Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 11.02.2010

V ZR 161/09

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 4

BGH, Beschluss vom 11.02.2010 - Aktenzeichen V ZR 161/09

DRsp Nr. 2010/4357

Vereinbarkeit der Zurückweisung eines Parteivortrags als unzureichend substantiiert trotz Möglichkeit einer Erklärung mit Nichtwissen mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Juli 2009 wird zurückgewiesen, soweit sich diese gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts zu dem Hauptantrag richtet.

Im Übrigen wird das Berufungsurteil aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 100.000 €.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; ZPO § 138 Abs. 4 ;

Gründe

I.

Die Klägerin ist die Ehefrau von G. A. , der im Jahr 2003 den Zirkus A. betrieb. Im Januar 2003 schloss die Beklagte mit "B. R. , Circus G. A. " einen Mietvertrag über eine Grundstücksfläche, auf der der Zirkus Quartier nahm. Da es in der Folgezeit zu erheblichen Mietzinsrückständen kam, vereinbarten die Parteien des Mietvertrages am 20. November 2003 ein Pfandrecht an verschiedenen in einem Faxschreiben näher bezeichneten Gegenständen. Zu diesen gehörte u.a. ein Salonwagen.

Im Juli 2004 wurden auf Antrag der Beklagten von dem zuständigen Gerichtsvollzieher drei Zirkus-, ein Pack- sowie der Salonwagen versteigert. Der Erlös betrug vor Abzug der Verfahrenskosten 8.500 EUR. Die Klägerin behauptet, Eigentümerin des von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Salonwagens zu sein, der einen Wert von wenigstens 50.000 EUR gehabt habe und in dessen Inneren sich Gegenstände mit einem Gesamtwert von ebenfalls 50.000 EUR befunden hätten. Die Beklagte habe während einer kurzen Abwesenheit des Zirkuspersonals den Salonwagen nebst Inhalt an sich gebracht. In erster Linie gestützt auf die nach ihrer Auffassung unberechtigte Versteigerung des Salonwagens und hilfsweise auf die von ihr behauptete Entwendung der in dem Wagen befindlichen Gegenstände, verlangt die Klägerin von der Beklagten 50.000 EUR nebst Zinsen.

Das Landgericht hat der Klage lediglich in Höhe von 3.959,19 EUR (Erlös für den Salonwagen abzüglich anteiliger Verfahrenskosten) nebst Zinsen stattgegeben. Auf die hiergegen von beiden Parteien eingelegten Berufungen hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtstreit auf Antrag der Klägerin zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Es meint, dem Landgericht seien entscheidungserhebliche Verfahrensfehler sowohl bei der Entscheidung über den Haupt- als auch bei der über den Hilfsantrag unterlaufen. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat nur teilweise Erfolg.

1.

Unbegründet ist sie, soweit sich die Beklagte gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts zu dem Hauptantrag wendet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch. Die Rechtssache wirft insoweit weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO ). Von einer näheren Begründung wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.

2.

Dagegen ist die Nichtzulassungsbeschwerde begründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts zu dem Hilfsantrag richtet.

a)

Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das Rechtsmittelgericht im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung wegen des Hauptantrages zudem über das Rechtsmittel wegen des Hilfsantrages befinden muss (vgl. BGHZ 120, 96 ff.; ebenso MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 528 Rdn. 42); die Stattgabe oder Abweisung der auf einen Hilfsantrag gestützten Klage steht lediglich unter der auflösenden Bedingung, dass dem Hauptantrag nicht stattgegeben wird (vgl. BGHZ 106, 219 , 221; 112, 229, 232).

b)

Mit Blick auf den Hilfsantrag steht das Berufungsgericht auf dem Standpunkt, die Entwendung der in dem Salonwagen befindlichen Gegenstände durch die Beklagte stehe fest. Die diesbezügliche Behauptung der Klägerin sei von der Beklagten nur "völlig substanzlos" bestritten worden, so dass das klägerische Vorbringen als zugestanden gelte. Die Beschwerde rügt zu Recht, dass diese Rechtsanwendung den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Dies führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 7 ZPO ).

Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen durch das Gericht dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann vor, wenn die Verneinung einer ausreichenden Substantiierung offenkundig unrichtig ist (Senat, Beschl. v. 12. Juni 2008, V ZR 221/07, WM 2008, 2068 ; vgl. auch BVerfG NJW 2001, 1565 ). So liegt es hier.

Die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hat sich im Wesentlichen auf die wenig konkrete Behauptung beschränkt, die Beklagte habe den Salonwagen gewaltsam geöffnet und die im Einzelnen beschriebenen Gegenstände an sich gebracht. Bei dieser Sachlage liegt es auf der Hand, dass es nicht Sache der Beklagten war, den vagen Vorwürfen der Klägerin mit konkretem Bestreiten zu begegnen. Sie hätte sich danach auf Bestreiten mit Nichtwissen beschränken dürfen (§ 138 Abs. 4 ZPO ). Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung nahe legen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass es nach Lage der Dinge nur die Beklagte gewesen sein kann, die die Gegenstände an sich gebracht hat, ein Zugriff Dritter also auszuschließen ist. Aber auch hiervon abgesehen kann das Bestreiten der Beklagten zudem deshalb nicht als substanzlos qualifiziert werden, weil die Beklagte - worauf die Beschwerde zutreffend verweist - nicht nur der Behauptung der Klägerin entgegen getreten ist, sondern darüber hinaus vorgetragen hat, sie habe den Wagen zum ersten und zum letzten Mal am Tage vor dem Pfandverkauf betreten und diesen dabei unverschlossen und verwüstet vorgefunden (Schriftsätze vom 20. August 2008 und vom 5. Mai 2009). Das Oberlandesgericht wird daher erneut Feststellungen zu der Behauptung der Klägerin zu treffen haben.

III.

Die Erwägungen der Vorinstanzen zu dem Hauptantrag geben Veranlassung zu dem Hinweis, dass gerade bei Nichtbestehen eines Pfandrechts ein Anspruch der Klägerin zumindest auf den Versteigerungserlös in Betracht kommt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB ). Dem Wert des Salonwagens kommt bereicherungsrechtlich dagegen keine Bedeutung zu. Dies ist dem Berufungsgericht offenbar aus dem Blick geraten, jedoch nicht von der Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen worden. Da die von dem Berufungsgericht ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung jedoch nicht auf dieser materiellrechtlichen Erwägung beruht, sondern auf dem von ihm angenommenen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG , ist das Landgericht nicht gehindert, der Klage ggf. unter dem Blickwinkel der Eingriffskondiktion erneut teilweise stattzugeben.

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 16.07.2009 - Vorinstanzaktenzeichen I-13 U 26/09
Vorinstanz: LG Wuppertal, vom 21.01.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 168/08