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BGH - Entscheidung vom 02.08.2011

3 StR 193/11

Normen:
StPO § 265
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 357

BGH, Beschluss vom 02.08.2011 - Aktenzeichen 3 StR 193/11

DRsp Nr. 2011/15192

Anforderungen an die konkurrenzrechtliche Beurteilung zweier Taten als Tatmehrheit bei engem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang

Normenkette:

StPO § 265 ; StPO § 349 Abs. 2 ; StPO § 357 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten sowie den Angeklagten D. wegen desselben Tatvorwurfs unter Einbeziehung der durch ein früheres Urteil verhängten Einzelstrafen nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten H. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen auf eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten Revision eingelegt, die der Angeklagte K. auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts und der Angeklagte D. auf die Verletzung materiellen Rechts stützen. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO ).

Nach den Feststellungen verletzten alle drei Angeklagten anlässlich einer tätlichen Auseinandersetzung gemäß einem gemeinschaftlich gefassten Tatplan zwei junge Männer, wobei sie sich eines gefährlichen Werkzeugs bedienten und die Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begingen.

1.

Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten und der Mitangeklagte H. seien der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen schuldig, beruht auf einem Rechtsfehler.

Der Generalbundesanwalt hat hierzu unter Anderem ausgeführt:

"Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Kammer, wonach materiellrechtlich zwei Taten vorliegen sollen, jeweils eine zu Lasten jedes der beiden Geschädigten (UA S. 47), hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Ablehnung einer Handlungseinheit allein deshalb, weil die Angeklagten zwei Personen angegriffen und verletzt haben, ist vorliegend nicht zutreffend. Zwar sind höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Menschen einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der Rechtsfigur der natürlichen Handlungseinheit zu Grunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Menschen richten, grundsätzlich weder durch einheitlichen Tatentschluss noch durch engen und situativen Zusammenhang zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Etwas anderes gilt aber dann, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene (st. Rspr., vgl. BGH NJW 1985, 1565 ; NStZ-RR 1998, 233 ; NStZ 2003, 366 [Rn. 5]; 2005, 262 f.; Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 87/09 [BGHR StGB § 232 Konkurrenzen 1]). So liegt es hier. Der Mitangeklagte D. schlug zunächst den Zeugen M. nieder, unmittelbar darauf den Zeugen U. . Von diesem wechselte er zurück zu M. und trat diesem ins Gesicht, während der Angeklagte [K. ] die entsprechende Verletzungshandlung (Tritt ins Gesicht) gegen den Zeugen U. ausführte (UA S. 23). Beide Zeugen durch Schläge und Tritte zu verletzen, war von vorneherein ihr Vorhaben gewesen (UA S. 22). Bei einem derartigen zeitgleichen und wechselweisen Vorgehen, bei dem die Tatbeiträge sich gegenseitig ergänzen, wäre eine Aufspaltung des eng zusammengehörenden Geschehens mit den genannten Grundsätzen nicht vereinbar (vgl. BGH NStZ 1985, 217 ; StV 1990, 544 ; 1998, 72 ; NStZ-RR 1998, 233 ).

[...] Die Sch uldspruchberichtigung ist gemäß § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten H. zu erstrecken, da die unzutreffende konkurrenzrechtliche Bewertung seinen Tatbeitrag gleichermaßen betrifft."

Dem schließt sich der Senat an. Der Schuldspruch war dementsprechend zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagten und der Mitangeklagte H. gegen den geänderten Vorwurf nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.

2.

Die Änderung des Schuldspruchs führt zu einer Aufhebung des jeweiligen Strafausspruchs. Das Landgericht hat bei allen Angeklagten - auch bei den zu einer Jugendstrafe verurteilten Angeklagten K. und H. - zu ihrem Nachteil auf die Begehung zweier Taten abgestellt. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass es bei einer richtigen Bewertung des Konkurrenzverhältnisses zu den Angeklagten günstigeren Sanktionen gelangt wäre.

3.

Da die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen sind, erhält sie der Senat aufrecht (§ 353 Abs. 2 StPO ). Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen allerdings nicht widersprechen dürfen.