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BGH - Entscheidung vom 22.03.2010

AnwZ (B) 122/08

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluss vom 22.03.2010 - Aktenzeichen AnwZ (B) 122/08

DRsp Nr. 2010/8365

Zulässigkeit des Widerrufs einer Rechtsanwaltszulassung bei Begleichung verschiedener Forderungen aber noch bestehender Verbindlichkeiten; Vermögensverfall bei Steuerschulden eines Rechtsanwalts und damit einhergehenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. November 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1983 als Rechtsanwalt zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 16. April 2008 die Zulassung des Antragstellers gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO ), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist mit Recht widerrufen worden.

1.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a)

Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126). Zum Zeitpunkt des Widerrufs waren gegen den Antragsteller die in der Anlage zum Widerrufsbescheid im Einzelnen aufgeführten Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen in einer Gesamthöhe von über 150.000 EUR bekannt geworden. Den wiederholten Aufforderungen der Antragsgegnerin, eine substantiierte Vermögensaufstellung unter Angabe aller bestehenden Verbindlichkeiten vorzulegen, war er nicht nachgekommen. Soweit er die Tilgung einzelner Forderungen bzw. deren Begleichung durch Ratenzahlungen behauptet hatte, war er weitgehend die erforderlichen Nachweise schuldig geblieben.

b)

Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den hierauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger.

2.

Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), kann nicht festgestellt werden.

Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht dargetan. Nach einer Mitteilung der Oberfinanzdirektion K. vom 24. Februar 2009 beliefen sich die Steuerschulden des Antragstellers bei den Finanzämtern S. und M. einschließlich Säumniszuschlägen nach dem Stand vom 18. Februar 2009 bereits auf 109.820,25 EUR. Auch nach Erlass der Widerrufsverfügung sind weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn bekannt geworden. Nach einer Aufstellung des zuständigen Gerichtsvollziehers sind bei ihm allein in dem Zeitraum vom 16. Mai bis 3. Dezember 2008 acht Vollstreckungsersuchen gegen den Antragsteller über einen Gesamtbetrag von ca. 23.800 EUR eingegangen. In sämtlichen Fällen ist von den betroffenen Gläubigern die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beantragt worden. Zuletzt ist am 1. Dezember 2009 in der Zwangsvollstreckungssache AG M. und am 3. Februar 2010 in der Zwangsvollstreckungssache AG M. gegen den Antragsteller gemäß §§ 901 , 807 ZPO die Haft angeordnet worden, so dass auch der Vermutungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO gegeben ist.

Zwar hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung - ohne dies allerdings jeweils konkret zu belegen - die vollständige oder teilweise Begleichung verschiedener Forderungen dargelegt. Er hat aber auch das Fortbestehen erheblicher Verbindlichkeiten eingeräumt, so etwa eine Forderung der Finanzämter S. und M. in Höhe von ca. 17.000 EUR, der Sparkasse H. in Höhe von ca. 5.000 EUR, des Klinikums M. in Höhe von ca. 1.500 EUR sowie eines Gläubigers G. in Höhe von ca. 51.000 EUR. Danach kann trotz des Bemühens des Antragstellers nicht von einer Ordnung seiner Vermögensverhältnissen ausgegangen werden.

3.

Es kann weiterhin nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall ausnahmsweise nicht (mehr) gefährdet sind.

Vorinstanz: AGH Stuttgart, vom 29.11.2008 - Vorinstanzaktenzeichen AGH Baden-Württemberg - 29.11.2008 - AGH 24/08 (I)