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BGH - Entscheidung vom 07.07.2010

IV ZR 267/04

Normen:
VBL-Satzung § 38 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
VBLS § 38 Abs. 1

BGH, Urteil vom 07.07.2010 - Aktenzeichen IV ZR 267/04

DRsp Nr. 2010/14351

Vereinbarkeit einer Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentliches Dienstes mit Zusatzversicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder; Anspruch eines Partners einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auf Hinterbliebenenrente aus § 38 Abs. 1 Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS)

Die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentliches Dienstes, die bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zusatzversichert sind, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar (Aufgabe des Senatsurteils vom 14. Februar 2007 - IV ZR 267/04 - VersR 2007, 676 , im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 - VersR 2009, 1607). Dem Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft steht jedenfalls seit dem 1. Januar 2005 ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 VBLS zu.

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 2004 sowie der 6. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 26. März 2004 teilweise aufgehoben und im Umfang der Aufhebung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei Fortbestehen der Lebenspartnerschaft des Klägers mit Herrn W. D. diesem bei Ableben des Klägers eine satzungsgemäße Hinterbliebenenrente wie eine Witwen-/Witwerrente zu gewähren.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Von Rechts wegen

Normenkette:

GG Art. 3 Abs. 1 ; VBLS § 38 Abs. 1;

Tatbestand

Der am 26. Juni 1954 geborene Kläger ist seit 1977 im öffentlichen Dienst beschäftigt und bei der Beklagten zusatzversichert. Er lebt seit 2001 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und erstrebt von der Beklagten wie ein verheirateter Arbeitnehmer behandelt zu werden.

Die Beklagte hat anlässlich der Umstellung ihrer Zusatzversorgung von einer beamtenähnlichen Gesamtversorgung auf ein beitragsorientiertes Betriebsrentensystem die Rentenanwartschaft berechnet, die der Kläger bis zum 31. Dezember 2001 erworben hat. Soweit es hierzu auf das fiktive Nettoarbeitsentgelt des Klägers ankommt, hat die Beklagte für die Lohnsteuer nicht die für Verheiratete geltende Steuerklasse III/0, sondern die Steuerklasse I/0 zugrunde gelegt. Außerdem hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass sie seinem Lebenspartner nicht die in § 38 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS) für den Ehegatten eines verstorbenen Versicherten oder Betriebsrentenberechtigten vorgesehene Hinterbliebenenrente zahlen werde.

Im Hinblick darauf beantragt der Kläger festzustellen, dass die Beklagte bei der Berechnung der Startgutschrift des Klägers die Lohnsteuerklasse III/0 zugrunde legen und seinem Lebenspartner bei fortbestehender Lebenspartnerschaft eine Hinterbliebenenrente nach § 38 VBLS zahlen müsse. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Revision des Klägers mit Urteil vom 14. Februar 2007 zurückgewiesen (VersR 2007, 676 ). Auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht den Teil des Verfahrens, der die Zugrundelegung der Steuerklasse III/0 bei der Berechnung der Startgutschrift betrifft, abgetrennt und führt dieses als eigenständiges Verfahren weiter (1 BvR 280/09). Mit Beschluss vom 7. Juli 2009 im Verfahren 1 BvR 1164/07 hat das Bundesverfassungsgericht ferner festgestellt, dass das Urteil des Senats sowie die Urteile des Land- und Oberlandesgerichts den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, soweit sie die Klage auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Rente, die der Hinterbliebenenrente nach § 38 VBLS entspricht, für unbegründet erachtet haben (VersR 2009, 1607). In diesem Umfang hat das Bundesverfassungsgericht das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Der Verwaltungsrat der Beklagten hat am 4. Dezember 2009 folgende Regelung beschlossen:

"Bis zu einer Einigung der Tarifvertragsparteien über die Hinterbliebenenversorgung für eingetragene Lebenspartner wird die VBL ermächtigt, hinterbliebene eingetragene Le-benspartner wie Witwen und Witwer zu behandeln und ent-sprechende Leistungen ab dem 1. Januar 2005 zu zahlen."

Die Beklagte hat daraufhin erklärt, gemäß diesem Beschluss zu verfahren.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist, soweit es den Anspruch des Klägers auf Feststellung betrifft, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei Fortbestehen der Lebenspartnerschaft des Klägers mit W. D. diesem bei Ableben des Klägers eine Hinterbliebenenrente zu zahlen, begründet. Über diesen abtrennbaren Teil der vom Kläger verfolgten Ansprüche kann durch Teilurteil gemäß § 301 ZPO entschieden werden.

1.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem für den Senat bindenden Beschluss vom 7. Juli 2009 entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei der VBL zusatzversichert sind, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist und sich jedenfalls für die Zeit ab 2005 keine sachbezogenen und gemeinsamen Gründe der Tarifvertragsparteien für die Ungleichbehandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mehr ergeben (BVerfG aaO Tz. 98). Zu den Rechtsfolgen dieses Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat es ausgeführt (aaO Tz. 124):

"Verstoßen Allgemeine Versicherungsbedingungen - wie hier die Satzung der VBL - gegen Art. 3 Abs. 1 GG , so führt dies nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Unwirksamkeit der betroffenen Klauseln (vgl. BGHZ 174, 127 <175>). Hierdurch entstehende Regelungslücken können im Wege ergänzender Auslegung der Satzung geschlossen werden (vgl. BGHZ 174, 127 <177>). Auch im vorliegenden Fall ist es zwar nicht durch den bewussten Ausschluss der Lebenspartner bei der Formulierung des § 38 VBLS, wohl aber durch die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Vertragsgestaltung aus verfassungsrechtlichen Gründen zu einer ungewollten Regelungslücke bei der Hinterbliebenenversorgung gekommen. Der Gleichheitsverstoß kann nicht durch bloße Nichtanwendung des § 38 VBLS beseitigt werden, weil ansonsten entgegen der zugrunde liegenden Konzeption Hinterbliebenenrenten auch für Ehegatten ausgeschlossen wären. Der mit der Hinterbliebenenversorgung nach § 38 VBLS verfolgte Regelungsplan lässt sich mithin nur dadurch vervollständigen, dass die für Ehegatten geltende Regelung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung findet. Dies entspricht auch dem hypothetischen Willen sowohl der VBL wie auch der Tarifvertragsparteien, die die eingetragenen Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung einbezogen hätten, wäre ihnen der hier festgestellte Gleichheitsverstoß bewusst gewesen. ..."

Hieraus folgt, dass die Regelung über die Hinterbliebenenrente in § 38 VBLS auch zugunsten des Klägers Anwendung findet und ihm ein entsprechender Feststellungsanspruch zusteht.

2.

Dem Feststellungsinteresse des Klägers nach § 256 Abs. 1 ZPO stehen auch nicht der Beschluss des Verwaltungsrats der Beklagten vom 4. Dezember 2009 und die dazu von der Beklagten abgegebenen Erklärungen entgegen. Zwar muss das Feststellungsinteresse einer Feststellungsklage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen (BGHZ 18, 98, 106; BGH, Urteil vom 4. Mai 2006 - IX ZR 189/03 - NJW 2006, 2780 Tz. 24; Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl. § 256 Rdn. 7c). Die Aufgabe des Bestreitens eines Anspruchs lässt ein einmal gegebenes Feststellungsinteresse aber nur dann entfallen, wenn der Gläubiger endgültig gesichert ist, wozu eine einseitige Erklärung desjenigen, der den Anspruch bisher bestritten hat, in der Regel nicht genügt (BGH, Urteile vom 4. Mai 2006 aaO; vom 5. Juli 1993 - II ZR 114/92 - NJW 1993, 2609 unter 2 a; vom 1. Februar 1988 - II ZR 152/87 - NJW-RR 1988, 749 unter 1; Zöller/Greger aaO). Eine nicht bindende Erklärung bewirkt nicht den Wegfall des Feststellungsinteresses. Vielmehr bedarf es zur endgültigen Sicherung des Gläubigers in der Regel eines Anerkenntnisses des Schuldners (vgl. HK-ZPO/Saenger, ZPO 3. Aufl. § 256 Rdn. 12). Ein derartiges Anerkenntnis hat die Beklagte nicht abgegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten, welches vom Ausgang des abgetrennten Verfahrens 1 BvR 280/09 des Bundesverfassungsgerichts abhängig ist.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 7. Juli 2010

Vorinstanz: LG Karlsruhe, vom 26.03.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 968/03
Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 21.10.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 12 U 195/04