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BVerwG - Entscheidung vom 23.06.2010

3 B 89.09

Normen:
GG Art. 4 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1 S. 1
GG Art. 20a
BJagdG § 1 Abs. 1 S. 2
BJagdG § 7
BJagdG § 21

BVerwG, Beschluss vom 23.06.2010 - Aktenzeichen 3 B 89.09

DRsp Nr. 2010/14782

Vereinbarkeit der sich aus dem Eigentum an einem Eigenjagdrevier für einen Grundstückseigentümer ergebenden Jagdpflicht mit der Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG ; Vorliegen besonderer Umstände als Voraussetzung für eine Erteilung einer Zustimmung zum Ruhen der Jagd

Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. September 2009 werden zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/6.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 4 Abs. 1 ; GG Art. 14 Abs. 1 S. 1; GG Art. 20a ; BJagdG § 1 Abs. 1 S. 2; BJagdG § 7 ; BJagdG § 21 ;

Gründe

Die Kläger wenden sich aus weltanschaulich-religiösen Gründen gegen die Verpflichtung zur Jagd im Eigenjagdrevier der Klägerin zu 1. Diese ist eine GmbH & Co. KG, deren Grundstücke das Eigenjagdrevier bilden. Die Kläger zu 2 und 3 sind Gesellschafter der GmbH, die Kläger zu 4 bis 6 Kommanditisten und zugleich Geschäftsführer der GmbH. Ihr Antrag bei der Jagdbehörde, die Zustimmung zum zehnjährigen Ruhen der Jagd im Eigenjagdrevier der Klägerin zu 1 gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayJG zu erteilen, wurde abgelehnt, Klage und Berufung blieben erfolglos. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klagen der Kläger zu 2 bis 6 seien unzulässig. Ihnen fehle die Klagebefugnis, weil ihnen weder das Jagdrecht im Eigenjagdrevier noch ein Nutzungsrecht hieran zustehe. Ihrer im Verhältnis zur Klägerin zu 1 mittelbaren Betroffenheit könnten sie mithilfe ihrer Rechte aus dem Gesellschaftsvertrag ausreichend Geltung verschaffen. Die Klage der Klägerin zu 1 sei unbegründet, weil es keinen Anspruch auf Zustimmung zum Ruhen der Jagd oder auf Befreiung in sonstiger Weise von der Verpflichtung zu jagdlichen Maßnahmen gebe, die von der Jagdbehörde auf gesetzlicher Grundlage im öffentlichen Interesse angeordnet würden. Der Schutz des Grundeigentums und der Schutz der Gewissensfreiheit durch das Grundgesetz sowie durch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 einschließlich der Zusatzprotokolle stünden solchen Verpflichtungen nicht entgegen.

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs haben keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegen die geltend gemachten Verfahrensfehler vor.

1.

Die Beschwerden der Kläger zu 2 bis 6 zeigen mit der auf die Begründetheit der Klage zielenden Rechtsfrage, ob der Inhaber eines Eigenjagdreviers aus Gewissensgründen Befreiung von der Jagdpflicht verlangen kann, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO schon deshalb nicht auf, weil im Berufungsurteil die Abweisung ihrer Klagen als unzulässig bestätigt worden ist. Den einschlägigen Gründen des angefochtenen Beschlusses sind die Kläger im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten.

2.

Die Beschwerde der Klägerin zu 1 - im Folgenden: Klägerin - ergibt hinsichtlich der genannten Frage ebenfalls keine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit, denn sie lässt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz und der bereits ergangenen Rechtsprechung beantworten.

a)

Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 Satz 2, § 7 und § 21 BJagdG die grundsätzliche Jagdpflicht des Inhabers eines Eigenjagdreviers vorgesehen. Diese Vorschriften verstoßen, wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ergibt, nicht gegen höherrangiges Recht und sind insbesondere mit der in Art. 4 Abs. 1 GG gewährleisteten Gewissensfreiheit vereinbar.

Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet dem Einzelnen - über das Bilden und Haben einer Gewissensüberzeugung hinaus - das Recht, Leben und Lebensführung in Übereinstimmung mit der eigenen Gewissensüberzeugung zu gestalten (Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - BVerwGE 127, 302 <327> = Buchholz 236.1 § 11 SG Nr. 1 S. 20 f. m.w.N.).

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin, die nach der Auffassung des Berufungsgerichts auch als juristische Person Trägerin der Gewissensfreiheit sein kann, sich hier auf eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs dieses Grundrechts berufen kann. Die Klägerin oder die für sie handelnden Personen müssen die Jagd nicht höchstpersönlich ausüben und werden daher nicht gezwungen, selbst Tiere zu töten oder an einer Tötung durch Dritte mitzuwirken. Eine solche Mitwirkung kann nicht bereits darin gesehen werden, dass die Tötung durch Dritte auf ihrem Grund und Boden rechtlich möglich ist. Die jagdrechtlichen Vorschriften fordern ihr abgesehen von der gegebenenfalls im Wege des Verwaltungszwangs zu ersetzenden Beauftragung eines Jägers oder der Übertragung des Jagdausübungsrechts durch Verpachtung ihrer Flächen kein bestimmtes Verhalten ab (vgl. Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 3 C 31.04 - Buchholz 451.16 § 9 BJagdG Nr. 8 = NVwZ 2006, 92 ; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - III ZR 10/05 - NJW 2006, 984 <986>).

Die Rechtsmacht der Klägerin - verstanden als die rechtliche Möglichkeit, das Jagdausübungsrecht, dem zugleich eine Jagdpflicht korrespondiert, in ihrem Eigenjagdbezirk ruhen zu lassen - reicht entgegen ihrer Auffassung nur so weit, wie die Bestimmungsmacht über ihren Grund und Boden. Nach den Vorschriften des Bundesjagdgesetzes umfasst ihr Grundeigentum grundsätzlich nicht die Befugnis, die Verwirklichung des daran anknüpfenden Jagdausübungsrechts rein tatsächlich zu unterlassen (vgl. Lorz, BJagdG , 2. Aufl. 1991, § 10 Anm. 4). Vielmehr ist sie als Eigentümerin von Grundstücksflächen, die zu einem Eigenjagdrevier gehören, zur Ausübung der Jagd bzw. zur Übertragung des Jagdausübungsrechts - etwa im Wege der Verpachtung ihrer Flächen - ebenso verpflichtet wie die Eigentümer kleinerer Jagdbezirke verpflichtet sind, sich in Jagdgenossenschaften zusammenzuschließen und die Jagd auszuüben bzw. ausüben zu lassen (vgl. Urteil vom 14. April 2005 a.a.O.; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 a.a.O. S. 985 f.).

Selbst wenn man von einer Schutzbereichsbeeinträchtigung ausginge, wäre zu beachten, dass die Gewissensentscheidung der Klägerin von vornherein in Beziehung zu den Rechten anderer steht. Aus der Gewissensfreiheit kann niemand das Recht herleiten, dass seine Überzeugung zum Maßstab der Gültigkeit genereller Rechtsnormen oder ihrer Anwendung gemacht wird (BVerfG, Beschlüsse vom 18. April 1984 - 1 BvL 43/81 - BVerfGE 67, 26 <37> und vom 13. Dezember 2006 - 1 BvR 2084/05 - NVwZ 2007, 808 <810>). Die Gewissensentscheidung eines Eigentümers hat nicht zwingend einen höheren Rang als die Grundrechtsausübung anderer Berechtigter. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Jagdberechtigten bei der Ausübung ihres Jagdrechts aufeinander angewiesen sind, weil sich das Wild naturgemäß nicht an die vom Menschen festgelegten Grundstücksgrenzen hält. Die Jagd wird zwar in jedem Eigenjagdrevier selbständig ausgeübt, die Ziele des Bundesjagdgesetzes können aber nur im Verbund mit den benachbarten Revieren gemeinschaftlich verwirklicht werden.

Art. 4 Abs. 1 GG steht zwar nicht unter Gesetzesvorbehalt; Schranken der Gewissensfreiheit ergeben sich jedoch durch kollidierende Verfassungsgüter. Die Regelungen zur Jagdausübung durch Eigentümer von Grundstücksflächen, die zu einem Eigenjagdrevier gehören, dienen auch dem Schutz des in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Eigentums vor Wildschäden und der grundstücksübergreifenden Ordnung der Eigentümerrechte im Hinblick auf die Jagd. Sie verwirklichen zudem den in Art. 20a GG niedergelegten Verfassungsauftrag zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Es handelt sich dabei um die gleichen auf verfassungsrechtliche Wertentscheidungen rückführbaren Ziele des Jagdrechts, die auch die jagdrechtliche Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundeigentums rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 2006 a.a.O. S. 810).

Würde das Grundstück der Klägerin aus dem bestehenden Verbund der Jagdbezirke herausgenommen, wäre die Durchsetzung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele ernstlich infrage gestellt. Andere Grundstückseigentümer, die sich auf dieselben Gewissensgründe berufen wie die Klägerin, könnten ebenfalls beanspruchen, von den jagdrechtlichen Pflichten befreit zu werden. Dies hätte zur Folge, dass die aus guten, ebenfalls verfassungsrechtlich legitimierten Gründen geregelte grundstücksübergreifende Eigentums- und Hegeordnung nicht mehr zu verwirklichen wäre. Deshalb kommt eine Zustimmung zum Ruhen der Jagd auch nur unter ganz besonderen Umständen, beispielsweise bei völliger Vernichtung eines Wildbestandes in Betracht (Lorz, a.a.O.).

b)

Eine andere Wertung ergibt sich nicht aus der Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle sind in der deutschen Rechtsordnung aufgrund ihres Ranges in der Normenhierarchie kein unmittelbarer Prüfungsmaßstab (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG , § 90 Abs. 1 BVerfGG ). Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind - im Range eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. März 1987 - 2 BvR 589/79 u.a. - BVerfGE 74, 358 <370>, vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254/88 u.a. - BVerfGE 82, 106 <120> und vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 <316 f.>). Die Gewährleistungen der Konvention beeinflussen jedoch die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen insoweit als Auslegungshilfen, sofern dies nicht zu einer - von der Konvention selbst nicht gewollten (vgl. Art. 53 EMRK ) - Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. März 1987 a.a.O und vom 14. Oktober 2004 a.a.O., vom 14. November 1990 - 2 BvR 1462/87 - BVerfGE 83, 119 <128> und vom 20. Dezember 2000 - 2 BvR 591/00 - NJW 2001, 2245 <2246>).

Sind Entscheidungen des Gerichtshofs einschlägig - hier zur Konventionswidrigkeit der Zwangsmitgliedschaft in einem französischen Jagdverband (vgl. Urteil vom 29. April 1999 - 25088/94, 28331/95 und 28443/95 - Chassagnou u.a./Frankreich, NJW 1999, 3695) und der Zwangseinbringung eines Grundstücks in eine Jagdgenossenschaft (vgl. Urteil vom 10. Juli 2007 - 2113/04 - Schneider/Luxemburg, NuR 2008, 489) -, so sind grundsätzlich die vom Gerichtshof in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte in die verfassungsrechtliche Würdigung, namentlich die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen, und es hat eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen Abwägungsergebnissen stattzufinden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 2004 - 2 BvR 1570/03 - NVwZ 2004, 852 <853>). Die im Verfahren der französischen Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob die Verpflichtung eines die Jagd aus ethischen Gründen ablehnenden Grundeigentümers, Jagdhandlungen zu dulden, gegen die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 EMRK verstößt, hat der Gerichtshof offengelassen, weil es darauf wegen der bereits festgestellten Verstöße gegen andere Vorschriften der EMRK nicht mehr ankam (Urteil vom 29. April 1999 a.a.O. Rn. 122 ff., 125). Auch in der Sache der luxemburgischen Klägerin hat der Gerichtshof Art. 9 Abs. 1 EMRK nicht als Prüfungsmaßstab herangezogen. Er hat der Gewissensfreiheit allerdings insofern Bedeutung beigemessen, als er ausführt, eine Kleingrundbesitzerin zu zwingen, ihr Jagdrecht auf ihrem Grundstück in eine Jagdgenossenschaft einzubringen, damit Dritte einen ihren Überzeugungen vollkommen entgegenstehenden Gebrauch davon machen könnten, erweise sich als unverhältnismäßige Belastung, die in Anbetracht von Art. 1 Abs. 2 ZP Nr. 1 nicht gerechtfertigt sei (Urteil vom 10. Juli 2007 a.a.O. Rn. 51). Aus demselben Grunde hat der Gerichtshof auch auf eine Verletzung des Art. 11 EMRK erkannt (a.a.O. Rn. 82). Allerdings steht - wie das Berufungsgericht zutreffend herausgearbeitet hat - in den Ausführungen des Gerichtshofs in beiden Verfahren die Überzeugung im Vordergrund, dass die französischen und luxemburgischen Jagdsysteme nicht hinreichend auf das öffentliche Interesse ausgerichtet seien. Daher lässt sich die Auffassung, auch bei konsequenter Verfolgung öffentlicher Interessen, wie sie dem deutschen Jagdrecht zugrunde liegt, sei eine Jagdausübung im Widerspruch zur Gewissensfreiheit des Grundstückseigentümers nicht gerechtfertigt, den Entscheidungen des Gerichtshofs gerade nicht entnehmen.

Abgesehen davon wäre ein - unterstellter - Eingriff in die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 EMRK erkennbar gerechtfertigt, wenn er öffentlichen Interessen einschließlich der öffentlichen Ordnung oder dem Ausgleich mit konkurrierenden Konventionsinteressen anderer dient (Art. 9 Abs. 2 EMRK ). Insofern führt die Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs - wie auch das Berufungsgericht zutreffend ohne Rechtsverletzung angenommen hat - zu keinem anderen Ergebnis als die Prüfung am Maßstab des Grundgesetzes.

3.

Auch die Verfahrensrügen der Klägerin bleiben ohne Erfolg.

a)

Die Rüge mangelnder Sachaufklärung greift nicht durch.

Die Klägerin vermisst die Einholung sachverständiger Stellungnahmen zu den Fragen der natürlichen Populationsregulierung und der Beeinträchtigung der Schutzziele und Interessen nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 , 2 und 4 BayJG im Falle der von ihr erstrebten zehnjährigen Jagdruhe sowie zu den Auswirkungen jagdfreier Gebiete auf die ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft. Die Klägerin hat jedoch nicht das prozessual Gebotene unternommen, das Oberverwaltungsgericht zu einer solchen Beweiserhebung zu veranlassen, sodass ihr die Rüge mangelhafter Sachaufklärung versperrt ist. Zwar war es ihr wegen des vom Gericht gewählten Beschlussverfahrens nach § 130a VwGO nicht möglich, den zur Wahrung des Rügerechts grundsätzlich erforderlichen förmlichen Beweisantrag zu stellen (stRspr; Beschluss vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447 <449> m.w.N.; insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 406.25 § 43 BlmSchG Nr. 22). Sie hätte jedoch darauf hinwirken müssen, einen solchen Beweisantrag stellen zu können, indem sie auf die gerichtliche Anhörung nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung unter ausdrücklichem Hinweis auf den beabsichtigten Beweisantrag widersprochen hätte (Beschluss vom 30. Oktober 2007 - BVerwG 5 B 157.07 - [...] <Rn. 12>). Einen solchen Hinweis enthielt ihr Schreiben, mit dem sie sich dem angekündigten schriftlichen Verfahren "widersetzt" hat, nicht.

Das Beschwerdevorbringen ergibt auch nicht, dass sich dem Berufungsgericht weitere Ermittlungen aufdrängen mussten. Mit den Beweisanregungen der Klägerin hat sich das Berufungsgericht auseinandergesetzt und begründet, warum es von weiteren Ermittlungen absieht. Dem Gericht lagen zu den von der Klägerin angesprochenen Fragen fachkundige Aussagen vor, auf die es sich gestützt hat. Dass diese Aussagen als Entscheidungsgrundlage ungeeignet waren, legt die Klägerin nicht dar. Dazu genügt es nicht, auf Gutachter und Aufsätze mit abweichenden Meinungen hinzuweisen. Vielmehr ist erforderlich, im Einzelnen herauszuarbeiten, inwiefern dadurch die vom Gericht herangezogenen Hegerichtlinien und die Stellungnahme des Veterinäramtes fehlerhaft sind oder zumindest infrage gestellt werden. Daran fehlt es; insbesondere werden die behaupteten Widersprüche in den behördlichen Stellungnahmen nicht den Darlegungsanforderungen genügend aufgezeigt.

b)

Eine Verletzung der Begründungspflicht (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO ), die die Klägerin in einer vermeintlich unzureichenden Würdigung ihrer Auffassung zur Selbstregulierung des Wildbestandes sieht, ist daher ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Abgesehen davon ist eine fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen und vom Revisionsgericht nur auf die Einhaltung allgemein gültiger Würdigungsgrundsätze hin zu überprüfen (stRspr; Beschluss vom 20. Mai 2003 - BVerwG 3 B 37.03 - [...] Rn. 8 ff.). Dass diese Grundsätze hier verletzt sind, ist nicht ersichtlich.

c)

Soweit die Klägerin einen Verfahrensfehler daraus ableiten möchte, dass das Berufungsgericht das Verfahren nicht gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen hat, weil ihre Befangenheitsanträge gegen Mitglieder des Verwaltungsgerichts "willkürlich" abgelehnt worden seien, übersieht sie, dass Beschlüsse des Verwaltungsgerichts über die Ablehnung von Gerichtspersonen gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 512 ZPO nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegen (Beschluss vom 21. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 66.04 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 65). Zwar ist hiervon eine Ausnahme zu machen, wenn eine gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßende, auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruhende Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs geltend gemacht wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Dezember 2007 - 1 BvR 1273/07 - NVwZ-RR 2008, 289 ; BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 a.a.O. und Urteil vom 16. April 1997 - BVerwG 6 C 9.95 - NJW 1998, 323 <324 f.>). Eine willkürliche Zurückweisung liegt hier aber nicht vor. Allein der Umstand, dass Mitglieder der Kammer in ihrer Freizeit der Jagd nachgehen, begründet keine Besorgnis der Befangenheit. Es darf von einem Richter grundsätzlich erwartet werden, dass er sich bei seiner rechtlichen Überzeugungsbildung nicht von privaten Einstellungen leiten lässt. Dass besondere Umstände hinzugetreten wären, aus denen sich Zweifel an der Objektivität der Richter ergeben hätten, macht die Klägerin nicht geltend.

d)

Das Absehen des Berufungsgerichts von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 130a VwGO war weder ermessensfehlerhaft noch liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 EMRK .

Das Berufungsgericht hat bei der Entscheidung über die Anwendung von § 130a VwGO ein weites Ermessen. Das Revisionsgericht kann - auch unter Berücksichtigung der Gewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK - nur überprüfen, ob das Berufungsgericht dessen Grenzen überschritten hat. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist nur zu beanstanden, wenn er auf sachfremden Erwägungen oder auf grober Fehleinschätzung beruht. Eine Entscheidung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO scheidet jedenfalls dann aus, wenn die Rechtssache außergewöhnlich große Schwierigkeiten in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht aufweist (Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <212 ff.> = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 64 S. 52 ff.). Indes liegen hier außergewöhnliche Schwierigkeiten in rechtlicher Hinsicht wegen der bereits ergangenen Entscheidungen des Senats und des Bundesverfassungsgerichts nicht vor. Dass der Fall in tatsächlicher Hinsicht solche Schwierigkeiten aufwirft, hat die Klägerin nicht aufgezeigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 , § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO , die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 39 Abs. 1 , § 52 Abs. 1 und 2 GKG .

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 09.11.2009 - Vorinstanzaktenzeichen VGH