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BSG - Entscheidung vom 12.08.2010

B 3 P 3/09 R

Normen:
SGB XI § 45a
SGB XI § 45b

BSG, Urteil vom 12.08.2010 - Aktenzeichen B 3 P 3/09 R

DRsp Nr. 2010/17860

Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI aus der sozialen Pflegeversicherung bei dauerhafter Einschränkung der Alltagskompetenz

1. Die Einschränkung der Alltagskompetenz ist "dauerhaft", wenn sie voraussichtlich für mindestens sechs Monate besteht. 2. Schädigungen und Fähigkeitsstörungen liegen nicht "regelmäßig" vor, wenn der krankheitsbedingte allgemeine Betreuungsbedarf in der Regel nur einmal wöchentlich anfällt.

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGB XI § 45a; SGB XI § 45b;

Gründe:

I

Die 1957 geborene Klägerin ist schwerpflegebedürftig und erhält von der beklagten Pflegekasse seit August 2001 Leistungen nach der Pflegestufe II. Sie wird zu Hause von ihrem Ehemann sowie Mitarbeitern eines ambulanten Pflegedienstes betreut und gepflegt. Im März 2006 beantragte sie zusätzliche Leistungen wegen eines erheblichen allgemeinen Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarfs nach § 45b SGB XI , weil ihre Alltagskompetenz krankheitsbedingt eingeschränkt sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, nachdem ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zu dem Ergebnis gekommen war, es lägen zwar leichte kognitive Defizite vor, jedoch keine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, psychische Erkrankung oder geistige Behinderung. Der Beaufsichtigungsbedarf beruhe allein auf der Gefahr der Unterzuckerung und damit auf der langjährigen Diabeteserkrankung, was leistungsrechtlich unbeachtlich sei (Bescheid vom 4.4.2006, Widerspruchsbescheid vom 20.12.2006).

Das SG hat im Klageverfahren ein Gutachten des Nervenarztes Dr. B. vom 4.7.2007 eingeholt und die Klage sodann abgewiesen (Urteil vom 1.4.2008). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 18.12.2008): Zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI sehe das Gesetz nur für Menschen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen vor, bei denen als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens bestehen, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz geführt haben. Daran fehle es hier. Die vom Sachverständigen festgestellte organische Persönlichkeitsstörung führe in den maßgeblichen Bereichen des § 45a Abs 2 Satz 1 SGB XI zu keinerlei Schädigungen oder Fähigkeitsstörungen und begründe deshalb auch keine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz iS des § 45a SGB XI . Nur im Fall der Unterzuckerung träten die Beeinträchtigungen nach § 45a Abs 2 Satz 1 Nr 4 , 5 , 6 , 8, 10 und 12 SGB XI auf. Rechtlich wesentlich für diese Beeinträchtigungen seien deshalb nur die Unterzuckerungszustände und nicht, wie in den §§ 45a, 45b SGB XI vorausgesetzt, demenzbedingte Fähigkeitsstörungen, geistige Behinderungen oder psychische Erkrankungen. Außerdem fehle es an der in § 45a Abs 2 Satz 2 SGB XI geforderten Dauerhaftigkeit und Regelmäßigkeit der Schädigungen und Fähigkeitsstörungen, weil die Unterzuckerungen nur an einzelnen Tagen aufträten, und zwar einmal in zwei Wochen als schwere Fälle und ansonsten etwa einmal wöchentlich als leichte Fälle, wobei die Klägerin von ihrem Ehemann jeweils mit Glukagon therapiert werden müsse. Leistungsrechtlich werde aber ein kontinuierlicher, ohne Unterbrechungen bestehender Zustand von wenigstens sechs Monaten vorausgesetzt, in dem es einen Betreuungsbedarf gebe, der täglich zu leisten sei, um die Einschränkungen der Alltagskompetenz auszugleichen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§§ 45a, 45b SGB XI ). Der Begriff "dauerhaft" verlange keinen ständig andauernden Zustand eingeschränkter Alltagskompetenz, sondern umschreibe nur einen körperlichen oder geistigen Zustand, der innerhalb von wenigstens sechs Monaten eine Besserung oder Genesung nicht erwarten lasse. Das sei sowohl bei der organischen Persönlichkeitsstörung als auch bei der Diabeteserkrankung der Fall. Der Betreuungsbedarf beruhe auf dem Zusammenspiel beider Krankheiten in der Krisensituation der Unterzuckerung, was für die Einbeziehung in den von § 45a SGB XI erfassten Personenkreis ausreiche. Auch das Tatbestandsmerkmal der "regelmäßigen" Schädigung oder Fähigkeitsstörung (§ 45a Abs 2 Satz 2 SGB XI ) sei erfüllt, weil insoweit eine ständige Wiederkehr ausreiche. Im Übrigen bestehe ein Beaufsichtigungsbedarf täglich rund um die Uhr, weil die Gefahr der Unterzuckerung permanent vorhanden sei und sich jederzeit realisieren könne.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 2008 und des SG Koblenz vom 1. April 2008 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI in Höhe von bis zu 460 Euro je Kalenderjahr für die Zeit von März 2006 bis Juni 2008 sowie in Höhe von bis zu 200 Euro monatlich ab Juli 2008 zu gewähren.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI nicht zusteht. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten ist rechtmäßig.

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

a) Die Klägerin hat zu Recht eine Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG ) erhoben, weil ihr Begehren auf eine Sozialleistung gerichtet ist, die abgelehnt worden ist und auf die bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen (§§ 45a, 45b SGB XI ) ein Rechtsanspruch gegen die Pflegekasse besteht.

b) Die Regelung des § 45b SGB XI sieht für die zusätzlichen Betreuungsleistungen ein zweiteilig gestuftes Verfahren der Leistungsgewährung vor. In einem ersten Schritt wird entschieden, ob der Versicherte dem Grunde nach leistungsberechtigt ist und wie hoch der Betrag ausfällt, den er ausschöpfen kann, falls er eines der in § 45b Abs 1 Satz 6 SGB XI genannten Pflege- und Betreuungsangebote wahrnimmt (§ 45b Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB XI ). In einem zweiten Schritt wird dann festgelegt, wie hoch die Kostenerstattung für tatsächlich in Anspruch genommene zusätzliche Betreuungsleistungen ausfällt (§ 45b Abs 2 Satz 1 SGB XI ). Der Gesetzgeber hat hier keine Sachleistung der Pflegekasse vorgesehen, sondern ein reines Kostenerstattungsverfahren eingeführt (§ 45b Abs 1 Satz 2 und 6 sowie Abs 2 Satz 1 SGB XI ). Dabei dürfte es sich im Interesse der Rechtssicherheit für die Versicherten und ihre pflegenden Angehörigen empfehlen, dass die Pflegekasse zunächst nur eine Entscheidung darüber trifft, ob ein Versicherter zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI dem Grunde nach beanspruchen kann und wie der finanzielle Rahmen aussieht, den er dabei ausschöpfen kann (Grundbescheid). Liegt eine solche grundsätzliche Bewilligungsentscheidung vor, kann der Versicherte die finanziellen Auswirkungen der beabsichtigten Inanspruchnahme von Leistungen nach § 45b Abs 1 Satz 6 SGB XI sicher kalkulieren und abschätzen, ob und in welchem Umfang er einen eigenen Beitrag aufzubringen haben wird. Über die Höhe der Kostenerstattung entscheidet dann die Pflegekasse nach Vorlage der entsprechenden Belege gemäß § 45b Abs 2 Satz 1 SGB XI (Erstattungsbescheid). Nicht verbrauchte Mittel können sodann nach Maßgabe des § 45b Abs 2 Satz 2 SGB XI in das folgende Kalenderjahr übertragen werden.

Im vorliegenden Fall geht es allein um die Grundentscheidung, ob die Klägerin überhaupt zu dem von § 45a SGB XI erfassten Personenkreis gehört und welcher Leistungsrahmen ihr gegebenenfalls zusteht. Die Frage, ob die Klägerin bisher schon Betreuungsleistungen nach § 45b Abs 1 Satz 6 SGB XI in Anspruch genommen (und selbst finanziert) hat, kann also offen bleiben; denn sie ist für das auf die Grundentscheidung gerichtete Klagebegehren unerheblich und berührt das Rechtsschutzinteresse nicht. Der von der Beklagten erhobene Einwand des fehlenden Nachweises in Anspruch genommener derartiger Betreuungsleistungen ist damit unerheblich. Zu Recht hat das LSG davon abgesehen, hierzu Feststellungen zu treffen.

2. Rechtsgrundlage für das Klagebegehren ist für die Zeit bis Juni 2008 § 45b Abs 1 Satz 1 SGB XI in der Fassung des Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetzes (PflEG) vom 14.12.2001 (BGBl I 3728) sowie für die Zeit ab Juli 2008 § 45b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB XI in der Fassung des Pflegeversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes (PflegeWEG) vom 28.5.2008 (BGBl I 874).

a) Wesentlich für die zum 1.7.2008 in Kraft getretene Gesetzesänderung ist die Erhöhung der Leistung von bis zu 460 Euro kalenderjährlich auf bis zu 100 Euro monatlich ("Grundbetrag") für Versicherte mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz und auf bis zu 200 Euro monatlich ("erhöhter Betrag") für Versicherte mit in erhöhtem Maße eingeschränkter Alltagskompetenz, was einer Anhebung der Leistung auf bis zu 1200 bzw 2400 Euro jährlich entspricht (vgl zu den Auswirkungen der Umstellung die Richtlinie zur Feststellung von Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz und zur Bewertung des Hilfebedarfs [PEA-RL] vom 22.3.2002 idF der Beschlüsse vom 11.5.2006 und 10.6.2008, abgedruckt bei Udsching, SGB XI , 3. Aufl 2010, S 547 ff, hier Ziffer 4.1 S 552). Das Klagebegehren scheitert in diesem Fall an Tatbestandsvoraussetzungen, die sich in beiden Fassungen des Gesetzes gleichermaßen finden, sodass hier auf eine nach Zeitabschnitten differenzierende Darstellung verzichtet werden kann. Die Vorschriften sind im Folgenden nach dem ab 1.7.2008 geltenden Rechtszustand zitiert.

b) Nach § 45b Abs 1 Satz 1 SGB XI können Versicherte, die die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, je nach dem Umfang des erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarfs zusätzliche Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen, deren Kosten bis zu den genannten Höchstbeträgen ersetzt werden (§ 45b Abs 1 Satz 2 SGB XI ). Die Regelung verweist somit auf § 45a SGB XI , in dem der "berechtigte Personenkreis" normiert ist.

c) Nach § 45a Abs 1 Satz 1 SGB XI betreffen die Leistungen des Fünften Abschnitts im Vierten Kapitel des SGB XI Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§§ 14 und 15 SGB XI ) ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung besteht. Erfasst wird damit ein nicht speziell verrichtungsbezogener und deshalb bei der Bemessung des Pflegebedarfs nach § 14 SGB XI auch nicht zu berücksichtigender - also allgemeiner - Pflegebedarf. Dies betrifft nach § 45a Abs 1 Satz 2 SGB XI einerseits Pflegebedürftige der Pflegestufen I, II und III sowie andererseits Personen, die einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung haben, der jedoch nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht, und zwar jeweils beschränkt auf Pflegebedürftige mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, bei denen der MDK im Rahmen der pflegeversicherungsrechtlichen Begutachtung nach § 18 SGB XI als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens festgestellt hat, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz geführt haben. Für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich ist, sind die in § 45a Abs 2 Satz 1 SGB XI im Einzelnen aufgeführten, für diesen Personenkreis typischen 13 Schädigungen und Fähigkeitsstörungen im Alltag - sogenannte Assessments (vgl PEA-RL Ziffer 2.2) - maßgebend. Die Alltagskompetenz ist danach erheblich eingeschränkt, wenn der Gutachter des MDK bei dem Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen und Fähigkeitsstörungen feststellt (§ 45a Abs 2 Satz 2 SGB XI ). Für diese Fälle ist ein Kostenerstattungsbetrag bis zu 100 Euro monatlich ("Grundbetrag") vorgesehen (§ 45b Abs 1 Satz 2 SGB XI ). Der erhöhte Kostenerstattungsbetrag von bis zu 200 Euro monatlich ("erhöhter Betrag") ist für Fälle vorgesehen, in denen über die Mindestvoraussetzungen von 2 Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, hinaus ein dritter Bereich des § 45a Abs 2 Satz 1 SGB XI betroffen ist, und zwar nach Nr 1, 2, 3, 4, 5, 9 oder 11 (so Ziffer 4.1 PEA-RL). Auf im Schrifttum geäußerte verfassungsrechtliche Bedenken (zB Udsching, aaO, § 45b RdNr 4) gegen diese Form "administrativer Leistungszuteilung" braucht der erkennende Senat indes nicht einzugehen, weil die Klägerin die Voraussetzungen des § 45a SGB XI ohnehin nicht erfüllt.

3. Es fehlt an den personellen und sachlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung der Klägerin in den nach § 45a SGB XI geschützten Personenkreis.

a) Der Gesetzgeber hat nicht jeden durch eine Krankheit oder Behinderung bedingten allgemeinen Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf erfasst, sondern nur denjenigen, der auf demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen beruht (§ 45a Abs 1 Satz 1 und 2 SGB XI ). Nach den Feststellungen des LSG lag eine solche Erkrankung oder Behinderung bei der Klägerin jedenfalls bis zur mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren (18.12.2008) als dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt (vgl Keller in MeyerLadewig/Keller/Leitherer, SGG , 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 34) nicht vor. Die bei ihr diagnostizierte organische Persönlichkeitsstörung als Folge eines Schlaganfalls und früherem chronischem Alkoholismus ist keiner der drei genannten Krankheitsgruppen zuzuordnen. Insbesondere lag keine Demenz (chronisch degenerative Veränderung des Gehirns) vor. Der Betreuungsbedarf beruht im vorliegenden Fall auf der Diabeteserkrankung und den darauf basierenden Unterzuckerungszuständen. Ohne diese körperliche Erkrankung gäbe es bei der Klägerin keinen allgemeinen Betreuungsbedarf. Diese Feststellung ist für den erkennenden Senat bindend, weil sie nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen worden ist (§ 163 SGG ).

b) Es kann offen bleiben, ob nach der Berufungsverhandlung die vom Gutachter festgestellte organische Persönlichkeitsstörung in eine beginnende Demenz übergegangen und deshalb mittlerweile eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung eingetreten ist. Hinweise darauf finden sich in dem von der Beklagten eingereichten, erst nach der Berufungsverhandlung erstellten neuen MDK-Gutachten vom 26.1.2009, in dem erstmals die Frage nach einer demenzbedingten Fähigkeitsstörung bejaht worden ist. Diese erst nach der Entscheidung des LSG eingetretene gesundheitliche Entwicklung bietet indes keinen Anlass zu Ermittlungen, weil ein entsprechender Sachvortrag im vorliegenden Revisionsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen ist. Deshalb kann auch offen bleiben, ob die Feststellung des MDK, es liege nunmehr eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung vor, lediglich auf einer Einschätzung der als Gutachter eingesetzten Pflegefachkraft oder auf einer ärztlichen Diagnose beruht und ob es dabei um eine bewusste oder nur versehentliche Abkehr von früheren Begutachtungen geht. Grundsätzlich ist eine solche rein medizinische Feststellung Ärzten vorbehalten. Im Übrigen bleibt aber anzumerken, dass auch in diesem neuen Gutachten der Betreuungsbedarf allein auf die Unterzuckerungszustände zurückgeführt wird.

c) Der allgemeine Betreuungsbedarf muss auf demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen und psychischen Erkrankungen beruhen (§ 45a Abs 1 Satz 2 SGB XI ). Ein aus anderen Ursachen resultierender allgemeiner Betreuungsbedarf ist nicht zu berücksichtigen. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien zum PflEG (BT-Drucks 14/6949 S 15, 16 zu §§ 45a und 45b des Entwurfs) ergibt, hat der Gesetzgeber den Kreis der Berechtigten auf demenzkranke, geistig behinderte und psychisch erkrankte Versicherte beschränkt, deren Beaufsichtigungs- und Pflegebedarf von den Kriterien der auf die Gebrechlichkeitspflege zugeschnittenen Vorschriften des Gesetzes (§§ 14 , 15 SGB XI ) vielfach nur unzureichend erfasst wird. Vor allem Demenzkranke und deren Angehörige sollten - wenn auch nur in bescheidenem Umfang - durch die zusätzlichen Betreuungsleistungen besser gestellt werden. Die Regelung des § 45a Abs 1 Satz 2 SGB XI über den geschützten Personenkreis ist daher als abschließend zu verstehen. Den Pflegebedarf der sonstigen Versicherten sieht der Gesetzgeber bei pauschalierender Betrachtung durch die Regelungen der §§ 14 , 15 SGB XI als hinreichend berücksichtigt an.

d) Außerdem ist hier der geltend gemachte Leistungsanspruch nach § 45b SGB XI auch deshalb unbegründet, weil die Schädigung oder Fähigkeitsstörung nicht nur "dauerhaft", sondern auch "regelmäßig" vorliegen muss (§ 45a Abs 2 Satz 2 SGB XI ).

aa) Erfüllt ist allerdings das Tatbestandsmerkmal der "Dauerhaftigkeit" der Einschränkung der Alltagskompetenz (§ 45a Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Satz 1 SGB XI ) bzw der "Dauerhaftigkeit" der Schädigungen (§ 45a Abs 2 Satz 2 SGB XI ). Der Begriff "dauerhaft" ist in diesem Zusammenhang nicht gleichzusetzen mit Begriffen wie permanent, ununterbrochen oder täglich. Vielmehr ist damit nur ein Zustand gemeint, der "auf Dauer", dh voraussichtlich für wenigstens sechs Monate, bestehen wird, was bei der festgestellten organischen Persönlichkeitsstörung und der langjährigen Diabeteserkrankung der Fall ist. Es geht dabei um nicht besserungsfähige Dauerzustände. Die Zeitdauer von wenigstens sechs Monaten folgt dabei aus einer Analogie zu § 14 Abs 1 SGB XI , auf den ersichtlich auch die Regelung in Ziffer 2.2 PEA-RL (Udsching, aaO, Ziffer 2.1, S 548) Bezug nimmt.

bb) Es fehlt hier jedoch am Tatbestandsmerkmal der "Regelmäßigkeit" der Schädigung (§ 45a Abs 2 Satz 2 SGB XI ). Dabei ist es zumindest zweifelhaft, ob "regelmäßig" in diesem Sinne bedeutet, dass grundsätzlich ein täglicher Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf wegen einer "dauerhaft" bestehenden Schädigung vorhanden ist, dessen Ausprägung sich allerdings unterschiedlich darstellen kann (so aber Ziffer 2.2 PEA-RL, Udsching, aaO, S 548). Bedenken bestehen insoweit, als der Gesetzgeber, wenn er eine "täglich" auftretende Schädigung oder Fähigkeitsstörung hätte fordern wollen, dies auch so im Gesetz hätte normieren können. Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob "regelmäßig" als "täglich" auszulegen ist, jedoch offen bleiben. Auf jeden Fall reicht es nicht aus, wenn eine Schädigung oder Fähigkeitsstörung - wie hier - nur einmal oder zweimal wöchentlich auftritt. Die entgegenstehende Ansicht der Klägerin wäre auch unvereinbar mit dem Begriff der "Alltagskompetenz", der Fähigkeiten und Fertigkeiten umfasst, die praktisch täglich - also im "Alltag" - vom Menschen gefordert werden und bei gesunden, nicht behinderten Menschen praktisch stets verfügbar sind. Die Schädigungen bzw Fähigkeitsstörungen der Klägerin sind in diesem Sinne nicht "regelmäßig" vorhanden, sondern nur während der Unterzuckerungszustände, die sporadisch auftreten. Dies reicht für die Einbeziehung in den von den §§ 45a, 45b SGB XI geschützten Personenkreis nicht aus.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 18.12.2008 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 P 12/08
Vorinstanz: SG Koblenz, vom 01.04.2008 - Vorinstanzaktenzeichen S 3 P 3/07