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BGH - Entscheidung vom 07.04.2010

3 StR 91/10

Normen:
§ 349 Abs. 2, 4 StPO
StPO § 349 Abs. 2
StGB § 64

BGH, Beschluss vom 07.04.2010 - Aktenzeichen 3 StR 91/10

DRsp Nr. 2010/7992

Überprüfung von Ausführungen eines Strafgerichts hinsichtlich des Vorliegens bzw. des Nichtvorliegens eines Hangs zum Alkohol; Rechtmäßigkeit der Entscheidung eines Strafgerichts hinsichtlich der Nichtunterbringung eines Straftäters mit Alkoholproblemen in einer Entziehungsanstalt

Der Bejahung der Erfolgsaussichten einer Unterbringung nach § 64 StGB steht bei einem therapiebereiten und -willigen Angeklagten nicht entgegen, dass er bereits zwei stationäre Entgiftungsbehandlungen absolviert hat.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StGB § 64 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1.

Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2.

Das Urteil hat jedoch keinen Bestand, soweit das Landgericht es abgelehnt hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB ) anzuordnen.

a)

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung insoweit - ohne dies näher zu belegen - lediglich ausgeführt, nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich die Strafkammer anschließe, bestehe beim Angeklagten kein Hang im Sinne des § 64 StGB , also eine ihn treibende oder beherrschende Neigung, Alkohol in einem Umfang zu konsumieren, durch welchen Gesundheit, Arbeits- oder Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden.

b)

Damit hat das Landgericht seiner Entscheidung zwar ein zutreffendes Verständnis von den Voraussetzungen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB zugrunde gelegt. Die pauschale Annahme der Strafkammer, diese Voraussetzungen lägen nicht vor, wird jedoch durch die Feststellungen des Urteils nicht getragen. Danach ist die sechs Jahre dauernde Partnerschaft des Angeklagten mit der Zeugin B. durch häufige Trennungen gekennzeichnet, deren Ursache der exzessive Alkoholkonsum des Angeklagten ist. Der Angeklagte absolvierte zwei stationäre Entgiftungen. Auf Grund seines Alkoholproblems kam es bei ihm schon zu morgendlichem Zittern, starkem Schwitzen und Herzrasen. Die Zeugin B. musste einmal einen Krankenwagen rufen, weil der Angeklagte kaum noch atmen konnte, da seine Zunge nach hinten gefallen war. Der Angeklagte wurde mehrfach wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verurteilt, in einem Fall betrug seine BAK 2,64 Promille. Die Ablehnung der Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung hat das Landgericht unter anderem damit begründet, dem Angeklagten könne im Hinblick auf seine Vorstrafen und sein unbewältigtes Alkoholproblem, das sich auch in der Begehung seiner Straftaten zeige, keine günstige Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB gestellt werden. Bei dieser Sachlage durfte das Tatgericht einen Hang des Angeklagten im Sinne des § 64 StGB nicht ohne jede nähere Begründung verneinen.

c)

Die Anordnung der Maßregel scheidet auch nicht aus anderem Grunde aus. Nach den bisherigen Feststellungen ist weder der symptomatische Zusammenhang zwischen einem möglichen Hang des Angeklagten und der Anlasstat noch die Gefahr auszuschließen, dass der Angeklagte auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Anhaltspunkte dafür, dass keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel im Sinne des § 64 Satz 2 StGB besteht, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der Angeklagte ist therapiebereit und -willig. Außer den zwei stationären Entgiftungsbehandlungen hat er bisher keine Entwöhnungsmaßnahme absolviert.

2.

Über die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB muss deshalb unter Hinzuziehung eines - gegebenenfalls anderen - Sachverständigen (§ 246 a StPO ) neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO ; BGHSt 37, 5 ; BGH NStZ-RR 2008, 107 ; 2009, 48 ). Der Angeklagte hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGHSt 38, 362 f.). Soweit der Generalbundesanwalt ausgeführt hat, der Beschwerdeführer sei durch die Nichtanordnung der Maßregel nicht beschwert, verweist der Senat auf seine Ausführungen in der Entscheidung vom 7. Januar 2009 - 3 StR 458/08 (BGHR StGB § 64 Ablehnung 11).

3.

Der Strafausspruch kann bestehen bleiben; denn es ist auszuschließen, dass das Tatgericht bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

Vorinstanz: