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BVerwG - Entscheidung vom 03.06.2010

4 B 54.09

Normen:
LuftVG § 6
BNatSchG 2009 § 34 Abs. 3; § 64
FFH-Richtlinie Art. 6 Abs. 4; Art. 7; Art. 16
Vogelschutz-Richtlinie Art. 4
FFH-RL Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1
FFH-RL Art. 7
VRL Art. 4 Abs. 4
BNatSchG § 34 Abs. 3 Nr. 2
BNatSchG 2007 § 43 Abs. 8 S. 1
LuftVG § 6 Abs. 2 S. 2
LNatSchG § 27 Abs. 2 Nr. 2 RP

Fundstellen:
DÖV 2010, 905
NuR 2010, 573
UPR 2010, 394

BVerwG, Beschluss vom 03.06.2010 - Aktenzeichen 4 B 54.09

DRsp Nr. 2010/12383

Ausbau und die zivile Mitbenutzung eines zur Zeit militärisch genutzten Flugplatzes als eine zumutbare Alternativlösung für den Ausbau eines zivilen Verkehrslandeplatzes; Schutzregimewechsel durch Erklärung des betreffenden Vogelschutzgebiets im Einklang mit den Anforderungen des Europäischen Naturschutzrechts bei erforderlicher Ausweisung eines weiteren Vogelschutzgebiets an anderer Stelle

1. Der Ausbau und die zivile Mitbenutzung eines zur Zeit militärisch genutzten Flugplatzes kann nur dann eine zumutbare Alternativlösung für den Ausbau eines zivilen Verkehrslandeplatzes darstellen, wenn die mit dem Vorhaben angestrebten Ziele auch dort realistischerweise innerhalb eines absehbaren Zeitraums verwirklicht werden können.2. Wenn die Erklärung des betreffenden Vogelschutzgebiets im Einklang mit den Anforderungen des Europäischen Naturschutzrechts erfolgt ist, steht der Umstand, dass das Bundesland an anderer Stelle ein weiteres Vogelschutzgebiet hätte ausweisen müssen, dem Regimewechsel (Art. 7 FFH-RL) nicht entgegen.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

FFH-RL Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1; FFH-RL Art. 7; VRL Art. 4 Abs. 4; BNatSchG § 34 Abs. 3 Nr. 2 ; BNatSchG 2007 § 43 Abs. 8 S. 1; LuftVG § 6 Abs. 2 S. 2; LNatSchG § 27 Abs. 2 Nr. 2 RP;

Gründe

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

1.

Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.

1.1

Die Beschwerde wirft zur Alternativenprüfung (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG 2009) folgende Fragen auf:

Darf bei der Prüfung von Standortalternativen für ein Flughafenausbauvorhaben auf der Grundlage von § 27 Abs. 2 Nr. 2 LNatSchG RP /§ 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG bzw. Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL eine Standortalternative bereits deshalb ausgeschlossen werden, weil ein Vorhabenträger für die Realisierung des Ausbauvorhabens an diesem Alternativstandort nicht zur Verfügung steht?

Darf ein Alternativstandort für ein Flughafenausbauvorhaben allein deshalb als unzumutbare Alternative bzw. als anderes Projekt im Sinne von § 27 Abs. 2 Nr. 2 LNatSchG RP /§ 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG bzw. Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL angesehen werden, weil eine realistische Möglichkeit der Verwirklichung dieses Vorhabens am Alternativstandort innerhalb des Planungshorizonts infolge der absehbaren Dauer eines erst noch einzuleitenden Planungs- beziehungsweise Genehmigungsverfahrens nicht gegeben ist?

Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würden.

Zwar geht der Senat - in Übereinstimmung mit dem Beklagten und der Beigeladenen - davon aus, dass die Grundsatzrügen die Auslegung von Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO (einschließlich des Europarechts) betreffen, da die in der Fragestellung genannte Vorschrift des Landesrechts lediglich das bindende Bundes- und Europarecht nachvollzieht (Urteile vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 6 und vom 21. Februar 2008 - BVerwG 4 C 13.07 - BVerwGE 130, 223 Rn. 9).

Die formulierten Fragen gehen jedoch von Voraussetzungen aus, die in den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts keine Grundlage finden. Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, die Planfeststellungsbehörde habe davon ausgehen dürfen, dass eine realistische Möglichkeit zur Verwirklichung eines Ausbaus des Coleman-Airfield in Mannheim-Sandhofen für eine zivile Flugplatzmitbenutzung an diesem Standort in absehbarer Zeit nicht gegeben sei (UA S. 103). Es müsse - wenn wie hier auch an dem anderen Standort ein Ausbau erforderlich sei - gewährleistet sein, dass überhaupt ein Investor für die Realisierung des Ausbauvorhabens am Alternativstandort zur Verfügung stehe (UA S. 104). Für den am Standort Coleman-Airfield erforderlichen Ausbau sei kein Investor in Sicht. Die Begründung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt sich jedoch nicht auf das Fehlen eines Vorhabenträgers. Daher kommt es nicht darauf an, ob bereits dieser Umstand ausreichen könnte, der behandelten Standortalternative ihre mangelnde Eignung entgegenzuhalten, weil er vor dem Hintergrund der vorhandenen Konkurrenz möglicher Träger (vgl. Urteil vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261 <272>) auf eine mangelnde wirtschaftliche Realisierbarkeit schließen lässt. Vielmehr begründet das Oberverwaltungsgericht eingehend die Probleme, denen sich ein Vorhabenträger auf dem Weg zur Verwirklichung eines Ausbaus des Coleman-Airfield gegenüber sähe. Hierzu zählt es die Investitionskosten, die ein regelkonformer Ausbau der Start- und Landebahn einschließlich der unverzichtbaren Infrastruktureinrichtungen für eine zivile (Mit-) Nutzung erfordern werde. Ferner fehle es an einer konkreten Ausbauplanung. Anders als im Falle des Verkehrslandeplatzes Speyer gebe es keine landesplanerische Entscheidung mit der nach § 6 Abs. 2 Satz 2 LuftVG erforderlichen Feststellung, dass das Ausbauvorhaben den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung entsprechen würde. Es sei auch zweifelhaft, ob eine Konversionsgenehmigung ausreichen werde und ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden müsse. Ferner seien die Bedingungen, unter denen die US-Streitkräfte eine zivile Mitbenutzung zulassen würden, sowie etwaige Beschränkungen im Hinblick auf den militärischen Flugverkehr noch offen. Auch die Stadt Mannheim, die nach Ansicht des Klägers als möglicher Investor für einen Ausbau des Coleman-Airfield und als Betreibergesellschaft für dessen zivile Mitbenutzung in Betracht käme, habe sich zu dem Ausbau ablehnend geäußert. Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Würdigung somit nicht nur das bloße Fehlen eines (konkreten) Projektträgers zugrunde gelegt, sondern hat Unwägbarkeiten und Hindernisse aufgezeigt, die einer zeitnahen Realisierung des Vorhabens am Standort Coleman-Airfield unabhängig von der Person des Investors entgegen stehen, mithin jeden potentiellen Investor treffen.

Aus denselben Gründen ist auch die zweite Teilfrage nicht entscheidungserheblich. Denn nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts fehlt es an einer realistischen Möglichkeit der Verwirklichung des Vorhabens am Alternativstandort innerhalb des Planungshorizonts nicht lediglich infolge der absehbaren Dauer eines erst noch einzuleitenden Planungs- beziehungsweise Genehmigungsverfahrens. Vielmehr stehen - wie dargelegt - der Verwirklichung weitere und gewichtigere Hindernisse entgegen, als lediglich der Zeitablauf für ein Planungs- beziehungsweise Genehmigungsverfahren. Das Oberverwaltungsgericht hebt ausdrücklich hervor, die Zeitverzögerung für die Erstellung der in einem Planfeststellungsverfahren prüffähigen Antragsunterlagen durch einen Investor sei für die Frage der Realisierbarkeit ohne Belang; auch die zu erwartende durchschnittliche Dauer eines Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahrens für sich genommen sieht es nicht als Hindernis an (UA S. 104).

Im Übrigen hat der Senat die maßgeblichen Grundsätze für die Beachtlichkeit von Standortalternativen bereits in seinem Urteil vom 9. Juli 2009 (a.a.O. Rn. 33) unter Verwertung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dargestellt.

Danach ist der Begriff der Alternative in Art. 6 Abs. 4 Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen - FFH-RL -) aus der Funktion des durch Art. 4 FFH-RL begründeten Schutzregimes zu verstehen. Er steht in engem Zusammenhang mit den Planungszielen, die mit einem Vorhaben verfolgt werden. Lässt sich das Planungsziel an einem nach dem Schutzkonzept der Habitat-Richtlinie günstigeren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen, so muss der Projektträger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Ein irgendwie gearteter Gestaltungsspielraum wird ihm nicht eingeräumt. Anders als die fachplanerische Alternativenprüfung ist die FFH-rechtliche Alternativenprüfung nicht Teil einer planerischen Abwägung. Der Behörde ist für den Alternativenvergleich kein Ermessen eingeräumt. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL begründet aufgrund seines Ausnahmecharakters ein strikt beachtliches Vermeidungsgebot, das zu Lasten des Integritätsinteresses des durch Art. 4 FFH-RL festgelegten kohärenten Systems nicht bereits durchbrochen werden darf, wenn dies nach dem Muster der Abwägungsregeln des deutschen Planungsrechts vertretbar erscheint, sondern nur beiseite geschoben werden darf, soweit dies mit der Konzeption größtmöglicher Schonung der durch die Habitat-Richtlinie geschützten Rechtsgüter vereinbar ist. Die Anforderungen an den Ausschluss von Alternativen steigen in dem Maß, in dem sie geeignet sind, die Ziele des Vorhabens zu verwirklichen, ohne zu offensichtlichen - ohne vernünftigen Zweifel - unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen zu führen. Entscheidend ist daher, ob zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses die Verwirklichung gerade dieser Alternative verlangen oder ob ihnen auch durch eine andere Alternative genügt werden kann (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-239/04 - Slg. 2006, I-10183 Rn. 43, 46). Eine Ausführungsalternative ist vorzugswürdig, wenn sich mit ihr die Planungsziele mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen lassen (Urteile vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 170 und vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <262>). Inwieweit Abstriche von einem Planungsziel hinzunehmen sind, hängt maßgebend von seinem Gewicht und dem Grad seiner Erreichbarkeit im jeweiligen Einzelfall ab (Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 62 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 34 <insoweit in Buchholz nicht veröffentlicht>). Auch bei einem standortgebundenen Vorhaben, wie dem Ausbau eines vorhandenen Flughafens, ist zu prüfen, ob sich an anderer Stelle eine Alternativlösung anbietet oder gar aufdrängt. Als Alternative sind allerdings nur solche Änderungen anzusehen, die nicht die Identität des Vorhabens berühren. Von einer Alternative kann dann nicht mehr die Rede sein, wenn sie auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil die vom Vorhabenträger in zulässiger Weise verfolgten Ziele nicht mehr verwirklicht werden könnten. Zumutbar ist es nur, Abstriche vom Zielerfüllungsgrad in Kauf zu nehmen. Eine planerische Variante, die nicht verwirklicht werden kann, ohne dass selbständige Teilziele, die mit dem Vorhaben verfolgt werden, aufgegeben werden müssen, braucht dagegen nicht berücksichtigt zu werden (Urteile vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 33, vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 67, vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 143 und vom 15. Januar 2004 - BVerwG 4 A 11.02 - BVerwGE 120, 1 <11>; Beschluss vom 16. Juli 2007 - BVerwG 4 B 71.06 - [...] Rn. 42).

Eine Standortalternative durch Ausbau eines anderen Flughafens an anderer Stelle ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann anzunehmen, wenn die in Betracht kommenden anderen Flughäfen im Wesentlichen denselben Verkehrsbedarf decken würden (Urteile vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 37 und vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 67). Davon ist das Oberverwaltungsgericht ausgegangen, da sich der Suchraum der Alternativenprüfung auf die gesamte, Länder- und Zuständigkeitsgrenzen übergreifende Metropolregion Rhein-Neckar zu erstrecken habe (UA S. 102). Eine weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer Standortalternative stellt ihre objektive Realisierbarkeit dar, die hier jedoch - wie ausgeführt - nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht gewährleistet ist. Daher kann dahingestellt bleiben, ob eine mit erheblichen baulichen Erweiterungen verbundene erstmalige Umwidmung eines bisher ausschließlich militärisch genutzten Landeplatzes zu einem für die zivile Luftfahrt mitbenutzten Verkehrslandeplatz im Verhältnis zu einer durch neue Sicherheitsregelungen erforderlich gewordenen - geringeren - Erweiterung eines vorhandenen zivilen Verkehrslandeplatzes nicht schon von vornherein unabhängig von der Realisierbarkeit - wie vom Oberverwaltungsgericht angedeutet (UA S. 99) - ein anderes Projekt darstellt und schon aus diesem Grund als Alternative nicht in Betracht kommt.

1.2

Auch die Frage

Kann bei der Zulassung eines Projekts, das geeignet ist, ein zum Vogelschutzgebiet erklärtes Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, die Anwendung des Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz-RL mit seinen gegenüber Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL strengeren Voraussetzungen allein dadurch ausgeschlossen werden, dass in der für das betreffende Projekt erstellten FFH-Verträglichkeitsprüfung die erhebliche Beeinträchtigung einer in dem Gebiet vorkommenden Vogelart geprüft und bejaht wird, wenn zugleich offen bleibt, ob die betreffende Vogelart in einer für die Erstellung der FFH-Verträglichkeitsprüfung maßgeblichen Art und Weise zum Gegenstand der Erhaltungsziele des Gebiets gemacht wurde und ob das betreffende Gebiet zu den für die Erhaltung dieser Vogelart zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebieten gehört,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

Ausgangspunkt der Fragestellung ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Wechsel des Schutzregimes nach der Vogelschutz-Richtlinie (VRL) in dasjenige der FFH-Richtlinie (Art. 7 FFH-RL). Danach gilt Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL nicht für Gebiete, die nicht zu besonderen Schutzgebieten erklärt wurden, obwohl dies erforderlich gewesen wäre (EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - Rs. C-374/98 - Slg. 2000, I-10799, Rn. 57). Die Erklärung zum besonderen Schutzgebiet im Sinne von Art. 7 FFH-RL erfordert einen "förmlichen Akt" (EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 a.a.O. Rn. 53). Ein Mitgliedstaat erfüllt seine Ausweisungspflicht nach Art. 4 Abs. 1 und 2 VRL ferner nur dann rechtswirksam, wenn er die besonderen Schutzgebiete "vollständig und endgültig" ausweist (EuGH, Urteil vom 6. März 2003 - Rs. C-240/00 - Slg. 2003, I-2202 Rn. 21). Die Erklärung muss das Gebiet Dritten gegenüber rechtswirksam abgrenzen und nach nationalem Recht "automatisch und unmittelbar" die Anwendung einer mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehenden Schutz- und Erhaltungsregelung nach sich ziehen (EuGH, Urteil vom 27. Februar 2003 - Rs. C-415/01 - Slg. 2003, I-2089 Rn. 26). Hieraus hat das Bundesverwaltungsgericht abgeleitet, dass die "Erklärung" zum besonderen Schutzgebiet nach Art. 4 Abs. 1 VRL, die nach Art. 7 FFH-RL den Wechsel des Schutzregimes auslöst, jedenfalls eine endgültige rechtsverbindliche Entscheidung mit Außenwirkung darstellen muss, wobei deren rechtliche Gestalt durch das Recht der Mitgliedstaaten näher bestimmt wird (Urteil vom 1. April 2004 - BVerwG 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <285>). Eine einstweilige Sicherstellung reicht hierfür nicht aus, da ihr die erforderliche Dauerhaftigkeit und Festigkeit fehlen. Ist ein Gebiet in dieser Weise als Schutzgebiet ausgewiesen worden, bestimmt sich der Maßstab für die Frage, ob ein Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL und nicht nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der VRL (EuGH, Urteile vom 13. Juni 2002 - Rs. C-117/00 - Slg. 2002, I-5335 Rn. 25 und vom 7. Dezember 2000 a.a.O. Rn. 43 ff.).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist das Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die unmittelbar durch Gesetz erfolgende Erklärung des europäischen Vogelschutzgebiets 6716-402 "Berghausener und Lingenfelder Altrhein mit Insel Flotzgrün" zum besonderen Schutzgebiet den Anforderungen an eine endgültige, vorbehaltlose und rechtsverbindliche Schutzgebietserklärung mit Außenwirkung genügt. Dies stellt die Beschwerde nicht in Frage.

Klärungsbedarf sieht die Beschwerde hinsichtlich der Voraussetzungen eines Regimewechsels nach Art. 7 FFH-RL; sie wendet sich dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht offen gelassen habe, ob Vogelarten, die bei der Bestimmung der Erhaltungsziele des Vogelschutzgebiets als "Nebenvorkommen" gekennzeichnet worden seien, aus naturschutzfachlichen Gründen als "Hauptvorkommen" hätten eingestuft werden müssen und damit auch offen geblieben sei, ob das Vogelschutzgebiet für diese Arten zu den zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebieten zähle. Klärungsbedürftig sei, ob unter diesen Umständen ein Regimewechsel allein damit begründet werden dürfe, dass - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen (UA S. 52) - die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung auch die vorhabenbedingten Beeinträchtigungen von Vorkommen der lediglich als Nebenvorkommen des Gebiets aufgeführten Vogelarten als erhebliche Beeinträchtigungen von Erhaltungszielen des Gebiets bewertet und nicht geringer gewichtet habe als die ebenfalls festgestellte erhebliche Beeinträchtigung der als Hauptvorkommen gekennzeichneten Vogelarten. Die Frage ist indes nicht entscheidungserheblich.

Das Oberverwaltungsgericht gelangt in Auslegung des nicht revisiblen Landesrechts zu dem Ergebnis, die Erklärung des europäischen Vogelschutzgebiets "Berghausener und Lingenfelder Altrhein mit Insel Flotzgrün" zum besonderen Schutzgebiet (§ 25 Abs. 2 LNatSchG Rheinland-Pfalz) ziehe auch unmittelbar eine mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehende Schutz- und Erhaltungsregelung nach sich (UA S. 47). Es sei Aufgabe der Landesregierung, die Erhaltungsziele für das jeweilige Gebiet durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Dies sei mit der Verordnung vom 18. Juli 2005 geschehen. In der Anlage 2 zu § 25 Abs. 2 LNatSchG Rheinland-Pfalz werde auf bestimmte namentlich aufgeführte Vogelarten Bezug genommen. Dabei würden mit "(H)" bezeichnete Vogelarten als Hauptvorkommen definiert, die für die Bestimmung der Erhaltungsziele charakteristisch seien. Insofern mache der Landesgesetzgeber von seinem fachlichen Beurteilungsspielraum Gebrauch (vgl. dazu Beschluss vom 24. Februar 2004 - BVerwG 4 B 101.03 - [...] Rn. 13). Dies sei in nicht zu beanstandender Weise erfolgt (UA S. 50).

Das Oberverwaltungsgericht ist somit zu dem Ergebnis gelangt, dass bereits die Erklärung des betreffenden Vogelschutzgebiets im Einklang mit den Anforderungen des Europäischen Naturschutzrechts erfolgt ist. Dabei geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die Erhaltungsziele so umfassend formuliert seien, dass sie auch den Lebensraumansprüchen der als "Nebenvorkommen" aufgeführten Vogelarten und Vogelartengruppen hinreichend Rechnung trügen (UA S. 50). Darauf, dass im Rahmen der für das hier betroffene Projekt vorgenommenen Verträglichkeitsprüfung keine Unterscheidung zwischen dem Hauptvorkommen und dem Nebenvorkommen vorgenommen worden ist, kommt es daher nicht an. Das Oberverwaltungsgericht hat die angesprochenen Aspekte - Gegenstand der Erhaltungsziele und Auswahl der zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete - nicht offen gelassen. Vielmehr ist es davon ausgegangen, dass bereits auf der Ebene der Festsetzung der Vogelschutzgebiete durch den (rheinland-pfälzischen) Gesetzgeber und der Festlegung der Einzelheiten durch den Verordnungsgeber den Anforderungen an den Auswahlprozess genügt worden ist und die Erhaltungsziele ohne Verstoß gegen Europarecht beschrieben worden sind.

Im Übrigen hat der Senat bereits hervorgehoben, im Falle einer teilweise unzureichenden Unterschutzstellung spreche alles dafür, dass bezüglich der unter Schutz gestellten Gebietsteile ein Regimewechsel eintrete, es für die nicht unter Schutz gestellten, aber unter Schutz zu stellenden Gebietsteile dagegen beim Verschlechterungsverbot des Art. 4 Abs. 4 VRL verbleibe (Beschluss vom 11. November 2009 - BVerwG 4 B 57.09 - UPR 2010, 103 Rn. 12). Erst recht ist ein Regimewechsel für ein ausgewiesenes Vogelschutzgebiet zu bejahen, wenn lediglich vorgetragen wird, ein Bundesland hätte an anderer Stelle ein weiteres Vogelschutzgebiet ausweisen müssen. Davon geht auch die Rechtsprechung des EuGH aus (EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - Rs. C-374/98 - Slg. 2000, I-10799 Rn. 43 ff.; Schlussantrag der Generalanwältin Sharpston vom 25. Februar 2010 in der Rs. C-535/07 Rn. 31).

Die in diesem Zusammenhang hilfsweise zum Einwand der Präklusion erhobene Verfahrensrüge (Beschwerdebegründung S. 22) bedarf daher keiner Vertiefung.

1.3

Zur Bedeutung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen erhebt der Kläger eine Grundsatzrüge, die er unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - (BVerwGE 134, 166 ) um eine Divergenzrüge ergänzt hat (Beschwerdebegründung S. 33). Nach Bekanntgabe der schriftlichen Gründe des genannten Urteils hat er die Divergenzrüge mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2009 weiter begründet.

Er hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob bei der Prüfung der zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG bzw. nach den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften zu Gunsten des Vorhabens bereits berücksichtigt werden darf, dass in der betreffenden Zulassungsentscheidung dem Vorhabenträger die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung der Kohärenz des Netzes Natura 2000 auferlegt wurden.

Diese Frage bedarf jedenfalls nach Ergehen des genannten Urteils vom 9. Juli 2009 keiner grundsätzlichen Klärung mehr. Der Senat hat dort ausgeführt (Rn. 28):

Auch Kohärenzsicherungsmaßnahmen können jedoch das Gewicht des Integritätsinteresses mindern. Voraussetzung hierfür ist, dass sie einen Beitrag auch zur Erhaltung der Integrität des FFH-Gebiets leisten. Kohärenzsicherungsmaßnahmen können eine erhebliche Beeinträchtigung zwar nicht ausschließen. Insoweit unterscheiden sie sich von Vermeidungsmaßnahmen, die bei der Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL relevant sind und für die der volle Nachweis ihrer Wirksamkeit erbracht sein muss. An Kohärenzsicherungsmaßnahmen sind dagegen weniger strenge Anforderungen zu stellen. Für die Eignung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme genügt es, dass nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Wirksamkeit besteht. Mit Rücksicht auf den prognostischen Charakter der Eignungsbeurteilung verfügt die zuständige Behörde bei der Entscheidung über Kohärenzsicherungsmaßnahmen über eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative (Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 202). Gleichwohl muss sich die Wirkung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen nicht darin erschöpfen, durch Ausgleich etwa an anderer Stelle einen funktionalen Beitrag zur Sicherung der Kohärenz von Natura 2000 zu leisten. Sie können im Einzelfall auch zur Minderung der Beeinträchtigung beitragen. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die Beeinträchtigung eingriffs- und zeitnah und mit hoher Erfolgsaussicht ausgeglichen werden kann. Eine solche Beeinträchtigung wiegt weniger schwer als eine Beeinträchtigung, bei der ein Ausgleich nur eingriffsfern, langfristig und mit relativ ungewissem Erfolg möglich ist (vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-239/04 - Slg. 2006, I-10183 Rn. 54). Ob Kohärenzsicherungsmaßnahmen in diesem Sinne einen Beitrag zur Wahrung der Integrität des FFH-Gebiets leisten, beurteilt sich nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls. Zur Eingriffs- und Zeitnähe der Maßnahmen sowie der Wahrscheinlichkeit ihrer Wirksamkeit geben die naturschutzfachlichen Gutachten Auskunft. Sollen Kohärenzsicherungsmaßnahmen bei der Gewichtung des Integritätsinteresses eingestellt werden, muss anhand der Gutachten nachvollziehbar dargelegt werden, welcher Effekt von den angeordneten Maßnahmen ausgeht. Von Bedeutung kann dabei auch sein, ob die Maßnahmen vor Eingriffsbeginn abzuschließen sind. Ebenso kann eine Rolle spielen, ob der Ausgleich unmittelbar am Ort der Beeinträchtigung oder nur durch Anlegung und Entwicklung eines Lebensraums oder Habitats an anderer Stelle erfolgt. Unzulässig ist es jedenfalls, das Gewicht des Integritätsinteresses pauschal mit dem Hinweis zu relativieren, dass geeignete Kohärenzsicherungsmaßnahmen angeordnet worden sind.

Weiteren Klärungsbedarf lässt auch die ergänzende Beschwerdebegründung nicht erkennen.

Die Divergenzrüge, von deren Zulässigkeit auszugehen ist, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung keinen Rechtssatz zugrunde gelegt, der zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Widerspruch stünde. Die auf Seite 2 der ergänzenden Beschwerdebegründung unter 1.1 enthaltene Formulierung gibt die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts verkürzt wieder. Das Oberverwaltungsgericht weist zwar auf S. 96 seines Urteils darauf hin, schließlich sei auch im Rahmen der Abwägung des Eingriffs mit dem Erhaltungsinteresse bereits zu berücksichtigen, dass der Beklagte im Planfeststellungsbeschluss - wie noch auszuführen sein werde - die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung der Kohärenz des Netzes Natura 2000 vorgesehen und verbindlich festgelegt habe. Das Oberverwaltungsgericht gewichtet damit jedoch nicht das Integritätsinteresse pauschal geringer. Es unterscheidet vielmehr zwischen Schadenminderungs- und -begrenzungsmaßnahmen (UA S. 94) bzw. Maßnahmen der Minimierung (UA S. 96) und Kohärenzsicherungsmaßnahmen (UA S. 111 ff.). Die Ausführungen zu den Kohärenzsicherungsmaßnahmen (UA S. 111 - 122) verdeutlichen, dass das Oberverwaltungsgericht - in Übereinstimmung mit dem in Bezug genommenen Urteil des Senats, das das Oberverwaltungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht kennen konnte, - bei der gebotenen Abwägung das Interesse an der Integrität des betroffenen FFH-Gebiets (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 154) und nicht lediglich das bloße Interesse an der Kohärenz von Natura 2000 (Urteil vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 27) in den Blick genommen hat. Es hat sich ersichtlich von der zutreffenden Vorstellung leiten lassen, dass auch Kohärenzsicherungsmaßnahmen das Gewicht des Integritätsinteresses mindern können, vorausgesetzt, dass sie einen Beitrag auch zur Erhaltung der Integrität des FFH-Gebiets leisten (Urteil vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 28). Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die auf einer Würdigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls beruhen, ist ein Teil der Kohärenzsicherungsmaßnahmen ersichtlich geeignet, einen Beitrag zur Erhaltung der Integrität des Vogelschutzgebiets oder des FFH-Gebiets zu leisten und erschöpft sich gerade nicht darin, durch Ausgleich etwa an anderer Stelle funktional zur Sicherung der Kohärenz von Natura 2000 beizutragen. Dass das Oberverwaltungsgericht in der angegriffenen Passage nicht ausdrücklich seinen Rechtssatz dahingehend präzisiert hat und die Voraussetzungen formuliert hat, unter denen auch Kohärenzsicherungsmaßnahmen das Gewicht des Integritätsinteresses mindern können, führt nicht auf die behauptete Divergenz.

1.4

Auch die zum Artenschutz aufgeworfene Frage

ob "außergewöhnliche Umstände" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - Rs. C-342/05 -) jedenfalls dann vorliegen, wenn mit dem Planfeststellungsbeschluss, der eine Ausnahme gemäß § 43 Abs. 8 BNatSchG zulässt, ein Verkehrsinfrastrukturvorhaben zugelassen wird, für das zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses streiten und für das eine zumutbare Alternativlösung nicht vorhanden ist,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, da sie sich - soweit es nicht ohnehin auf die konkrete Würdigung des Einzelfalls ankommt - auf der Grundlage der maßgeblichen rechtlichen Regelungen sowie der vorhandenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts beantworten lässt.

Nach § 43 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG 2007 können die zuständigen Behörden unter anderem Ausnahmen aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher wirtschaftlicher oder sozialer Art zulassen (Nr. 5). Mit dieser Formulierung knüpft der deutsche Gesetzgeber ebenso wie mit den weiteren Regelungen in diesem Absatz an die Formulierung in Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der FFH-RL an. Hierzu kann auf den "Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-RL 92/43/EWG" der Kommission (Leitfaden) verwiesen werden, auf den der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Juni 2007 - Rs. C-342/05 - (Slg. 2007, I-4713 Rn. 29) und der Senat in seinem Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - (NVwZ 2009, 910 Rn. 55) Bezug genommen haben. Außergewöhnliche Umstände können nicht nur bei der unmittelbaren Gefährdung höchster Güter vorliegen (Beschlüsse vom 1. April 2009 a.a.O. Rn. 53 und - BVerwG 4 B 62.08 - NuR 2009, 414 Rn. 39). Nur von öffentlichen oder privaten Körperschaften geförderte öffentliche Interessen können gegen die Erhaltungsziele der Richtlinie abgewogen werden (Leitfaden, Rn. III.2.3, S. 67 ff.). Derartige öffentliche Interessen bejaht und begründet das Oberverwaltungsgericht nicht lediglich damit, dass es sich um ein "alternativloses Verkehrsinfrastrukturvorhaben" handelt, sondern es stellt darauf ab, dass es um ein Vorhaben von hoher Dringlichkeit gehe (UA S. 134). Ferner hebt die Kommission in ihrem Leitfaden hervor, dass das öffentliche Interesse überwiegen muss. Dementsprechend ist nicht jede Form von öffentlichem Interesse sozialer oder wirtschaftlicher Art hinreichend, insbesondere wenn man es dem besonderen Gewicht der durch die Richtlinie geschützten Interessen gegenüberstellt. Vielmehr muss - auch nach der Auffassung der Kommission - zwischen den jeweiligen Interessen sorgfältig abgewogen werden. Eine derartige Abwägung hat das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall vorgenommen. Weder dem Leitfaden der Kommission noch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lässt sich jedoch entnehmen, dass das Gewicht der in der genannten Abwägung für eine Ausnahme sprechenden öffentlichen Belange nicht auch bei der Prüfung der Auswirkungen auf den Erhaltungszustand in die Waagschale geworfen werden dürften.

Ferner ist vorliegend zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die lokalen Populationen sämtlicher betroffener Arten unter Berücksichtigung der vorgesehenen Schadensvermeidungs-, -minderungs- und Ausgleichsmaßnahmen in ihrem Erhaltungszustand stabil bleiben (UA S. 133). Die im öffentlichen Interesse liegende Maßnahme trägt somit nicht zu einer Verschlechterung des gegenwärtigen Zustands bei. Damit ist die weitere in § 43 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG 2007 enthaltene Voraussetzung, wonach sich der Erhaltungszustand einer Art durch die genehmigte Maßnahme nicht verschlechtern darf, erfüllt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ferner im Einklang mit dem genannten Leitfaden der Kommission bereits entschieden, dass dann, wenn der Erhaltungszustand der betroffenen lokalen Population günstig bleibt, damit zugleich fest steht, dass keine negativen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art in ihrem überörtlichen Verbreitungsgebiet zu besorgen sind. Lediglich wenn sich dem Vorhaben die Unbedenklichkeit für die lokale Population nicht attestieren lässt, ist ergänzend eine weiträumigere Betrachtung geboten (Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 249). Daher folgen aus dem Hinweis des Oberverwaltungsgerichts, dass sich bestimmte Arten - wie etwa die Bechsteinfledermaus und einige Amphibienarten - "bezogen auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland möglicherweise nicht (mehr) in einem günstigen Erhaltungszustand befinden" (UA S. 133), keine weitergehenden Anforderungen an den Projektträger. Auch der FFH-Richtlinie in Verbindung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass die in den Mitgliedstaaten zuständigen Genehmigungsbehörden gehalten wären, weitergehende Anforderungen aufzustellen. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - auf die sich die Beschwerde selbst bezieht - ist geklärt, dass die Formulierung in Art. 16 der FFH-RL "unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen" der Erteilung von Ausnahmen nicht von vornherein entgegensteht. Dabei handelt es sich nach der Auffassung der Generalanwältin um eine Anwendung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rs. C-342/05 - Slg. 2007, I-04713 Rn. 54), das nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland als Teil des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang genießt, sondern auch zu den elementaren Grundsätzen des Rechts der Europäischen Union zählt. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Juni 2007 (a.a.O. Rn. 29) sind solche Ausnahmen "unter außergewöhnlichen Umständen" weiterhin zulässig, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen nicht verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern können. Die Heranziehung der Fassungen dieser Formulierung in anderen Sprachen - "a titre exceptionel"; "by way of exception";"con caracter excepcional" - macht deutlich, dass sich die entscheidende Behörde des Ausnahmecharakters ihrer Entscheidung bewusst zu sein und die Ausnahme entsprechend zu begründen hat, der durch die Abweichungstatbestände in Art. 16 Abs. 1 Buchst. a - e FFH-RL abgesteckte Rahmen jedoch nicht verlassen wird (vgl. auch Beschluss vom 17. April 2010 - BVerwG 9 B 5.10 -).

Ob die Genehmigung eines Verkehrsinfrastrukturvorhabens, für das zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses streiten und für das eine zumutbare Alternativlösung nicht vorhanden ist, stets eine Ausnahme in diesem Sinn rechtfertigt, bedarf entgegen der Ansicht der Beschwerde vorliegend keiner Klärung; die Frage ließe sich ohnehin nicht in dieser Allgemeinheit ohne Berücksichtigung der im Einzelfall vorzunehmenden Abwägung beantworten. Denn im vorliegenden Fall tritt hinzu, dass sich der Erhaltungszustand der betroffenen lokalen Population sämtlicher Arten vorhabenbedingt aufgrund der vorgesehenen Schadensvermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen nicht verschlechtern wird (UA S. 134), mithin stabil bleibt und lediglich bestimmte Arten sich bundesweit (möglicherweise) nicht in einem günstigen Zustand befinden. Auf den Zustand, in dem sich die Arten bundesweit befinden, hat der Vorhabenträger jedoch keinen Einfluss. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, ihn nicht mit Anforderungen zu belasten, die nicht seinen Verantwortungsbereich betreffen. Auch der genannte Leitfaden der Kommission geht davon aus, dass danach zu differenzieren ist, welches der tatsächliche Erhaltungszustand der betroffenen Art auf biogeografischer Ebene und auf Ebene der (lokalen) Population ist und welche Auswirkungen die Ausnahme als solche hat (Leitfaden, Rn. 49). In Fällen, in denen der Erhaltungszustand auf den verschiedenen Bewertungsebenen unterschiedlich ist, ist zunächst die Situation auf Populationsebene zu berücksichtigen (Leitfaden, Rn. 52). Diese Gesichtspunkte sind in die sowohl nach nationalem Recht als auch nach Europarecht gebotene Abwägung einzubeziehen.

1.5

Auch die Frage

ob ein anerkannter Naturschutzverein auch dann noch gemäß § 61 Abs. 3 BNatSchG mit seinen vor Klageerhebung nicht erhobenen, im gerichtlichen Verfahren dann aber geltend gemachten Einwendungen ausgeschlossen ist, wenn der angegriffene Planfeststellungsbeschluss während des gerichtlichen Verfahrens geändert oder ergänzt wird,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Dabei geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass die zur Auslegung von § 61 Abs. 3 BNatSchG 2007 gestellte Frage auch noch nach der Änderung von § 10 Abs. 4 Satz 2 LuftVG ihre grundsätzliche Bedeutung nicht verloren hat.

In der von der Beschwerde durch die Formulierung der Frage vorgegebenen Allgemeinheit würde sich die Frage nicht stellen. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nicht die unbeschränkte Möglichkeit eröffnet, alte wie neue Einwendungen gegen das Vorhaben vorzubringen. Vielmehr wird das Verwaltungsverfahren nur insoweit aufgegriffen, als es zur Beseitigung der gerichtlich festgestellten oder von der Behörde selbst erkannten Mängel im ergänzenden Verfahren erforderlich ist. Den anerkannten Naturschutzvereinen eröffnen sich nur dann neue Einwendungs- oder Klagemöglichkeiten, wenn eine Planänderung vorgenommen worden ist, die zu neuen oder anderen Belastungen für Natur und Landschaft führt (Beschlüsse vom 17. Juli 2008 - BVerwG 9 B 15.08 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 35 Rn. 28, vom 22. September 2005 - BVerwG 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189 S. 193 f. und vom 23. November 2007 - BVerwG 9 B 38.07 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 7 Rn. 30). Der entgegenstehenden Auffassung in der Beschwerdebegründung ist nicht zu folgen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts führen die Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses hier ausschließlich zu einer Reduzierung des Eingriffs ohne zusätzliche Beeinträchtigungen von Erhaltungszielen der Schutzgebiete und betreffen nur Detailregelungen (UA S. 95 f.).

2.

Auch die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

2.1

Der Kläger sieht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin, dass das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil eine Formulierung aus dem Flughafenkonzept der Bundesregierung 2009 übernommen habe, obwohl dieses erst am 27. Mai 2009 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung veröffentlicht worden sei und er somit hierzu nicht habe Stellung nehmen können.

Diese Rüge greift nicht durch. Sie bezieht sich auf folgende Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts: "Im neuen Flughafenkonzept der Bundesregierung wird zur Bedeutung des Geschäftsreiseflugverkehrs ausgeführt, angesichts zunehmender internationaler Verflechtungen gewinne die schnelle Erreichbarkeit entfernter Ziele künftig weiter an Bedeutung. Damit steige der Einfluss des Luftverkehrs auf die wirtschaftliche Prosperität der Regionen. Die Nutzung von Geschäftsreiseflugzeugen ermögliche es, flexibel, schnell und komfortabel jeden Wirtschaftsraum in Europa direkt (Punkt zu Punkt) zu erreichen. Eine vergleichbare Mobilität ermögliche kein anderes Verkehrsmittel" (UA S. 92). Diese sehr allgemeinen, zum Teil nahezu selbstverständlichen Ausführungen betreffen keine Tatsachen, die erst nach Abschluss der mündlichen Verhandlung ermittelt (vgl. hierzu den von der Beschwerde angeführten Beschluss vom 16. August 2000 - BVerwG 7 B 66.00 - Buchholz 310 § 101 VwGO Nr. 27 [insoweit in Buchholz nicht veröffentlicht]) oder entstanden wären. Vielmehr ist - was die Beschwerde auch nicht in Frage stellt - auf die Bedeutung des Geschäftsreiseflugverkehrs sowohl im Planfeststellungsbeschluss als auch in den Schriftsätzen der Beteiligten hingewiesen worden. Einen Beleg für die Bedeutung des hier konkret betroffenen Standorts sollen die vom Oberverwaltungsgericht wiedergegebenen Formulierungen aus dem Flughafenkonzept ersichtlich nicht erbringen. Mit auf den Standort bezogenen Überlegungen setzt sich das Oberverwaltungsgericht vielmehr sowohl vor als auch nach der zitierten Passage auseinander. Der Umstand, dass die angeführten allgemeinen Ausführungen in dem erst nach der mündlichen Verhandlung des Oberverwaltungsgerichts beschlossenen und veröffentlichten Flughafenkonzept in dieser Weise formuliert worden sind, stellt keine Tatsache dar, die das Oberverwaltungsgericht verpflichtet hätte, auf seine Wiedergabe zu verzichten, wenn die Beteiligten hierzu nicht ausdrücklich haben Stellung nehmen können.

Im Übrigen legt die Beschwerde nicht dar, dass die in der Passage enthaltene Beschreibung der Bedeutung des Luftverkehrs, insbesondere des Geschäftsreiseflugverkehrs in der Sache unzutreffend sei. Sie verweist lediglich darauf, dass sich im Flughafenkonzept Aussagen zu anderen Fragestellungen (Bedeutung von Regionalflughäfen etc.) fänden, auf die sie verwiesen hätte. Noch weniger legt sie dar, dass das Oberverwaltungsgericht, wenn es das - vermeintlich verletzte - rechtliche Gehör gewährt hätte, auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Dies wäre vorliegend jedoch in besonderer Weise geboten, da das Oberverwaltungsgericht sich unmittelbar vor und nach den wiedergegebenen allgemeinen Passagen ausführlich mit den für das Vorhaben im Hinblick auf seine Stellung in der betreffenden Region sprechenden Gesichtspunkten auseinandersetzt und das Ergebnis seiner Abwägung umfassend begründet.

2.2

Auch die Aufklärungsrüge greift nicht durch. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beweisantrag Nr. 1 (UA S. 20) mit der Begründung abgelehnt, mit dem Vortrag, im Bereich des Runkedebunk am Nordrand der Insel Horn befinde sich ein Vorkommen des prioritären Lebensraumtyps *91E0 und dieses werde durch das Vorhaben beeinträchtigt, sei der Kläger präkludiert. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung sei zu dem Ergebnis gelangt, im Wirkungsbereich des Vorhabens sei ein diesem prioritären Lebensraumtyp zuzurechnendes Vorkommen nur in einem - hier nicht streitigen - schmalen Streifen am Ufer der Insel Horn vorhanden. Der Kläger hätte daher im Verwaltungsverfahren thematisieren müssen, dass nach seiner Ansicht auch an anderer Stelle der Insel Horn eine Zuordnung zu diesem Lebensraumtyp hätte erfolgen müssen (UA S. 65 f.).

Das Oberverwaltungsgericht hat den Beweisantrag somit aus Gründen des sachlichen Rechts auf der Grundlage seiner insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung - die im Übrigen mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einklang steht (vgl. hierzu oben 1.5) - abgelehnt. Dem steht nicht entgegen, dass während des gerichtlichen Verfahrens eine Änderung und Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses erfolgt ist. Denn als Folge der Präklusion durfte das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage des Ergebnisses der Verträglichkeitsprüfung ohne weitere Beweiserhebung davon ausgehen, dass in dem betreffenden Gebiet der genannte Lebensraumtyp nicht vorhanden ist. Dementsprechend konnte es ohne Verfahrensfehler die Schlussfolgerung ziehen, dass auch eine Beeinträchtigung dieses Lebensraumtyps nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 08.07.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 8 C 10399/08
Fundstellen
DÖV 2010, 905
NuR 2010, 573
UPR 2010, 394