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BGH - Entscheidung vom 18.07.2011

NotSt (Brfg) 1/11

Normen:
VwGO § 124 Abs. 2
BNotO § 111d, § 96 Abs. 1 Satz 1
BDG § 32 Abs. 2 Nr. 2
BNotO § 47 Nr. 1
BNotO § 48a
BNotO § 96 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
BGHZ 190, 278
MDR 2011, 1207
NJW 2011, 3371

BGH, Beschluss vom 18.07.2011 - Aktenzeichen NotSt (Brfg) 1/11

DRsp Nr. 2011/13814

Bedeutung des Zeitpunkts der Entscheidung des Berufungsgerichts über den Zulassungsantrag für die Prüfung des Bestehens eines Grundes für die Zulassung der Berufung; Notwendigkeit der Einstellung eines gegen einen Notar laufenden Disziplinarverfahrens bei Ausscheiden des Notars aus seinem Amt

a) Ob ein (dargelegter) Grund für die Zulassung der Berufung besteht, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts über den Zulassungsantrag und nicht danach, ob das erstinstanzliche Gericht angesichts der aufgrund im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Rechtslage richtig entschieden hat.b) Ist ein Notar aus seinem Amt ausgeschieden, muss ein gegen ihn laufendes und noch nicht rechtskräftig abgeschlossenes Disziplinarverfahren eingestellt werden.

Tenor

Auf Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 18. November 2010 zugelassen.

Der Streitwert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BNotO § 47 Nr. 1 ; BNotO § 48a; BNotO § 96 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Der im Januar 1941 geborene Kläger war seit dem Jahr 1981 als Notar und Rechtsanwalt im Bezirk des Amtsgerichts B. tätig. Am 17. April 2007 verhängte der Präsident des Landgerichts gegen ihn durch Disziplinarverfügung eine Geldbuße in Höhe von 3.000 €. Der Disziplinarverfügung liegen Vorfälle aus den Jahren 2001 bis 2003 zugrunde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die Darstellung im Tatbestand des Urteils des Oberlandesgerichts.

Die gegen die Disziplinarverfügung gerichtete Beschwerde hat der Beklagte durch Verfügung vom 22. Dezember 2009 zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger am 25. Januar 2010 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Im Schreiben vom 11. Oktober 2010 hat der Kläger seinen Angriff ausdrücklich auf die Höhe des festgesetzten "Ordnungsgeldes" beschränkt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Berufung nicht zugelassen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung, mit der er die Aufhebung des Urteils des Oberlandesgerichts und der Disziplinarverfügung erreichen möchte. Er stützt den Antrag auf § 111d BNotO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO . Nach Ablauf der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags ist der Kläger mit Ablauf des 31. Januar 2011 wegen Erreichens der Altersgrenze aus dem Amt des Notars ausgeschieden.

II.

Die Berufung ist zuzulassen.

Das die Klage auf Aufhebung der Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts vom 17. April 2007 abweisende Urteil des Oberlandesgerichts stellt sich aufgrund des altersbedingten Ausscheidens des Klägers aus dem Amt des Notars mittlerweile als unrichtig dar. Diese Tatsache hat der Senat bei der Entscheidung über den Zulassungsantrag zu berücksichtigen. Ob ein (dargelegter) Grund für die Zulassung der Berufung besteht, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts über den Zulassungsantrag und nicht danach, ob das erstinstanzliche Gericht angesichts der Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung richtig entschieden hat (vgl. BVerwG, NVwZ 2003, 490; BVerwG, Beschluss vom 12. November 2002 - 7 AV 4/02, BeckRs 2003, 20097; BVerwG NVwZ 2004, 744 ; OVG Brandenburg NVwZ-RR 2003, 694).

Im Streitfall begegnet das Urteil des Oberlandesgerichts ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit, nachdem der Kläger mit Ablauf des 31. Januar 2011 gemäß § 47 Nr. 1, § 48a BNotO aus dem Amt des Notars ausgeschieden ist und mithin nicht mehr dem persönlichen Geltungsbereich der disziplinarrechtlichen Bestimmungen der Bundesnotarordnung unterfällt. Hat er den entsprechenden Status nicht mehr inne, fehlt die Voraussetzung zur Fortsetzung des Disziplinarverfahrens, so dass dieses zwingend eingestellt werden muss, solange nicht Rechtskraft eingetreten ist. Es ist ein absolutes Verfahrenshindernis eingetreten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO , § 32 Abs. 2 Nr. 2 BDG analog; vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand Oktober 2010, § 32 Rn. 11 und 13).

Daran ändert nichts, dass die Frist für die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung bereits am Montag, dem 24. Januar 2011, abgelaufen ist, nachdem das Urteil des Oberlandesgerichts am 22. November zugestellt worden ist. Das Ende der Begründungsfrist legt nicht den für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt fest (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2003 - 7 AV 2/03, NVwZ 2004, 744 Rn. 9 und 10). Offenkundige Umstände, aus denen sich die offensichtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergibt, sind auch ohne ausdrücklichen Vortrag des Klägers zu berücksichtigen, sofern der Antrag auf Zulassung der Berufung überhaupt in zulässiger Weise auf einen Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO gestützt worden ist (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 31. März 2008 - 5 B 377/06, [...] Rn. 8 mwN; ähnlich Kopp/Schenke, VwGO , 17. Aufl. § 124a Rn. 50). Der Antrag des Klägers stützt sich in noch zulässiger Weise auf den Grund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , wenn auch der Antrag in der Sache nur auf der Grundlage der Darlegungen in der Begründungsschrift erfolglos geblieben wäre.

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 111g Abs. 2 BNotO .

Vorinstanz: OLG Köln, vom 18.11.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 2 X (Not) 1/10
Fundstellen
BGHZ 190, 278
MDR 2011, 1207
NJW 2011, 3371