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BGH - Entscheidung vom 10.05.2010

AnwZ (B) 72/09

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluss vom 10.05.2010 - Aktenzeichen AnwZ (B) 72/09

DRsp Nr. 2010/10424

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aufgrund eines vermuteten Vermögensverfalls durch Eintragung in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 19. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1996 als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 16. September 2008 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 215 Abs. 3 BRAO , § 42 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 4 BRAO a.F.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers ist mit Recht widerrufen worden.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind hierdurch nicht gefährdet. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass des angefochtenen Bescheids der Antragsgegnerin gegeben und bestehen fort.

1.

Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2005 - AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559 , Tz. 5 m.w.N.). Zudem besteht nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO eine gesetzliche Vermutung für den Eintritt eines Vermögensverfalls, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO , § 915 ZPO ) eingetragen ist.

Der gesetzliche Vermutungstatbestand war zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids erfüllt. Der Antragsteller war seinerzeit im Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht M. eingetragen (Haftbefehl vom 24. August 2007 wegen einer Forderung in Höhe von 41,09 €). Die dadurch begründete Vermutung für den Vermögensverfall des Antragstellers hat dieser nicht widerlegt. Im Gegenteil: Zum Zeitpunkt des Widerrufs waren der Antragsgegnerin allein fünfundzwanzig gegen den Antragsteller gerichtete Vollstreckungsaufträge in Höhe von etwa 8.000 € bekannt geworden. Daneben waren im Zeitraum vom 15. Juli 2008 bis 25. August 2008 unter anderem weitere sieben Vollstreckungsaufträge über titulierte Forderungen in Höhe von insgesamt rund 70.000 € beim zuständigen Gerichtsvollzieher eingegangen. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Rechtsuchenden. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung hier ausnahmsweise nicht gegeben war, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.

Der Widerrufsgrund ist auch nicht, was zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), im Laufe des gerichtlichen Verfahrens weggefallen.

a)

Die dem Widerruf zugrunde liegende Eintragung des Antragstellers im Schuldnerverzeichnis ist zwar nach Mitteilung des Amtsgerichts M. vom 11. März 2010 zwischenzeitlich gelöscht worden. Der erlassene Haftbefehl ist mit Beschluss vom 10. Juli 2009 aufgehoben worden. Die für einen Vermögensverfall sprechenden Beweisanzeichen bestehen jedoch nach wie vor. So gingen am Tag des Erlasses des Widerrufsbescheids zwei neue und danach dreizehn weitere gegen den Antragsteller gerichtete Vollstreckungsaufträge.

In der Folgezeit verschlechterten sich die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers weiter. Auf Antrag der Sparkasse K. ordnete das Amtsgericht M. mit Beschlüssen vom 7. Dezember 2009 die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung des vom Antragsteller mit einem Verkehrswert von 350.000 € bezifferten Wohnungseigentums in der R. -Straße, M. an. Zwei Tage später ordnete das Amtsgericht L. auf Antrag des Finanzamts E. die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen des Antragstellers an (Beschluss vom 9. Dezember 2009 - IN ). Nach Auskunft des Insolvenzverwalter beliefen sich allein die Steuerschulden auf knapp 43.800 €.

Die damit begründeten Beweisanzeichen für seinen Vermögensverfall hat der Antragsteller nicht entkräftet. Er hat insbesondere weder seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend offen gelegt noch im Einzelnen dargetan, ob Forderungen zwischenzeitlich getilgt worden sind oder in welcher Weise er die bestehenden Verbindlichkeiten zu tilgen gedenkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Dezember 1991 - AnwZ (B) 40/91, [...], Tz. 6; vom 17. September 2007 - AnwZ (B) 75/06, AnwBl. 2008, 66, Tz. 4). Er hat sich darauf beschränkt, seine Gesamtverbindlichkeiten auf etwa 1.237.800 € zu beziffern. Soweit der Antragsteller sein Immobilienvermögen abzüglich der bestehenden Verbindlichkeiten mit 273.000 € beziffert, jährliche Einnahmen aus Gesellschaftsbeteiligungen in Höhe von 150.000 € bis 250.000 € behauptet und seine sonstigen Forderungen und Einnahmen auf insgesamt rund 580.000 € geschätzt hat, fehlt es an jeglichem Beleg.

b)

Nach wie vor sind Tatsachen, die ausnahmsweise die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung ungeachtet des Vermögensverfalls nicht gefährdet sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 , unter II 2 c; vom 25. Juni 2007- AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924 , Tz. 9; vom 15. September 2008 - AnwZ (B) 67/07, AnwBl. 2009, 64, Tz. 5), weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Annahme eines solchen Ausnahmefalls steht bereits entgegen, dass der Antragsteller in der Vergangenheit den Anwaltsberuf nicht beanstandungsfrei ausgeübt hat. Denn er wurde durch Urteil des Amtsgerichts E. vom 9. Juli 2008 wegen unterbliebener Weiterleitung von Fremdgeld zur Zahlung von 670,45 € nebst Zinsen verurteilt.

Verkündet am: 10. Mai 2010

Vorinstanz: AGH Bayern, vom 19.02.2009 - Vorinstanzaktenzeichen BayAGH I - 39/08