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BGH - Entscheidung vom 10.05.2010

AnwZ (B) 22/09

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluss vom 10.05.2010 - Aktenzeichen AnwZ (B) 22/09

DRsp Nr. 2010/10422

Voraussetzungen für den Widerruf einer Rechtsanwaltszulassung wegen vorliegender Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall des Anwalts

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe

I.

Der Antragsteller ist am 21. August 1979 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 16. Mai 2008 die Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO ), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht widerrufen worden.

1.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a)

Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577 ). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO , § 915 ZPO ) eingetragen ist.

Gegen den Antragsteller wurden, wie der der Widerrufsverfügung beigefügten Forderungsaufstellung zu entnehmen ist, seit dem Jahr 2002 von Gläubigern immer wieder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen. Zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vollstreckte der Vermieter der Kanzleiräume des Antragstellers, B. , offene Forderungen aus dem Mietverhältnis in Höhe von zusammen 9.169,13 € und die Firma G. einen Teilbetrag in Höhe von 1.537,80 € ihrer Gesamtforderung von 2.953,51 € (Nrn. 23, 24 und 25 der Forderungsaufstellung der Antragsgegnerin [künftig: FA]). Der Antragsteller war nicht in der Lage, diese Beträge zu bezahlen. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof sind deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller bei Erlass der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall geraten war.

b)

Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern. Anhaltspunkte dafür, dass dies hier ungeachtet des Vermögensverfalls nicht der Fall war, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor.

2.

Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor.

Dem Antragsteller ist es nicht gelungen, seine Vermögensverhältnisse dauerhaft zu ordnen. Zwar hat er immer wieder auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Gläubigerforderungen beglichen. Er hat es aber nicht geschafft, die fälligen Mieten für seine Kanzleiräume und die Rückstände aus dem Mietverhältnis zu begleichen. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof waren nach seinen eigenen Angaben daraus rund 25.000 € offen. Dem Antragsteller ist auch danach keine Regelung der Rückführung dieser Forderung gelungen. Der Vermieter B. hat am 4. Mai 2009 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse aufgrund von zwei Vollstreckungsbescheiden vom 15. Dezember 2008 und vom 12. Februar 2009 über rückständige Mieten von August bis November 2008 zuzüglich Kosten in Höhe von zusammen 9.517,75 € erwirkt und nach den Mitteilungen der Gerichtsvollzieherinnen W. und Be. Vollstreckungsaufträge über insgesamt 14.960,15 € erteilt (Nrn. 56 bis 59 FA). Weitere Vollstreckungsaufträge über insgesamt

11.214,64 € - Mieten von Mai bis November 2009 - hat dieser Gläubiger am 24. und 25. März 2010 dem Obergerichtsvollzieher K. erteilt (Nrn. 77 bis 80 FA).

Darüber hinaus sind im Laufe des Beschwerdeverfahrens weitere erhebliche offene Forderungen bekannt geworden. Aufgrund der Vollstreckungsaufträge der DAK über rückständige Beiträge für die Monate März bis Juli 2009 in Höhe von zusammen 7.802 € hat der Obergerichtsvollzieher K. nach seiner Mitteilung vom 7. September 2009 die Unpfändbarkeit des Antragstellers festgestellt (Nr. 66 FA). Nach einer Mitteilung dieses Gerichtsvollziehers vom 4. Januar 2010 hat der Gläubiger R. einen Vollstreckungsauftrag wegen einer offenen Gesamtforderung in Höhe von 21.536,73 € erteilt (Nr. 71 und Nr. 82 FA). Auch in diesem Verfahren hat der Obergerichtsvollzieher K. die Unpfändbarkeit festgestellt. Dass der Gläubiger R. weiterhin die Vollstreckung dieser Forderung betreibt, ergibt sich aus einer Mitteilung der Gerichtsvollzieherin Be. vom 6. April 2010. Nach Mitteilungen des Amtsgerichts I. vom 17. März 2010 und der Gerichtsvollzieherin Be. vom 6. April 2010 hat darüber hinaus die Gläubigerin U. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen einer Forderung in Höhe von 946,28 € erwirkt (Nr. 76 FA) und der Gläubiger Dr. Z. einen Vollstreckungsauftrag über 1.000,87 € erteilt (Nr. 81 FA).

Die Technikerkrankenkasse betreibt wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge von September 2009 bis Februar 2010 in Höhe von 2.009,76 € zuzüglich Säumniszuschlägen und Mahnkosten die Vollstreckung (Nr. 83 FA). Der Obergerichtsvollzieher K. hat erneut die Unpfändbarkeit des Antragstellers in den Geschäftsräumen festgestellt. Die DAK hat wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge von April 2009 bis März 2010 in Höhe von 17.661,06 € (Nr. 84 FA) nach ihrer Mitteilung an die Antragsgegnerin vom 19. April 2010 beim Amtsgericht H. Insolvenzantrag gestellt. Der Antragsteller hat hierzu im Beschwerdeverfahren nichts vorgetragen.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind.

Der Senat konnte in Abwesenheit des Antragstellers verhandeln und entscheiden, da dieser sein Ausbleiben im Termin nicht entschuldigt hat.

Verkündet am: 10. Mai 2010

Vorinstanz: AGH Nordrhein-Westfalen, vom 24.10.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 72/08