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BVerwG - Entscheidung vom 26.07.2010

7 B 24.10

Normen:
WHG § 7a
AbwAG a.F. § 9 Abs. 5
AbwAG § 9 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, 2

BVerwG, Beschluss vom 26.07.2010 - Aktenzeichen 7 B 24.10

DRsp Nr. 2010/14791

Ableitung der Anforderung des § 7a Wasserhaushaltsgesetz ( WHG ) i. S. v. § 9 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 Abwasserabgabengesetz ( AbwAG ) aus der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Anhangs 1 (Teil A); Berechnung und Festsetzung der Abwasserabgabe anhand des gesamten in ein Gewässer geleiteten Abwasserstroms

Für die Berechnung und Festsetzung der Abwasserabgabe gegenüber einem kommunalen Kläranlagenbetreiber ist grundsätzlich der gesamte in ein Gewässer geleitete Abwasserstrom maßgeblich. Dies schließt auch Abwasser aus einer Regenwasserbehandlungsanlage ein, das erst nach der Probenahmestelle in den Gesamtabwasserstrom eingeleitet wurde.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 152 226,01 EUR festgesetzt.

Normenkette:

WHG § 7a; AbwAG a.F. § 9 Abs. 5 ; AbwAG § 9 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 , 2 ;

Gründe

I

Die klagende Stadt betreibt die Kläranlage A. Die Einleitung von geklärtem Abwasser aus dieser Kläranlage in das Gewässer Olfe ist wasserrechtlich erlaubt. Auf der Kläranlage befindet sich eine Regenwasserbehandlungsanlage. Wegen zu hoher Zuflüsse aus der Kanalisation kam es im Jahr 2004 zu Abschlägen von ungeklärtem Schmutzwasser in die Regenwasserbehandlungsanlage. Das Abwasser aus dieser Anlage floss in den aus der Kläranlage fließenden Abwasserstrom und wurde mit diesem in die Olfe eingeleitet. Der Zufluss des Abwassers aus der Regenwasserbehandlungsanlage in den Gesamtabwasserstrom erfolgte erst nach der Probenahmestelle, an der die Überwachung der Einleitung von Abwasser aus der Kläranlage durchgeführt wird.

Im Jahr 2005 setzte der Rechtsvorgänger der Beklagten für das Veranlagungsjahr 2004 eine Abwasserabgabe fest. Dabei wurde unter anderem der Abgabesatz für die Parameter CSB und Stickstoff gemäß § 9 Abs. 5 AbwAG ermäßigt.

Mit Änderungsbescheid aus dem Jahr 2006 wurde unter Anwendung des vollen Abgabesatzes für die Parameter CSB und Stickstoff die Abgabe um insgesamt 152 226,01 EUR erhöht.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Änderungsbescheid abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Der Abgabesatz sei nicht gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG um 50 v.H. zu ermäßigen. Die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderungen nach § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes seien im Veranlagungszeitraum nicht eingehalten worden (vgl. § 9 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AbwAG ). Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, im Veranlagungsjahr 2004 für ihre kommunalen Abwässer die in Anhang 1 der Abwasserverordnung (häusliches und kommunales Abwasser) festgelegten Anforderungen ganzjährig eingehalten zu haben. Abzustellen sei insoweit auf das gesamte kommunale Abwasser der Klägerin, wie sich aus A. Nr. 2 des Anhangs 1 der Abwasserverordnung ergebe. Damit sei das gesamte in den Kanalisationen gesammelte Abwasser gemeint, das dementsprechend die Anforderungen erfüllen müsse. Da hier Teile des Abwassers an der bescheidmäßig vorgegebenen Probenahmestelle vorbeigeleitet worden seien, lasse sich nicht feststellen, ob die nach der Abwasserverordnung maßgeblichen Werte für den gesamten Abwasserstrom eingehalten worden seien. Dies zwinge zu einer Beweislastentscheidung zu Lasten der Klägerin.

Offenbleiben könne, ob die Abwasserverordnung Anforderungen an das beim Betrieb einer Abwasserbeseitigungsanlage einzuhaltende Verfahren stelle. Allein aus der Regelung unter A. Nr. 2 (Anwendungsbereich) des Anhangs 1 der Verordnung dürfte sich eine solche verfahrensbezogene Anforderung nicht ergeben.

II

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

1.

Die Zulassung der Revision scheitert nicht daran, dass § 9 Abs. 5 AbwAG in der für das maßgebliche Veranlagungsjahr 2004 geltenden Fassung auslaufendes Recht ist.

§ 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG hatte seit dem Veranlagungsjahr 1999 folgenden Wortlaut:

"Der Abgabesatz ... ermäßigt sich ... um die Hälfte der Schadeinheiten, die nicht vermieden werden, obwohl 1. der Inhalt des Bescheides nach § 4 Abs. 1 ... mindestens den von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderungen nach § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes entspricht und 2. die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderungen nach § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes im Veranlagungszeitraum eingehalten werden."

Durch das am 1. März 2010 insoweit in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) erhielten § 9 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 AbwAG folgende Fassung:

"... 1.

der Inhalt des Bescheides nach § 4 Abs. 1 ... mindestens den in einer Rechtsverordnung nach § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes ... festgelegten Anforderungen entspricht und 2. die in einer Rechtsverordnung nach Nr. 1 festgelegten Anforderungen im Veranlagungszeitraum eingehalten werden."

Für die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen sind die Änderungen des Gesetzes aber ohne Bedeutung.

2.

Die Beschwerde hält zunächst folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Kann sich eine Anforderung nach § 7a WHG im Sinne von § 9 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AbwAG nicht nur aus den Anforderungen des Anhangs 1 der Abwasserverordnung (Teile B und C), sondern auch aus der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Anhangs 1 (Teil A) ergeben?

Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht angenommen, dass sich Anforderungen im Sinne von § 9 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AbwAG auch aus Teil A des Anhangs 1 der Abwasserverordnung ergeben können. Anhang 1 der Abwasserverordnung enthält Bestimmungen für häusliches und kommunales Abwasser. In Teil A wird der Anwendungsbereich des Anhangs 1 geregelt. Teile B und C regeln Anforderungen im Sinne des § 7a WHG . Ob im Einzelfall in Teil B oder C des Anhangs 1 der Abwasserverordnung genannte Anforderungen zu beachten sind, kann selbstverständlich nur beantwortet werden, wenn zunächst geklärt wird, ob Abwasser überhaupt in den unter Teil A des Anhangs 1 der Abwasserverordnung geregelten Anwendungsbereich dieses Anhangs fällt. Nichts anderes hat das Oberverwaltungsgericht getan. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass auch das hier in Rede stehende Abwasser kommunales Abwasser im Sinne von Nr. 2 des Anhangs 1 Teil A der Abwasserverordnung ist. Ob die Abwasserverordnung auch Anforderungen an das Verfahren der Abwasserbehandlung stellt, hat es dagegen ausdrücklich offengelassen.

3.

Weiter hält die Beschwerde folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:

Ist die Regelung in A. Nr. 2 Anwendungsbereich Anhang 1 Abwasserverordnung so auszulegen, dass das gesamte in den Kanalisationen einer Kommune gesammelte Abwasser gemeint ist und dementsprechend dieses gesamte Abwasser die Anforderungen des Anhangs 1 erfüllen muss?

Die Klägerin hat - zweimal mit Schmutzwasser zusätzlich verunreinigtes - Regenwasser in den aus ihrem Klärwerk wegführenden Abwasserstrom geleitet. Mit ihrer Frage will sie letztlich klären lassen, inwieweit die Schadstoffbelastung dieses Regenwassers bei der Erhebung der Abwasserabgabe zu berücksichtigen ist. Diese Frage lässt sich ohne Weiteres beantworten. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich bereits aus dem Abwasserabgabengesetz, dass grundsätzlich der gesamte in ein Gewässer geleitete Abwasserstrom für die Berechnung und Festsetzung der Abwasserabgabe maßgeblich ist. Unter anderem ermäßigt sich der Abgabesatz nur dann gemäß § 9 Abs. 5 AbwAG , wenn dieser Abwasserstrom die Anforderungen nach § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes im Veranlagungszeitraum eingehalten hat (§ 9 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AbwAG ). Wäre das aus der Regenwasserbehandlungsanlage stammende Abwasser vor der Probenahmestelle in den Gesamtabwasserstrom eingeleitet worden, wäre dessen Schadstoffgehalt im Rahmen der wasserrechtlichen Überwachung (§ 4 Abs. 4 Satz 1 AbwAG ) mitgemessen worden. Die einzige Besonderheit des vorliegenden Falls besteht darin, dass das Abwasser aus der Regenwasserbehandlungsanlage erst nach der Probenahmestelle in den Gesamtabwasserstrom eingeleitet wurde. Dies führte dazu, dass - wie in dem oberverwaltungsgerichtlichen Urteil ausgeführt wird - die für die Festsetzung der Abwasserabgabe maßgeblichen Tatsachen nicht aufgeklärt werden konnten und eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Klägerin getroffen werden musste. Darüber hinausgehende Besonderheiten weist der Fall - entgegen den umfangreichen Ausführungen der Beschwerde - nicht auf. Deshalb kommt es auf die Auslegung der zitierten Bestimmung der Abwasserverordnung nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 20.01.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 9 A 3055/08