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BGH - Entscheidung vom 14.07.2010

IV ZR 250/09

Normen:
ZPO a.F. § 50 Abs. 2
VVG a.F. § 67

Fundstellen:
VersR 2010, 1598

BGH, Beschluss vom 14.07.2010 - Aktenzeichen IV ZR 250/09

DRsp Nr. 2010/17323

Zweck und Reichweite einer Einzugsermächtigung

Eine Einzugsermächtigung verschafft dem Ermächtigten die Sachlegitimation, Leistung an sich zu verlangen und damit auch die Befugnis, einen die Leistung vorbereitenden Feststellungsantrag zu stellen.

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Februar 2009 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum

30. August 2010.

Wert: 10.000 €

Normenkette:

ZPO a.F. § 50 Abs. 2 ; VVG a.F. § 67 ;

Gründe

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da beachtliche Zulassungsgründe für den allein noch maßgeblichen Hilfsantrag der Klägerin nicht ersichtlich sind; das Rechtsmittel ist zudem unbegründet.

I.

Die Klägerin besorgt gemäß Vertrag vom 28. Oktober 1998 (Geschäftsbesorgungsvertrag) Geschäfte des Kommunalen Schadenausgleichs (KSA) der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, der als nicht rechtsfähiger Verein geführt wird. Die F. W. GmbH, die später auf die Beklagte verschmolzen worden ist, war seit dem Jahre 1992 Mitglied im KSA. Die Beklagte trat nach der Verschmelzung mit Wirkung zum 3. August 2004 aus dem KSA aus. Danach entstand Streit, inwieweit für die Zeit der Mitgliedschaft noch Umlageverpflichtungen der Beklagten bestehen. Dazu sieht die Satzung des KSA (Satzung) folgendes vor:

"§ 9

....

(2)

Scheidet ein Mitglied aus dem Deckungsschutz einer Verrechnungsstelle ganz oder teilweise aus bzw. reduzieren sich seine Wagnisse, so bleibt es für die während seiner Zeit der Beteiligung an dieser Verrechnungsstelle eingetretenen Schadensfälle und begründeten Verbindlichkeiten anteilig zur Umlage verpflichtet.

(3)

Diese in Abs. 2 genannte Verpflichtung kann nach Maßgabe des Satzes 4 auch durch Einmalzahlung abgegolten werden.

...."

Das Landgericht hat die auf § 9 Abs. 3 der Satzung und auf eine Abtretung vom 25. Juni 2007 gegründete Klage auf Zahlung von 30.847,04 EUR nebst Zinsen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf den Hilfsantrag der Klägerin festgestellt, dass die Beklagte gemäß § 9 Abs. 2 der Satzung des KSA verpflichtet ist, für die während der Zeit der Beteiligung der F. W. GmbH an den Verrechnungsstellen Allgemeine Haftpflicht, Kraftfahrthaftpflicht und Autokasko eingetretenen Schadensfälle und begründeten Verbindlichkeiten aller Mitglieder die anteilige Umlage zu entrichten, soweit die Ansprüche ab dem 1. Januar 2006 entstanden sind. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

II.

Die Revision macht ohne Erfolg geltend, der Klägerin sei nur die Einmalforderung nach § 9 Abs. 3 der Satzung gemäß der Erklärung vom 25. Juni 2007 abgetreten worden. Sie sei deshalb nicht berechtigt, den auf § 9 Abs. 2 der Satzung gestützten Feststellungsantrag zu verfolgen.

1.

Die Klägerin ist aus eigenem materiellen Recht legitimiert, die Umlagepflicht der Rechtsvorgängerin der Beklagten nach § 9 Abs. 2 der Satzung dem Grunde nach feststellen zu lassen. Entsprechendes folgt aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag. Die Klägerin ist allein deshalb als Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet und vom Kommunalen Schadenausgleich mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten beauftragt worden, um diesem über den nach früherer Rechtslage (vgl. § 50 Abs. 2 ZPO a.F.) gegebenen Mangel hinweg zu helfen, in Aktivprozessen als Partei aufzutreten.

Vor dem Hintergrund dieser damals fehlenden aktiven Parteifähigkeit ist Absatz 1 der Präambel des Geschäftsbesorgungsvertrages, der sich zur Durchsetzung von Regressforderungen gegen Dritte nach § 67 VVG a.F. verhält, nur beispielhaft zu sehen. Maßgeblich kommt es auf die Absätze 3 und 4 an, die sich ausdrücklich mit § 50 Abs. 2 ZPO a.F. befassen, sowie auf den Zusatz in Absatz 5: "Dasselbe gilt selbstverständlich auch für sonstige Aktivprozesse, die der KSA zu führen hat".

Eine umfassende (Voraus-)Abtretung sämtlicher Ansprüche durch den KSA an die GmbH ist darin zwar nicht zu sehen. Indes ist eine treuhänderische Stellung der Klägerin begründet worden, die mit einer treuhänderischen Einzugsermächtigung verbunden war. Wesentliche Aufgabe der Klägerin sollte es sein, dem KSA generell die Führung von Aktivprozessen zu ermöglichen. Diese -treuhänderisch ausgestaltete -Rechtsstellung wird auch aus den Regelungen unter § 1 des Geschäftsbesorgungsvertrages deutlich. Nach § 1 Abs. 3 hat die Klägerin die Aktivprozesse unter Anleitung sowie nach den Vorgaben des KSA bzw. der von diesem ausgewählten Prozessbevollmächtigten zu führen. Der KSA trägt im Innenverhältnis das wirtschaftliche Risiko einer Uneinbringlichkeit der eingeklagten Forderung (§ 1 Abs. 4) und stellt die Klägerin von Ansprüchen Dritter und sämtlichen Kosten frei (§ 1 Abs. 5, § 2).

Bei der Einzugsermächtigung handelt es sich - als Minus zur Vollabtretung - um ein abgespaltenes Gläubigerrecht, das die Verfügungsbefugnis des Ermächtigten über ein fremdes, dem Ermächtigenden verbleibendes Recht durch den Begriff der Einziehung entsprechend umgrenzt. Sie verschafft dem Ermächtigten insoweit die Sachlegitimation, Leistung an sich zu verlangen (BGHZ 125, 196 , 205; BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98 - VersR 1999, 892 unter II 1 a). Dann aber ist er auch befugt, einen die Leistung vorbereitenden Feststellungsantrag zu stellen.

2.

Der Feststellungsausspruch des Berufungsgerichts ist auch hinreichend bestimmt. Das Berufungsgericht hat klar zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur die eigenen Schadensfälle der F. W. GmbH als Grundlage für die anteilige Umlage zu nehmen sind, sondern die Schadensfälle aller Mitglieder im betreffenden Zeitraum. Erfasst sind die Schadensfälle, die sich während der Beteiligung der auf die Beklagte verschmolzenen F. W. GmbH am Kommunalen Schadenausgleich ereignet haben. Zwar wird das Datum des Ausscheidens (3. August 2004) im Feststellungsausspruch nicht ausdrücklich genannt. Es ergibt sich aber ohne weiteres aus den Gründen des Urteils und ist überdies zwischen den Beteiligten unstreitig. Betroffen sind allerdings nur Umlageforderungen ab dem 1. Januar 2006, die nach Auffassung des Berufungsgerichts in nicht rechtsverjährter Zeit entstanden sind.

3.

Der Einwand der Revision, für die Umlage hätte in der Satzung selbst eine feste betrags- und zeitmäßige Obergrenze festgelegt werden müssen, ist ebenfalls nicht begründet. Der hier gegebene Sachverhalt lässt sich nicht unter die Rechtsprechung des II. Zivilsenats (Urteil vom 24. September 2007 - II ZR 91/06 - ZIP 2007, 2264 Tz. 11 f.) einordnen. Es geht um die reguläre Beitragsschuld der F. W. GmbH für die Zeit ihrer Mitgliedschaft und nicht um eine darüber hinausgehende Umlagepflicht wegen eines außerordentlichen (zusätzlichen) Finanzbedarfs.

4.

Das erforderliche Feststellungsinteresse ist ebenfalls gegeben. Die Beklagte ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand zum Zwecke der Daseinsvorsorge, wenn sie auch rein privatrechtlich in der Rechtsform einer GmbH organisiert ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine Feststellungsklage zulässig ist, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt. Das ist wiederum insbesondere dann der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf; das ist etwa bei einer Behörde, einer Bank oder einem großen Versicherungsunternehmen der Fall (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2005 - IV ZR 18/04 -VersR 2005, 629 unter II 1). Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte diese Erwartung nicht ebenfalls rechtfertigt, zumal sie in der Vergangenheit ihrer Umlageverpflichtung entsprechend § 9 Abs. 1 der Satzung nachgekommen ist, ohne dass sich Streitigkeiten hinsichtlich der Höhe ihrer Schuld ergeben hätten. Hier geht es der Beklagten vorrangig darum, die Frage geklärt zu wissen, ob nur die eigenen Schadensfälle oder die sämtlicher Mitglieder in die Umlageverpflichtung einzubeziehen sind.

5.

Die zuletzt genannte Frage hat das Berufungsgericht zutreffend beantwortet. Beim Kommunalen Schadenausgleich (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 3 VAG) handelt es sich um eine freiwillige Selbstversicherungseinrichtung, die die Gemeinden und Gemeindeverbände in der Form nicht rechtsfähiger Vereine geschaffen haben, um im Wege des Ausgleichs insbesondere Haftpflicht- und Kraftfahrzeughaftpflichtschäden sowie Kaskoschäden ihrer Mitglieder zu tragen (Präve in Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz 12. Aufl. § 1 Rdn. 68). Er finanziert sich auf der Grundlage eines Umlageverfahrens; es werden grundsätzlich keine Rücklagen oder Rückstellungen gebildet (Präve aaO). Die nachwirkende Umlagepflicht der im Laufe eines Geschäftsjahres ausgeschiedenen Mitglieder, wie sie die Satzung des KSA vorsieht, entspricht dem Leitbild des § 25 Abs. 1 VAG, das hier herangezogen werden kann, auch wenn der KSA gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 VAG nicht der Versicherungsaufsicht unterliegt. Das ist allein darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber ein Aufsichtsbedürfnis für den Kommunalen Schadenausgleich nicht gesehen hat, weil die daran beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbände schon einer kommunalen Aufsicht unterliegen (Präve aaO). Aus diesem Umstand kann nicht geschlossen werden, dass dem Kommunalen Schadenausgleich ein anderes Modell zugrunde läge als das, welches in § 25 Abs. 1 VAG zum Ausdruck kommt. In § 24 Abs. 1 VAG ist zudem das Umlagesystem als solches ausdrücklich anerkannt (vgl. auch BGH, Urteil vom 16. November 1967 - II ZR 259/64 - VersR 1968, 138 unter I); auf diese Weise wird das übernommene Risiko planmäßig auf die Gemeinschaft aller von der gleichen Gefahr bedrohten Mitglieder verteilt. Eine Intransparenz der Satzungsbestimmung in § 9 Abs. 1 Satz 1 ("Die Schadenbeträge ... werden nach Abschluss des Geschäftsjahres auf die Mitglieder nach den für die Verrechnungsstellen geltenden Schlüsseln umgelegt.") ist insoweit nicht zu erkennen, zumal es hier allein um die Umlagepflicht dem Grunde nach geht.

6.

Schließlich kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte in einer späteren Satzungsfassung die Regelung des § 9 Abs. 3 geändert und dahin ausgestaltet hat, dass nunmehr im Falle des Ausscheidens eines Mitglieds grundsätzlich eine Einmalzahlung zu erbringen ist, die die nachwirkende Beteiligung im Umlageverfahren gemäß § 9 Abs. 2 ersetzt.

Denn für die Leistungspflicht der Beklagten ist die Satzungsfassung maßgeblich, die zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem KSA galt.

Hinweis:Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorinstanz: LG Chemnitz, vom 27.08.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 1387/07
Vorinstanz: OLG Dresden, vom 19.02.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 1721/08
Fundstellen
VersR 2010, 1598