaufnahme hierüber unzulässig wäre, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig.

Inwieweit das sich aus § 41 Abs. 3 Ärzte-ZV ergebende Beratungsgeheimnis Einschränkungen unterliegt, ist - soweit ersichtlich - in der Literatur und Rechtsprechung noch nicht behandelt worden. Dies ist im Hinblick auf die dem Zulassungsausschuss obliegenden Aufgaben und den hiergegen bestehenden Primärrechtsschutz auch nicht erforderlich. Insoweit ist entscheidend auf den Inhalt des Beschlusses abzustellen, den der Zulassungsausschuss als Kollegialorgan trifft. Dabei ist die bei einer paritätischen Besetzung nicht auszuschließende, in der Rechtswirklichkeit aber wohl eher selten auftretende Situation einer Stimmengleichheit für oder gegen einen gestellten Antrag durch die Regelung des § 96 Abs. 2 Satz 6 SGB V im Sinne einer Antragsablehnung vorgegeben.

Das Verfahren und die Beschlussfassung des Zulassungsausschusses sind nach §§ 36 bis 43 Ärzte-ZV ähnlich einem gerichtlichen Verfahren ausgestaltet (vgl. Pawlita, in jurisPK- SGB V , § 96 Rn. 53 f). Das Beratungsgeheimnis dient, insoweit dem richterlichen Beratungsgeheimnis vergleichbar, ersichtlich dem Schutz der Einheit des Spruchkollegiums und dem Ansehen seiner Spruchpraxis. Aber selbst das richterliche Beratungsgeheimnis, das einen höheren Stellenwert hat als das für ein bloßes Verwaltungsverfahren angeordnete, gilt nicht absolut (Schmidt-Räntsch, DRiG , 6. Aufl., § 43 Rn. 12 mwN). Wird - wie hier - eine Körperschaft wegen eines bestimmten Abstimmungsverhaltens eines von ihr entsandten Mitglieds des Kollegiums auf Schadensersatz in Anspruch genommen, so liegt es nahe, den bestehenden Interessenkonflikt zumindest dadurch zu lösen, dass es dem Mitglied beziehungsweise der Körperschaft erlaubt ist, zum Zwecke der Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen das Beratungsgeheimnis - als Zeuge oder auch als Partei - preiszugeben (Schmidt-Räntsch aaO Rn. 19; siehe auch OLG Naumburg, NJW 2008, 3585 , 3587). Zur Wahrung übergeordneter Interessen erscheint aber auch die Auferlegung einer Aussage- bzw. Einlassungspflicht nicht von vorneherein ausgeschlossen (Schmidt-Räntsch aaO Rn. 15, 17, 19).

d)

In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass der Geschädigte den einzelnen Amtsträger, der ihm gegenüber die Pflichtverletzung begangen hat, nicht konkret bezeichnen muss, solange feststeht, dass der gesamte Haftungstatbestand in der Person irgend eines Amtsträgers der in Anspruch genommenen Körperschaft erfüllt ist (vgl. Senatsurteile vom 26. September 1960 - III ZR 125/59, WM 1960, 1304, 1305; vom 12. Dezember 1991 - III ZR 18/91, BGHZ 116, 312 , 314 f; vom 27. Juni 2002 - III ZR 234/01, BGHZ 151, 198 , 203 f). Weitergehende Darlegungen sind dem Geschädigten, der die Interna des Behördenbetriebs nicht kennt und auch nicht zu kennen braucht, häufig nicht möglich und deshalb auch nicht zumutbar. Kommen jedoch - wie hier - bei einem gemischt besetzten Kollegialorgan mehrere haftpflichtige Körperschaften in Betracht, die nur in Bezug auf die jeweils von ihnen bestellten Mitglieder zu einer Haftungsübernahme verpflichtet sind, wäre nach den üblichen Grundsätzen die Feststellung unabdingbar, dass jedenfalls ein von der in Anspruch genommenen Körperschaft bestelltes Mitglied Amtspflichten verletzt hat, weil es sonst an einer Voraussetzung für eine Übernahme der Haftung fehlen würde. Dies erscheint jedoch nicht angemessen, da der Zulassungsausschuss dem Geschädigten als Einheit gegenübertritt und die Einheit der Entscheidungen dieses Kollegiums durch das Beratungsgeheimnis institutionell abgesichert wird.

Zwar ist eine Beweiserhebung über das Abstimmungsverhalten einzelner Mitglieder des Zulassungsausschusses, wie ausgeführt, nicht von vornherein unzulässig. Es wäre jedoch eine unzumutbare Erschwerung der Prozessführung, wenn ein Geschädigter eine für die Haftungsübernahme in Betracht kommende Körperschaft aussuchen und gewissermaßen auf gut Glück ein amtspflichtwidriges Verhalten eines von dieser Körperschaft entsandten Mitglieds behaupten müsste im Vertrauen darauf, dass die Beklagtenseite das Beratungsgeheimnis preisgibt oder das Gericht trotz der Berufung auf das Beratungsgeheimnis aus überwiegenden gegenläufigen Interessen gleichwohl eine Beweiserhebung anordnet.

Da die Beklagte -schon aus Gründen der fachlichen Zusammenarbeit -den Vorgängen im Zulassungsausschuss näher steht als der Geschädigte und sie im Hinblick auf eine mögliche Haftung auch im Verhältnis zu den anderen entsendenden Körperschaften ein Interesse daran hat, das Stimmverhalten der von ihr bestellten Mitglieder des Zulassungsausschusses in Erfahrung zu bringen, hält der Senat in dieser besonderen Situation eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast für geboten. Die für das Abstimmungsverhalten ihrer Mitglieder in Haftung genommene Körperschaft muss darlegen und beweisen, dass ihre Mitglieder der rechtswidrig ergangenen (Mehrheits-)Entscheidung des Kollegiums nicht zugestimmt haben. Dabei muss ihr schon im eigenen Interesse an einer frühzeitigen Klärung des Sachverhalts gelegen sein, so dass sie sich im Regelfall bereits vorprozessual dazu erklären wird, ob sie eine Haftung wegen des Stimmverhaltens der von ihr bestellten Mitglieder des Ausschusses ablehnen möchte, was ihr nicht prinzipiell versagt werden kann.

e)

Vorliegend kommt hinzu, dass die Beklagte die amtspflichtwidrige Entscheidung des Zulassungsausschusses gebilligt und sich aktiv gegen eine Zulassung des Klägers als Vertragsarzt gestellt hat. Denn sie hat sich nicht etwa dem Widerspruch des Klägers gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses angeschlossen, sondern - wie sich aus dem Beschluss des Berufungsausschusses ergibt - dessen Zurückweisung beantragt. Darüber hinaus hat sie, worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist, die Zulassung des Klägers durch den Berufungsausschuss mit der Klage angriffen und damit den rechtswidrigen Zustand weiter verlängert. Aufgrund dieser Verhaltensweise ist es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt, sich im Amtshaftungsprozess hinter dem Beratungsgeheimnis "zu verstecken".

4.

Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die zeitweilige Existenz einer Zulassung des Klägers als Vertragsarzt für G. -U. einer Haftung der Beklagten nicht entgegensteht. Die Revision beanstandet dies unter dem Gesichtspunkt, die genannte Zulassung sei geeignet gewesen, jeden Schaden aus der verweigerten Zulassung für M. entfallen zu lassen. Darüber hinaus fehle es an einem Kausalzusammenhang, wenn der Kläger eine Zulassung in Hessen besessen habe, von ihr aber keinen Gebrauch habe machen wollen.

Diese Rüge ist nicht begründet. Durch die Ablehnung des Zulassungsantrags war es dem Kläger nicht wie beabsichtigt möglich, in dem seinen Eltern gehörenden Haus seine Praxis unter Ausnutzung damit verbundener wirtschaftlicher Vorteile zu nutzen. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe im Hinblick auf seine Absicht, im Widerspruchsverfahren weiterhin eine Zulassung in M. zu erreichen, von einer erhebliche Investitionen und längerfristige vertragliche Bindungen erfordernden Praxiseröffnung in Hessen absehen dürfen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Vor allem sprechen die festgestellten wirtschaftlichen und persönlichen Rahmenbedingungen, gegen die die Revision keine Einwände erhebt, entscheidend dafür, dass dem Kläger durch die Versagung der Zulassung in M. ein Schaden entstanden ist.

5.

Einem möglichen Schadensersatzanspruch steht nicht der Einwand entgegen, der Kläger habe versäumt, im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses des Berufungsausschusses zu stellen.

a)

Nach der Rechtsprechung des Senats fallen unter den Begriff des Rechtsmittels, der weit zu fassen ist, alle Rechtsbehelfe, die sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichtigung bezwecken und ermöglichen (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 1993 - III ZR 104/92, BGHZ 123, 1 , 7; vom 9. Oktober 1997 - III ZR 4/97, BGHZ 137, 11 , 23). Hierzu zählen auch Rechtsbehelfe des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Senatsurteil vom 9. Oktober 2003 - III ZR 342/02, BGHZ 156, 294 , 298 f mwN zu einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ). Für den seit dem 2. Januar 2002 grundlegend umgestalteten einstweiligen Rechtsschutz der §§ 86a, 86b SGG gilt nichts anderes.

b)

Nach Auffassung des Berufungsgerichts wäre ein Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG deshalb kein mögliches Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB gewesen, weil schadensstiftende Amtspflichtverletzung (nur) die Ablehnung des Zulassungsantrags gewesen sei und als unmittelbar dagegen gerichteter Rechtsbehelf allein der Widerspruch zur Verfügung gestanden habe.

Ob dem zu folgen ist, kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob wegen des Verzichts auf einen solchen Antrag eine Minderung des Schadensersatzes nach § 254 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Denn die Stellung eines Antrags nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG wäre nur sinnvoll gewesen, wenn der Kläger die Absicht gehabt hätte, unverzüglich nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Einrichtung seiner Arztpraxis zu beginnen. Es war ihm aber nicht zuzumuten, größere Investitionen ohne entsprechende Planungssicherheit (bestandskräftiger Zulassungsbescheid) zu tätigen.

6.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt.

a)

Da der Kläger gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Widerspruch eingelegt und damit den nach § 839 Abs. 3 BGB gebotenen Primärrechtsschutz wahrgenommen hat, kann er sich auf die ständige Rechtsprechung des Senats beziehen, nach der Widerspruch und Klage gegen einen amtspflichtwidrig erlassenen Verwaltungsakt die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs, der aus der angefochtenen Maßnahme abgeleitet wird, in analoger Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 , § 209 BGB hemmen (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 35; zur Unterbrechungswirkung nach früherem Recht analog § 209 Abs. 1 , § 211 BGB a.F. Senatsurteile vom 11. Juli 1985 - III ZR 62/84, BGHZ 95, 238 , 242 f; vom 18. November 2004 - III ZR 347/03, NVwZ-RR 2005, 152 , 154). Die Hemmungswirkung endet analog § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB im Regelfall sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Erledigung des Verfahrens (vgl. zu § 211 BGB a.F. Senatsurteil vom 18. November 2004 - III ZR 347/03, aaO).

Mit Urteil vom 6. Februar 1986 ( III ZR 109/84, BGHZ 97, 97 , 110) hat der Senat diese Grundsätze auf die Verjährung von Amtshaftungsansprüchen, die aus dem amtspflichtwidrigen Vollzug eines Planfeststellungsbeschlusses hergeleitet werden, übertragen. Der Senat hat weiter ausgesprochen, dass auch die Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durch Klage vor den Sozialgerichten die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs unterbricht, der auf dasselbe Fehlverhalten des Sozialversicherungsträgers gestützt wird (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1988 - III ZR 221/86, BGHZ 103, 242 , 246 f; vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99, NVwZ-RR 2000, 746, 749). Auch in der Erhebung einer finanzgerichtlichen Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Gewinnfeststellungsbescheids hat der Senat ein taugliches Mittel des Primärrechtsschutzes mit den angeführten verjährungsrechtlichen Wirkungen gesehen (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1995 - III ZR 145/94, NJW 1995, 2778 , 2779).

Entsprechend dem allgemein anerkannten Vorrang des Primärrechtsschutzes vor dem Sekundärrechtsschutz ist es in den genannten Fällen - nicht zuletzt aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit - sachgerecht, wenn der Betroffene, ehe er Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung geltend macht, sich zunächst gegen das beanstandete Verwaltungshandeln selbst wendet und versucht, im Wege des primären Rechtsschutzes Abhilfe zu erreichen. Da die öffentliche Hand in diesen Fällen ohnehin damit rechnen muss, dass der Geschädigte nach erfolglosem - und erst Recht nach erfolgreichem - Vorgehen im Primärrechtsschutz auch noch Amtshaftungsansprüche erhebt, hat der Senat es für gerechtfertigt gehalten, die angeführten verjährungsrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 1989 - III ZR 92/87, NJW 1990, 176 , 179; vom 2. April 1998 - III ZR 309/96, BGHZ 138, 247 , 250 f). Die Prozesswirtschaftlichkeit für ein solches Vorgehen hat der Senat nicht nur dann bejaht, wenn die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung gebunden sind (vgl. insoweit Senatsurteil vom 7. Februar 2008 - III ZR 76/07, BGHZ 175, 221 Rn. 10 f mwN), sondern auch in Fällen, in denen - wie bei der sozialrechtlichen Herstellungsklage - die Frage eines pflichtwidrigen Verhaltens eines Beamten nur eine Vorfrage ist, so dass das Ergebnis dieses Verfahrens für den Amtshaftungsprozess keine Bindungen entfaltet (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1988 - III ZR 221/86, BGHZ 103, 242 , 245; vom 6. Februar 1997 - III ZR 241/95, NVwZ 1997, 1243, 1244; vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99, NVwZ-RR 2000, 746).

b)

Die hier vorliegende Fallgestaltung zeichnet sich durch einige verfahrensrechtliche Besonderheiten aus, die allerdings keinen Anlass zu einer anderen verjährungsrechtlichen Behandlung geben.

Wie bereits ausgeführt, nehmen Zulassungsausschuss und Berufungsausschuss als Einrichtungen der gemeinsamen Selbstverwaltung von Vertragsärzten und Krankenkassen ihre Selbstverwaltungsaufgaben mit unmittelbarer Wirkung für die entsendenden Körperschaften wahr. Gegen die Entscheidungen des Zulassungsausschusses kann der Berufungsausschuss angerufen werden. Dass dessen Anrufung, wie auch sonst beim Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt (vgl. § 86a Abs. 1 SGG ), aufschiebende Wirkung hat, ist nicht im Sozialgerichtsgesetz , sondern in § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB V geregelt. Das Verfahren vor dem Berufungsausschuss ist ein umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Instanz und kein Widerspruchsverfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz , sondern gilt nach § 97 Abs. 3 Satz 2 SGB V lediglich als Vorverfahren im Sinne des § 78 SGG . Gegen die Entscheidung des Berufungsausschusses, mit der das Vorverfahren abgeschlossen wird, kann der beschwerte Beteiligte das Sozialgericht anrufen. Dabei sieht das Bundessozialgericht die Kassenärztlichen Vereinigungen wegen ihres Sicherstellungsauftrags gemäß § 75 Abs. 1 SGB V und ihrer Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung in Angelegenheiten des Zulassungswesens auch unabhängig vom Nachweis eines konkreten rechtlichen Interesses im Einzelfall als berechtigt an, die Entscheidungen der Ausschüsse anzufechten (BSG, MedR 2000, 198, 199). Die Klage ist nach § 70 Nr. 4 SGG gegen den Berufungsausschuss zu richten. Die Vorschrift des § 95 SGG , nach der bei einem durchgeführten Vorverfahren der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, Gegenstand der Klage ist, gilt für vertragsärztliche Zulassungsstreitigkeiten nicht (vgl. BSG SozR 3-2500 § 96 Nr. 1 S. 5 f; BSG MedR 2000, 198, 200). Weil die Beschlussfassung und Entscheidung in Zulassungssachen ein hinsichtlich des Sachergebnisses einheitlich, bezüglich des Beurteilungsvorgangs zweistufig verfasstes besonderes Verwaltungsverfahren ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 96 Nr. 1 S. 4), ist Gegenstand der Klage ausschließlich der Bescheid des Berufungsausschusses.

Diese Besonderheiten ändern jedoch nichts daran, dass es bis zur Anrufung des Sozialgerichts durch die Beklagte in der Sache um die Frage ging, ob der Zulassungsantrag des Klägers begründet war. Dass es sich bei der Klage der Beklagten gegen den Bescheid des Berufungsausschusses um die Klage eines formell Dritten handelt, ändert nichts daran, dass es materiell um eine Fortsetzung der Prüfung des Zulassungsantrags des Klägers geht, der durch seinen Widerspruch gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses das der Klage vorausgehende Vorverfahren eingeleitet hat. Hätte die Klage der Beklagten in erster Instanz zum Nachteil des Klägers, der in diesem Verfahren die Stellung eines Beigeladenen hat, der von der Rechtskraft der Entscheidung mit erfasst wird (vgl. § 69 Nr. 3, § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG ), Erfolg gehabt, hätte er mit einem Rechtsmittel hiergegen sein Anliegen weiterverfolgen können. Das rechtfertigt es, in dieser prozessualen Konstellation, in der der Kläger lediglich das Vorverfahren eingeleitet und die Beklagte die Klage zum Sozialgericht erhoben hat, ebenfalls die Vorschrift des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB analog anzuwenden. Da das Klageverfahren im April 2004 durch Rücknahme der Klage erledigt wurde, war der Anspruch des Klägers bei Einreichung der alsbald danach zugestellten Klage im Dezember 2007 noch nicht verjährt.

7.

Danach hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ein Grundurteil erlassen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 10. Februar 2011

Vorinstanz: LG München I, vom 15.10.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 15 O 24803/07
Vorinstanz: OLG München, vom 21.01.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 1 U 5307/08
Fundstellen
MDR 2011, 599
NJW 2011, 2586
NZS 2011, 477
VersR 2011, 796