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BAG - Entscheidung vom 04.05.2011

7 ABR 11/09

Normen:
BetrVG § 99 Abs. 1
BetrVG § 99 Abs. 1

BAG, Beschluss vom 04.05.2011 - Aktenzeichen 7 ABR 11/09

DRsp Nr. 2011/11485

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierung nach ERA-TV

Die Zuordnung von Arbeitnehmern zu Entgeltgruppen des Entgeltrahmen-Tarifvertrags für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 16. September 2003 (ERA-TV) ist eine der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterliegende Ein- oder Umgruppierung.

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2008 - 10 TaBV 88/08 - wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Normenkette:

BetrVG § 99 Abs. 1 ;

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat bei der Zuordnung von Arbeitnehmern zu Entgeltgruppen des Entgeltrahmen-Tarifvertrags für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 16. September 2003 nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen hat.

Die Arbeitgeberin unterhält ua. am Standort N einen Betrieb mit 46 Arbeitnehmern, in dem der zu 2. beteiligte Betriebsrat gebildet ist. Sie wendet in ihrem Betrieb das Tarifwerk für die Beschäftigten in der Metallindustrie Südwürttemberg-Hohenzollern an. Am 16. September 2003 schlossen der Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. - Südwestmetall - und die Industriegewerkschaft Metall den räumlich für das Land Baden-Württemberg einschließlich des Tarifgebiets Südwürttemberg-Hohenzollern geltenden Entgeltrahmen-Tarifvertrag (ERA-TV) sowie den Einführungstarifvertrag zum ERA-TV (ETV-ERA). Nach der Protokollnotiz zu § 2.1.2 ETV-ERA wurde die Einführungsphase für den ERA-TV auf die Zeit vom 1. März 2005 bis 29. Februar 2008 festgelegt. Nach Abschluss der Einführungsphase gilt der ERA-TV verbindlich. Bei der Arbeitgeberin wurde der ERA-TV am 1. Januar 2008 eingeführt.

Der ERA-TV lautet auszugsweise:

"§ 4

Grundsätze der Grundentgeltermittlung

4.1 Grundlage für die Ermittlung des Grundentgeltanspruchs des/der Beschäftigten gemäß § 9.1 ist die eingestufte Arbeitsaufgabe.

4.2 Die Arbeitsaufgabe wird durch die Arbeitsorganisation bestimmt. Sie wird ganzheitlich betrachtet. Zu ihrer Einstufung werden alle übertragenen Teilaufgaben im Rahmen der folgenden Bestimmungen berücksichtigt.

§ 5

Einstufung der Arbeitsaufgabe

5.1 Gegenstand der Bewertung

5.1.1 Gegenstand der Bewertung und Einstufung sind die Anforderungen der entsprechend der betrieblichen Arbeitsorganisation übertragenen Arbeitsaufgabe.

5.1.2 Bei der Bewertung der Arbeitsaufgabe sind alle Teilaufgaben zu berücksichtigen, soweit sie die Arbeitsaufgabe in ihrer Wertigkeit prägen.

5.2 Bewertung und Einstufung der Arbeitsaufgabe

5.2.1 Die Bewertung und Einstufung der Arbeitsaufgabe erfolgt unter Anwendung des im Folgenden dargestellten Stufenwertzahlverfahrens als Methode der Arbeitsbewertung gemäß § 6.

5.2.2 Das Stufenwertzahlverfahren kann unmittelbar (§ 6.4.1) oder in der Form einer Vergleichsbewertung, bezogen auf die tariflichen Niveaubeispiele (§ 6.4.2) oder bezogen auf die betrieblichen Ergänzungsbeispiele (§ 6.4.3), angewendet werden. Bestandteil des Systems der Bewertung und Einstufung ist der im Anhang beigefügte Katalog von tariflichen Niveaubeispielen.

5.2.3 Die Tarifvertragsparteien werden den Katalog der Niveaubeispiele, ausgehend von der technischen und organisatorischen Entwicklung, auf die Notwendigkeit der Aufnahme neuer Beispiele hin überprüfen und eventuell Ergänzungen möglichst unverzüglich vereinbaren.

§ 6

System der Bewertung und Einstufung

6.1 Stufenwertzahlverfahren

6.1.1 Grundlage der Bestimmung des Werts einer Arbeitsaufgabe sind folgende Bewertungsmerkmale für Arbeitsanforderungen (Definition siehe Anlage 1):

1. Wissen und Können

1.1 Anlernen

1.2 Ausbildung und Erfahrung

2. Denken

3. Handlungsspielraum/Verantwortung

4. Kommunikation

5. Mitarbeiterführung

6.1.2 Die Anforderungsniveaus der Bewertungsmerkmale werden durch Stufen differenziert (Anlage 1).

6.1.3 Die Gewichtung der Bewertungsmerkmale und Stufen ergibt sich aus den zugeordneten Punkten (in Anlage 1).

6.1.4 Die Gesamtpunktzahl einer Arbeitsaufgabe ergibt sich aus der Addition der Punkte aus den einzelnen Bewertungsmerkmalen.

6.1.5 Die Gesamtpunktzahl wird wie folgt 17 Entgeltgruppen zugeordnet:

Entgeltgruppe  Gesamtpunktzahl 
...  ... 
17  64 - 96 

6.2 Die tariflichen Niveaubeispiele (Anhang) sind unter Anwendung des Stufenwertzahlverfahrens (§ 6.4.1) gemäß Anlage 1 verbindlich bewertet und eingestuft.

6.3 Belastungen werden außerhalb des Stufenwertzahlverfahrens durch eine Zulage gesondert berücksichtigt (siehe Anlage 2).

6.4 Systemanwendung

Folgende Verfahren sind anwendbar:

6.4.1 Das Stufenwertzahlverfahren nach § 6.1 kann unter Beachtung der Einstufungen der tariflichen Niveaubeispiele zur Bewertung der Arbeitsaufgabe direkt angewendet werden.

Grundlage der Einstufung ist eine Beschreibung der Arbeitsaufgabe.

Auf die Beschreibung kann mit Zustimmung beider Seiten verzichtet werden.

Die Ergebnisse der Bewertung sind mit einer Begründung für jedes Bewertungsmerkmal zu versehen.

6.4.2 Eine Arbeitsaufgabe kann durch Vergleichen mit tariflichen Niveaubeispielen bewertet werden. Die Einstufung der Arbeitsaufgabe erfolgt dabei in Bezug zu einem tariflichen Niveaubeispiel. Eine abweichende Bewertung ist in Bezug auf die Arbeitsaufgabe schriftlich zu begründen.

6.4.3 Unter Beachtung der tariflichen Niveaubeispiele können durch die Paritätische Kommission (§ 7) einvernehmlich betriebliche Ergänzungsbeispiele erstellt werden. Die Zustimmung einer Seite der Paritätischen Kommission kann nicht ersetzt werden.

...

Betriebliche Ergänzungsbeispiele können einvernehmlich durch eine Paritätische Kommission auf Unternehmensebene einheitlich festgelegt werden. Die Mitglieder dieser Paritätischen Kommission werden durch den Gesamtbetriebsrat bzw. durch die Unternehmensleitung bestimmt.

§ 7

Paritätische Kommission

7.1 In den Betrieben wird eine paritätisch besetzte Einstufungs- bzw. Reklamationskommission (im Folgenden: Paritätische Kommission) gebildet (siehe auch § 8).

7.1.1 Die Paritätische Kommission besteht aus je drei Vertretern des Arbeitgebers einerseits sowie der Beschäftigten andererseits. Mindestens ein Vertreter der Beschäftigten muss dem Betriebsrat angehören.

7.1.2 Die Vertreter des Arbeitgebers werden von diesem, die Vertreter der Beschäftigten vom Betriebsrat bestimmt. Beide Seiten benennen eine entsprechende Anzahl von Stellvertretern.

...

7.2 Aufgaben der Paritätischen Kommission

7.2.1 Der Paritätischen Kommission obliegt die

- Einstufung bestehender, aber nicht bewerteter Arbeitsaufgaben,

- Einstufung neu entstehender oder veränderter Arbeitsaufgaben,

soweit dieser Tarifvertrag ihr nicht weitere Aufgaben zuweist.

7.2.2 Sie ist darüber hinaus berechtigt, von Fall zu Fall bestehende Einstufungen zu überprüfen, sofern dargelegt werden kann, dass sich auf Grund veränderter Anforderungen eine Veränderung der Einstufung ergeben könnte.

7.3 Entscheidungsfindung in der Paritätischen Kommission

7.3.1 Der Arbeitgeber übergibt der Paritätischen Kommission zur Vorbereitung der Entscheidung die entsprechenden Unterlagen (§ 6.4) und teilt die vorläufige Einstufung mit.

...

7.3.3 Kommt es in der Paritätischen Kommission zu keiner Einigung, so wird auf Antrag einer Seite je ein sachkundiger stimmberechtigter Vertreter der Tarifvertragsparteien hinzugezogen (erweiterte Paritätische Kommission).

7.3.4 Kommt nach eingehender Beratung in dieser erweiterten Paritätischen Kommission eine einheitliche oder mehrheitliche Meinung nicht zustande, wird auf Antrag einer Seite eine Schiedsstelle gebildet.

...

7.3.5 Der Arbeitgeber kann festlegen, dass die Entscheidung anstatt durch die Schiedsstelle durch Losentscheid in der erweiterten Paritätischen Kommission herbeigeführt wird.

...

7.3.7 Mit der Entscheidung der Paritätischen Kommission nach § 7.3.1, der erweiterten Paritätischen Kommission nach § 7.3.3, der Schiedsstelle nach § 7.3.4 oder der erweiterten Paritätischen Kommission nach § 7.3.5 ist das Einstufungsverfahren abgeschlossen.

Die Entscheidung ist damit verbindlich, sofern nicht - binnen einer Frist von zwei Wochen nach der Entscheidung bzw. dem Vorliegen der Begründung - Arbeitgeber oder Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Feststellung beantragen, dass die Entscheidung unverbindlich ist, weil ein Verfahrensfehler vorliegt oder die Bewertung unter grober Verkennung der Grundsätze in §§ 4 - 6 vorgenommen worden ist.

§ 9

Grundentgeltanspruch der Beschäftigten

9.1 Der Beschäftigte hat Anspruch auf das Grundentgelt derjenigen Entgeltgruppe, die der Einstufung der im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführten Arbeitsaufgabe entspricht.

Protokollnotiz zu § 9.1:

Es besteht Einigkeit, dass der Grundentgeltanspruch des Beschäftigten ausschließlich davon bestimmt ist, wie die Arbeitsaufgabe im betrieblichen Verfahren nach den Bestimmungen des Tarifvertrages bewertet worden ist. Da ein besonderer Eingruppierungsvorgang, also die Zuordnung des Beschäftigten zu einer bestimmten Entgeltgruppe, nicht mehr stattfindet, gehen die Tarifvertragsparteien ebenso übereinstimmend davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Verfahren nach § 99 BetrVG bezüglich einer Eingruppierung/Umgruppierung nicht mehr vorliegen.

9.2 Der Arbeitgeber teilt diese Entgeltgruppe dem Beschäftigten und dem Betriebsrat schriftlich mit. Dem Betriebsrat ist zusätzlich der zu Grunde gelegte Einstufungsvorgang schriftlich mitzuteilen. 9.3 Der gemäß § 9.1 festgestellte Entgeltanspruch bleibt auch dann unverändert, wenn der Beschäftigte während eines ununterbrochenen Zeitraums von bis zu 6 Monaten Arbeitsaufgaben ausführt, die in einer niedrigeren oder höheren Entgeltgruppe eingestuft sind.

...

§ 10

Reklamation

10.1 Beschäftigte oder Betriebsrat können die mitgeteilte Entgeltgruppe (siehe § 9.2) schriftlich beim Arbeitgeber reklamieren. Bei der Reklamation ist schriftlich oder mündlich darzulegen, dass - und aus welchen Gründen - die Entgeltgruppe nicht zutreffend sein soll.

10.2 Nach der Reklamation ist die Entgeltgruppe und ggf. die Einstufung der Arbeitsaufgabe durch den Arbeitgeber zu überprüfen.

Dies soll in der Regel innerhalb von 2 Monaten erfolgen.

Das Ergebnis der Überprüfung ist dem Beschäftigten und dem Betriebsrat unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

10.3 Wird über das Ergebnis der Überprüfung kein Einverständnis erzielt, erfolgt eine weitere Überprüfung der Einstufung in der Paritätischen Kommission (§ 7.1 bzw. § 8.3).

In diesem Fall hat der Arbeitgeber, soweit nicht vorhanden, eine Aufgabenbeschreibung anzufertigen, in der die im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführte Arbeitsaufgabe dargestellt ist. Die entsprechenden Unterlagen gemäß § 6.4 sind der Paritätischen Kommission zu übergeben.

10.4 Kommt es in der Paritätischen Kommission zu keiner Einigung, ist entsprechend § 7.3.3 ff. zu verfahren.

10.5 Führt die Überprüfung zu einer höheren Entgeltgruppe, so gilt diese ab dem Zeitpunkt der Reklamation.

10.6 Führt die Überprüfung zu einer niedrigeren Entgeltgruppe, so gilt diese ab dem Zeitpunkt der verbindlichen Entscheidung.

10.7 Der Beschäftigte kann im Hinblick auf das Ergebnis der Überprüfung den Rechtsweg beschreiten.

Er kann jedoch nur geltend machen, dass ein Verfahrensfehler vorliegt oder die Bewertung unter grober Verkennung der Grundsätze der §§ 4 - 6 vorgenommen worden ist.

..."

Im Rahmen der zum 1. Januar 2008 beabsichtigten Einführung des ERA-TV informierte die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer mit Schreiben vom 28. November 2007 über die Zusammensetzung ihres Entgelts nach dem ERA-TV. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, ihn an den Eingruppierungen der betroffenen 39 Arbeitnehmer zu beteiligen. Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat unter dem 21. Dezember 2007 mit, welchen Aufgabenbeschreibungen die einzelnen Arbeitnehmer der Niederlassung N zugeordnet worden seien. Der Zuordnungsvorgang sei nach dem ERA-TV Aufgabe des Arbeitgebers.

Der Betriebsrat hat in dem von ihm am 13. Februar 2008 eingeleiteten Beschlussverfahren die Auffassung vertreten, dass die Arbeitgeberin die betroffenen 39 Arbeitnehmer durch deren Zuordnung zu bewerteten Arbeitsaufgaben ein- oder umgruppiere. Dabei sei er nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu beteiligen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Betriebsrat zu den bereits von der Arbeitgeberin mit Wirkung vom 1. Januar 2008 durchgeführten Eingruppierungen der Mitarbeiter J B, H B, R D, R E, G F, U K, R L, H M, M M, S P, U S, E S, A S, G V, H W, J A, U A, C B, H D, W W, M D, I D, A E, F E, J A, B J, A K, W K, T Kö, T Ku, W K, F L, G S, J S, K S, R S, A S, T T und W We ordnungsgemäß nach § 99 BetrVG zu beteiligen;

2. die Arbeitgeberin zu verpflichten, im Fall einer Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats beim Arbeitsgericht Mönchengladbach Zustimmungsersetzungsanträge nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Ansicht geäußert, nach den Bestimmungen des ERA-TV finde keine Ein- oder Umgruppierung von Arbeitnehmern mehr statt. Mit dem tariflichen Entgeltsystem werde die Bewertung und Einstufung einer Arbeitsaufgabe abschließend festgelegt. Der dem einzelnen Arbeitnehmer zustehende Grundentgeltanspruch folge automatisch der ihm übertragenen personenunabhängigen Arbeitsaufgabe. Die Arbeitgeberin wende kein Recht an, weil ihr Beurteilungsspielraum auf Null reduziert sei. Für eine Mitbeurteilung des Betriebsrats sei deshalb kein Raum. Ein Kontrollmechanismus unter zwingender Beteiligung des Betriebsrats sei durch das in § 7 ERA-TV geregelte Verfahren vor der Paritätischen Kommission gewährleistet. Das Mitbeurteilungsverfahren des § 99 BetrVG und das Reklamationsverfahren des § 10 ERA-TV könnten nicht nebeneinanderstehen.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin das Ziel der Abweisung der Anträge weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Anträgen des Betriebsrats zu Recht stattgegeben. Auch unter Geltung des ERA-TV finden Ein- und Umgruppierungen von Arbeitnehmern statt, die der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterliegen. Die Arbeitgeberin ist in entsprechender Anwendung von § 101 Satz 1 BetrVG verpflichtet, wegen der Umgruppierungen der betroffenen 39 Arbeitnehmer die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen und im Fall der Zustimmungsverweigerung Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten.

I. Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig.

1. Wie die gebotene Auslegung ergibt, geht es dem Betriebsrat der Sache nach darum, sein Mitbestimmungsrecht bei der von der Arbeitgeberin vorgenommenen Zuordnung der 39 betroffenen Arbeitnehmer zu Entgeltgruppen und Entwicklungsstufen des ERA-TV durchzusetzen. Diese Vorgänge betrachtet der Betriebsrat als nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Eingruppierungen. Die Arbeitgeberin soll zu ihnen die Zustimmung des Betriebsrats einholen und im Fall der beachtlichen - also form- und fristgerechten - Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einleiten.

2. Damit sind die Verfahrensgegenstände hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO . Die Arbeitnehmer, um deren Ein- oder Umgruppierung es gehen soll, sind namentlich bezeichnet. Die Anträge entsprechen den Formulierungen, die das Bundesarbeitsgericht in vergleichbaren Fällen für zulässig und sachdienlich erachtet hat. Ihnen entsprechende Beschlussformeln können nach § 85 Abs. 1 Satz 1, 3 ArbGG iVm. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO vollstreckt werden (vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 35/09 - Rn. 12 mwN).

3. Für die Anträge besteht ein Rechtsschutzbedürfnis. Obwohl die Arbeitgeberin in ihrem an den Betriebsrat gerichteten Schreiben vom 21. Dezember 2007 die Aufgabenbeschreibungen für die Stellen der betroffenen 39 Arbeitnehmer und die Entgeltgruppen nach dem ERA-TV angegeben hat, hat sie damit nicht die Zustimmung des Betriebsrats zu den Ein- oder Umgruppierungen der Arbeitnehmer erbeten. Sie hat vielmehr die Ansicht geäußert, nach den Vorgaben des ERA-TV finde keine mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierung mehr statt. Der Zuordnungsvorgang sei Aufgabe des Arbeitgebers.

II. Die Anträge sind begründet. Der Betriebsrat hat in entsprechender Anwendung von § 101 BetrVG Anspruch darauf, dass die Arbeitgeberin seine Zustimmung zu den Eingruppierungen der betroffenen 39 Arbeitnehmer einholt und im Fall der Verweigerung das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchführt. Der Betriebsrat ist bei der Zuordnung von Arbeitnehmern zu den Entgeltgruppen des ERA-TV zu beteiligen. Bei dieser Zuordnung handelt es sich um Ein- oder Umgruppierungen, bei denen der Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen hat.

1. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Ein- oder Umgruppierung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen. Dem Arbeitgeber kann auf Antrag des Betriebsrats entsprechend § 101 Satz 1 BetrVG die Durchführung des Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG und des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG aufgegeben werden, wenn er einen Arbeitnehmer ein- oder umgruppiert, ohne den Betriebsrat beteiligt zu haben. Der Anspruch dient der Sicherung des Mitbeurteilungsrechts des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen. Er setzt voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgenommen hat (vgl. für die st. Rspr. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 35/09 - Rn. 16 mwN).

a) Eingruppierung ist die erstmalige oder erneute Einreihung, Umgruppierung die Änderung der Einreihung in eine im Betrieb geltende Ver- gütungsordnung durch Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Gruppe der Vergütungsordnung nach Maßgabe der dafür gültigen Kriterien. Eine Umgruppierung kann in der Feststellung bestehen, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Merkmalen der Vergütungsgruppe entspricht, in die er bisher eingruppiert ist, sondern denen einer anderen (vgl. BAG 26. Oktober 2004 - 1 ABR 37/03 - zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 112, 238 ). Anlass für eine Änderung der bisherigen Einreihung kann auch die Änderung des bislang geltenden Vergütungsschemas bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers sein (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 15, BAGE 118, 141 ).

b) Eine Vergütungsordnung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG ist ein kollektives und - jedenfalls bei Geltung nur eines betrieblichen Vergütungssystems - mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltendes Entgeltschema, das eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu einer der Vergütungsgruppen nach bestimmten generell beschriebenen Merkmalen vorsieht (vgl. BAG 8. Dezember 2009 - 1 ABR 66/08 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 613a Nr. 380 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20). Woraus sich die Geltung der Vergütungsordnung ergibt, ist unerheblich. Sie kann in einem Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Anwendung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein (vgl. BAG 14. April 2010 - 7 ABR 91/08 - Rn. 12 mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 44 = EzA BetrVG 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 5; siehe dazu, dass es für die nach § 99 Abs. 1 BetrVG vorzunehmende und mitzubeurteilende Ein- oder Umgruppierung nicht auf die Tarifbindung des einzelnen Arbeitnehmers ankommt, näher BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 10/10 -).

c) Ein- und Umgruppierungen iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind stets personenbezogene Einzelmaßnahmen. Die vom Arbeitgeber vorzunehmende und vom Betriebsrat mitzubeurteilende Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe einer Vergütungsordnung betrifft einzelne Arbeitnehmer. Davon zu unterscheiden sind personenunabhängige Bewertungen von Stellen, Arbeitsplätzen oder Tätigkeiten. Sie können maßgebliche Vorgaben für die Ein- oder Umgruppierung des Arbeitnehmers enthalten, der auf dem bewerteten Arbeitsplatz tätig wird oder die bewertete Tätigkeit ausübt. Die abstrakte Bewertung einer Stelle, eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ist dabei selbst keine der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG unterfallende personelle Einzelmaßnahme. Sie ist unabhängig vom Stellen- oder Arbeitsplatzinhaber oder von demjenigen, der die Tätigkeit ausübt. Gegenstand des als Mitbeurteilungsrecht ausgestalteten Mitbestimmungsrechts ist nicht die Bewertung des Arbeitsplatzes oder der Tätigkeit, sondern die sich daraus ergebende Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer Vergütungs- oder Entgeltgruppe (vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 35/09 - Rn. 18 mwN; 17. November 2010 - 7 ABR 123/09 - Rn. 30 f., NZA 2011, 531 ).

d) Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen reicht nicht weiter als die Notwendigkeit zur Rechtsanwendung durch den Arbeitgeber. Soweit die Urheber der Vergütungsordnung selbst die betreffende Stelle, den Arbeitsplatz oder die Tätigkeit mit bindender Wirkung in ihr abstraktes Vergütungsschema eingereiht, also bewertet haben, ist kein Raum für eine - erneute - Beurteilung des Arbeitsplatzes und eine damit korrespondierende Mitbeurteilung des Betriebsrats (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 26 f., BAGE 118, 141 ). Dass sich die Beurteilung des Arbeitgebers und damit die Mitbeurteilung des Betriebsrats wegen konkretisierter Vorgaben in der Vergütungsordnung reduziert, bedeutet aber nicht, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 1 BetrVG gänzlich entfällt (so auch BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 58, BAGE 130, 286 ). Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist stets "Normenvollzug". Dieser erübrigt sich nicht deswegen, weil die Norm mitbestimmungsfreie konkrete Vorgaben enthält. Eine vom Arbeitgeber vorzunehmende und vom Betriebsrat mitzubeurteilende Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG entfiele allenfalls dann, wenn die Normgeber selbst - die Wirksamkeit einer solchen Regelung unterstellt - konkrete Arbeitnehmer bestimmten Vergütungsoder Entgeltgruppen zuordneten (vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 35/09 - Rn. 19 mwN).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Arbeitgeberin verpflichtet, den Betriebsrat bei der Zuordnung von Arbeitnehmern zu Entgeltgruppen des ERA-TV nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

a) Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Unternehmen in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Sie ist nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden und wendet den ERA-TV in ihrem Betrieb in N als kollektive Vergütungsordnung an.

b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer Entgeltgruppe des ERA-TV eine mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist. Bei den Zuordnungen der im Antrag genannten 39 Arbeitnehmer zu den Entgeltgruppen des ERA-TV handelt es sich um Umgruppierungen.

aa) Die Bestimmungen der §§ 4 bis 7 ERA-TV sind dahin zu verstehen, dass die Tarifvertragsparteien ein abschließendes tarifliches Konzept für die Bewertung von Arbeitsaufgaben geregelt haben. Nach § 4.1 ERA-TV ist Grundlage für die Ermittlung des Grundentgeltanspruchs des/der Beschäftigten gemäß § 9.1 ERA-TV die eingestufte Arbeitsaufgabe. Sie wird nach § 4.2 Satz 1 ERA-TV durch die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers bestimmt und nach § 4.2 Satz 2 ERA-TV ganzheitlich betrachtet. Nach § 5.1.1 ERA-TV sind Gegenstand der Bewertung und Einstufung die Anforderungen der entsprechend der betrieblichen Arbeitsorganisation übertragenen Arbeitsaufgabe. Nach § 5.1.2 ERA-TV sind bei der Bewertung alle wertigkeitsprägenden Teilaufgaben zu berücksichtigen. Als System der Arbeitsaufgabenbewertung sieht der ERA-TV das sog. Stufenwertzahlverfahren vor. Das Verfahren basiert auf den fünf angeführten und in der Anlage 1 zum ERA-TV näher definierten Bewertungsmerkmalen, deren Anforderungsniveaus durch Stufeneinteilungen differenziert sind. Die Gewichtung der Bewertungsmerkmale und Stufen wird durch zugeordnete Punkte vorgenommen. Die Gesamtpunktzahl wird 17 Entgeltgruppen zugeordnet, vgl. § 6 ERA-TV. Das Stufenwertzahlverfahren kann unmittelbar (§ 6.4.1 ERA-TV) oder in Form einer Vergleichsbewertung - bezogen auf die in einem Anhang aufgelisteten 122 tariflichen Niveaubeispiele (§ 6.4.2 ERA-TV) oder bezogen auf von der Paritätischen Kommission, ggf. auf Unternehmensebene erstellte betriebliche Ergänzungsbeispiele (§ 6.4.3 ERATV) - angewandt werden (§ 5.2.2 ERA-TV). Die Einstufung der Arbeitsaufgabe nach einem der drei Systemanwendungen erfolgt zunächst vorläufig durch den Arbeitgeber und dann - soweit nicht in kleineren Betrieben das vereinfachte Einstufungsverfahren zur Anwendung kommt - durch die Paritätische Kommission in einem näher geregelten Verfahren (hierzu § 7.3 ERA-TV) mit diversen Eskalationsstufen, an deren Ende ggf. ein Losentscheid stehen kann (§ 7.3.5 ERA-TV). Sie unterliegt schon deshalb nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG , weil sie als abstrakte Bewertung unabhängig von demjenigen ist, der die Arbeitsaufgabe ausübt. Die Einstufung der Arbeitsaufgabe ist keine personelle Einzelmaßnahme (vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 35/09 - Rn. 24).

bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch richtig angenommen, dass die Zuordnungen der Arbeitnehmer, die die Aufgaben versehen, zu Entgeltgruppen des ERA-TV mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierungen sind. Die Bewertung der Arbeitsaufgaben nach dem ERA-TV macht die Zuordnung des einzelnen Arbeitnehmers zu einer Entgeltgruppe nicht entbehrlich. Insbesondere bleibt zu prüfen, ob die Entgeltgruppe, der der einzelne Arbeitnehmer zugeordnet wird, der bewerteten und eingestuften Arbeitsaufgabe entspricht und ob der Arbeitnehmer die Arbeitsaufgabe tatsächlich ausführt. Die vom Arbeitgeber vorzunehmende und vom Betriebsrat zu kontrollierende Beurteilung ist keine grundlegend andere als bei einem Entgelttarifvertrag, der bestimmte Stellen bestimmten Entgeltgruppen zuordnet oder der bei Vergütungsgruppen, die durch abstrakt beschriebene Tätigkeitsmerkmale definiert werden, bestimmte Tätigkeitsbeispiele aufführt (vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 35/09 - Rn. 25).

(1) Nach § 9.2 Satz 1 ERA-TV teilt der Arbeitgeber dem Beschäftigten und dem Betriebsrat die aus seiner Sicht zutreffende Entgeltgruppe schriftlich mit. Das setzt zwingend die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer Entgeltgruppe sowie die damit einhergehende Einschätzung voraus, dass der Arbeitnehmer die einer bestimmten Einstufung entsprechende Arbeitsaufgabe ausführt. Darin liegt die mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierungs"entscheidung" des Arbeitgebers.

(2) Mit ihrer Argumentation, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 99 BetrVG seien nicht erfüllt, weil vom Arbeitgeber im tariflichen Verfahren kein Recht anzuwenden, sondern Recht zu gestalten sei, übersieht die Arbeitgeberin, dass die Ein- oder Umgruppierung kein gestaltender "Akt" oder "Vorgang" ist, sondern Normenvollzug. Der Arbeitnehmer "ist" eingruppiert. Er "wird" nicht eingruppiert. Der Arbeitgeber äußert auch unter Geltung des ERA-TV seine Ansicht der "richtigen" Entgeltgruppe des Arbeitnehmers. Das unterliegt der Mitbeurteilung durch den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG (vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 35/09 - Rn. 27). Auf die Verfahrensrüge der Arbeitgeberin, das Landesarbeitsgericht habe ihren entsprechenden Vortrag übergangen, kommt es deswegen aus materiell-rechtlichen Gründen nicht an. Entsprechendes gilt für die im Zusammenhang mit der gegenwartsbezogenen Betrachtung sowie dem außergerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten erhobenen formellen Rügen der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und des rechtlichen Gehörs.

(3) Auch der Hinweis der Arbeitgeberin, nach § 9.1 ERA-TV werde dem Arbeitnehmer rechtsgestaltend eine eingestufte Arbeitsaufgabe übertragen, dem dann sein Grundentgeltanspruch folge, steht einem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats nicht entgegen. Der Grundentgeltanspruch setzt nach § 9.1 ERA-TV die Übertragung einer eingestuften Arbeitsaufgabe im Sinne einer rechtsgestaltenden Maßnahme des Arbeitgebers voraus. Einer bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet ist aber nach § 9.1 ERA-TV "der Beschäftigte". Dieser hat Anspruch auf das Grundentgelt einer bestimmten Entgeltgruppe. Dass sich die Bewertung durch den Arbeitgeber darauf beschränkt zu befinden, welche - nach den tariflichen Regelungen abschließend - bewertete Arbeitsaufgabe der Beschäftigte ausführt, macht eine Rechtsanwendung nicht überflüssig. Diese Bewertung ist gerade die der Mitbestimmung unterliegende Rechtsanwendung (vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 35/09 - Rn. 28).

(4) Die Zuordnungen der vom Antrag erfassten 39 Arbeitnehmer zu den Entgeltgruppen des ERA-TV sind Umgruppierungen iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG . Die veränderten Einreihungen beruhen auf der Änderung des bislang geltenden tariflichen Vergütungsschemas durch die Einführung des ERA-TV. Die Tätigkeiten der Arbeitnehmer blieben unverändert.

c) Die Tarifvertragsparteien haben das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Ein- oder Umgruppierungen nicht beseitigt. Ein solcher Regelungswille ist weder Abs. 2 der Protokollnotiz zu § 9.1 ERA-TV noch § 10 ERA-TV zu entnehmen. Sonst wären die genannten Regelungen unwirksam. Das Betriebsverfassungsgesetz enthält Mindestbestimmungen über die Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Die Tarifvertragsparteien können diese Rechte nicht wirksam ausschließen, sofern nicht das Betriebsverfassungsgesetz selbst eine solche Möglichkeit - etwa nach Maßgabe des § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG - vorsieht (vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 35/09 - Rn. 29 mwN). Eine tarifliche Regelung, die die Mitbestimmung des Betriebsrats ausschlösse, wäre daher - jedenfalls dann, wenn die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag die Eingruppierung der einzelnen Arbeitnehmer nicht selbst konkret vornähmen - unwirksam. Es ist nicht anzunehmen, dass die Parteien des ERA-TV unwirksame Regelungen schaffen wollten. Abs. 2 der Protokollnotiz zu § 9.1 ERA-TV und § 10 ERA-TV sind nach dem Grundsatz der geltungserhaltenden Interpretation auszulegen.

aa) Bei der übereinstimmenden Bekundung der Tarifvertragsparteien in Abs. 2 der Protokollnotiz zu § 9 .1 ERA-TV, "dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Verfahren nach § 99 BetrVG bezüglich einer Eingruppierung/Umgruppierung nicht mehr vorliegen", handelt es sich demnach lediglich um die Äußerung einer - unzutreffenden - Rechtsansicht. Die Protokollnotiz gibt insgesamt eine Auffassung wieder und drückt keinen rechtlichen Gestaltungswillen aus.

bb) Auch das Reklamationsverfahren des § 10 ERA-TV schließt die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bei Ein- und Umgruppierungen nicht aus. Es regelt vielmehr ein neben der gesetzlichen Mitbestimmung bestehendes Verfahren im Fall der schriftlichen Reklamation durch den Arbeitnehmer oder den Betriebsrat, die sich auf die mitgeteilte Entgeltgruppe bezieht. Die erfolgreiche Reklamation der Einstufung der Arbeitsaufgabe kann Auswirkungen auf die richtige Eingruppierung des Arbeitnehmers haben. Sie ersetzt die vom Arbeitgeber vorzunehmende Ein- oder Umgruppierung jedoch nicht.

d) Die Annahme eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats aus § 99 Abs. 1 BetrVG führt schließlich entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht zu einem unzulässigen Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG verbürgte Tarifautonomie. Die Tarifvertragsparteien haben bestimmt, dass und wie die Arbeitsaufgaben abschließend und verbindlich eingestuft und bewertet werden. Daran sind die Betriebsparteien gebunden. Eine Richtigkeitskontrolle der Einstufung und Bewertung der Arbeitsaufgaben findet im Mitbestimmungsverfahren des § 99 BetrVG nicht statt. Die rechtsanwendende Beurteilung der Betriebsparteien ist auf die Frage beschränkt, ob die mitgeteilte Entgeltgruppe der bewerteten und eingestuften Arbeitsaufgabe entspricht und ob der Arbeitnehmer die Arbeitsaufgabe tatsächlich ausführt. Hier bedeutet das, dass der Betriebsrat bei der Zuordnung der betroffenen 39 Arbeitnehmer zu den Entgeltgruppen des ERA-TV zu beteiligen ist. Er könnte eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 BetrVG aber nicht darauf stützen, die Einstufung und die Bewertung der den Arbeitnehmern übertragenen Arbeitsaufgaben nach den Entgeltgruppen seien unzutreffend.

Hinweis des Senats:

Parallelsache zu - 7 ABR 35/09 -

Vorinstanz: LAG Düsseldorf, vom 19.12.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 10 TaBV 88/08
Vorinstanz: ArbG Mönchengladbach, vom 18.04.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 7 BV 43/08