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BVerwG - Entscheidung vom 19.07.2010

2 B 114.09

Normen:
GG Art. 33 Abs. 2

BVerwG, Beschluss vom 19.07.2010 - Aktenzeichen 2 B 114.09

DRsp Nr. 2010/14768

Schadenersatz wegen unterbliebener bzw. verspäteter Beförderung eines Beamten; Rechtmäßigkeit einer Auswahlentscheidung bei Außerachtlassung eines dem Dienstherrn eingeräumten Entscheidungsspielraums hinsichtlich der fehlenden Berücksichtigung von Differenzierungskriterien

Schadensersatz wegen unterbliebener bzw. verspäteter Beförderung infolge einer Pflichtverletzung bei der Auswahlentscheidung kommt nur in Betracht, wenn feststeht, dass im Falle der rechtmäßigen Auswahl kein anderer Bewerber dem Betroffenen hätte vorgezogen werden dürfen.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis 3 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 33 Abs. 2 ;

Gründe

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

1.

Der 2002 beförderte Kläger begehrt Schadensersatz wegen unterlassener Beförderung in 2001. Seinerzeit waren insgesamt 16 Beförderungsstellen zu besetzen gewesen. Die Auswahl sollte nach der aktuellen Beurteilung erfolgen, Hilfskriterien waren das Dienstalter, sodann die Verweildauer im Polizei- oder Verwaltungsdienst und schließlich das Lebensalter. Zur Förderung der weiblichen Bewerberinnen wurde deren allgemeines Dienstalter fiktiv um zehn Jahre erhöht.

Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war der Rechtsverstoß nicht adäquat kausal für die unterbliebene Beförderung des Klägers. Es sei nicht ersichtlich, dass die Behörde, wenn sie den Fehler im Auswahlverfahren vermieden hätte, voraussichtlich zu Gunsten des Beamten entschieden hätte. Denn die vor dem Kläger beförderten Beamten hätten zwar alle die gleiche Gesamtnote wie der Kläger, seien aber entweder in wesentlichen Einzelmerkmalen oder aber in den Vorbeurteilungen besser beurteilt gewesen. Soweit auch danach ein Gleichstand bestanden habe, seien sie dienstälter gewesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er hält im Rahmen der Prüfung des hypothetischen Kausalverlaufs sinngemäß für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die Erkenntnisse im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung 2001 über eine mit dem Leistungsprinzip zu vereinbarende Bewerberauswahl zugrunde zu legen seien, oder aber die aktuellen Erkenntnisse der Rechtsprechung.

Der Kläger verweist darauf, dass nach der seinerzeitigen Rechtsprechung zu Art. 33 Abs. 2 GG eine Auswahlentscheidung allein anhand der Kriterien des Endergebnisses der Beurteilung, nicht aber nach den vom Berufungsgericht genannten weiteren Differenzierungskriterien vor den Hilfskriterien habe erfolgen dürfen, während die Praxis der Frauenförderung rechtswidrig gewesen sei. Wären ihm deshalb die weiblichen Bewerber nicht seinerzeit vorgezogen worden, wäre er - auf Platz 14 stehend - befördert worden und hätte dementsprechend Primärrechtsschutz erhalten. Verfahre man wie das Berufungsgericht, werde der Kläger doppelt benachteiligt, weil er seinerzeit keinen Primärrechtsschutz habe in Anspruch nehmen können und ihm im Rahmen des Sekundäranspruchs nun die Erkenntnisse der heutigen Rechtsprechung entgegen gehalten würden.

Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18; stRspr). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf Grund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann. So verhält es sich hier.

Nach der Rechtsprechung des Senats, die auch das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat, setzt die Feststellung einer adäquaten Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem behaupteten Schaden die Annahme voraus, dass die Behörde, wenn sie den Fehler im Auswahlverfahren vermieden hätte, voraussichtlich zu Gunsten des Beamten entschieden hätte. Hierfür muss festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen des Dienstherrn voraussichtlich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre. Dazu muss die Konkurrenz des Schadensersatz fordernden Beamten mit den anderen Bewerbern um die Beförderungsstelle - insbesondere mit demjenigen, dem das Beförderungsamt übertragen worden ist - nachgezeichnet werden. Erst wenn feststeht, dass kein anderer Bewerber dem Beamten hätte vorgezogen werden dürfen, kommt Schadensersatz wegen unterbliebener bzw. verspäteter Beförderung in Betracht (vgl. zum Ganzen: Urteil vom 23. Mai 2002 - BVerwG 2 C 29.01 - Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 41, stRspr).

Das Berufungsgericht hat drei Pflichtverletzungen bei der Auswahlentscheidung angenommen: Der Dienstherr habe nicht lediglich auf das Gesamturteil der aktuellen Beurteilungen abstellen dürfen, sondern hätte vor den Hilfskriterien zunächst zumindest erwägen müssen, ob die Einzelfeststellungen der Beurteilungen hinsichtlich der Hauptmerkmale sowie die Vorbeurteilungen eine weitere Differenzierung ermöglichten. Darin, dass er diese beiden Differenzierungskriterien von vornherein nicht in Betracht gezogen habe, liege jeweils eine Pflichtverletzung. Schließlich sei die pauschale Heraufsetzung des Dienstalters der weiblichen Bewerberinnen rechtswidrig gewesen. Sodann hat es im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität geprüft, ob der Kläger, denke man diese Fehler hinweg, befördert worden wäre und dies verneint. Demgegenüber zielt die Beschwerde darauf, dass das Berufungsgericht im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nur eine der drei Pflichtverletzungen - die rechtswidrige Heraufsetzung des Dienstalters der weiblichen Bewerberinnen - hätte berücksichtigen dürfen und sodann ein - im Übrigen - rechtswidriges Verhalten der Behörde hätte zugrundelegen sollen. Mit dieser Auffassung setzt sich die Beschwerde in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats. Gründe, die eine rechtsgrundsätzliche Überprüfung dieser Rechtsprechung erforderlich machten, legt die Beschwerde nicht dar.

Davon abgesehen hat das Berufungsgericht nicht angenommen, dass eine Auswahlentscheidung ohne die Berücksichtigung der Einzelfeststellungen der Beurteilungen hinsichtlich der Hauptmerkmale sowie ohne die Vorbeurteilungen rechtswidrig gewesen wäre, sondern die Pflichtverletzung darin gesehen, dass der Dienstherr unter Außerachtlassung des ihm eingeräumten Entscheidungsspielraums die Berücksichtigung dieser Differenzierungskriterien von vornherein nicht in Betracht gezogen hat. Damit hat auch das Berufungsgericht angenommen, dass eine Entscheidung ohne Berücksichtigung dieser Kriterien rechtmäßig sein kann und auch noch heute wäre, sodass die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich ist.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bereits im Jahr 2001 nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats die Vorbeurteilungen ein anerkanntes Differenzierungskriterium bei Beförderungsentscheidungen waren, die als Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung Aufschluss geben, vor Hilfskriterien heranzuziehen sind (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 2 C 31.01 - Buchholz 237.9 § 20 SaarLBG Nr. 1 mit Nachweisen zur älteren Rechtsprechung). Auch war 2001 bereits geklärt, dass Art. 33 Abs. 2 GG die entscheidenden Beurteilungsgesichtspunkte für die Bewerberauswahl zur Besetzung von öffentlichen Ämtern abschließend vorgibt. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt (BVerwG, Urteile vom 25. August 1988 - BVerwG 2 C 51.86 - BVerwGE 80, 123 <126> = Buchholz 237.7 § 7 NWLBG Nr. 5, vom 21. August 2003 - BVerwG 2 C 14.02 - BVerwGE 118, 370 <376>, vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <154> = Buchholz 11 Art 33 Abs. 2 GG Nr. 30 , Beschluss vom 10. November 1993 - BVerwG 2 ER 301.93 - Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 50). Zu solchen unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten gehören auch die vom Berufungsgericht herangezogenen Einzelfeststellungen der Beurteilungen hinsichtlich der für das angestrebte Beförderungsamt wesentlichen Hauptmerkmale.

Soweit der Kläger weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob die aktuellen Erkenntnisse der Rechtsprechung oder aber der damalige - 2001 - erkennbare und deutlich zum Ausdruck gebrachte, entgegenstehende Wille der Behörde zu berücksichtigen sei, und in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. Februar 2000 - III ZR 296/98 - (NVwZ 2000, 1206 ) verweist, ist diese Frage schon nicht entscheidungserheblich. Denn das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Behörde einen entgegenstehenden Willen gehabt habe und bewusst eine weitere Differenzierung nach dem Grundsatz der Bestenauslese anhand der Differenzierungskriterien nach den Einzelfeststellungen der Beurteilungen hinsichtlich der Hauptmerkmale sowie der Vorbeurteilungen abgelehnt habe. Das Berufungsgericht hat vielmehr als ermessensfehlerhaft beanstandet, dass der Dienstherr diese beiden Differenzierungskriterien von vornherein nicht in Betracht gezogen habe. Die dieser Rechtsauffassung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen hat die Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen angegriffen, sodass das Revisionsgericht hieran gebunden ist, § 137 Abs. 2 VwGO .

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwertes beruht für das Beschwerdeverfahren auf § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 1 GKG (Besoldungsdifferenz für zehn Monate).

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 03.09.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 6 A 2255/06