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BVerfG - Entscheidung vom 08.11.2010

1 BvR 2643/10

BVerfG, Beschluss vom 08.11.2010 - Aktenzeichen 1 BvR 2643/10

DRsp Nr. 2010/20734

Erstattung der notwendigen Auslagen eines Beschwerdeführers im Falle der Erledigung einer Verfassungsbeschwerde aufgrund einer überschlägigen Beurteilung der Erfolgsaussichten

Ist nach der Erledigung der Verfassungsbeschwerde gemäß § 34a Abs. 3 BverfGG über die Erstattung der Auslagen zu entscheiden, entspricht es nicht der Billigkeit, dem Urheber der Erledigung die Erstattung der dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen aufzugeben, wenn ein Erfolg der Verfassungsbeschwerde nicht unterstellt werden kann.

Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der Erstattung seiner notwendigen Auslagen wird abgelehnt.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 4.000 EUR (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 RVG ).

Gründe

Über die Erstattung der Auslagen und den Gegenstandswert hat gemäß § 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die Kammer zu entscheiden.

1.

Für die erstrebte Anordnung der Auslagenerstattung besteht keine rechtliche Grundlage.

Gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG ist im Falle der Erledigung der Verfassungsbeschwerde über die Erstattung der Auslagen des Beschwerdeführers nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände vorzunehmen. Im Hinblick auf Funktion und Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erscheint es grundsätzlich bedenklich, im Falle der Erledigung einer Verfassungsbeschwerde aufgrund einer überschlägigen Beurteilung der Erfolgsaussichten über die Auslagenerstattung zu entscheiden und dabei zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen aufgrund einer lediglich kursorischen Prüfung Stellung zu nehmen (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>). Diese Bedenken greifen nur dann nicht ein, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage - etwa durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem gleich liegenden Fall - bereits geklärt ist (vgl. BVerfGE 85, 109 <115 f.>). Grundsätzlich spricht einiges dafür, dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen zuzubilligen, wenn der verantwortliche Hoheitsträger die mit der Verfassungsbeschwerde gerügte Belastung beseitigt oder der Verfassungsbeschwerde auf andere Weise abgeholfen hat, und diesem Verhalten entnommen werden kann, dass der Hoheitsträger selbst davon ausgeht, dass das Anliegen des Beschwerdeführers berechtigt war (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 f.>; 87, 394 <397>; 91, 146 <147>). Wenn allerdings der Erfolg oder Misserfolg der erledigten Verfassungsbeschwerde nicht auf der Hand liegt und auch nicht unterstellt werden kann, hat es in der Regel beim Grundsatz zu verbleiben, dass der Beschwerdeführer seine eigenen Auslagen selbst zu tragen hat; eine Auslagenerstattung kommt hier nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht (vgl. Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz , 2. Aufl. 2005, § 34a Rn. 40 ff., 49).

Nach diesen Grundsätzen entspricht es vorliegend nicht der Billigkeit, dem Land Niedersachsen die Erstattung der dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen aufzugeben. Ein Erfolg der Verfassungsbeschwerde kann nicht unterstellt werden. Zwar hat das zuständige Landgericht die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Vergütungsfestsetzung auf die Gegenvorstellung des Beschwerdeführers durch Beschluss vom 1. Oktober 2010 antragsgemäß abgeändert. Das Landgericht hat für seine Entscheidung vom 1. Oktober 2010 jedoch ausschließlich auf einfachrechtliche Gesichtspunkte abgestellt und sich zu verfassungsrechtlichen Fragen in keiner Weise geäußert. Auch aus dem - teilweise pauschalen - Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich nicht ohne Weiteres, dass die angegriffenen Entscheidungen verfassungswidrig waren und dass die Verfassungsbeschwerde ohne das erledigende Ereignis Erfolg gehabt hätte.

2.

Der Gegenstandswert wird auf 4.000 EUR festgesetzt. Da vorliegend nicht auf der Hand liegt, dass die für erledigt erklärte Verfassungsbeschwerde Erfolg gehabt hätte, ist die Festsetzung eines über dem gesetzlichen Mindestwert von 4.000 EUR liegenden Gegenstandswerts nicht gerechtfertigt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.