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BGH - Entscheidung vom 20.07.2011

XII ZB 463/10

Normen:
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 1
BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 1

Fundstellen:
FamRZ 2011, 1558
MDR 2011, 1105
NJW-RR 2011, 1301

BGH, Beschluss vom 20.07.2011 - Aktenzeichen XII ZB 463/10

DRsp Nr. 2011/15273

Anwendbarkeit beamtenähnlicher Grundsätze i.S.d. § 1587a Abs. 2 Nr. 1 BGB auf Versorgungsanwartschaften nach der Ruhegeldordnung der Landesbank Baden-Württemberg

Versorgungsanwartschaften nach der Ruhegeldordnung der Landesbank Baden-Württemberg folgen beamtenähnlichen Grundsätzen im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. August 2010 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Wert: 2.000 €

Normenkette:

BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Die am 19. September 1949 geborene Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und der am 29. Juni 1950 geborene Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) schlossen am 2. Juli 1971 die Ehe. Auf den am 13. September 2006 zugestellten Scheidungsantrag hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden und die von beiden Ehegatten während der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg erworbenen Anwartschaften durch Splitting und durch analoges Quasisplitting ausgeglichen. Außerdem hat es eine vom Ehemann bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) erworbene Anwartschaft als volldynamische Versorgung behandelt und ebenfalls durch analoges Quasisplitting ausgeglichen. Hiergegen hat der Ehemann Beschwerde eingelegt, mit der er den Standpunkt vertritt, dass die Voraussetzungen einer volldynamischen Versorgung nicht vorlägen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Ehemann sein Begehren weiter, das bei der LBBW erworbene Anrecht als statische Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung zu behandeln.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 , 4 FGG -RG, § 48 Abs. 1, 2 VersAusglG noch das bis August 2009 geltende Verfahrensrecht und materielle Recht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist und weil es weder am 1. September 2009 noch danach abgetrennt oder ausgesetzt und das Ruhen nicht angeordnet war (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 ). Soweit das Verfahren vorübergehend seit dem 1. Januar 2008 gemäß § 7 AktO weggelegt war, wurde es vor dem Inkrafttreten des FamFG mit einem am 31. August 2009 eingegangenen Schriftsatz wieder aufgerufen.

2.

Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar könne die bei der LBBW erworbene Versorgung nicht als volldynamisch angesehen werden, da die Versorgung nach dem zuletzt erzielten Einkommen berechnet werde und die Dynamik im Anwartschaftsstadium somit verfallbar sei, was die Annahme einer volldynamischen Versorgung ausschließe.

Die Versorgung sei jedoch als beamtenähnlich zu qualifizieren, da sie einer Beamtenversorgung in wesentlichen Grundsätzen gleichkomme. Denn sie gewähre dem Arbeitnehmer nach einer Ruhegeldordnung eine lebenslange Alters-, Dienstunfähigkeits- oder Hinterbliebenenversorgung auf der Grundlage seiner zuletzt gezahlten Bezüge und der Dauer seiner Dienstzeit gemäß der im Zeitpunkt der Errichtung der Ruhegeldordnung bestehenden Rechtslage in der Beamtenversorgung. Sie richte sich nach dem Alimentationsprinzip, ohne dass der Versicherte eigene Beitragsaufwendungen zur Finanzierung der späteren Versorgung erbringen müsse. Dass eine Anrechnung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und eventueller Zusatzversorgungen vorgesehen sei, stehe der Annahme der Beamtenähnlichkeit der Versorgung nicht entgegen. Ebenso sei es bei der hier vorliegenden zusammengesetzten Versorgung unschädlich, dass die Pflichtversicherung daneben fortbestehe und der Versicherte sogar zur Aufrechterhaltung dieser verpflichtet werde. Entscheidend sei, dass die Versorgung vom Arbeitgeber selbst gewährt werde, ohne dass dieser sich einer gesonderten Versorgungseinrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit bediene. Unschädlich sei, dass sich die Bank in § 19 der Ruhegeldordnung vorbehalte, die zugesagte Versorgung unter den dort genannten Voraussetzungen zu kürzen oder einzustellen. Denn Unverfallbarkeit sei nicht erforderlich.

3.

Diese zur beamtenähnlichen Qualifikation der Versorgung getroffenen Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

Die Versorgungsordnung (Ruhegeldordnung) der LBBW enthält in § 19 folgende Regelung:

"(1) Die Bank behält sich vor, die zugesagte Versorgung zu kürzen oder einzustellen, wenn

1. die bei der Erteilung der Versorgungszusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Betrachtung der Belange des Versorgungsberechtigten der Bank nicht mehr zugemutet werden kann, oder

2. der Personenkreis, die Beiträge, die Leistungen oder das Pensionierungsalter bei der gesetzlichen Sozialversicherung oder anderer Versorgungseinrichtungen mit Rechtsanspruch sich wesentlich ändern, oder

3. die rechtliche, insbesondere die steuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen, die zur planmäßigen Finanzierung der Versorgung von der Bank gemacht werden oder gemacht worden sind, sich so wesentlich ändern, dass der Bank die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann.

(2) Die Entscheidung hierüber trifft der Verwaltungsrat der Bank.

(3) Die bis zu diesem Zeitpunkt erdienten Anwartschaften und Ansprüche auf Versorgung bleiben dem Betriebsangehörigen in jedem Fall erhalten.

(4) Die Bank behält sich ferner eine Kürzung oder Einstellung der Versorgung vor, wenn der Versorgungsberechtigte Handlungen begeht, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden."

a)

§ 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB erfasst in seiner zweiten Alternative Versorgungsanrechte aus einem Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen. Da es sich dabei um vertraglich begründete privatrechtliche Arbeitsverhältnisse handelt, kann es zu Abgrenzungsschwierigkeiten mit der betrieblichen Altersversorgung kommen. Denn eine aus Anlass des privaten Arbeitsverhältnisses zugesagte Leistung auf Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung erfüllt nach der Legaldefinition des § 1 BetrAVG zugleich die Voraussetzungen einer betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB . § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB ist indes lex specialis zu § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB . Liegen daher die spezielleren Voraussetzungen vor, nämlich eine inhaltliche Ausgestaltung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen, so ist für die Zwecke des Versorgungsausgleichs die Bewertung nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB vorzunehmen (Senatsbeschluss vom 27. Oktober 1993 - XII ZB 69/89 - FamRZ 1994, 232 , 233 mwN).

b)

Wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer beamtenähnlichen Versorgung ist, dass der Dienstherr oder Arbeitgeber die Versorgung selbst zusagt, ohne sich hierbei einer gesonderten Versorgungseinrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit zu bedienen. Denn es gehört zu den bestimmenden Merkmalen einer beamtenähnlichen Versorgung, dass der Dienstherr die Versorgung in Erfüllung seiner Fürsorge- und Alimentationspflicht gegenüber seinen Bediensteten unmittelbar gewährt und ihr wirtschaftliches Risiko selbst trägt. Zusatzversorgungskassen mit Leistungen nach Versicherungsprinzipien aufgrund eingezahlter Beiträge erfüllen diese Voraussetzungen nicht, auch wenn sie dem Arbeitnehmer im Ergebnis eine der Beamtenversorgung angeglichene Gesamtversorgung sichern. Denn der Arbeitgeber oder Dienstherr leistet lediglich Zuschüsse oder Umlagen zu dieser Versorgungseinrichtung, solange der Arbeitnehmer aktiv in seinen Diensten steht, ohne ihm jedoch die Versorgung im Versorgungsfall selbst zu gewähren. Kennzeichnend ist weiterhin, dass der Beschäftigte nicht durch eigene Beitragsaufwendungen zu der Finanzierung der späteren Versorgungsleistung beiträgt (Senatsbeschluss vom 27. Oktober 1993 - XII ZB 69/89 - FamRZ 1994, 232 , 233 mwN).

c) Der Qualifizierung als beamtenähnliche Versorgung steht andererseits nicht entgegen, dass in der Ruhegeldordnung vorgesehen ist, dass auf die zugesagte Versorgung eine gesetzliche Rente und/oder andere Versorgungen (z.B. befreiende Lebensversicherung, Unfallversicherung, betriebliche Altersversorgung o.ä.) anzurechnen sind oder umgekehrt die Rente auf eine angemessene Gesamtversorgung nach beamtenrechtlichen Maßstäben erhöht wird (sog. zusammengesetzte oder gefugte Versorgung). Denn auch das Beamtenversorgungsrecht kennt Bestimmungen über die Anrechnung von Renten auf die Beamtenversorgung (vgl. § 55 BeamtVG ). Wesentlich ist nur, dass der die gesetzliche Rente oder andere Versorgungsarten aufstockende Teil vom Arbeitgeber selbst getragen wird. Bei den sog. zusammengesetzten Versorgungen ist es daher auch unschädlich, wenn im Einzelfall neben der beamtenähnlichen Versorgungszusage die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung fortbesteht. Zwar liegt dann keine Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI vor, jedoch verliert die vom Arbeitgeber erteilte Versorgungszusage nicht ihre Eigenschaft als beamtenähnliche Versorgung (Senatsbeschluss vom 27. Oktober 1993 - XII ZB 69/89 - FamRZ 1994, 232 , 233 mwN).

d) Auch die Regelung unter Ziff. 19 der Ruhegeldordnung, nach der die Verpflichtung zur Zahlung dann entfallen kann, wenn sich die wirtschaftliche Lage der Bank wesentlich verschlechtert, ändert an der Bewertung als beamtenähnliche Versorgung nichts. Das Merkmal der Unverfallbarkeit ist weder Voraussetzung für eine Beamten- noch für eine beamtenähnliche Versorgung. Auch Beamte verlieren bei vorzeitigem Ausscheiden ihre Beamtenversorgung und werden für die tatsächlich zurückgelegten Dienstjahre in Höhe ihres jeweiligen Gehalts bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, wodurch sich in der Regel ein geringerer Wert ergibt als in der Beamtenversorgung (§§ 8 Abs. 2 Nr. 1 , 181 ff. SGB VI ). Der Gesetzgeber hat für die Zwecke des Versorgungsausgleichs im Bereich der Beamtenund beamtenähnlichen Versorgung ausdrücklich auf die Erfüllung zeitlicher Voraussetzungen verzichtet und die Berücksichtigung des spezifisch auf betriebliche Altersversorgungen zugeschnittenen Merkmals der Verfallbarkeit auf den dortigen Bereich beschränkt (§ 1587 a Abs. 7 BGB ). Eine ausdehnende Anwendung auf andere Versorgungsarten kommt nicht in Betracht. Liegen die besonderen Voraussetzungen einer beamtenähnlichen Versorgung im Sinne der Sonderregelung des § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, stellt sich die Frage nach der Unverfallbarkeit der Versorgung nicht (Senatsbeschluss vom 16. September 1998 - XII ZB 22/94 - NJWE-FER 1999, 25, 27).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verstößt der Vorbehalt eines Fortfalls der Leistung bei wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Bank auch nicht gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, namentlich nicht gegen das Alimentationsprinzip. Denn auch der Beamte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass die Versorgungsregelung, unter der er in das Beamtenverhältnis und Ruhestandsverhältnis eingetreten ist, ihm unverändert erhalten bleibt. Art. 33 Abs. 5 GG garantiert insbesondere nicht die unverminderte Höhe von Versorgungsbezügen. Der Gesetzgeber darf sie kürzen, wenn dies im Rahmen des von ihm zu beachtenden Alimentationsgrundsatzes aus sachlichen Gründen gerechtfertigt erscheint (BVerfGE 76, 256 , 310 mwN).

Das -zu den tragenden Grundsätzen des Art. 33 Abs. 5 GG gehörende -Leistungsprinzip verlangt zwar, dass sich die Länge der aktiven Dienstzeit in der Höhe der Versorgungsbezüge niederschlägt (BVerfGE 76, 256 , 322). Dieser Grundsatz könnte verletzt werden, machte der Versorgungsträger von der ihm durch § 19 der Ruhegeldordnung eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die zugesagte Versorgung für die Zukunft zu kürzen oder einzustellen. Denn zumindest bei einer völligen Einstellung der Versorgung würde der Arbeitnehmer keinen an der Dienstzeit orientierten Versorgungsanspruch mehr erwerben. Dadurch verlöre die Versorgung den beamtenähnlichen Charakter. Doch ist eine solche Kürzung oder Einstellung der Versorgung bislang nicht ausgesprochen. Daher erfüllt das erworbene Versorgungsanrecht im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung jedenfalls die Kriterien einer beamtenähnlichen Versorgung, da es einen an die Bezüge und an die Dienstzeit gekoppelte Versorgung gewährt.

Der Ehemann wird dadurch, dass seine Versorgung im Rahmen des Versorgungsausgleichs nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB zu bewerten ist, auch nicht unbillig belastet. Sollte eine Kürzung oder Einstellung der Versorgung aufgrund § 19 der Ruhegeldordnung tatsächlich eintreten, kann er Abänderung verlangen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 1993 - XII ZB 69/89 -FamRZ 1994, 232 , 234 und vom 16. September 1998 - XII ZB 22/94 - NJWE-FER 1999, 25, 27).

4.

Weil somit eine Versorgung nach beamtenähnlichen Grundsätzen vorliegt, erübrigt sich eine Prüfung der Frage der Dynamik. Da die bei der kommunalen Zusatzversorgungskasse erworbenen Anrechte nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht auf Startgutschriften beruhen, welche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 174, 127 ) rechtlichen Bedenken ausgesetzt sein könnten, bedarf es auch keiner Aussetzung des Verfahrens.

Vorinstanz: AG Heidelberg, vom 20.11.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 36 F 125/06
Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 23.08.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 16 UF 56/10
Fundstellen
FamRZ 2011, 1558
MDR 2011, 1105
NJW-RR 2011, 1301