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BGH - Entscheidung vom 02.11.2011

XII ZB 458/10

Normen:
RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3, Nr. 3104; ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1
VV-RVG Vorbem. 3 Abs. 3 3. Alt.
VV-RVG Nr. 3104
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1
RVG Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV
RVG VV
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
FamRZ 2012, 110
FF 2012, 43
FuR 2012, 93
AnwBl 2012, 198
FamFR 2012, 36
ZAP 2012, 260
NJW 2011, 8
JurBüro 2012, 137
RENOpraxis 2012, 82
ZAP EN-Nr. 166/2012

BGH, Beschluss vom 02.11.2011 - Aktenzeichen XII ZB 458/10

DRsp Nr. 2015/21215

Anfall der Terminsgebühr i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG in Verfahren mit mündlicher Verhandlung auf Antrag einer Partei

Die in Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG vorgesehene Terminsgebühr kann auch in solchen Verfahren anfallen, in denen eine mündliche Verhandlung für den Fall vorgeschrieben ist, dass eine Partei sie beantragt (in Abgrenzung zu BGH Beschlüsse vom 1. Februar 2007 - V ZB 110/06 - NJW 2007, 1461 Rn. 19 und vom 15. März 2007 - V ZB 170/06 - NJW 2007, 2644 Rn. 7).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München - 11. Zivilsenat, zugleich Familiensenat - vom 27. August 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: bis 900 Euro.

Normenkette:

RVG Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV; RVG VV; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; ZPO § 91 Abs. 2 S. 1;

Gründe

A.

Die Parteien streiten um die Berechtigung einer von der Klägerin beanspruchten Terminsgebühr.

Im Ausgangsverfahren erkannte der Beklagte die auf Trennungs- und Kindesunterhalt gerichtete Klageforderung an. Mit dem antragsgemäß ergangenen Anerkenntnisurteil erlegte das Amtsgericht dem Beklagten auch die Kosten des Rechtsstreits auf.

Auf Antrag der Klägerin hat die Rechtspflegerin für das - gleichzeitig anhängige - Verfahren der einstweiligen Anordnung eine 1,2-Terminsgebühr in Höhe von 631,20 € zuzüglich Mehrwertsteuer im Hinblick auf außergerichtlich geführte Gespräche der Prozessbevollmächtigten zur gütlichen Streitbeilegung festgesetzt.

Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt, nämlich im Mai 2009, eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 9).

I.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen gemäß § 575 ZPO zulässig.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.

1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts, dessen Entscheidung in AGS 2010, 420 veröffentlicht ist, setzt das Entstehen der Terminsgebühr nicht voraus, dass für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Das Amtsgericht habe zu Recht die im Streit stehende Terminsgebühr festgesetzt, da diese nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG (im Folgenden: Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG ) für mindestens ein Telefongespräch zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien angefallen sei. Mit der Einführung der Terminsgebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz habe erreicht werden sollen, dass der Anwalt nach seiner Bestellung in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitrage. Deshalb solle die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an - auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten - Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitgewirkt habe, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung gezielt hätten.

Nummer 3104 Abs. 1 des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG (im Folgenden Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG ), wonach eine Terminsgebühr auch in Fällen entstehen könne, in denen keine mündliche Verhandlung stattgefunden habe, aber in den betreffenden Verfahren vorgeschrieben gewesen sei, enthalte keine Einschränkung der Grundregel der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG , sondern ergänze und erweitere diese auf Fälle, in denen eine mündliche Verhandlung oder Besprechung, ob mit oder ohne Beteiligung des Gerichts, nicht stattgefunden habe. Bei Vorliegen der Voraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG sei die Entstehung einer Terminsgebühr nicht davon abhängig, dass zusätzlich eine der Voraussetzungen der Nr. 3104 VV RVG vorliege. Der gegenteiligen Ansicht des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs schließe sich das Gericht nicht an. Diese widerspreche der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die rasche und einvernehmliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten zu fördern.

Ob das Verfahren der einstweiligen Anordnung gemäß § 644 ZPO wegen der Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, bei unterbliebener Terminierung als Verfahren angesehen werden könne, für das eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sei, könne (daher) in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben.

Durch das Schreiben vom 2. Juli 2009, das ausdrücklich auf ein vorheriges Telefonat Bezug nehme, sei belegt, dass mindestens ein Telefonat zwischen den früheren Prozessbevollmächtigten der Parteien stattgefunden habe und dabei die einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits einschließlich des einstweiligen Anordnungsverfahrens erörtert worden sei.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

Die in Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG vorgesehene Terminsgebühr kann jedenfalls auch in solchen Verfahren anfallen, in denen - wie hier - eine mündliche Verhandlung für den Fall vorgeschrieben ist, dass eine Partei sie beantragt.

Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob die in Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG geregelte Terminsgebühr darüber hinaus auch in Verfahren entstehen kann, in denen eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, kann offen bleiben.

a) Nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung entsteht eine Terminsgebühr nicht, wenn eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und das Gericht durch Beschluss entscheidet (BGH Beschlüsse vom 1. Februar 2007 - V ZB 110/06 - NJW 2007, 1461 Rn. 19 und vom 15. März 2007 - V ZB 170/06 - NJW 2007, 2644 Rn. 7; ähnlich bereits VGH Mannheim NJW 2007, 860 ; dem V. Zivilsenat folgend: KG JurBüro 2008, 473 ; OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1089 f.; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg JurBüro 2009, 426 ). Das gilt auch, wenn sich die Rechtsanwälte der Parteien über die zur Beendigung des Verfahrens abzugebenden Erledigungserklärungen telefonisch abgestimmt haben (BGH aaO).

Dieser Rechtsprechung liegt im Wesentlichen folgende Begründung zugrunde: Die Terminsgebühr wird durch Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG nicht in eine allgemeine Korrespondenzgebühr umgestaltet, die von der Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins vollständig abgekoppelt ist. Das ergibt sich aus der Bezeichnung der Gebühr als Terminsgebühr und aus dem Standort der jeweiligen Gebührentatbestände im Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses, der die Gebühren für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren bestimmt. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Ausweitung dieser Gebühr auf Besprechungen ohne Mitwirkung des Gerichts zur Vermeidung oder zur Erledigung eines Verfahrens verfolgt hat (BGH Beschluss vom 1. Februar 2007 - V ZB 110/06 - NJW 2007, 1461 Rn. 20).

Der Grundsatz, dass eine Terminsgebühr durch ein Gespräch zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Erledigung einer Streitigkeit nicht entstehen kann, wenn für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und das Gericht durch Beschluss entscheidet, gilt nach der Rechtsprechung des V. Zivilsenats nicht nur für den Fall einer außergerichtlichen Besprechung zur Erledigung einer Nichtzulassungsbeschwerde, sondern allgemein. Er ist auch auf das Berufungsverfahren vor einer Terminierung nach § 523 ZPO anzuwenden, obwohl über eine Berufung grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden ist (BGH Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 170/06 - NJW 2007, 2644 Rn. 8). Der Verhandlungsgrundsatz gilt nach dieser Rechtsprechung insoweit nicht, wenn das Berufungsgericht einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die in § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO bezeichneten Voraussetzungen für eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht vorliegen.

b) Diese Auffassung ist in anderen Teilen der Rechtsprechung und in der Literatur auf Kritik gestoßen (OLG Dresden NJW-RR 2008, 1667 , 1668 ff.; OLG München AGS 2011, 213 , 214; FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 5. April 2011 - 13 KO 13326/10 - [...] Rn. 13 ff.; siehe auch LG Köln Beschluss vom 23. August 2010 28 O 522/07 - [...] und OLG Düsseldorf JurBüro 2011, 304 ; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 19. Aufl. VV Vorbem. 3 Rn. 95 ff.; N. Schneider AGS 2010, 421 f.; derselbe NJW spezial 2009, 619 f.; Fölsch MDR 2008, 1 f.; Mayer/Kroiß/Mayer RVG 4. Aufl. Teil 3 Vorbem. 3 Rn. 59 f.; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider 4. Aufl. VV Vorbem. 3 Rn. 137), wobei folgende Bedenken gegen die erstgenannte Auffassung vorgebracht werden:

aa) Dem Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG könne nicht entnommen werden, dass die dort genannten "Besprechungen" nur dann eine Terminsgebühr begründen, wenn das entsprechende Verfahren eine mündliche Verhandlung vorschreibe (so etwa OLG Dresden NJW-RR 2008, 1667 , 1668; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 19. Aufl. VV Vorbem. 3 Rn. 96; N. Schneider AGS 2010, 421 ; Mayer/Kroiß/Mayer RVG 4. Aufl. Teil 3 Vorbem. 3 Rn. 59 f.).

Etwas anderes folge auch nicht aus dem Wortlaut der Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG . Nummer 1 dieser Bestimmung regele vielmehr den Fall, dass bei Wegfall einer an sich vorgesehenen mündlichen Verhandlung unter den dort genannten Voraussetzungen die Terminsgebühr auch dann entstehen könne, wenn der Prozessbevollmächtigte - eben wegen dieses Wegfalls - seinen Mandanten in einem Termin nicht mehr vertreten könne. Dass dieser Tatbestand nichts mit "Besprechungen" im Sinne der Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG zu tun habe, zeige bereits der Umstand, dass nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG für das Entstehen der Terminsgebühr ein Hinwirken auf eine streitlose Erledigung nicht erforderlich sei. Der Gebührentatbestand des Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG wolle vielmehr dem mit der durch die Verlagerung in das schriftliche Verfahren dort entstehenden erhöhten Aufwand Rechnung tragen und den Anreiz für den Anwalt schaffen, dem schriftlichem Verfahren zuzustimmen (so etwa N. Schneider NJW-Spezial 2009, 619 ).

bb) Gegen die erstgenannte Auffassung spreche zudem eine systematische Auslegung.

(1) Ausweislich Nr. 3104 Abs. 4 VV RVG werde eine in einem vorausgegangenen Mahnverfahren oder vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger entstandene Terminsgebühr auf die Terminsgebühr des nachfolgenden Rechtsstreits angerechnet.

(a) Das Mahnverfahren sehe keine mündliche Verhandlung vor (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 19. Aufl. VV Vorbem. 3 Rn. 100). Gleichwohl sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass auch im Mahnverfahren eine Terminsgebühr anfallen könne. Dies habe er ausdrücklich im Gesetzgebungsverfahren zum Zweiten Justizmodernisierungsgesetz bestätigt (BT-Drucks. 16/3038 S. 56; Fölsch MDR 2008, 1 , 2). Als entsprechender Gebührentatbestand komme ausschließlich Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG in Betracht. Das bedeute aber zugleich, dass dieser Tatbestand nicht ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung zur Voraussetzung haben könne.

Soweit hiergegen eingewandt worden sei, mit der Terminsgebühr im Mahnverfahren solle die Vermeidung eines nachfolgenden (gebührenträchtigen) Klageverfahrens honoriert werden (so etwa OVG Berlin-Brandenburg JurBüro 2009, 426 ), stelle dies die oben dargestellte Systematik nicht in Frage. Gemäß § 17 Nr. 2 RVG stellten das Mahnverfahren und das streitige Verfahren verschiedene Angelegenheiten dar. Wäre es dem Gesetzgeber darauf angekommen, eine Terminsgebühr nur für diejenigen Verfahren zu gewähren, die eine mündliche Verhandlung vorsehen, wäre es nicht notwendig gewesen, diesen Grundsatz für das Mahnverfahren - systemwidrig - zu durchbrechen. Denn bezogen auf ein etwaiges Hauptsacheverfahren genüge der Tatbestand der Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG , um -bezogen auf das Hauptsacheverfahren -einen Anreiz zu schaffen, mittels der Terminsgebühr auf eine vorzeitige Erledigung hinzuwirken. Eine gesonderte Terminsgebühr für das Mahnverfahren, die dann nach Nr. 3104 Abs. 4 VV RVG auf die Terminsgebühr des nachfolgenden Rechtsstreits anzurechnen wäre, wäre überflüssig.

(b) Ähnliche Überlegungen wie für das Mahnverfahren gälten auch für das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, das nunmehr in §§ 249 ff. FamFG geregelt sei und gemäß § 17 Nr. 3 RVG bezogen auf das Hauptsacheverfahren ebenfalls eine andere Angelegenheit darstelle. Auch dieses Verfahren sehe als solches keine mündliche Verhandlung vor (N. Schneider NJW-Spezial 2009, 619 , 620), könne aber nach §§ 254 , 255 FamFG (bzw. nach früherem Recht gemäß §§ 650 , 651 ZPO ) - ebenso wie das Mahnverfahren - in ein streitiges Verfahren übergehen. Gleichwohl folge aus Nr. 3104 Abs. 4 VV RVG , dass in diesem Verfahren eine Terminsgebühr entstehen könne, die dann auf das streitige Verfahren (§ 255 FamFG ) anzurechnen wäre.

(2) Hinzu komme, dass der Gesetzgeber auch für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß Nr. 3506 i.V.m. Nr. 3516 VV RVG eine Terminsgebühr vorgesehen habe, obgleich in diesem Verfahren eine mündliche Verhandlung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 128 Abs. 4 ZPO nicht erforderlich sei (Zöller/Heßler ZPO 28. Aufl. § 544 Rn. 12c). Praktisch würde die Terminsgebühr nach der gegenteiligen Auffassung leerlaufen. Denn danach könne sie nur angesetzt werden, wenn ausnahmsweise in dem Verfahren gegen die Nichtzulassung der Revision eine mündliche Verhandlung stattfinde (BGH Beschluss vom 1. Februar 2007 - V ZB 110/06 - NJW 2007, 1461 Rn. 19). Da dies praktisch nie der Fall sei, könnte sie nur bei einer Besprechung i.S. der Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG anfallen (N. Schneider NJW-Spezial 2009, 619 ).

(3) Überdies könne die Terminsgebühr im Sinne der Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG bereits entstehen, wenn der Prozessbevollmächtigte an einem auf die Vermeidung des Verfahrens gerichteten Gespräch mitgewirkt habe, ein Gerichtsverfahren also (noch) nicht anhängig geworden sei (BGH Urteil vom 1. Juli 2010 - IX ZR 198/09 - FamRZ 2010, 1656 Rn. 7). In diesem frühen "Verfahrensstadium" könne jedoch oftmals gar nicht zuverlässig abgesehen werden, welche Verfahrensart der Antragsteller bzw. Kläger überhaupt gewählt hätte, also ob er möglicherweise zunächst im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes einen Beschluss ohne mündliche Verhandlung anstatt eines im Wege der Hauptsache nach mündlicher Verhandlung zu erlassenden Urteils angestrebt hätte.

cc) Daneben sprächen auch die Motive des Gesetzgebers gegen die Annahme, die Terminsgebühr setze voraus, dass das Verfahren eine mündliche Verhandlung vorsehe. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle die Terminsgebühr gegenüber der früheren Verhandlungs- und Erörterungsgebühr auch in ihrem Anwendungsbereich erweitert werden. Der Anwalt solle nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen. Deshalb solle die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirke, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielten (BT-Drucks. 15/1971 S. 209). Den Parteien bleibe durch den vorgeschlagenen erweiterten Anwendungsbereich der Terminsgebühr oft ein langwieriges und kostspieliges Verfahren erspart (BT-Drucks. 15/1971 S. 209). Dies alles zeige, dass es dem Gesetzgeber darum gegangen sei, nicht zwingend eine mündliche Verhandlung zu vermeiden, sondern mit der Terminsgebühr aus Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG den Anreiz dafür zu schaffen, dass die Parteien das Verfahren vermieden oder frühzeitig gütlich abschlössen.

dd) Entsprechendes ergebe eine teleologische Auslegung. Die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG diene - jedenfalls auch - dem Zweck, die Gerichte nicht nur durch das Entfallen mündlicher Verhandlungen, sondern auch dadurch zu entlasten, dass sie keine streitigen Entscheidungen anfertigen müssten (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 5. April 2011 13 KO 13326/10 - [...] Rn. 15; Fölsch MDR 2008, 1 , 2).

Die erstgenannte Auffassung habe jedoch zur Konsequenz, dass vielfach zu Beginn des Verfahrens noch nicht absehbar sei, ob eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG überhaupt entstehen könne. Das wiederum könne dazu führen, dass die Anwälte mit einem auf eine Erledigung zielenden Handeln zuwarten, bis sie Gewissheit darüber hätten, dass dies auch honoriert werde. Dies sei indessen nicht im Sinne des Gesetzes, wonach der Anwalt zu einer möglichst frühen Beendigung des Verfahrens beitragen solle (BT-Drucks. 15/1971 S. 209).

So müsste der Rechtsanwalt, der im Berufungsverfahren die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG verdienen wolle, abwarten, bis sicher sei, dass das Berufungsgericht keine Entscheidung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 Satz 1 ZPO treffen werde (vgl. aber OLG Düsseldorf JurBüro 2011, 304 f., das eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG für - vor einem entsprechenden Hinweisbeschluss erfolgte - Besprechungen bewilligt hat). Eine Frist, nach deren Ablauf er - positiv - damit rechnen könne, dass es bei der für das Berufungsverfahren vorgesehenen mündlichen Verhandlung bleibe, schreibe § 522 ZPO jedoch nicht vor.

Ähnliches ergebe sich für das zweitinstanzliche Verfahren in Familienstreitsachen. Denn gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG könne das Beschwerdegericht von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten seien (s. dazu auch Gerold/Schmidt/ Müller-Rabe RVG 19. Aufl. VV Vorbem. 3 Rn. 106).

3. Ob angesichts der aufgezählten Bedenken der letztgenannten Auffassung der Vorzug zu geben ist, kann hier indes dahinstehen. Denn nach den auf das hier zu beurteilende Verfahren der einstweiligen Anordnung noch anwendbaren Vorschriften des § 644 i.V.m. § 620 b Abs. 2 ZPO ist eine mündliche Verhandlung für den Fall vorgeschrieben, dass eine Partei sie - nach Erlass eines im schriftlichen Verfahren erlassenen Beschlusses - beantragt. Anders als im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO (Zurückweisung der Berufung) und anders als im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde hätten die Parteien im vorliegenden Verfahren damit eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verhindern können (vgl. dazu BGH Beschluss vom 15. März 2007 V ZB 170/06 - NJW 2007, 2644 Rn. 9). Das Verfahren ist insoweit vergleichbar mit dem Mahnverfahren bzw. dem vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, für die der Gesetzgeber die Terminsgebühr ausdrücklich vorgesehen hat. Denn die Parteien haben es über den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens (§ 696 Abs. 1 ZPO bzw. § 255 Abs. 1 FamFG ) auch dort in der Hand, eine mündliche Verhandlung zu erzwingen.

4. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts liegt auch die weitere Voraussetzung für das Entstehen der Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG vor, wonach die Mitwirkung an - auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten - Besprechungen gegeben sein muss (vgl. hierzu Gerold/ Schmidt/Müller-Rabe RVG 19. Aufl. VV Vorbem. 3 Rn. 108). Hierzu hat das Beschwerdegericht ausgeführt, dass mindestens ein Telefonat zwischen dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem früheren Prozessbevollmächtigten des Beklagten stattgefunden habe und dabei die einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits einschließlich des einstweiligen Anordnungsverfahrens erörtert worden sei.

5. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es für die Frage, ob eine Terminsgebühr entstanden ist, nicht darauf an, ob es sich um notwendige Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO handelt. Denn insoweit gilt § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO , wonach die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind. Die Vorschrift bildet insofern eine Ausnahme, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grundsätzlich gebotenen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbindet. Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts gelten "von Rechts wegen als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung" (BGH Beschlüsse vom 4. Februar 2003 XI ZB 21/02 - NJW 2003, 1532 und vom 26. April 2005 - X ZB 17/04 - NJW 2005, 2317 ; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 91 Rn. 19; MünchKommZPO/Giebel 3. Aufl. § 91 Rn. 47 mwN auch zur Gegenauffassung; aA OLG Köln JurBüro 2011, 264 ; HK-ZPO/Gierl 4. Aufl. § 91 Rn. 40).

Vorinstanz: AG München, vom 07.12.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 553 F 4568/09
Vorinstanz: OLG München, vom 27.08.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 11 WF 331/10
Fundstellen
FamRZ 2012, 110
FF 2012, 43
FuR 2012, 93
AnwBl 2012, 198
FamFR 2012, 36
ZAP 2012, 260
NJW 2011, 8
JurBüro 2012, 137
RENOpraxis 2012, 82
ZAP EN-Nr. 166/2012